TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/20 2002/01/0386

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Veröffentlicht am 20.01.2004
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Index

L10109 Stadtrecht Wien;
L17009 Gemeindeeigener Wirkungsbereich Wien;
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauO Wr §39 Abs1;
BauO Wr §4;
GrünanlagenV Wr 1993 §1 Abs1 Z2;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des G in Wien, vertreten durch Dipl.-Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien Maxingstraße 34, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. Februar 2002, Zl. UVS- 03/M/14/1753/2001/4, betreffend Bestrafung wegen einer Übertretung der (Wiener) Grünanlagenverordnung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 18. Jänner 2001 war dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden, er habe am 27. Juli 2000 um 10:15 Uhr in Wien 13., Gloriettegasse 2, das Kraftfahrzeug der Marke Mazda 323 mit dem behördlichen Kennzeichen .... in der Grün- und Pflanzungsfläche, die sich auf der für den Straßenverkehr gewidmeten Fläche befindet, abgestellt gehabt. Dadurch habe er § 12 Abs. 1 i.V.m.

§ 3 Abs. 1 und § 8 der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend die Benützung von Grünanlagen (Grünanlagenverordnung), verlautbart im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 19 vom 13. Mai 1993, verletzt, weshalb über ihn gemäß § 108 Abs. 2 dritter Satz der Wiener Stadtverfassung eine Geldstrafe von S 1.000,--, im Nichteinbringungsfall 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt werde.

Die belangte Behörde gab der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge. Sie führte aus, dass § 1 Abs. 1 Grünanlagenverordnung eine taxative Aufzählung jener Grünanlagen enthalte, auf welche die Verordnung Anwendung finde. Dabei sei dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass der - im gegenständlichen Fall in Frage kommende - Tatbestand der Z 2 grammatikalisch falsch formuliert sei, doch ergebe sich (aus näheren, hier nicht dargestellten Erwägungen), dass dieser Tatbestand (u.a.) Grün- und Pflanzungsflächen, die sich auf für den Straßenverkehr gewidmeten Flächen befänden, erfasse. Im vorliegenden Fall sei nicht fraglich, dass das Fahrzeug des Beschwerdeführers am 27. Juli 2000 um 10.15 Uhr in 1130 Wien, Gloriettegasse 2, abgestellt gewesen sei. Aus der "unbestritten gebliebenen Fotografie" des am Tatort abgestellten Fahrzeuges gehe hervor, dass die gegenständliche Grünanlage aus Gras (angrenzend an die Hausfront) und aus zusammengepresstem Erdreich bestanden habe. Die Abgrenzung der Grünanlage zur Fahrbahn erfolge mit auf gleichem Niveau befindlichen Pflastersteinen. Das Tatfahrzeug sei mit zwei Rädern im Erdreich abgestellt gewesen. Angesichts der geschilderten räumlichen Anordnung und Gestaltung der Fläche brauche nicht weiter begründet zu werden, dass es sich "hiebei um eine auf einer für den Straßenverkehr gewidmeten Grün- und Pflanzungsfläche" handle. Für die Qualifikation als solche sei nämlich nicht der konkrete Zustand der gärtnerischen Gestaltung maßgeblich, sondern die Zweckbestimmung in Verbindung mit der baulichen oder sonstigen Ausgestaltung, die diese Zweckbestimmung erkennen lasse. Es sei daher von der Verwirklichung des objektiven Tatbildes auszugehen und - der Beschwerdeführer habe sich nicht zu exkulpieren vermocht - der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 10. Juni 2002, B 605/02-3, ab. Antragsgemäß wurde die Beschwerde mit Beschluss vom 13. August 2002 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen der Grünanlagenverordnung, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 19 vom 13. Mai 1993, hatten in der hier anzuwendenden Stammfassung folgenden Wortlaut:

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Diese Verordnung findet Anwendung auf:

1. Öffentlich zugängliche Parkanlagen einschließlich der Vorgärten rund um das Kunst- und das Naturhistorische Museum sowie begrünter Vorflächen entlang der Parkmauern und im Bereich von Zugängen zu Parkanlagen,

2. Grün- und Pflanzungsflächen, die sich auf der für den Straßenverkehr gewidmeten Flächen und auf dem Heldenplatz zwischen der Neuen Hofburg und der vom Burgring zum Michaelerplatz führenden Straßen befinden,

3.

gekennzeichnete Lagerwiesen und

4.

außerhalb von Parkanlagen und gekennzeichneten Lagerwiesen gelegene Grünflächen des Praters.

(2) Diese Verordnung findet keine Anwendung auf Grünanlagen im Bereich von Wohnhausanlagen und auf gekennzeichnete Rasenparkplätze.

(3) Diese Verordnung findet keine Anwendung auf Personen, die im Abs 1 angeführte Flächen mit Zustimmung des Grundeigentümers oder auf Grund einer Gebrauchserlaubnis gemäß § 1 Abs 1 des Gebrauchsabgabengesetzes 1966, LGBl für Wien Nr 20/1966, zu anderen Zwecken als zur Erholung und Sportausübung benützen.

...

Schutz der Grün- und Pflanzungsflächen;

Betretungs- und Fahrverbote

§ 3. (1) In öffentlich zugänglichen Parkanlagen dürfen Grün- und Pflanzungsflächen weder betreten, noch befahren, noch zum Abstellen von Fahrzeugen (§ 2 Abs 1 Z 19 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 86/1989) oder ähnlichen Fortbewegungsmitteln benutzt werden.

(2) ...

(3) ...

(4) ...

...

     Grün- und Pflanzungsflächen auf für den

Straßenverkehr gewidmeten Flächen

     § 8. (1) Auf die im § 1 Abs 1 Z 2 genannten Grün- und

Pflanzungsflächen sind § 2 Abs 3 Z 1 und 2, § 3 Abs 1 und 4 sowie

§ 7 Abs 1 und 2 sinngemäß anzuwenden.

     ...

     Strafbestimmungen

     § 12. (1) Wer den Geboten und Verboten der §§ 2 Abs 1, 3

und 4, 3 Abs 1 und 4, 4 Abs 1 und 4, 5 Abs 1, 2 und 6, 6, 7 Abs 1 und 2, 8, 9 Abs 1 und 3, sowie 10 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung ...

(2) ..."

Wie eine Einsicht in den beigeschafften Verordnungsakt des Magistrats der Stadt Wien, Zl. MA 58-4826/81, ergeben hat, war die Kundmachung des § 1 Abs. 1 Z 2 Grünanlagenverordnung abweichend vom unterfertigten Original der Verordnung erfolgt. Der Originaltext lautet:

"Grün- und Pflanzungsflächen, die sich auf für den Straßenverkehr gewidmeten Flächen und auf dem Heldenplatz zwischen der Neuen Hofburg und der vom Burgring zum Michaelerplatz führenden Straße befinden."

Mit der Textierung des § 1 Abs. 1 Z 2 Grünanlagenverordnung unter Bedachtnahme auf die dargestellte Divergenz von Kundmachung und Originaltext hat sich bereits der Verfassungsgerichtshof beschäftigt.

Mit dem zitierten, im Beschwerdefall ergangenen Ablehnungsbeschluss sprach er aus:

"Soweit in der Beschwerde die Rechtswidrigkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen, das übersieht,

-

dass in der Kundmachung der Wiener Grünanlagenverordnung im Amtsblatt der Stadt Stadt Wien Nr. 19/1993 in § 1 Abs. 1 Z 2 - abweichend vom unterfertigten Originaltext der Verordnung - Druckfehler unterlaufen sind, und

-

dass der gemeinte Sinn gerade noch erkennbar ist,

vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Unterscheidung zwischen Publikationsmängeln und Druckfehlern (VfSlg. 3719/1960, 14.851/1997), die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat."

In diesem Sinn den Verordnungstext verstehend, gelangte die belangte Behörde zu dem Resultat, dass "von der Verwirklichung des objektiven Tatbildes auszugehen" sei. Sie legte ihrer Entscheidung also zu Grunde, dass der Beschwerdeführer - entgegen § 8 i.V.m.

§ 3 Abs. 1 Grünanlagenverordnung - sein KFZ auf einer Grün- und Pflanzungsfläche, die sich auf einer für den Straßenverkehr gewidmeten Fläche befinde, abgestellt habe. Dazu führte sie (siehe oben) aus, dass angesichts der geschilderten räumlichen Anordnung und Gestaltung der Fläche nicht weiter begründet werden müsse, dass es sich "hiebei um eine auf einer für den Straßenverkehr gewidmeten Grün- und Pflanzungsfläche" handelt. Dieser Sichtweise vermag der Verwaltungsgerichtshof indes nicht zu folgen.

Tatobjekt kann im gegenständlichen Zusammenhang ausgehend von dem oben dargestellten Verständnis des § 1 Abs. 1 Z 2 Grünanlagenverordnung nur eine Grün- und Pflanzungsfläche sein, die sich auf einer für den Straßenverkehr gewidmeten Fläche befindet. Was unter "für den Straßenverkehr gewidmeten Flächen" zu verstehen ist, wird in der Grünanlagenverordnung nicht näher dargelegt. Dass es sich dabei um durch besonderen Widmungsakt dem Straßenverkehr zugeordnete Flächen handle, ist ungeachtet des Wortlauts schon deshalb nicht anzunehmen, weil die insoweit als Grundlage für eine Widmung in Betracht kommende Bauordnung für Wien (siehe insbesondere deren § 4) keine Widmungsart "Straßenverkehr" bzw. "Straßenverkehrsfläche" kennt (Geuder/Hauer, Wr. Bauvorschriften4 (2002), Anm. 1 zu § 39 BO). Man wird daher davon auszugehen haben, dass schlichtweg solche Flächen erfasst sein sollen, die dem Straßenverkehr dienen. Warum sich die hier zu beurteilende "Grün- und Pflanzungsfläche" auf einer Fläche befinden soll, die dem Straßenverkehr dient, wäre entgegen der behördlichen Ansicht näher zu begründen gewesen. Aus der "geschilderten räumlichen Anordnung" allein (die aus Gras - angrenzend an die Hausfront - und aus zusammengepresstem Erdreich bestehende Grünanlage werde zur Fahrbahn mit auf gleichem Niveau befindlichen Pflastersteinen abgegrenzt) lässt sich das nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nämlich nicht ableiten, vielmehr hätte es einer weiteren Darstellung der örtlichen Verhältnisse bedurft, um eine solche Schlussfolgerung ziehen zu können. Das hat die belangte Behörde verkannt, weshalb der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 20. Jänner 2004

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Ermittlungsverfahren Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002010386.X00

Im RIS seit

16.02.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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