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L3 FinanzrechtNorm
StGG Art5Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der Rückzahlung von Anzeigenabgabe für Rundfunkwerbung in Niederösterreich im Dezember 1997 seitens des ORF; Anwendbarkeit einer aufgehobenen Bestimmung des Nö Anzeigenabgabegesetzes mangels Anlaßfallwirkung der Aufhebung im vorliegenden Fall; keine Prüfung einer weiteren Bestimmung dieses Gesetzes im Hinblick auf die im Sinne der Vorjudikatur verfassungsrechtlich unbedenkliche rückwirkende Ermächtigung zur Abgabenerhebung für Rundfunkwerbung nach dem Studioprinzip und auf das Gebot der verfassungskonformen GesetzesauslegungSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die vorliegende Beschwerde wendet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung, mit dem ein Antrag des Österreichischen Rundfunks auf Rückzahlung des im Jänner 1998 entrichteten Betrages an Anzeigenabgabe (für die Verbreitung von Rundfunkwerbung im Dezember 1997) als unbegründet abgewiesen wurde.
2. Die gegen diesen Bescheid gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes.
In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, die mit dem Erk. des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1997, G322/97, 323/97 (VfSlg. 14.951/1997), ausgesprochene Aufhebung des §2a des Niederösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes, LGBl. 3705 (in der Folge Nö. AnzeigenabgabeG), erstrecke sich auch auf die verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die die Einhebung der in §2a leg.cit. vorgesehenen Abgabe durch das Land regeln. Es sei daher "zu überlegen", ob nicht eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vorliege, weil die belangte Behörde nicht als Gemeindeaufsichtsbehörde, sondern als Berufungsbehörde eingeschritten sei.
Überdies wird gerügt, daß im Hinblick auf das hg. Erk. vom 17. Dezember 1998, G15/98, V9/98 (VfSlg. 15.395/1998), zur Wiener Ankündigungsabgabe, §4 Abs5 des Nö. AnzeigenabgabeG, LGBl. 3705, als verfassungswidrig anzusehen sei. Diese Vorschrift nehme zwar darauf Bedacht, ob Werbung auch in Gebieten außerhalb von Niederösterreich verbreitet werde, mache die Einschränkung der "Ankündigungsabgabe" auf den in Niederösterreich erzielten "Reklamewert" aber davon abhängig, ob die Rundfunkwerbung in diesen anderen Gebieten einer vergleichbaren Abgabe unterliege. Diese Bedingung sei verfassungswidrig; außerdem müßte sie auf die Gemeinde St. Pölten - und nicht auf Niederösterreich - bezogen sein.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie diesen Argumenten entgegentritt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erk. vom 4. Oktober 1997, G322/97, 323/97 (VfSlg. 14.951/1997), §2a des Nö. AnzeigenabgabeG deswegen als verfassungswidrig aufgehoben, weil die vom Rundfunk verbreitete Werbung als Ankündigung im finanzausgleichsrechtlichen Sinn zu qualifizieren sei und durch die Einordnung der auf die Rundfunkwerbung erhobenen Abgabe als zwischen Land und Gemeinden geteilte Abgabe das freie Beschlußrecht der Gemeinden mißachtet werde. Die Aufhebung wurde vom Landeshauptmann von Niederösterreich am 30. Dezember 1997 im Landesgesetzblatt 3705-3 kundgemacht. Mangels eines besonderen Ausspruches ist davon auszugehen, daß §2a Nö. AnzeigenabgabeG für alle vor der Kundmachung der Aufhebung verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme der Anlaßfälle (im engeren Sinn), anläßlich deren das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, und all jener Beschwerdefälle, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988) - weiterhin anzuwenden ist.
1.2. Die am 12. April 1999 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde betrifft die im Jänner 1998 entrichtete Anzeigenabgabe für den Zeitraum Dezember 1997 bis zur erwähnten Kundmachung der Aufhebung des §2a Nö. AnzeigenabgabeG im Landesgesetzblatt. Auf sie ist daher, da es sich um keinen Anlaßfall oder einen dem Anlaßfall gleichzuhaltenden Beschwerdefall für das mit Erk. vom 4. Oktober 1997 abgeschlossene Gesetzesprüfungsverfahren G322/97, G323/97 (VfSlg. 14.951/1997) handelt, §2a Nö. AnzeigenabgabeG weiterhin anzuwenden (vgl. auch den ebenfalls den beschwerdeführenden Rundfunk betreffenden Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1997, B2518/97).
1.3. Auf den der Beschwerde zugrundeliegenden Fall ist aber nicht nur die aufgehobene Bestimmung weiterhin anzuwenden; es sind auch jene Regelungen weiterhin anzuwenden, die sich als logische Konsequenz der (als verfassungswidrig erkannten) Einordnung der Ankündigungsabgabe als (geteilte) Landesabgabe ergeben, jedoch aus Präjudizialitätsgründen nicht aufgehoben werden konnten oder mußten. Das gilt nicht nur für die auf dieser Einordnung aufbauenden Verfahrensvorschriften, sondern auch für §4 Abs5 Nö. AnzeigenabgabeG, soweit diese Bestimmung sich daraus erklären läßt, daß sie auf das Land Niederösterreich (statt auf die eigentlich besteuerungsberechtigten Gemeinden) abstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die von der Beschwerde für verfassungswidrig erachteten Normen überhaupt nur im Zusammenhang mit §2a Nö. AnzeigenabgabeG - das heißt mit einer rechtswidrig als Landesabgabe eingeordneten Ankündigungsabgabe - verfassungswidrig sein könnten. Im Zusammenhang mit der nach Aufhebung des §2a leg.cit. verbleibenden (unbedenklichen) Anzeigenabgabe sind die als verfassungswidrig erachteten Normen nicht nur nicht verfassungswidrig, sondern möglicherweise sogar für eine verfassungskonforme Abgabenerhebung geboten, so daß ihre Aufhebung gerade einen verfassungswidrigen Zustand herbeiführen könnte.
2. Insofern die Beschwerde schließlich vorbringt, daß mit der erwähnten Vorschrift des §4 Abs5 Nö. AnzeigenabgabeG - selbst wenn die Gestaltung der Ankündigungsabgabe als Landesabgabe zulässig wäre - keine hinreichende Beschränkung der Besteuerung auf den im Erhebungsgebiet erzielten Reklamewert im Sinne des Erk. VfSlg. 15.395/1998 erreicht werde, ist ihr folgendes zu entgegnen:
§4 Abs5 leg.cit. hat folgenden Wortlaut:
"Wird Werbung im Rundfunk nicht ausschließlich in Niederösterreich verbreitet, so ist der Berechnung der Abgabe jener Teil des Gesamtentgeltes (Abs4), der dem Anteil der Einwohner in Niederösterreich an allen Einwohnern in jenem Gebiet entspricht, in dem für die Verbreitung der Werbung eine vergleichbare Abgabe eingehoben wird, zugrunde zu legen."
Der Verfassungsgerichtshof hat gegen diese Regelung im Hinblick auf die rückwirkend in Kraft gesetzte Verfassungsbestimmung des §15a FAG 1997, idF BGBl. I 30/2000, deren Unbedenklichkeit unter dem Aspekt des Art44 Abs3 B-VG der Gerichtshof im Erk. vom 29. Juni 2000, G19/00 u.a. Zlen., festgestellt hat, keine Bedenken. Da §15a FAG für die Ankündigungsabgabe auf Rundfunkwerbung das Studioprinzip rückwirkend (ab 1. Jänner 1989) verfassungsrechtlich festgeschrieben hat, sind damit jene Normen verfassungsrechtlich unangreifbar, wonach die Rundfunkwerbung zur Gänze durch jene Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Studio befindet, besteuert werden darf. Das bedeutet jedoch nicht, daß es dem Gesetzgeber verwehrt wäre, Normen zu erlassen, die eine Doppelbesteuerung von Ankündigungen durch verschiedene Gebietskörperschaften verhindern wollen. Dabei kann es im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob angesichts der rückwirkend zu beachtenden Verfassungsrechtslage nach §15a FAG die Verbreitung von Rundfunkwerbung in Niederösterreich im Dezember 1997 überhaupt von mehreren Gebietskörperschaften der Ankündigungsabgabe unterworfen werden konnte.
3. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß die beschwerdeführende Partei in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.
4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Anzeigenabgaben, Auslegung verfassungskonforme, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Rundfunk, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Werbung, RückwirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B623.1999Dokumentnummer
JFT_09999075_99B00623_00