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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Verneinung der Zuständigkeit des Bundespensionsamts (damals: Bundesrechenamts) zur Entscheidung über den Antrag eines emeritierten Universitätsprofessors auf Zuerkennung des PflegegeldsSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) hat dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist emeritierter ordentlicher Professor an der Universität Innsbruck. Gestützt auf das Vorbringen, er benötige aufgrund seines physischen Leidens zur Fortbewegung einen Rollstuhl, beantragte er am 1.11.1996 beim damaligen Bundesrechenamt (jetzt: Bundespensionsamt) die Zuerkennung des Pflegegeldes nach der Pflegestufe 3 gemäß dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG). Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 20.11.1996 vom Bundesrechenamt mangels Zuständigkeit zurückgewiesen.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde vom Bundesminister für Finanzen keine Folge gegeben: Die nach dem BPGG anspruchsberechtigten Personen seien in §3 leg. cit. taxativ aufgezählt und die Zuständigkeit zur Entscheidung gem. §22 leg. cit. knüpfe an dieser Aufzählung an. Da der Bezug des emeritierten Professors auf dem Bundesgesetz vom 18.11.1955, BGBl. Nr. 236/1955 beruhe und dieses Gesetz in §3 BPGG nicht aufgezählt sei, habe das Bundesrechenzentrum seine Unzuständigkeit zu Recht wahrgenommen.
Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Finanzen erhebt der Beschwerdeführer Beschwerde wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes.
Auf das Wesentliche zusammengefaßt bringt der Beschwerdeführer vor:
Im Unterschied zu Universitätsprofessoren, die auf andere Weise (etwa durch Pensionierung oder Austritt aus dem Bundesdienst) aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden seien, bleibe die Universitätsangehörigkeit der Emeritierten im Interesse einer wertvollen Mitarbeit älterer, erfahrener Hochschullehrer im Lehrbetrieb der Universitäten. So heißt es in den Einführungsbestimmungen zu 320 Blg Nr. 17. GP, 30: "'Der emeritierte Ordentliche Universitätsprofessor soll aber nach Maßgabe des Organisations- und Studienrechts auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienstverhältnis in einem besonderen Naheverhältnis zu seiner Universitäts(...)einrichtung bleiben und weiterhin in der Forschung (...) tätig sein'".
Dem Beschwerdeführer werde allein aus dem Grund seiner Emeritierung die Gewährung des Pflegegeldes verwehrt; denn wäre der Beschwerdeführer bereit, seine Lehrtätigkeit als emeritierter ordentlicher Professor aufzugeben, so hätte dies nach Ansicht der belangten Behörde die Folge, daß der Beschwerdeführer erst dann, d.h. mit Eintritt in den Ruhestand "nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz einzustufen wäre" (gemeint wohl: Bezieher einer Leistung nach dem Pensionsgesetz 1965 wäre), womit auch das Bundespflegegeldgesetz für ihn anwendbar würde und der Beschwerdeführer Anspruch auf Pflegegeld hätte.
Dies erachtet der Beschwerdeführer - mit näherer Begründung - als gleichheitswidrig. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, daß sich der pflegegeldbedürftige Beschwerdeführer vorerst in den Ruhestand nach §164 BDG zu versetzen lassen habe, um in den Genuß der für ihn notwendigen Sozialleistungen zu gelangen. §3 BPGG (insbesondere §3 Abs1 litk leg. cit.) widerspräche dem Gleichheitgrundsatz.
Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bringt der Beschwerdeführer vor, daß die belangte Behörde ihre Zuständigkeit zu Unrecht verweigert habe; dazu führt er u.a. aus:
"So normiert §22 Abs1 Ziff. 3 BPGG, daß das Bundespensionsamt zur Entscheidung über Pflegegeldangelegenheiten für Personen nach §3 Abs1 Ziff. 4 lita, m, e, g, i, j, k und l BPGG ist.
Gemäß §3 Abs1 Ziff. k BPGG haben Anspruch auf Pflegegeld jene Personen, sofern sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, die Bezieher eines Ruhe- oder Versorgungsgenusses, Übergangsbeitrages, Versorgungsgeldes oder Unterhaltsbeitrages nach §163 Abs8 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 sind.
Wenn nun die belangte Behörde meint, daß der Emeritierungsbezug des Beschwerdeführers seine gesetzliche Fundierung im Bundesgesetz über die Pensionsbehandlung von Hochschulprofessoren und über deren Emeritierung hat, so hätte sie auch seinen §5 beachten müssen, wo es heißt, daß 'emeritierte Hochschulprofessoren hinsichtlich der Fortsetzung ihrer Lehrtätigkeit wie Beamte des Dienststandes, im übrigen wie Beamte des Ruhestandes zu behandeln' sind.
Aus dieser Bestimmung, vor allem aus der Formulierung 'im übrigen' geht klar hervor, daß es Ziel und Zweck dieses Gesetzes war, emeritierte Ordentliche Professoren insbesondere im Hinblick auf deren Pensionierung wie Beamte des Ruhestandes zu behandeln."
2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt und u.a. folgendes ausführt:
"Zu d(ies)en Ausführungen des Beschwerdeführers ist, wie auch bereits im Berufungsbescheid ausgeführt worden ist, vorzubringen, daß im 2. Abschnitt des Bundespflegegeldgesetzes - BPGG, BGBl. Nr. 110/93, die nach dem BPGG anspruchsberechtigten Personen aufgezählt sind, und zwar taxativ. Die emeritierten Hochschulprofessoren scheinen nicht auf. Aber gerade weil es sich um eine taxative Aufzählung handelt, bei der jede anspruchsberechtigte Gruppe exakt definiert ist, hat die vollziehende Behörde keine Möglichkeit, auch andere als die aufgezählten Personengruppen in den Adressatenkreis des §3 BPGG einzubeziehen. Überdies gibt es bei den Hochschulprofessoren sowohl die Möglichkeit der Emeritierung als auch die der Ruhestandsversetzung. Für die vom Beschwerdeführer vorgenommene Gleichsetzung 'Emeritierungsbezüge = Ruhegenüsse, gibt es keine gesetzliche Grundlage. Es sind dies zwei verschiedene Rechtseinrichtungen, die, wie der Beschwerdeführer selbst ausführt, verschiedene Folgen, Auswirkungen, haben. Es kann nicht sein, daß der Emeritiertenbezug einmal (beim BPGG) als Ruhebezug gewertet wird, ein anderes Mal aber als ein Bezug sui generis. Der Witwenversorgungsgenuß z.B. leitet sich vom, wenn auch fiktiven Ruhegenuß des verstorbenen emeritierten Hochschulprofessor ab.
Aus dem Umstand, daß sowohl der Bezug eines emeritierten Hochschulprofessors als auch der Ruhebezug eines in den Ruhestand versetzten Professors vom Bundespensionsamt ausbezahlt wird, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß daher beide rechtlich gleich zu behandeln seien. ...
Die Tatsache, daß der Gesetzgeber nunmehr die emeritierten Hochschulprofessoren ausdrücklich in das Pensionsgesetz 1965 aufgenommen hat und der Emeritiertenbezug daher als eine Leistung nach dem PG 1965 zu sehen ist und der Umstand, daß der Gesetzgeber weiters beabsichtigt, auch das BPGG dahin zu novellieren, daß die emeritierten Hochschulprofessoren in die taxa(k)tive Aufzählung der Anspruchsberechtigten aufgenommen werden sollen, untermauert die vom Bundespensionsamt und der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung, daß lediglich mit einer Interpretation - ohne entsprechende gesetzliche Regelung - nicht vorgegangen werden kann.
Es kann aus diesen Gründen auch nicht dem Vorbringen des Beschwerdeführers gefolgt werden, daß das Bundespensionsamt 'willkürlich' seine Zuständigkeit verweigert habe. Auch aus der vom Beschwerdeführer angezogenen Zielsetzung des Bundespflegegeldgesetzes kann für die Begründung einer Zuständigkeit nichts abgeleitet werden.
... "
3. Die relevanten gesetzlichen Bestimmungen lauten:
§3 Abs1 Bundespflegegeldgesetz BGBl. Nr. 110/1993 idF BGBl. Nr. 457/1993 lautete bis zur Novelle BGBl. I Nr. 111/1998:
"§3. (1) Anspruch auf Pflegegeld nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht für nachstehende Personen, sofern sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben:
1. Bezieher einer Vollrente, deren Pflegebedarf durch den Arbeits(Dienst)unfall oder die Berufskrankheit verursacht wurde, oder einer Pension (ausgenommen die Knappschaftspension) nach dem
a) Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955;
b) Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978;
c) Freiberuflichen Sozialversicherungsgesetz (FSVG), BGBl. Nr. 624/1978;
d) Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG), BGBl. Nr. 559/1978;
e)
Notarversicherungsgesetz 1972 (NVG 1972), BGBl. Nr. 66;
f)
Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG), BGBl. Nr. 200/ 1967);
g) §80 des Strafvollzugsgesetzes (StVG), BGBl. Nr. 144/1969;
2. die nach §8 Abs1 Z3 lith und i ASVG teilversicherten Schüler und Studenten, deren Pflegebedarf durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursacht wurde, in der Zeit vom Tag nach Abschluß der Heilbehandlung bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Schulbesuch voraussichtlich abgeschlossen gewesen und der Eintritt in das Erwerbsleben erfolgt wäre;
3. Personen, deren Rente nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften abgefunden worden ist, wenn deren Pflegebedarf durch den Arbeits(Dienst)unfall oder die Berufskrankheit verursacht wurde;
4. Bezieher eines Ruhe- oder Versorgungsgenusses, Übergangsbeitrages, Versorgungsgeldes oder Unterhaltsbeitrages nach
a)
dem Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340;
b)
dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984), BGBl. Nr. 302;
c) dem Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LLDG 1985), BGBl. Nr. 296;
d)
dem Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972;
e)
der Salinenarbeiter-Pensionsordnung 1967, BGBl. Nr. 5/1968;
f) dem Post- und Telegraphen-Pensionsgesetz 1967, BGBl. Nr. 231;
g) dem Bundesgesetz vom 1. Juli 1967 über die Pensionsansprüche der Zivilbediensteten der ehemaligen k. u. k. Heeresverwaltung und ihrer Hinterbliebenen, BGBl. Nr. 255;
h) dem Verfassungsgerichtshofgesetz (VerfGG 1953), BGBl. Nr. 85;
i)
dem Dorotheumsgesetz, BGBl. Nr. 66/ 1979;
j)
dem Bundestheaterpensionsgesetz (BThPG), BGBl. Nr. 159/1958;
k) dem §163 Abs8 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333;
l)
dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186;
m)
Entschließungen des Bundespräsidenten, mit denen außerordentliche Versorgungsgenüsse gewährt wurden;
n) der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966, BGBl. Nr. 313;
5.
Bezieher von Renten, Beihilfen oder Ausgleichen nach dem
a) Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152;
b)
Heeresversorgungsgesetz (HVG), BGBl. Nr. 27/1964;
c)
Opferfürsorgegesetz (OFG), BGBl. Nr. 183/1947;
d)
Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973;
6.
Personen, deren Rente gemäß
a)
§56 KOVG 1957;
b)
§61 HVG;
c)
§2 OFG umgewandelt wurde;
7. Bezieher eines Sonderruhegeldes nach ArtX des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981."
§22 Abs1 BPGG , BGBl. Nr. 110/1993 lautete in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 457/1993 und BGBl. Nr. 758/1996 bis zur Novelle BGBl. I Nr. 111/1998:
"Entscheidungsträger
§22. (1) Zur Entscheidung in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz sind zuständig:
Für Personen nach
1. §3 Abs1 Z1 lita bis f und Z7 der für die Gewährung der Vollrente, Pension oder des Sonderruhegeldes zuständige Sozialversicherungsträger;
2.
§3 Abs1 Z2 und 3 der zuständige Unfallversicherungsträger;
3.
§3 Abs1 Z4 lita und m, ausgenommen im Bereich der Post- und Telegraphenverwaltung, sowie lite, g, i, j, k und l das Bundespensionsamt;
4.
§3 Abs1 Z4 litd gemäß
a) (Verfassungsbestimmung) ArtIV des Bezügegesetzes der Präsident des Nationalrates,
b)
ArtV des Bezügegesetzes die Bundesregierung,
c)
(Verfassungsbestimmung) ArtVI des Bezügegesetzes der Präsident des Nationalrates, sofern die Ansprüche auf ein Mitglied der Volksanwaltschaft, den Präsidenten oder Vizepräsidenten des Rechnungshofes zurückgehen,
d) ArtVI des Bezügegesetzes die Bundesregierung, sofern die Ansprüche auf ein Mitglied der Bundesregierung, einen Staatssekretär oder einen Landeshauptmann zurückgehen;
5. §3 Abs1 Z4 lita und m im Bereich der Post- und Telegraphenverwaltung sowie litf die Post- und Telegraphendirektion;
6.
§3 Abs1 Z4 lith der Bundeskanzler;
7.
§3 Abs1 Z1 litg, Z5 lita, b und d sowie Z6 lita und b das Landesinvalidenamt;
7a.
§3 Abs1 Z4 litn die Österreichischen Bundesbahnen;
8.
§3 Abs1 Z4 litb und c, Z5 litc sowie Z6 litc der Landeshauptmann.
(2) Bezüglich der örtlichen Zuständigkeit gelten die beim jeweiligen Entscheidungsträger in Vollziehung der im §3 genannten Normen anzuwendenden Bestimmungen.
(3) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Verordnung die Durchführung des Bundespflegegeldgesetzes einem Entscheidungsträger zu entziehen und einem anderen Entscheidungsträger zu übertragen, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist."
In dieser Fassung war die Bestimmung von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwenden.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Zur Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über die Berufung:
Auf Bescheide nach dem BPGG sind gem. §24 leg. cit. näher bezeichnete, für das Leistungsverfahren geltende Bestimmungen des ASVG sinngemäß anzuwenden. Diese Bescheide können gem. §65 Abs1 Z1 iVm §67 Abs1 Z1 ASGG mittels Klage im Rahmen der sog. "sukzessiven Kompetenz" vor den Sozialgerichten bekämpft werden. Eine Leistungssache liegt jedoch nur dann vor, wenn über den "Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruchs auf ... Pflegegeldleistungen" (§65 Abs1 Z1 ASGG) abgesprochen wurde, nicht jedoch auch dann, wenn die Behörde einen verfahrensrechtlichen Bescheid (hier: über ihre Zuständigkeit) erlassen hat. In diesem Fall ist der auch sonst gegen Bescheide (hier: der Pensionsbehörde) gegebene Instanzenzug zu beschreiten (vgl. dazu zB die zu ähnlichen Fällen im Rahmen des ASVG ergangenen hg. Erkenntnisse VfSlg. 9439/1982, 9737/1983). Da die Behörde erster Instanz einen zurückweisenden Bescheid erlassen hat, hat sie über ein Meritum iS des §65 Abs1 Z1 ASGG nicht entschieden; der erstinstanzliche Bescheid war daher nicht mit Klage, sondern mit Berufung zu bekämpfen. Die belangte Behörde war daher zuständig, über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid abzusprechen.
4.2. In der Sache:
Die Behörde erster Instanz hatte keine Sach- sondern eine Unzuständigkeitsentscheidung getroffen. Die Sache vor der belangten Behörde als Berufungsbehörde war daher auf die Frage der Zuständigkeit des Bundespensionsamtes als Behörde 1. Instanz beschränkt.
4.2.1. Wie dies schon vor dem Inkrafttreten der Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich durch das Bundespflegegeldgesetz und die entsprechenden Landespflegegeldgesetze in Ansehung von teils im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung, teils im Pensionsrecht des öffentlichen Dienstes vorgesehenen Hilflosenzuschüssen oder Hilflosenzulagen der Fall gewesen ist, knüpft auch das BPGG den Anspruch von Pflegegeld an den Bezug bestimmter Ruhestandsleistungen. Gegen die Ablehnung der Zuerkennung steht gem. §65 Abs1 Z1 iVm §67 Abs1 Z1 ASGG im Rahmen der sog. "sukzessiven Kompetenz" die Klage an die Sozialgerichte offen.
4.2.2. Nach Auffassung der belangten Behörde soll dieser Rechtsweg dann nicht eingeräumt sein, wenn das Pflegegeld - nach Auffassung der Behörde - aus dem Grunde nicht zusteht, daß der betreffende Ruhebezug in §3 BPGG nicht genannt ist. Diesfalls bestünde - darauf läuft die Rechtsmeinung der belangten Behörde im Ergebnis hinaus - überhaupt keine Zuständigkeit zur meritorischen Entscheidung über den Antrag auf Pflegegeld durch eine Verwaltungsbehörde; die Anspruchsberechtigung wäre gleichsam nur Vorfrage in der Zuständigkeitsfrage, sodaß eine Verneinung der Anspruchsberechtigung in solchen Fällen keine negative Sachentscheidung, sondern eine Unzuständigkeitsentscheidung und damit den Ausschluß des gegen Abweisungsbescheide sonst offen stehenden Rechtsweges an die Sozialgerichte zur Folge hätte.
4.2.3. Die belangte Behörde übersieht damit aber, daß sie - weil auch keine andere Verwaltungsbehörde als die in §22 BPGG iVm §3 BPGG genannte zur Entscheidung über einen Anspruch nach dem BPGG in Betracht käme, deren Sachentscheidung beim Sozialgericht angefochten werden könnte - damit den in Pflegegeldsachen vorgesehenen Verwaltungsrechtsweg in solchen Fällen schlechthin abschneidet. Eine sachliche Begründung für ein solches Ergebnis läßt sich schwerlich finden.
4.3. §22 BPGG scheint zwar die Zuständigkeit der nach dem BPGG jeweils berufenen Behörde mit der Zugehörigkeit zum Personenkreis der Ruhegenußbezieher iS des §3 leg. cit. in einer Weise zu verknüpfen, wie dies der Auffassung der belangten Behörde entspricht, wofür allerdings weniger eine Absicht des Gesetzgebers, als die gewählte Gesetzestechnik verantwortlich sein dürfte. Der Gesetzgeber scheint eine allgemeine "Restzuständigkeit" außerhalb der durch die Verweisung auf §3 zum Zuge kommenden Behörden bloß für entbehrlich gehalten zu haben.
§22 BPGG zwingt daher nicht notwendigerweise zu dem von der belangten Behörde vertretenen, gleichheitsrechtlich bedenklichen Ergebnis, daß das BPGG für den Pflegegeldanspruch anderer Personen (also jener, die eine Leistung im Sinne der taxativen Aufzählung des §3 BPGG nicht beziehen) keine Behördenzuständigkeit vorsieht. Aus dieser Bestimmung ist vielmehr zwingend nur die Absicht des Gesetzgebers abzuleiten, die Entscheidung über den Pflegegeldanspruch jener Behörde zu überantworten, die zur Entscheidung über jenen Bezug zuständig ist, von welchem der Pflegegeldanspruch vom Antragsteller abgeleitet wird. Soweit sich daher aus der ihrem Wortlaut nach taxativen Aufzählung des §22 iVm §3 BPGG eine Lücke ergibt, ist diese Lücke zur Vermeidung eines gleichheitswidrigen Ergebnisses nach dem genannten, aus der getroffenen Regelung sich ergebenden allgemeinen Rechtssatz zu schließen: Es ist zur Sachentscheidung jene Behörde berufen, zu deren Vollzugsbereich die Entscheidung über die Gebührlichkeit derjenigen "Grundleistung" gehört, von der der Anspruch auf Pflegegeld abgeleitet wird. Das ist im vorliegenden Beschwerdefall aber das Bundespensionsamt, somit die vom Beschwerdeführer angerufene Behörde 1. Instanz, die daher über den Antrag des Beschwerdeführers hätte meritorisch entscheiden und dem Beschwerdeführer - gegebenenfalls - den Weg zur Leistungsklage eröffnen müssen (ebenso im Ergebnis in einem Fall nach dem Tiroler Landespflegegeldgesetz das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Mai 2000, Zl. 97/08/0403; vgl. im übrigen zu gleichgelagerten Fällen nach dem Tiroler bzw Oberösterreichischen Landespflegegeldgesetz die Urteile des Obersten Gerichtshofs vom 8. Juli 1997, 10 ObS 198/97h, und vom 15. Oktober 1997, 10 ObS 192/97a).
Dadurch, daß die belangte Behörde die Zuständigkeit der Behörde 1. Instanz nicht wahrgenommen und deren Unzuständigkeitsentscheidung nicht aufgehoben hat, hat sie den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
5. Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (§19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953).
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. Ein Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (vgl. §21 Abs2 BPGG) nicht zuzusprechen.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Behinderte, Pflegegeld, BehördenzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B480.1998Dokumentnummer
JFT_09999075_98B00480_00