TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/22 2001/10/0021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2003
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs2;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/10/0062 2001/10/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerden 1.) der (im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung) mj. Simone G, vertreten durch die Kindesmutter Angelika G in G, diese vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/1, gegen den Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 28. November 2000, Zl. 2000/0410, betreffend Waisenrente (zur Zl. 2001/10/0021), 2.) der Edith S in G, vertreten durch Dr. Hans Werner Schmidt, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Brockmanngasse 63, gegen den Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 28. November 2000, Zl. 2000/0399, betreffend Witwenrente und Todfallsbeitrag (zur Zl. 2001/10/0062), und 3.) der Sandrin S in G, vertreten durch Dr. Hans Werner Schmidt, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Brockmanngasse 63, gegen den Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 28. November 2000, Zl. 2000/0399, betreffend Waisenrente (zur Zl. 2001/10/0063),

zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 und der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von jeweils EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Jahre 1984 geborene Beschwerdeführerin zur Zl. 2001/10/0021 (in der Folge: Erstbeschwerdeführerin) ist die außereheliche Tochter des am 4. Juli 2000 verstorbenen Rechtsanwaltes Dr. Werner S., der im Zeitpunkt seines Ablebens Mitglied der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer war.

Die Beschwerdeführerin zur Zl. 2001/10/0062 (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin) ist die geschiedene Ehegattin und die im Jahre 1977 geborene Beschwerdeführerin zur Zl. 2001/10/0063 (in der Folge: Drittbeschwerdeführerin) die eheliche Tochter des genannten Rechtsanwaltes.

Mit Bescheid der Abteilung 3 der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 19. September 2000 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Gewährung einer monatlichen Waisenrente gemäß § 9 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (kundgemacht im AnwBl 1995/5, 629 ff, sowie 1999/8, 920 ff; in der Folge: Satzung) beginnend mit 1. August 2000 abgewiesen. Nach der Begründung habe die Erstbeschwerdeführerin mit Eingabe vom 18. Juli 2000 die Gewährung einer Waisenrente nach ihrem verstorbenen Vater beantragt. Zum Zeitpunkt seines Ablebens hätten aber Beitragsrückstände bei der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer in einem S 400.000,-- übersteigenden Ausmaß bestanden. Gemäß § 2 des Teiles C der Satzung (in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung vom 22. Juni 1999) seien sämtliche Leistungen nach dieser Versorgungseinrichtung gegenüber allfälligen Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegenüber dem vormaligen Rechtsanwalt, insbesondere mit Beitragsrückständen jeglicher Art verrechenbar, sofern dem nicht ein gesetzliches Verbot entgegen stehe. Es erfolge daher die Verrechnung der Waisenpension der Erstbeschwerdeführerin mit den Beitragsrückständen sowie mit der Witwenpension und dem Todfallsbeitrag der Zweitbeschwerdeführerin sowie der Waisenpension der Drittbeschwerdeführerin.

Mit Bescheiden der Abteilung 3 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 19. September 2000 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Witwenrente und der Antrag auf Auszahlung des Todfallsbeitrages gemäß § 8 bzw. § 11 des Satzung abgewiesen. Nach der Begründung sei die Zweitbeschwerdeführerin die Witwe des genannten Rechtsanwaltes. Ihre Ehe mit diesem Rechtsanwalt sei mit Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 7. Oktober 1997 geschieden worden, wobei gemäß § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes festgestellt worden sei, dass das alleinige Verschulden an der Zerrüttung Dr. Werner S. trage. Laut gerichtlichem Scheidungsvergleich vom 7. Oktober 1997 habe sich dieser zur Leistung eines Unterhaltes an seine geschiedene Frau von monatlich S 15.000,-- verpflichtet. Die Zweitbeschwerdeführerin habe mit Eingabe vom 12. Juli 2000 die Zuerkennung einer Witwenrente sowie die Auszahlung des Todfallsbeitrages beantragt. Nach Auffassung der Abteilung 3 des Ausschusses seien dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Witwenrente im Sinne der Satzung gegeben. Bezüglich des Antrages auf Ausschüttung des Todfallsbeitrages sei festzuhalten, dass Dr. Werner S. weder letztwillig über das Sterbegeld verfügt noch der Rechtsanwaltskammer schriftlich einen Empfänger namhaft gemacht habe. Hinsichtlich beider Ansprüche (Witwenrente, Todfallsbeitrag) sei darauf zu verweisen, dass gemäß § 2 des Teiles C der Satzung sämtliche Leistungen nach dieser Versorgungseinrichtung mit allfälligen Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegen den Rechtsanwalt verrechenbar seien, insbesondere mit Beitragsrückständen jeglicher Art, sofern dem ein gesetzliches Verbot nicht entgegenstehe. Es erfolge daher die Verrechnung der Beitragsrückstände mit den geltend gemachten Ansprüchen der Zweitbeschwerdeführerin, ebenso wie mit den Ansprüchen anderer Nachkommen des verstorbenen Rechtsanwaltes.

Mit einem weiteren Bescheid der Abteilung 3 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 19. September 2000 wurde der Antrag der Drittbeschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Waisenrente gemäß § 9 der Satzung abgewiesen. Nach der Begründung habe die Drittbeschwerdeführerin mit schriftlicher Eingabe vom 12. Juli 2000 die Zuerkennung einer Waisenrente beantragt. Nach Auffassung der Abteilung 3 des Ausschusses seien dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Waisenrente gegeben. Dennoch sei der Antrag aber im Hinblick auf die Beitragsrückstände des verstorbenen Rechtsanwaltes bei der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer in einem den Betrag von S 400.000,-- übersteigenden Ausmaß abzuweisen gewesen. Gemäß § 2 des Teiles C der Satzung erfolge die Verrechnung dieser Beitragsrückstände mit der Waisenrente der Drittbeschwerdeführerin, ebenso wie mit den Ansprüchen anderer Nachkommen des verstorbenen Rechtsanwaltes.

Gegen diese Bescheide haben die Beschwerdeführerinnen jeweils Vorstellung an den Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer erhoben.

Die Erstbeschwerdeführerin brachte dabei im Wesentlichen vor, es gehe nicht an, dass sie als Tochter des verstorbenen Rechtsanwaltes für dessen Beitragsrückstände bei der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer hafte. Es müsse der Rechtsanwaltskammer angelastet werden, dass überhaupt so hohe Beitragsrückstände entstanden seien, welche aber im Konkursverfahren gegen den Nachlass nach Dr. Werner S. angemeldet werden könnten.

Die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin begründeten ihre Vorstellung im Wesentlichen damit, dass in ihrem Fall ein Härtefall gegeben sei, der die Anwendung des § 12 der Satzung rechtfertige. Von dieser Bestimmung wäre im Sinne einer Ermessensentscheidung Gebrauch zu machen gewesen. Außerdem gehe aus dem Bescheid der Erstbehörde nicht hervor, wie hoch die allfälligen Beitragsschulden des Verstorbenen gewesen seien. Sämtliche Leistungen der Antragstellerinnen und anderer Anspruchsberechtigter seien zu berechnen und auszusprechen gewesen, ab welchem Zeitpunkt den Antragstellerinnen jedenfalls Leistungen aus der Versorgungseinrichtung zustünden. Im Übrigen sei die Aufrechnung zu Unrecht erfolgt.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde den Vorstellungen Folge gegeben, die Bescheide der Abteilung 3 des Ausschusses aufgehoben und "die Sache zwecks Verfahrensergänzung und neuerlicher Entscheidung an die Abteilung 3 zurückverwiesen."

Nach den - im Wesentlichen gleich lautenden - Begründungen komme den Vorstellungen teilweise Berechtigung zu. In den Bescheiden der Abteilung 3 hätte nämlich zum Ausdruck kommen müssen, mit welchen konkreten Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegenüber dem verstorbenen Rechtsanwalt die Verrechnung erfolge. Die in den Bescheiden der Abteilung 3 erwähnten Beitragsrückstände seien daher aufzugliedern und genau zu beziffern.

Zu beachten sei ferner, dass die Verrechenbarkeit nach § 2 des Teiles C der Satzung nicht nur mit Beitragsrückständen möglich sei, sondern auch mit allen Forderungen, die die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer gegenüber dem vormaligen Rechtsanwalt habe. Aus dem Beschluss des Ausschusses vom 4. Oktober 2000, Zl. 2000/389 gehe hervor, dass der genannte Rechtsanwalt in den Jahren 2000 und davor ihm anvertraute Klientengelder veruntreut habe, wobei zum Zeitpunkt des Ergehens dieses Beschlusses ein Mindestbetrag von S 636.714,83 festgestanden sei. Dieser Betrag habe sich mittlerweile beträchtlich erhöht und könne sich noch weiter erhöhen. Es werde daher im Zuge von Verfahrensergänzungen festzustellen sein, inwieweit aus dem Notfallsfonds der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer Leistungen an derart Geschädigte erbracht bzw. inwieweit und in welchem Umfang Forderungen von Geschädigten an die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer abgetreten worden seien. Unter Zugrundelegung der in den Bescheiden der Abteilung 3 getroffenen Feststellungen würden daher die Ansprüche der Beschwerdeführerinnen nicht abzuweisen sein. Vielmehr werde im Spruch der jeweiligen Bescheide zum Ausdruck kommen müssen, dass dem Grunde nach ein solcher Anspruch bestehe, die Rente jedoch so lange nicht zur Auszahlung gelange bis die im Einzelnen aufgegliederten Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegen den verstorbenen Rechtsanwalt im Wege der Aufrechnung mit dem Anspruch auf Leistung einer Rente an die jeweilige Beschwerdeführerin oder durch Leistungen Dritter getilgt sei.

Der Hinweis auf § 12 der Satzung könne die erhobene Vorstellung nicht begründen. Diese Bestimmung ermächtige den Ausschuss lediglich, auf Antrag in außerordentlichen Härtefällen nach freiem Ermessen und ohne Begründung eines Rechtsanspruches Leistungen zu gewähren. Die (Zweit- und Dritt-) Beschwerdeführerinnen könnten somit einen Anspruch auf Leistungen im Sinne des § 12 der Satzung nicht geltend machen. Die Aufrechnung sei auch nicht zu Unrecht erfolgt, da der Aufrechnung kein gesetzliches Verbot entgegen stehe.

Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches (der Zweitbeschwerdeführerin) auf Auszahlung eines Todfallsbeitrages werde noch zu klären sein, ob die Voraussetzungen, welche § 11 der Satzung vorsehe, im Anlassfall gegeben seien. Entsprechende Feststellungen würden von der Erstbehörde zu treffen sein. Erst dann könne gesagt werden, ob der Zweitbeschwerdeführerin der Todfallsbeitrag zustehe und damit überhaupt erst Gegenstand einer Verrechnung sein könne.

Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich dabei im Wesentlichen im Recht auf Auszahlung der beantragten Hinterbliebenenleistungen sowie im Recht, dass der belangten Behörde nicht eine unrichtige Rechtsauffassung überbunden werde, verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen die Abweisung der Beschwerden beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Nach § 49 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 474/1990 (RAO), haben die Rechtsanwaltskammern Einrichtungen zur Versorgung ihrer Mitglieder für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit sowie zur Versorgung der Hinterbliebenen für den Fall des Todes des Mitgliedes mit einer zu beschließenden Satzung zu schaffen und aufrecht zu erhalten.

Gemäß § 50 Abs. 1 RAO in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 71/1999 haben jeder Rechtsanwalt und seine Hinterbliebenen bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalles Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

Nach § 50 Abs. 2 RAO ist der Anspruch nach festen Regeln in den Satzungen der Versorgungseinrichtungen festzusetzen. Dabei sind die in den Ziffern 1 bis 5 näher umschriebenen Grundsätze zu beachten.

Nach § 50 Abs. 2 Z. 1 RAO sind nur Rechtsanwälte, die zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalls in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind, sowie die Witwe bzw. der Witwer (der geschiedene Ehegatte) und die Kinder eines Rechtsanwalts, der im Zeitpunkt seines Todes in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen ist oder einen Anspruch auf eine Versorgungsleistung gehabt hat, bei Vorliegen weiterer in Z. 2 (in Grundsätzen) geregelter Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs zum Bezug von Leistungen aus der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung berechtigt.

Jeder Versorgungsanspruch wird nach § 50 Abs. 2 Z. 3 RAO mit Ablauf des Monats wirksam, in dem alle Voraussetzungen des betreffenden Anspruchs erfüllt sind.

Nach § 51 RAO in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 71/1999 hat die Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer alljährlich eine Leistungsordnung und eine Umlagenordnung zu beschließen. In der Leistungsordnung ist die Höhe der von der Versorgungseinrichtung zu erbringenden Leistungen festzusetzen, in der Umlagenordnung die Höhe der Beiträge zur Aufbringung der dazu notwendigen Mittel.

Gemäß § 53 Abs. 2 Z. 3 RAO sind die Beiträge für alle Kammermitglieder gleich hoch zu bemessen. Die Umlagenordnung kann jedoch bestimmen, dass Umlagen in berücksichtigungswürdigen Fällen gestundet und allfällige Rückstände mit den Leistungen aus der Versorgungseinrichtung aufgerechnet werden.

Nach § 2 des Teiles C der gemäß § 50 Abs. 2 RAO beschlossenen Satzung sind sämtliche Leistungen nach dieser Versorgungseinrichtung gegenüber allfälligen Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegenüber dem - vormaligen - Rechtsanwalt, insbesondere mit Beitragsrückständen jeglicher Art verrechenbar, sofern nicht ein gesetzliches Verbot dem entgegen steht.

Nach § 3 Abs. 1 des Statuts der Versorgungseinrichtung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer umfassen die Leistungen der Versorgungseinrichtung Altersrenten (§ 6), Berufsunfähigkeitsrenten (§ 7), Witwenrenten (§ 8) und Waisenrenten (§ 9). Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bestehen auch auf "sonstige Leistungen, wie insbesondere Sterbegelder oder Abfindungen", ein Rechtsanspruch nach Maßgabe der gültigen Leistungsordnung. Die Leistungsordnung der Versorgungseinrichtung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer idF des Beschlusses der ordentlichen Vollversammlung vom 22. Juni 1999 sieht die Leistung eines Todfallsbeitrages (vgl. § 11 des Teiles A) vor.

Gemäß § 12 Abs. 1 lit. a Teil A der Satzung ("Außerordentliche Unterstützungen") ist der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer ermächtigt, auf Antrag in außerordentlichen Härtefällen nach freiem Ermessen und ohne Begründung eines Rechtsanspruches Leistungen an Rechtsanwälte und deren Hinterbliebene unter Absehen von den für die Leistungen solcher Versorgungsleistungen notwendigen Voraussetzungen zu gewähren.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf Gewährung von Pensionsleistungen bzw. eines Todfallsbeitrages mit Bescheiden der Abteilung 3 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer abgewiesen worden sind. Auf Grund der dagegen erhobenen Vorstellungen wurden diese Entscheidungen mit den angefochtenen Bescheiden des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (belangte Behörde) aufgehoben und die Sache zwecks Verfahrensergänzung und neuerlicher Entscheidung an die Abteilung 3 zurückverwiesen.

Diesen Entscheidungen liegt im Wesentlichen die Auffassung zu Grunde, den Beschwerdeführerinnen stünden die beantragten Leistungen nach der Satzung (dem Grunde nach) zu, in den Bescheiden der Abteilung 3 hätte allerdings zum Ausdruck kommen müssen, mit welchen konkreten Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegenüber dem verstorbenen Rechtsanwalt Dr. Werner S. die Verrechnung erfolge. Die in den Bescheiden der Abteilung 3 erwähnten Beitragsrückstände seien daher aufzugliedern und genau zu beziffern. Zu beachten sei ferner, dass die Verrechenbarkeit nicht nur mit Beitragsrückständen möglich sei, sondern auch mit allen Forderungen, welche die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer gegenüber dem vormaligen Rechtsanwalt habe. In diesem Zusammenhang sei auf Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer zu verweisen, die diese im Wege der Abtretung im Zusammenhang mit Zahlungen aus dem Notfallsfonds erworben hätte. Es werde daher im Zuge der Verfahrensergänzung auch festzustellen sein, inwieweit aus dem Notfallsfonds der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer Leistungen an Geschädigte erbracht bzw. inwieweit und in welchem Umfang Forderungen von Geschädigten an die Rechtsanwaltskammer abgetreten worden seien.

Die angefochtenen Bescheide, mit denen die (abweisenden) Bescheide der Behörde erster Instanz aufgehoben und die Sache zwecks Verfahrensergänzung und neuerlicher Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen worden sind, sind verfahrensrechtliche Bescheide, die mit Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden können. Durch diese Bescheide könnten die Beschwerdeführerinnen einerseits dadurch in ihren Rechten verletzt werden, dass die belangte Behörde zu Unrecht die Entscheidungen der ersten Instanz aufgehoben und die Sache an diese zurückverwiesen, somit keine Sachentscheidung getroffen hat, aber auch dadurch, dass die belangte Behörde von einer für sie nachteiligen, jedoch für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist.

Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Verfahren vor den Behörden der Rechtsanwaltskammern die Bestimmungen des AVG nicht anzuwenden sind. Soweit nicht für das Verfahren besondere Vorschriften bestehen, sind daher nur allgemeine Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens anzuwenden (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 7. September 1990, Zl. 90/18/0049, sowie das Erkenntnis vom 24. April 1995, Zl. 94/19/1110).

Die belangte Behörde durfte daher die Bescheide der Behörde erster Instanz wegen der ihrer Ansicht nach fehlerhaften Rechtsauffassung beheben und zur weiteren Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG ("... Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, ...") zurückverweisen. Ein Verstoß gegen allgemeine Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens ist dadurch nicht gegeben.

Soweit die Beschwerdeführerinnen behaupten, dadurch in ihren Rechten verletzt zu sein, dass die belangte Behörde von einer für sie nachteiligen, für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen sei, sind sie aus folgenden Erwägungen im Recht:

Eine Bindung geht nur von jenen Gründen aus, welche die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides tragen. Tragend für die Aufhebung war dabei die Auffassung der belangten Behörde, die Anträge der Beschwerdeführerinnen hätten nicht abgewiesen werden dürfen, sondern in den Bescheiden der Erstbehörde hätte zum Ausdruck kommen müssen, mit welchen konkreten Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegenüber dem verstorbenen Rechtsanwalt die Verrechnung mit den Pensionsleistungen bzw. dem Todfallsbeitrag erfolge, wobei alle Leistungen nach der Versorgungseinrichtung mit sämtlichen allfälligen Forderungen der Rechtsanwaltskammer gegenüber dem vormaligen Rechtsanwalt verrechenbar seien, sofern dem nicht ein gesetzliches Verbot entgegen steht. Die Behörde erster Instanz habe daher Leistungen so lange nicht auszuzahlen, als die Forderungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gegenüber dem verstorbenen Rechtsanwalt nicht getilgt seien.

Eine Aufrechnung in dem von der belangten Behörde ihrem Bescheid zu Grunde gelegten Ausmaß ist allerdings - unabhängig von der Frage, ob und inwieweit eine Aufrechnung zulässig ist - jedenfalls rechtswidrig (vgl. dazu das Erkenntnis vom 18. September 2003, Zlen. 2002/06/0013, 0014, 0127, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Die angefochtenen Bescheide waren daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. Dezember 2003

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001100021.X00

Im RIS seit

05.02.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten