TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/20 2003/01/0362

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Veröffentlicht am 20.01.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §21 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des I in Wien, geboren 1961, vertreten durch Dr. Josef W. Deitzer, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Wiener Straße 36-38, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. Mai 2003, Zl. 234.194/10-I/01/03, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. Juni 2002 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.); weiters stellte es gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Das Bundesasylamt verfügte die eigenhändige Zustellung dieses Bescheides an der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren bekannt gegebenen Adresse B.-Gasse in Wien, wo gemäß den Vermerken des Postzustellers am Rückschein am 19. und am 20. Juni 2002 je ein erfolgloser Zustellversuch vorgenommen wurde. Am Rückschein ist dazu weiter angekreuzt, dass die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches und die Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt worden seien und dass die Sendung beim Postamt Wien mit Beginn der Abholfrist 21. Juni 2002 hinterlegt worden sei.

Gemäß einem im Verwaltungsakt enthaltenen Aktenvermerk vom 30. Dezember 2002 erschien der Beschwerdeführer (offenkundig: an diesem Tag) bei der aktenführenden Außenstelle des Bundesasylamtes und erhielt dort eine Bescheidkopie ausgefolgt. Mit der Behauptung, den erstinstanzlichen Bescheid vom 18. Juni 2002 (erst) am 30. Dezember 2002 zugestellt erhalten zu haben - die beim Postamt hinterlegte Sendung war an das Bundesasylamt als "nicht behoben" zurückgestellt worden -, erhob der Beschwerdeführer hierauf gegen diesen Bescheid Berufung.

Über Verspätungsvorhalt der belangten Behörde brachte der Beschwerdeführer in einer Stellungnahme vom 17. März 2003 zunächst vor, der Postzusteller habe weder eine Verständigung über die erfolgte Hinterlegung in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten eingelegt, noch eine solche an der Abgabestelle zurückgelassen oder an der Eingangstüre angebracht. In einer in der Folge am 29. April 2003 durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer weiter an, dass es an seiner Adresse "Postfächer" gäbe, allerdings seien die meisten kaputt. Die Frage der Verhandlungsleiterin, ob auch sein "Postfach" aufgebrochen bzw. kaputt sei, bejahte er; drei oder vier "Postfächer", auch seines, seien "gebrochen". Der daraufhin als Zeuge einvernommene Postzusteller führte gemäß der in den Verwaltungsakten erliegenden Verhandlungsschrift Folgendes aus (VL = Verhandlungsleiter, Z = Postzusteller, BWV = Beschwerdeführervertreter):

"VL: Seit wann sind Sie Postzusteller?

Z: Seit November 1999.

VL: Seit wann betreuen Sie das Gebiet um die B.-Gasse?

Z: Ich bin ein Springer im gesamten Bezirk.

VL: Wann waren Sie zuletzt in der B.-Gasse Verteiler?

Z: Ich kann mich nicht erinnern.

...

VL: Kennen Sie den Hrn. I. persönlich?

Z: Nein.

VL: Können Sie sich an das Objekt B.-Gasse erinnern?

Z: Vage.

VL: Können Sie sich an den Zustellvorgang im Haus erinnern?

Z: Ich kann nur eine generelle Auskunft geben, ich läute an,

wenn niemand anwesend ist, schreibe ich eine Hinterlegungsanzeige.

VL: Können Sie sich erinnern, dass Postfächer in der B.- Gasse kaputt bzw. aufgebrochen sind?

Z: Nein.

VL: Hat dort jede Wohnung ein Brieffach?

Z: Ich nehme es an.

VL: Haben Sie schon öfters von Problemen bezüglich der Zustellung in diesem Haus gehört?

Z: Nein.

...

Der BWV erklärt wie machen Sie das normalerweise, dass das Postfach aufgebrochen ist?

Z: Ich lege es trotzdem in das Brieffach. Wenn sich jemand darüber beschwert, dass das Postfach nicht in Ordnung ist, dann wird das Postfach repariert.

..."

Mit Bescheid vom 16. Mai 2003 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass es sich bei einem Postrückschein um eine öffentliche Urkunde handle, die die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich habe. Diese Vermutung sei zwar widerlegbar, die gegenteilige Behauptung sei jedoch entsprechend zu begründen und es seien Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen ließen. Was das Vorbringen in der Stellungnahme vom 17. März 2003 anlange, so zeige schon seine Formulierung, dass damit keine konkreten Sachverhaltsbehauptungen erbracht worden seien. Soweit der Beschwerdeführer aber erstmals in der mündlichen Verhandlung behaupte, dass das Hausbrieffach kaputt sei, sei ihm die Aussage des Zustellers entgegenzuhalten, wonach dieser im Wohnhaus des Beschwerdeführers keine Kenntnis über aufgebrochene oder anderweitig kaputte Hausbrieffächer habe. Zwar kenne der Zusteller den Beschwerdeführer nicht persönlich, in Bezug auf den Zustand des Hausbrieffaches des Beschwerdeführers sei jedoch der Aussage des Zustellers zu entnehmen, dass sich das Hausbrieffach des Beschwerdeführers in einem ordnungsgemäßen Zustand befinde; das neue Vorbringen des Beschwerdeführers sei als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Davon ausgehend erweise sich - so die belangte Behörde im Ergebnis abschließend - die auf dem Postrückschein beurkundete Hinterlegung als mangelfrei, weshalb die erst am 13. Jänner 2003 zur Post gegebene Berufung verspätet sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im vorliegenden Fall geht es allein darum, ob die Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides (mit Beginn der Abholfrist am 21. Juni 2002) beim Postamt Wien unter Beachtung des § 17 Abs. 2 Zustellgesetz erfolgte. Gemäß dieser Bestimmung ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Die belangte Behörde ging erkennbar, der im Postrückschein enthaltenen Beurkundung folgend, davon aus, dass gegenständlich nach erfolgloser Vornahme eines zweiten Zustellversuches eine Hinterlegungsanzeige in das Hausbrieffach des Beschwerdeführers eingelegt worden sei. In der Beschwerde wird die dazu im Ergebnis schon im Verwaltungsverfahren (im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde) aufgestellte Behauptung, das für die Abgabestelle des Beschwerdeführers vorgesehene Hausbrieffach sei "aufgebrochen und kaputt" gewesen, aufrechterhalten. Träfe diese Behauptung zu, so wäre die Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige im Hausbrieffach rechtswidrig gewesen. Gegebenenfalls hätte das Hausbrieffach nämlich nicht mehr die ihm zugedachte Funktion erfüllen können und es wäre nicht die die Zustellfiktion des § 17 Abs. 3 dritter Satz Zustellgesetz rechtfertigende Gewähr gegeben gewesen, ein durchschnittlich sorgfältiger Empfänger könne nach der Rückkehr an die Abgabestelle in den Besitz der Hinterlegungsanzeige kommen (vgl. sinngemäß, einen unversperrbaren Briefkasten betreffend, das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2003, Zl. 2003/11/0161, mwN.; siehe auch Gitschthaler in Rechberger, ZPO2 (2000), Rz 3 zu § 87 (§ 17 ZustG), sowie Stumvoll in Fasching/Konecny, ZPO2 (2003), Rz 14 zu Anh § 87 (§ 21 ZustG)).

Wie oben dargestellt, legte die belangte Behörde dem bekämpften Bescheid zugrunde, dass sich das Hausbrieffach des Beschwerdeführers in einem ordnungsgemäßen Zustand befinde (bzw. befunden habe). Das lasse sich der Aussage des Zustellers entnehmen, der angegeben habe, dass er bezüglich des Wohnhauses des Beschwerdeführers keine Kenntnis über aufgebrochene oder anderweitig kaputte Hausbrieffächer habe.

Richtig ist, dass der Zusteller die an ihn von der Verhandlungsleiterin gerichtete Frage, ob er sich erinnern könne, dass "Postfächer" in der B.-Gasse kaputt bzw. aufgebrochen seien, verneinte. Wie die Beschwerde richtig aufzeigt, kann diese Negation im Gesamtzusammenhang jedoch keineswegs so verstanden werden, dass damit die in Frage stehende Beschädigung an sich in Abrede gestellt werden sollte. Vielmehr brachte der Zusteller - das ergibt sich genau betrachtet schon aus dem Wortlaut von Frage und Antwort - eben nur zum Ausdruck, dass er sich nicht erinnern könne, dass "Postfächer" kaputt bzw. aufgebrochen gewesen seien. Der von der belangten Behörde gezogene Schluss von der mangelnden Erinnerung des Zustellers auf tatsächlich nicht vorgelegene Beschädigungen des Hausbrieffaches des Beschwerdeführers ist aber gegenständlich schon deshalb verfehlt, weil der Zusteller selbst angab, nur als "Springer" eingesetzt gewesen zu sein und das Objekt B.-Gasse nur "vage" zu kennen. Auch aus der auf dem Rückschein vorgenommenen Beurkundung lässt sich nichts gewinnen, weil der Zusteller einräumte, bei aufgebrochenem "Postfach" die Hinterlegungsanzeige trotzdem in das Brieffach einzulegen. Im Ergebnis waren die Angaben des Zustellers daher nicht geeignet, Grundlage für die Feststellung zu bieten, das Hausbrieffach des Beschwerdeführers sei entgegen seinen Behauptungen in ordnungsgemäßem Zustand gewesen. Angesichts dessen ist der demgegenüber auf den Angaben des Zustellers aufbauende angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war. Bei diesem Ergebnis konnte die beantragte Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 20. Jänner 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003010362.X00

Im RIS seit

18.02.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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