TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/14 2002/08/0038

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Veröffentlicht am 14.01.2004
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Index

E3L E05204010;
E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit Art4 Abs1;
31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit;
61991CJ0226 Molenbroek / Sociale Verzekeringsbank VORAB;
61994CJ0008 Laperre VORAB;
61994CJ0280 Posthuma-van Damme VORAB;
61999CJ0476 Lommers VORAB;
AlVG 1977 §18;
AlVG 1977 §33 Abs2;
AlVG 1977 §33 Abs3;
AlVG 1977 §33 idF 1999/I/179;
AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §36 Abs1;
AlVG 1977 §36 Abs3 litB;
AlVG 1977 §36 idF 2000/I/142;
AlVG 1977 §36;
B-VG Art7 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs1;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
NotstandshilfeV §2 idF 1989/388;
NotstandshilfeV §2;
NotstandshilfeV §6 idF 1996/240;
NotstandshilfeV §6;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2002/08/0240 E 18. Februar 2004 2002/08/0276 E 18. Februar 2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, in der Beschwerdesache der Dr. I in I, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 12. Juli 2001, Zl. LGSTi/V/1216/5381 14 12 63-702/2001, betreffend Notstandshilfe, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. Jänner 2004, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser, zu Recht erkannt:

Spruch

I.1. Die in BGBl. II Nr. 16/2003 gemäß § 26a VwGG kundgemachte Rechtsfrage wird wie folgt beantwortet:

Die in § 33 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, idF BGBl. I Nr. 179/1999, und § 36 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, idF BGBl. I Nr. 142/2000, sowie § 2 Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, idF BGBl. Nr. 388/1989, und § 6 Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, idF BGBl. Nr. 240/1996, angeordnete Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten bei Beurteilung der Notlage der im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin im Zusammenhang mit der Gewährung von Notstandshilfe widerspricht nicht Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit vom 19. Dezember 1978 (Gleichbehandlungsrichtlinie), ABl. Nr. L 006 vom 10. Jänner 1979.

2. Auf die mit der Kundmachung eintretenden, in § 26a Abs. 4 VwGG genannten Rechtsfolgen wird verwiesen.

3. Der Bundeskanzler (in Ansehung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes) und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (in Ansehung der Notstandshilfeverordnung) sind zur unverzüglichen Kundmachung der Spruchpunkte 1. und 2. im Bundesgesetzblatt, Teil II, verpflichtet.

II. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 1. Juni 2001 einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe.

Diesem Antrag wurde mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 13. Juni 2001 mangels Notlage keine Folge gegeben.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid führte die Beschwerdeführerin aus, dass als Grundlage für die Berechnung eines Anspruches auf Notstandshilfe das Gehalt ihres Lebensgefährten herangezogen worden sei. Ihr Lebensunterhalt könne jedoch nicht über das Einkommen ihres Lebensgefährten bestritten werden, zumal sie auf dessen Einkommen keinen Rechtsanspruch habe. Derzeit bestreite sie ihren Unterhalt durch den Lohnsteuerausgleich 2000, dieser finanzielle Polster werde jedoch mit Ablauf des nächsten Monats aufgebraucht sein. Ansonsten verfüge sie über keine finanziellen Mittel, wie private Zuwendungen etc. Die Lebenshaltungskosten (Fixkosten) der Beschwerdeführerin betrügen zur Zeit im Monat ca. S 14.000,-- (Anteil an Miete, private Pensionsversicherung, Kfz-Versicherung und Haushaltsaufwendungen). Besondere finanzielle Aufwendungen ihres Lebensgefährten bestünden nur insoweit, als dieser zur Zeit für ihre Krankenversicherung (in Form einer Mitversicherung) aufkomme.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, dass laut Lohnbescheinigung des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin dieser im Mai 2001 brutto S 29.646,-- verdient und Abzüge von S 9.538,51 gehabt habe. Dies ergebe netto S 20.107,49. Nach Abzug eines Freibetrages von S 5.863,-- für den Lebensgefährten und des Werbekostenpauschales von S 150,-- verbliebe ein Anrechnungsbetrag von S 14.094,49. Als Bemessungsgrundlage für den theoretischen Anspruch auf Notstandshilfe seien laut Abfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger S 40.880,-- heranzuziehen (die Beschwerdeführerin habe zuvor bis 26. Februar 2001 Arbeitslosengeld zu einem Tagessatz von S 488,50 bezogen). Notlage liege nicht vor, da der genannte Anrechnungsbetrag die der Beschwerdeführerin theoretisch zustehende Notstandshilfe übersteige. Die Notstandshilfeverordnung gehe eindeutig davon aus, dass bei Beurteilung der Notlage auch das Einkommen des Lebensgefährten heranzuziehen sei. Die Ausführungen in der Berufung vermöchten an dieser Tatsache nichts zu ändern. Durch Gewährung des Freibetrages seien die von der Beschwerdeführerin genannten monatlichen Ausgaben abgegolten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Zu dieser Gegenschrift hat die Beschwerdeführerin eine Gegenäußerung erstattet.

Am 20. November 2002 hat der Verwaltungsgerichtshof in dieser Rechtssache folgenden Beschluss gefasst:

"1. Es besteht Grund zur Annahme, dass beim Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Beschwerden eingebracht werden wird, in denen die Rechtsfrage zu lösen ist, ob die gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten bei Beurteilung der Notlage der im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin im Zusammenhang mit der Gewährung von Notstandshilfe dem Gemeinschaftsrecht entspricht, insbesondere ob darin nicht eine versteckte Diskriminierung der Frauen erblickt werden kann.

2. Zur Beantwortung der in Z. 1 genannten Rechtsfrage hat der Verwaltungsgerichtshof folgende Rechtsvorschriften anzuwenden:

§ 33 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 179/1999, und § 36 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 142/2000; § 2 Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, idF BGBl. Nr. 388/1989, und § 6 Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, idF BGBl. Nr. 240/1996; Art. 2 bis 4 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit vom 19. Dezember 1978 (Gleichbehandlungsrichtlinie), ABl. Nr. L 006 vom 10. Jänner 1979,

S. 24.

3. Der Verwaltungsgerichtshof wird die in Z. 1 genannte Rechtsfrage in dem zur Zl. 2002/08/0038 anhängigen Beschwerdeverfahren beantworten.

4. Der Bundeskanzler (in Ansehung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes) und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (in Ansehung der Notstandshilfeverordnung) sind zur unverzüglichen Kundmachung des Spruches dieses Beschlusses im Bundesgesetzblatt, Teil II, verpflichtet; auf die mit der Kundmachung eintretenden, in § 26a Abs. 3 VwGG genannten Rechtsfolgen wird verwiesen.

Dieser Beschluss wurde vom Bundeskanzler und vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit im BGBl. II Nr. 16/2003 kundgemacht.

Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Verfahren am 19. März 2003 den nachstehenden Beschluss gefasst:

"Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG aufgefordert, sich zu den im Folgenden dargelegten Gründen zu äußern, von denen der Verwaltungsgerichtshof vorläufig annimmt, dass sie für die Beantwortung der Frage von Bedeutung sein werden, ob die gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten bei Beurteilung der Notlage der im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin im Zusammenhang mit der Gewährung von Notstandshilfe dem Gemeinschaftsrecht entspricht, insbesondere ob darin nicht eine mittelbare Diskriminierung der betroffenen Frauen erblickt werden kann (vgl. die Kundmachung gem. § 26a VwGG, BGBl. II Nr. 16/2003) :

1. Die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (in der Folge: RL) hat ihrem Artikel 1 zufolge zum Ziel, 'dass auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und der sonstigen Bestandteile der sozialen Sicherung im Sinne von

Artikel 3 der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit schrittweise verwirklicht wird'. Gemäss ihrem Artikel 2 'findet (diese Richtlinie) Anwendung auf die Erwerbsbevölkerung - einschließlich der Selbständigen, deren Erwerbstätigkeit durch Krankheit, Unfall oder unverschuldete Arbeitslosigkeit unterbrochen ist, und der Arbeitsuchenden - sowie auf die im Ruhestand befindlichen oder arbeitsunfähigen Arbeitnehmer und Selbständigen'. Nach ihrem

Artikel 3 Absatz 1 findet die Richtlinie Anwendung

'a) auf die gesetzlichen Systeme, die Schutz gegen folgende Risiken bieten:

-

Krankheit,

-

Invalidität,

-

Alter,

-

Arbeitsunfall und Berufskrankheit,

-

Arbeitslosigkeit;

              b)              auf Sozialhilferegelungen, soweit sie die unter Buchstabe a) genannten Systeme ergänzen oder ersetzen sollen.'

In Artikel 4 heißt es: 'Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend: - den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen; - die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge; - die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen.'

              2.              Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. die Urteile vom 4. Dezember 1986, Rs 71/85 ('FNV'), Slg. 1986, 3870, vom 24. März 1987, Rs 286/85 ('McDermott und Cotter'), Slg. 1987, 1463, vom 27. Juni 1987, Rs 384/85 ('Clarke'), Slg. 1987, 2877 ua) die Auffassung, dass Art. 4 Abs. 1 der RL für sich betrachtet unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtlinie und ihres Inhalts hinreichend genau und unbedingt ist, um von einem Einzelnen in Anspruch genommen und vom Gericht angewandt zu werden. Auch wenn Art. 5 der RL den Mitgliedstaaten ein Ermessen in Bezug auf die Mittel einräume, so schreibe er doch das Ziel vor, das mit diesen Mitteln erreicht werden müsse, nämlich die Beseitigung aller mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Vorschriften. Art. 4 Abs. 1 RL könne seit Ablauf der Umsetzungsfrist (bzw. seit dem Wirksamwerden der Richtlinie für neu beigetretene Mitgliedstaaten der Europäischen Union) bei Fehlen angemessener Durchführungsmaßnahmen von Einzelnen vor den innerstaatlichen Gerichten in Anspruch genommen werden, um die Anwendung jeder mit diesem Artikel unvereinbaren innerstaatlichen Vorschrift auszuschließen. Auf Grund des Art. 4 Abs. 1 haben Frauen Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie Männer, die sich in gleicher Lage befinden, wobei die Richtlinie, soweit sie nicht durchgeführt wird, das einzige Bezugssystem bleibt (vgl. das o.a. Urteil in der Rs 'Clarke', Rz 9 bis 11; ferner das Urteil vom 11. Juli 1991, Rs C-31/90, 'Johnson', Slg. 1991, I-03744).

Dem ist der Fall gleichzuhalten, dass eine Maßnahme wesentlich mehr Frauen als Männer trifft, es sei denn, der Mitgliedstaat legt dar, dass die betreffende Regelung durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes zu tun haben, gerechtfertigt ist ('indirekte Diskriminierung' - Urteil vom 13. Juli 1989, Rs 171/88, 'Rinner-Kühn', Slg. 1989, 2757).

              3.              Eine Leistung, die ein Mitgliedstaat einer Person gewährt und die Art. 3 RL unterliegt, darf einer Frau dann nicht verweigert werden, wenn die Leistung einem Mann in der gleichen Lage zusteht, da dies eine gegen Art. 4 Abs. 1 RL verstoßende Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes darstellen würde (vgl. ua. das Urteil vom 24. Juni 1986, Rs 150/85, 'Drake', Slg. 1986, 2002).

Art. 4 Abs. 1 RL bezieht sich aber nicht auf eine Leistung, die in bestimmten persönlichen Situationen Personen gewährt werden kann, deren Mittel nicht ausreichen, um ihre Bedürfnisse im Sinne des Gesetzes zu decken, wobei dies nicht davon abhängt, ob der Leistungsempfänger Opfer eines der in Art. 3 der RL genannten Risken ist (vgl. das Urteil vom 16. Juli 1992, Rs C-63/91, C- 64/91, 'Jackson & Cresswell', Slg. 1992/I-4774).

Art. 4 Abs. 1 RL wurde daher vom EuGH u.a. dahin ausgelegt, dass ein System von Leistungsansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit, bei dem die Höhe der Leistung durch den Familienstand und das Einkommen des Ehepartners aus oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit mitbestimmt wird, im Einklang mit der RL steht, wenn dieses System den Anspruchsberechtigten mit Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem Partner oder Kindern durch den Ausgleich ihrer im Vergleich zu Alleinstehenden höheren Belastungen mit Hilfe eines Zuschlages zu der Leistung ein angemessenes Existenzminimum garantieren soll. Es wurde daher die Garantie auf eine bestimmte Mindestleistung, die nur für Personen mit einem unterhaltsberechtigten Partner oder mit einem Partner gilt, der nur ein sehr niedriges Einkommen bezieht, als mit Art. 4 Abs. 1 RL vereinbar angesehen (Urteil vom 11. Juni 1987, Rs 30/85, 'Teuling', Slg. 1987, 2516).

Gleiches wurde für ein System von Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Invalidität entschieden, bei dem sich die Höhe der Leistung u.a. in Abhängigkeit von Einkünften unterhaltsberechtigter Personen bestimmte: Artikel 4 Absatz 1 RL sei so auszulegen, dass ein System von Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Invalidität, bei dem die Höhe der Leistung unter Berücksichtigung sowohl der Existenz von Personen, die dem Leistungsempfänger gegenüber unterhaltsberechtigt sind, als auch eventueller Einkünfte dieser Personen festgelegt wird, mit dieser Vorschrift vereinbar sei, wenn dieses System den Zweck habe, Familien ein Mindestmaß an Ersatzeinkünften zu garantieren und die Zuschläge, die den Personen gewährt werden, die mit einem Partner oder Kindern ohne eigene Einkünfte zusammenwohnen, die Höhe der Belastungen, die bei vernünftiger Betrachtung mit dem Vorhandensein dieser Personen verbunden sind, nicht übersteigen. Ein solches System dient nämlich einem berechtigten Ziel der Sozialpolitik und setzt hiefür geeignete und erforderliche Mittel ein, so dass es aus Gründen, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes zu tun haben, gerechtfertigt ist (Urteil vom 7. Mai 1991, Rs C-229/89, Kommission/Belgien, Slg. 1991, I-2223).

Auch der Ausschluss von Beschäftigungen mit geringem zeitlichen Ausmaß (regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche) und geringfügigem Entgelt (einem Arbeitsentgelt, das ein Siebentel der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt) von der gesetzlichen Rentenversicherung wurde vom EuGH als nicht gegen Art. 4 Abs. 1 der RL verstoßend beurteilt, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass er erheblich mehr Frauen als Männer betrifft, da der nationale Gesetzgeber in vertretbarer Weise habe davon ausgehen können, dass die fraglichen Rechtsvorschriften erforderlich waren, um ein sozialpolitisches Ziel zu erreichen, das mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes nichts zu tun hat (Urteil vom 14. Dezember 1995, Rs C-317/93, 'Nolte', Slg. 1995, I-4650).

Ferner wurde vom EuGH entschieden, dass die RL der Anwendung einer nationalen Regelung der Altersversicherung nicht entgegensteht, nach der die Gewährung und die Höhe eines Zuschlags, auf den Rentenberechtigte Anspruch haben, deren unterhaltsberechtigter Partner das Rentenalter noch nicht erreicht hat, unabhängig vom Geschlecht allein von dem Einkommen abhängig sind, das der Partner aus oder im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit bezieht, auch wenn diese Regelung zur Folge hat, dass eine wesentlich größere Anzahl von Männern als von Frauen den Zuschlag erhält (Urteil vom 19. November 1992, Rs C-226/91, 'Molenbroek', Slg. 1992, I-5963).

Da beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Mitgliedstaaten für die Sozialpolitik zuständig sind, haben sie die geeigneten Maßnahmen zur Verwirklichung ihrer sozialpolitischen Ziele auszuwählen. Bei der Ausübung dieser Befugnis verfügen die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum (vgl. das Urteil vom 8. Februar 1996, Rs C- 8/94, 'Laperre', Slg. 1996, I-288 mit weiteren Hinweisen in Rz 18).

              4.              Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund dieser Rechtsprechung des EuGH daher vorläufig davon aus,

              a)              dass die RL, soweit sie direkt oder indirekt nach dem Geschlecht diskriminierenden gesetzlichen Bestimmungen entgegensteht, unmittelbar anzuwenden ist und dass sich die betroffenen Personen auf diese Richtlinie berufen können;

              b)              dass die Regelungen über die Voraussetzungen für die Gewährung von Notstandshilfe, soweit die Anspruchsvoraussetzung des Vorliegens einer Notlage in Rede steht, dem sozialpolitischen Ziel dienen, Personen, die ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft haben, ohne wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert zu sein, nur im Falle der Notlage ein Mindesteinkommen in Abhängigkeit von der Höhe des Arbeitslosengeldes zu sichern;

              c)              dass die Berücksichtigung von Einkünften des im gemeinsamen Haushalt lebenden Partners bei Ermittlung der Notlage diesem sozialpolitischen Ziel dient;

              d)              dass dieses sozialpolitische Ziel mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes nichts zu tun hat;

              e)              dass daher die Regelung des Art. 4 Abs. 1 der RL der Berücksichtigung des Partnereinkommens auch dann nicht entgegensteht, wenn dadurch innerhalb des Kreises der in Betracht kommenden Anspruchsberechtigten wesentlich mehr Frauen als Männer keine Notstandhilfe erhalten sollten, sowie letztlich

              f)              dass alle in diesem Zusammenhang zu beurteilenden gemeinschaftsrechtlichen Fragen durch die oben wiedergegebene Rechtsprechung des EuGH in einer Weise beantwortet sind, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs 283/81, 'C.I.L.F.I.T.', Slg. 1982, 3415).

Da sich nach vorläufiger Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes somit einerseits ergibt, dass sich hinsichtlich der Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts eine Vorlage an den EuGH als nicht erforderlich erweist, andererseits für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides Gründe maßgebend sein könnten, die von keiner Partei im bisherigen Verfahren erörtert und insoweit daher auch keiner Partei bekannt gegeben wurden (nämlich das Nichtvorliegen einer mittelbaren Diskriminierung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 RL in den vorliegenden Fällen), wird den Parteien gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG Gelegenheit gegeben, sich zu diesen Gründen binnen vier Wochen von der Zustellung dieses Beschlusses an zu äußern."

In ihrer Äußerung vom 20. Mai 2003 hat die Beschwerdeführerin daraufhin dargelegt, dass der Zweck der Zuschläge nach dem niederländischen System, das dem Fall "Teuling" zu Grunde gelegen sei, und dem österreichischen System ein unterschiedlicher sei. Der EuGH habe im Urteil "Teuling" festgehalten, dass die Leistungen im niederländischen System nicht an das zuvor von den Anspruchsberechtigten bezogene Arbeitsentgelt anknüpften, sondern beim Fehlen anderer Einkünfte aus Berufstätigkeit ein Existenzminimum garantieren sollten. Hiezu habe der EuGH festgestellt, dass eine solche Garantie, die die Mitgliedstaaten Anspruchsberechtigten einräumten, welche andernfalls mittellos wären, ein integrierender Bestandteil der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten sei. Wenn demnach die Zuschläge zu einer Mindestleistung der sozialen Sicherheit beim Fehlen anderer Einkünfte aus Berufstätigkeit verhindern sollen, dass die Leistung der sozialen Sicherheit für die Anspruchsberechtigten, die wegen des Bestehens von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem Ehepartner oder Kindern höhere Lasten als alleinstehende Personen tragen müssen, unter das Existenzminimum sinkt, so ließen sich solche Zuschläge im Hinblick auf die Richtlinie rechtfertigen.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin normiere das niederländische Recht offenbar eine reine Sozialleistung, die unabhängig von einem Beschäftigungsverhältnis zustehe. Dies entspräche dem österreichischen Sozialhilfesystem. Im Gegensatz dazu stelle die österreichische Notstandshilfe eine Versicherungsleistung dar. Diese genieße nach der Judikatur des EGMR auch Eigentumsschutz im Sinne der EMRK.

Im niederländischen System handle es sich um Zuschläge, die verhindern sollten, dass ein nach niederländischem Recht gesichertes Existenzminimum unterschritten werde. Im Gegensatz dazu führten die österreichischen Anrechnungsbestimmungen dazu, dass ein grundsätzlich bestehender Anspruch auf Notstandshilfe, der aus einem Versicherungssystem, das an ein Beschäftigungsverhältnis und das daraus bezogene Einkommen anknüpfe, herrühre, beseitigt werde. Nur durch völlig unzureichende Zuschläge werde diese "Wegnahme von Versicherungsleistungen" etwas gemildert. Das österreichische Recht nehme den Arbeitslosen daher zunächst eine Versicherungsleistung, um ihnen in der Folge im Wege der Regelungen über die Freigrenzen nach § 6 Notstandshilfeverordnung wieder etwas zurückzugeben. Diese Freigrenzen lägen aber unter dem Existenzminimum und auch unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz. Es werde daher eine auf Grund eigenen Erwerbseinkommens gegebene Existenzsicherung außer Kraft gesetzt.

Darüber hinaus behandle das Urteil "Teuling" die Begünstigung von unterhaltspflichtigen Personen gegenüber nicht Unterhaltspflichtigen. Im vorliegenden Fall gehe es aber darum, dass ein (bei nicht vorhandener Lebensgemeinschaft) gegebener eigener Anspruch auf Notstandshilfe durch die Anrechnungsbestimmungen beseitigt werde, und zwar in einer "das Existenzminimum unterlaufenden gesetzlichen Regelung". An die Notstandshilfe, die eine Versicherungsleistung darstelle, knüpften sich auch Ansprüche auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt (insbesondere Vermittlungstätigkeit des Arbeitsmarktservice) und weitere Leistungen der sozialen Sicherheit (Kranken- und Unfallversicherung sowie Pensionsansprüche).

Notstandshilfebezieher seien durchaus in den Arbeitsmarkt eingegliedert und gälten nur als vorübergehend nicht beschäftigt. Sie würden beispielsweise nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz als dem Arbeitsmarkt angehörend behandelt. Die Notstandshilfe dürfe daher nicht der Sozialhilfe, welche nicht auf ein Beschäftigungsverhältnis abstelle und keine Versicherungsleistung, sondern eine reine Sozialleistung sei, durch die Regelungen des AlVG und der Notstandshilfeverordnung praktisch gleichgestellt werden.

Die belangte Behörde hat zu dem zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 2003 keine Äußerung abgegeben.

Zu bemerken ist, dass auch die Beschwerdeführerin zu dem unter der hg. Zl. 2003/08/0002 anhängigen Verfahren, welcher die Aufforderung gemäß dem oben zitierten hg. Beschluss vom 19. März 2003 gleichfalls zugegangen ist, sich dazu in einem umfangreichen Schriftsatz geäußert hat. Der Sache nach hat sie ebenfalls die vorläufige Annahme zu Punkt 4 c) des zitierten hg. Beschlusses mit der Begründung bestritten, die Regelungen über die Notstandshilfe dienten nicht der Sicherung eines Existenzminimums. Auch hat sie Sachverhaltsunterschiede zwischen dem Beschwerdefall und den vom EuGH bisher entschiedenen Fällen behauptet und sich auf zahlreiche Literaturstellen berufen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu I.1.:

Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, die vom Verwaltungsgerichtshof in Betracht gezogenen Entscheidungen des EuGH würden sich in den zu Grunde liegenden Sachverhalten (nationalen Regelungen) vom vorliegenden Beschwerdefall unterscheiden, so ist dem insofern beizupflichten, als in manchen Fällen eine "Mindestnettoleistung" von der "Anrechnung" nicht erfasst gewesen ist (Urteil vom 11. Juni 1987, Rs 30/85 - Fall "Teuling", und Urteil vom 7. Mai 1991, Rs C-229/89, Kommission gegen Belgien) oder die Anrechnung erst nach einem Jahr des Bezuges begonnen hat (vgl. das soeben zitierte Urteil vom 7. Mai 1991).

Ferner ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des EuGH eine Rechtfertigung indirekter Diskriminierung nur dann möglich ist, wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel der Sozialpolitik des Mitgliedstaates dienen und zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind.

Es besteht im Übrigen jedoch kein Zweifel daran, dass hinsichtlich der Dauer des Anspruchs auf Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung gemeinschaftsrechtliche Vorgaben nicht bestehen. Das Gemeinschaftsrecht zwingt nicht dazu, solche Geldleistungen auch für Zeiträume zu gewähren, für die nach österreichischem Arbeitslosenversicherungsrecht nur mehr ein Anspruch auf Notstandshilfe besteht.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag weiters der Rechtsprechung des EuGH keine gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze zu entnehmen oder solche sonst zu erblicken, aus denen abgeleitet werden könnte, dass nach Ablauf des Anspruches auf Arbeitslosengeld ein garantiertes "Mindesteinkommen" unabhängig von der wirtschaftlichen Lage einer arbeitslosen Person gewährt werden müsste und nur der ein solches (gleichsam: geschütztes) Mindesteinkommen übersteigende Betrag einer Minderung durch Einkommensanrechnung unterworfen werden dürfte. Ob und welche Transferzahlungen ein Staat in einem derartigen Fall unabhängig von Einkommen und Vermögen als "Grundleistung" gewährt, liegt zweifelsfrei in seinem sozialpolitischen Ermessen.

Ebenso liegt es im rechtspolitischen Spielraum des nationalen Gesetzgebers, die Aufgabenverteilung zwischen Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe in der Weise vorzunehmen, dass die "Garantie eines für die Existenzsicherung erforderlichen Mindesteinkommens" in Form eines bestimmten (geschlechtsneutral festgelegten) Richtsatzes der Sozialhilfe überlassen wird, während aus der Arbeitslosenversicherung ab dem Auslaufen des Anspruches auf Arbeitslosengeld (nur mehr) gleichsam ein "Beitrag" zur persönlichen Existenzsicherung in Relation zum letzen Arbeitseinkommen (somit aufbauend auf dem "Versicherungsgedanken") gewährt wird, der - dem letzten Einkommen entsprechend - auch verschieden hoch sein kann (und gegebenenfalls durch Leistungen aus der Sozialhilfe zwecks Erreichung des "garantierten Mindesteinkommens" ergänzt wird, solche Sozialhilfeleistungen aber andererseits auch ausschließen kann, indem er die Höhe des "garantierten Mindesteinkommens" erreicht oder überschreitet). Da eine Person eines solchen "Beitrages" für die Sicherung der persönlichen Existenz jedoch insoweit nicht bedarf, als ihr im entsprechenden Ausmaß anderweitig Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen, kann es auch nicht dem Gemeinschaftsrecht widersprechen, wenn diese Mittel bei der Zuerkennung bzw. Bemessung des "Beitrages" zu berücksichtigen sind, weil der jeweilige Mitgliedstaat bei der Regelung seiner Sozialpolitik in all diesen Punkten autonom ist (vgl. das Urteil des EuGH vom 8. Februar 1996, Rs C-8/94 - Fall "Laperre" mit weiteren Hinweisen zur Judikatur des EuGH; vgl. auch das Urteil des EuGH vom 1. Februar 1996, Rs C-280/94 - Fall "Posthuma-van Damme").

Insgesamt hat somit aber auch die Notstandshilfe nach österreichischem Recht nicht die Funktion, eine "Mindestnettoleistung" zu garantieren, sondern (nur) die eines "Beitrages" zur persönlichen Existenzsicherung. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dieser "Beitrag" zusteht, kann im Lichte der genannten Judikatur des EuGH ohne Zweifel gemeinschaftsrechtskonform von den wirtschaftlichen Belastungen der betroffenen Person abhängig gemacht werden.

Erörterungsbedürftig könnte allenfalls sein, ob bei einer solchen Einkommensanrechnung nur eigene Mittel der arbeitslosen Person berücksichtigt werden dürfen, oder ob es gemeinschaftsrechtlich zulässig ist, insoweit zwischen alleinstehenden Personen und in (Ehe- bzw. Lebens-)Gemeinschaft mit Partnern lebenden Personen zu unterscheiden, als das jeweilige Partnereinkommen als zumindest zum Teil zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehend angesehen wird.

Der EuGH hat es nicht nur als zulässig erachtet, Unterhaltspflichten von Beziehern einer Sozialleistung für die Höhe dieser Sozialleistung als maßgeblich festzulegen, sondern es auch für gemeinschaftsrechtskonform erachtet, das Erwerbseinkommen des Ehegatten zu berücksichtigen: Im Urteil vom 19. November 1992, Rs C-226/91 - Fall "Molenbroek", ging es um Zuschläge zu Pensionsleistungen, die nach niederländischem Recht nur im Falle der Bedürftigkeit gewährt wurden und auf die das Einkommen des Ehepartners anzurechnen war, sodass diese Zuschläge auch zur Gänze wegfallen konnten. Der EuGH kam zu der Entscheidung, dass die niederländische Regelung nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstößt, wiewohl von ihr wesentlich mehr Frauen als Männer negativ betroffen sind. Der Fall "Molenbroek" ist jedenfalls insoweit mit der hier zu beurteilenden Konstellation vergleichbar, sodass kein Grund zu zweifeln übrig bleibt, dass unter Zugrundelegung der Grundsätze der "Molenbroek"-Entscheidung auch die Anrechnung von Partnereinkommen auf die Notstandshilfe mit der möglichen Konsequenz, dass diese auch zur Gänze wegfallen kann, trotz des Umstandes, dass hievon mehr Frauen als Männer betroffen sind, gemeinschaftsrechtlich zulässig ist.

Das so erzielte Ergebnis wird noch durch die Überlegung erhärtet, dass es dem nationalen Gesetzgeber praktisch unmöglich gemacht würde, eine Sozialleistung der hier vorliegenden Art im Falle der Notlage zu gewähren, wenn es ihm verwehrt wäre, dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse der arbeitslosen Person, die auch durch das Partnereinkommen beeinflusst werden, zu berücksichtigen.

Soweit die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, dass zwischen der Notstandshilfe als Versicherungsleistung und der Sozialhilfe, die nicht auf dem Versicherungsprinzip beruht, zu unterscheiden ist, ist schließlich darauf zu verweisen, dass es der EuGH auf Grund des von ihm angenommenen rechtspolitischen Spielraums des nationalen Gesetzgebers für nicht gemeinschaftsrechtswidrig erachtet hat, wenn eine aus sozialpolitisch motivierten Gründen gewährte Leistung davon abhängt, dass zuvor ein Einkommen über einer bestimmten Grenze bezogen wurde, auch wenn dadurch (von vornherein) mehr Frauen als Männer vom Leistungsanspruch ausgeschlossen werden (Urteil vom 1. Februar 1996, Rs C-280/94 - Fall "Posthuma-van Damme").

Zur österreichischen Rechtslage ist hier festzuhalten, dass einer arbeitslosen Person wegen ihres vor der Arbeitslosigkeit erzielten Einkommens trotz Anrechnung des Partnereinkommens dann Notstandshilfe zusteht, wenn deren Betrag auf Grund der Höhe des seinerzeitigen Einkommens so hoch ist, dass auch nach Anrechnung des Partnereinkommens ein Anspruch auf Zahlung der Notstandshilfe besteht. Im Hinblick auf das Urteil "Posthuma-van Damme" kann es daher auch nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen, wenn die Höhe eines "Beitrages" zur persönlichen Existenzsicherung mit der Höhe des Arbeitslosengeldes (und damit mit jener des seinerzeit erzielten Erwerbseinkommens) in Relation steht und der "Beitrag" in Form der Notstandshilfe gegebenenfalls nur dann geleistet wird, wenn das seinerzeitige Erwerbseinkommen eine bestimmte Grenze überstiegen hat.

Das sozialpolitische Ziel, das mit der Zuerkennung von Notstandshilfe verfolgt wird, erweist sich also insgesamt als darin gelegen, Personen, die ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft haben, ohne wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert zu sein, in Relation zur Höhe des Arbeitslosengeldes und damit des seinerzeitigen Erwerbseinkommens einen "Beitrag" zur persönlichen Existenzsicherung in Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu gewähren. Diesem Ziel dient die Berücksichtigung von Einkünften des im gemeinsamen Haushalt lebenden Partners. Das genannte Ziel hat mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes nichts zu tun.

Nur dann, wenn dieses sozialpolitisch verfolgte Ziel auch dann erreicht werden könnte, wenn die Anrechnung des Partnereinkommens unterbliebe, könnte die diesbezügliche Regelung als unverhältnismäßig qualifiziert werden (vgl. z.B. die Entscheidung des EuGH vom 19. März 2002, Rs C-476/99 - Fall "Lommers"). Dies ist aber offenkundig nicht der Fall und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet.

Auch die konkrete Regelung der Einkommensanrechnung selbst ist nicht unverhältnismäßig:

Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG in der hier anzuwenden Fassung BGBl. I Nr. 179/1999 ist Notstandshilfe u.a. nur zu gewähren, wenn sich der Arbeitslose in Notlage befindet. Notlage liegt gemäß § 33 Abs. 3 AlVG vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

Gemäß § 2 Abs. 1 der Notstandshilfeverordnung in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 388/1989 liegt Notlage vor, wenn das Einkommen des Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht ausreicht. Bei der Beurteilung der Notlage sind gemäß § 2 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten) zu berücksichtigen.

Die Anrechnung des Partnereinkommens ist in § 36 AlVG determiniert und entsprechend dieser gesetzlichen Determinierung in § 6 der Notstandshilfeverordnung in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 240/1996 wie folgt geregelt:

"B. Anrechnung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin)

§ 6. (1) Bei Heranziehung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) des (der) Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage ist wie folgt vorzugehen: Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.

(2) Die Freigrenze beträgt pro Monat 5 495 S für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und 2 768 S für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt.

(3) Die Freigrenze beträgt pro Monat 10 990 S für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und 5 536 S für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte oder die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, wenn der Arbeitslose nach dem 50. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen (§ 18 Abs. 2 lit. b AlVG) oder länger erschöpft hat.

(4) Die Freigrenze beträgt pro Monat 16 485 S für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und 8 304 S für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte oder die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, wenn der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nach dem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen oder länger erschöpft und auf die Anwartschaft anrechenbare Zeiten (§ 14 Abs. 4 AlVG) von mindestens 240 Monaten oder von 1 040 Wochen nachgewiesen hat. Das gleiche gilt, wenn eine Arbeitslose das 54. Lebensjahr vollendet hat und in den letzten 25 Jahren vor Vollendung des 54. Lebensjahres mindestens 180 Monate arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

(5) Die im Abs. 3 und 4 genannten höheren Freigrenzen sind jeweils nur anzuwenden, wenn das Arbeitsmarktservice dem Arbeitslosen auch unter weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 34 des Arbeitsmarktservicegesetzes, BGBl. Nr. 313/1994, keine zumutbare Beschäftigung vermitteln konnte. Zur Erhöhung der Freigrenze ist der Regionalbeirat vor der Zuerkennung und jeweiligen Verlängerung der Notstandshilfe anzuhören.

(6) Wenn der Arbeitslose oder sein Ehepartner (Lebensgefährte bzw. Lebensgefährtin) das 50. Lebensjahr vollendet hat und einen Grad der Behinderung von mindestens 50 vH aufweist oder eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bezieht, so ist in jedem Fall eine Erhöhung der Einkommensgrenzen um 50 vH vorzunehmen; der Nachweis der Behinderung hat gemäß § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, zu erfolgen.

(7) Bei der Anrechnung ist § 5 Abs. 1 erster Satz und Abs. 4 sinngemäß anzuwenden. Bei der Anrechnung von Notstandshilfe als Einkommen ist nur die niedrigere Notstandshilfe auf die höhere Notstandshilfe anzurechnen. Bei der Ermittlung des Einkommens aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit - ausgenommen einem Einkommen aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb - ist § 5 Abs. 3 anzuwenden.

(8) Hat der Ehepartner (Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin) ein schwankendes Einkommen, wie zB Akkordverdienste, regelmäßige, aber ungleiche Überstundenleistungen, so ist der Anrechnung jeweils das durchschnittliche Erwerbseinkommen der letzten drei vollen Monate für den Anspruch auf Notstandshilfe für die darauffolgenden 52 Wochen zugrunde zu legen. Zwischenzeitliche Erhöhungen oder Verminderungen des schwankenden Einkommens bewirken keine Änderung der zuerkannten Notstandshilfe. Fällt das schwankende Erwerbseinkommen zur Gänze weg, ist der Anspruch auf Notstandshilfe neu zu bemessen.

(9) Bei der Anwendung des Abs. 8 ist eine Neubemessung des Anspruches auf Notstandshilfe auf Antrag des Leistungsbeziehers auch dann vorzunehmen, wenn die Methoden der Entgeltfindung geändert werden, zB Übergang von Akkord- zu Prämienentlohnung, oder durch Neubewertung der Entgeltfindung der mittlere Verdienst im Beurteilungszeitraum nach unten absinkt. "

Um überhaupt zu einer Anrechnung auf die Notstandshilfe zu führen, muss somit das Einkommen des Partners nach Abzug der Steuern, sozialen Abgaben und Werbungskosten (also netto) den jeweiligen Freibetrag übersteigen. Die Notstandshilfe fällt nur insoweit weg, als das Partner-Nettoeinkommen die Freigrenze überschreitet, und erlischt daher erst dann zur Gänze, wenn dieses Einkommen des Partners die jeweilige Freigrenze um das Ausmaß der Notstandshilfe überschreitet. Eine solche Anrechnung, die genau im Ausmaß der Höhe des Partnereinkommens unter Schonung eines Sockelbetrages erfolgt, dessen Höhe auch von Unterhaltspflichten und vom Alter der arbeitslosen Person abhängt, erweist sich nicht als unverhältnismäßig.

Was schließlich die Gleichbehandlung von Lebensgefährten mit Ehepartnern im vorliegenden Zusammenhang betrifft, so ergibt sich ihre Zulässigkeit aus der Überlegung, dass die Bejahung des Bestehens einer Lebensgemeinschaft eine nach dem Vorbild der Ehe geführte Wirtschaftsgemeinschaft definitionsgemäß voraussetzt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1990, Slg. Nr. 13151/A, und vom 4. Oktober 2001, Zl. 96/08/0312), sodass in jenen Fällen, in denen das Bestehen einer Lebensgemeinschaft zu bejahen ist, auch die Gleichbehandlung mit der ehelichen Gemeinschaft im hier maßgebenden Zusammenhang unbedenklich ist (zur Eignung des Partnereinkommens als Gradmesser der Wirtschaftskraft einer Lebensgemeinschaft vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0287; zur Zulässigkeit der Berücksichtigung wirtschaftlicher Verhältnisse Familienangehöriger unabhängig vom Bestehen gesetzlicher Unterhaltspflichten vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 12641/1991 und 12833/1991).

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bestehen daher insgesamt keine Zweifel an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Anordnung der Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten bei Beurteilung der Notlage der im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin im Zusammenhang mit der Zahlung von Notstandshilfe mit dem Gemeinschaftsrecht.

Nicht zu beurteilen hat der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall hingegen die von der Beschwerdeführerin angesprochene Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelung der Notstandshilfe mit dem Gemeinschaftsrecht im Hinblick auf andere Tatbestände, insbesondere im Leistungsrecht der Sozialversicherung.

Zu I.3.:

Die Kundmachungspflicht gründet sich auf § 26a Abs. 2 und 4 VwGG in Verbindung mit § 4 Abs. 2 BGBlG, BGBl. I Nr. 100/2003.

Zu II.:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass eine umfassende Lebensgemeinschaft, die einer Ehe entsprechen würde, gerade in Bezug auf das Element der Wirtschaftsgemeinschaft in ihrem Fall nicht gegeben sei. In wirtschaftlichen Belangen sei eine Teilung der Aufwendungen zwischen ihr und ihrem Lebensgefährten vereinbart und nicht eine Übernahme von Aufwendungen durch ihren Lebensgefährten in einer Situation der wirtschaftlichen Notlage, wie dies einer Ehe entsprechen würde bzw. wozu ein Ehepartner verpflichtet wäre. Es könne daher nicht von einer Lebensgemeinschaft im Sinne des § 36 Abs. 2 AlVG bzw. der darauf Bezug habenden Bestimmungen der Notstandshilfeverordnung ausgegangen werden. Darüber hinaus seien gemäß § 36 Abs. 2 AlVG bzw. § 2 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des im gemeinsamen Haushalt lebenden Partners zu berücksichtigen. Dies wäre in ihrem Fall nicht erfolgt, da sie ihre laufenden Aufwendungen nicht decken könne. Außerdem müsse bei der Anrechnung des Partnereinkommens zumindest der konkrete Aufwand für die Befriedigung des Wohnbedürfnisses Berücksichtigung finden. Dies sei ebenfalls nicht geschehen, da der pauschalierte Freibetrag ihres Partners schon durch die Kosten für die Wohnung praktisch aufgebraucht wäre. Bei einem auf ihren Partner entfallenden Anteil der Aufwendungen für die Wohnung von S 4.564,-- verblieben diesem nicht einmal S 1.000,-- zur Befriedigung der sonstigen Lebensbedürfnisse. Die belangte Behörde habe weder ein Beweisverfahren durchgeführt noch Tatsachenfeststellungen zu ihrer konkreten persönlichen wirtschaftlichen Situation und zu den von ihr geltend gemachten monatlichen fixen Aufwendungen durchgeführt. Dasselbe treffe auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Partners zu. Auch das "konkrete Aufkommen beider Partner zum gemeinsamen Haushalt" habe die belangte Behörde nicht ermittelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens im Wesentlichen entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 2001/08/0101, mwN).

Wie die Beschwerdeführerin selbst ausführt und von ihrem Rechtsvertreter in der mündlichen Verhandlung bekräftigt wurde, ist die Bestreitung der Kosten der gemeinsamen Wohnung und der damit verbundenen Aufwendungen sowie des gemeinsamen Haushaltes und eines Pkw derart gestaltet, dass je 50 % der Kosten von der Beschwerdeführerin und von ihrem Lebensgefährten getragen werden. Darin liegt aber ein gemeinsames Wirtschaften, welches den Schluss zulässt, dass nicht nur eine Wohn-, sondern auch eine Lebensgemeinschaft vorliegt. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Krankenversicherung bei ihrem Lebensgefährten mitversichert ist. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin in einer Lebensgemeinschaft lebt u

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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