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40 VerwaltungsverfahrenNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer am letzten Tag der Berufungsfrist nach Ende der Amtsstunden mittels Telefax eingebrachten Berufung als verspätet; Rechtzeitigkeit der Berufung infolge Einbringung vor Ablauf des letzten Tages der Frist; Zeitpunkt des Einbringens, nicht aber des Einlangens für die Wahrung der Rechtsmittelfrist entscheidendSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 27.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 7. Dezember 1999 beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung von Asyl, welcher mit Bescheid vom 7. April 2000, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellt am 12. April 2000, abgewiesen wurde. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die er mittels Telefax am 26. April 2000 um 16.38 Uhr beim Bundesasylamt einbrachte. Der Unabhängige Bundesasylsenat als zuständige Berufungsbehörde wies die Berufung mit Bescheid vom 8. Juni 2000 als verspätet zurück und begründete dies (gestützt auf §13 Abs5 AVG und unter Bezugnahme auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.3.2000, Zl. 2000/20/0027) im wesentlichen damit, daß die mittels Telefax am 26. April 2000 nach den (von 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr dauernden) Amtsstunden eingebrachte Berufung erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden am 27. April 2000 als beim Bundesasylamt eingelangt gelte und daher verspätet sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Verletzung in bestimmten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich des §13 Abs5 AVG angeregt sowie die Bescheidaufhebung beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Die Beschwerde erweist sich, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, als zulässig; sie ist auch gerechtfertigt.
Der vorliegende Sachverhalt gleicht - hinsichtlich der von der belangten Behörde als verspätet beurteilten, mittels Telefax eingebrachten Berufung - in allen wesentlichen Belangen jenem, welcher der zu B460/00 protokollierten Beschwerde zugrunde lag.
Es genügt somit, auf die Entscheidungsgründe des zur bezogenen Zahl gefällten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 26. Juni 2000 zu verweisen, aus welchem sich auch für den vorliegenden Fall entsprechend ergibt, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) verletzt wurde.
Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-
enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Verwaltungsverfahren, Berufung, BerufungsfristEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B1280.2000Dokumentnummer
JFT_09999075_00B01280_00