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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §250 Abs1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat Ia, vom 23. März 1999, Zl. RV/182-15/08/92, betreffend Umsatzsteuer 1983 und 1984 sowie Einkommensteuer 1983 bis 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Witwe nach einem am 29. August 1983 verstorbenen öffentlichen Notar. Für die Dauer der Tätigkeit des für den Zeitraum vom 8. September 1983 bis 1. April 1984 bestellten Substituten des verstorbenen Notars war von der durch die Beschwerdeführerin vertretenen Verlassenschaft nach ihrem Ehemann mit dem bestellten Substituten vereinbart worden, dass die Verlassenschaft die Büroräumlichkeiten und das Inventar sowie (für die restliche Zeit des Jahres 1983 zur Gänze und ab dem 1. Jänner 1984 teilweise) das Notariatspersonal zur Verfügung stelle und hiefür neben einem Spesenersatz 50 % des verbleibenden Gewinnes als Abgeltung erhalte. Nachdem ein Nachfolger des verstorbenen Notars ernannt worden war, wurde diesem von der Verlassenschaft mit Wirksamkeit vom 1. April 1984 - wie dies im Bericht über das Ergebnis der Prüfung der Aufzeichnungen bei der Beschwerdeführerin formuliert wurde - das Inventar, "das Mietrecht" sowie "die angearbeiteten Akten" zu einem Kaufpreis von brutto S 1,141.500,-- veräußert, wobei die Rechnungslegung erst nach Vorliegen der Genehmigung dieses Geschäftes durch das Verlassenschaftsgericht am 6. November 1985 erfolgte.
Das mit der Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung der Aufzeichnungen bei der Beschwerdeführerin betraute Prüfungsorgan brachte im Prüfungsverfahren die Rechtsanschauung zum Ausdruck, dass der Notariatsbetrieb mit dem Tode des Ehemannes der Beschwerdeführerin an sie als Alleinerbin übergegangen sei, weshalb alle Verfügungen über das Betriebsvermögen ab dem Todestag des Ehemannes der Beschwerdeführerin zuzurechnen seien. Vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin wurden daraufhin Abgabenerklärungen überreicht, in denen von dieser Zurechnung der Einkünfte durch das Prüfungsorgan bereits ausgegangen wurde.
In den im Anschluss an die Prüfung erlassenen Umsatz- und Einkommensteuerbescheiden der Beschwerdeführerin für die Jahre 1983 und 1984 sowie im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1985 wurde von den im Prüfungsverfahren erstatteten Abgabenerklärungen geringfügig abgewichen, was im Prüfungsbericht mit einem Nettoansatz von Kostenanteilen trotz Bruttoverrechnung, mit einem zu hoch angesetzten Abzug eines Mietzinsbetrages und mit der als unberechtigt angesehenen Geltendmachung des Pauschbetrages nach § 4 Abs. 6 EStG 1972 begründet wurde.
Mit Schreiben vom 8. November 1990 brachte die Beschwerdeführerin eine Berufung ein, die folgenden Wortlaut hat:
"Steuernummer ... - (Beschwerdeführerin)
Berufung
Namens und auftrags meiner Mandantschaft lege ich gegen
folgende Bescheide das Rechtsmittel der Berufung ein:
Umsatzsteuer 1983
Umsatzsteuer 1984
Einkommensteuer 1983
Einkommensteuer 1984
Einkommensteuer 1985
Bescheid über die Festsetzung von Säumniszuschlägen
vom 19. Oktober 1990.
Ich begründe die Berufung damit, dass Herr X. (Anmerkung des Gerichtshofes: der im Zeitraum vom 8. September 1983 bis 1. April 1984 bestellte Notarsubstitut) entgegen der Ansicht der Betriebsprüfung, der Meinung ist, dass es sich bei der Überlassung der Kanzlei an ihn nicht um eine Vermietung der Räumlichkeiten und Überlassung des Personals, sondern um eine Personenvereinigung handelt.
Ein entsprechendes Rechtsmittel gegen seine Bescheide ist zu erwarten.
Weiters stehen die in der Betriebsprüfung angesetzten Kostenanteile X. noch nicht endgültig fest.
Eine Klärung der genauen Beträge wird erst bis Mitte Dezember 1990 möglich sein.
Die Berufung gegen die Säumniszuschläge begründe ich damit, dass die entsprechenden Abgabenschulden zum Teil aus der oben angeführten Kostenverrechnung und damit aus der anderen Rechtsmeinung herrühren und zum anderen Teil die Beträge unter der Steuernummer der Verlassenschaft ... abgeführt worden sind.
Ich ersuche um Erledigung meines Rechtsmittels entsprechend der Erledigung der Berufung des X. und der noch nachzureichenden Kostenanteile."
Der im Zeitraum vom 8. September 1983 bis 1. April 1984 bestellt gewesene Notarsubstitut hatte gegen einen Bescheid des Finanzamtes, mit welchem das Unterbleiben einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für ihn und die Verlassenschaft mit der Begründung ausgesprochen wurde, dass das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft zu verneinen sei, Berufung erhoben. Diese Berufung zog er allerdings im Zuge eines beim Verwaltungsgerichtshof zur Zahl 92/13/0277 anhängig gewesenen Säumnisbeschwerdeverfahrens zurück.
Nachdem das Finanzamt die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung der belangten Behörde vorgelegt hatte, ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 7. März 1997 darum, die "bereits am 16. Jänner 1996 telefonisch von Ihrem steuerlichen Vertreter angekündigten Unterlagen betreffend die im Dezember 1996 vorgeschriebene Erbschaftssteuer sowie die nach Beendigung des zivilgerichtlichen Verfahrens feststehende Forderung X. innerhalb von zwei Wochen vorzulegen".
Mit Schreiben vom 5. Juni 1997 urgierte die belangte Behörde die Erledigung dieses Ersuchens.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin betreffend Umsatzsteuer 1983 und 1984 sowie Einkommensteuer 1983 und 1985 als unbegründet ab, während sie der Berufung betreffend Einkommensteuer 1984 durch Abänderung dieses Bescheides teilweise stattgab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird nach Wiedergabe der Ausführungen des abgabenbehördlichen Prüfers ausgeführt, dass eine Anrechnung der Erbschaftssteuer im Sinne des § 24 Abs. 5 EStG 1972 auf die Einkommensteuer vom Prüfer trotz diesbezüglichen Antrages der Beschwerdeführerin nicht habe durchgeführt werden können, weil die Erbschaftssteuer damals noch nicht vorgeschrieben gewesen sei. Nach Wiedergabe der Berufungsausführungen der Beschwerdeführerin, des Ganges des vom bestellt gewesenen Notariatssubstituten initiierten Feststellungsverfahrens und der Ersuchschreiben vom 7. März 1997 und 5. Juni 1997 wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Feststellung getroffen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen die Festsetzung der Erbschaftssteuer beantragt habe, bei der Bemessungsgrundlage eine Ablöse in Höhe von S 951.000,--, für welche Einkommensteuer in Höhe von S 270.655,-- bezahlt worden sei, sowie die Einkommensteuer für die Honorarzuflüsse, welche sich auf die Differenz zu einem Betrag von S 602.445,-- beliefen, zu berücksichtigen. Mit Berufungsentscheidung vom 6. November 1996 sei die Erbschaftssteuer "für diesen Erwerbsvorgang" mit S 203.340,-- festgesetzt worden. Nach Wiedergabe der Gründe des hg. Erkenntnisses vom 8. April 1987, 84/13/0282, wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides schließlich dargestellt, dass im vorliegenden Fall die Aktiva laut dem "niederschriftlich am 5. Oktober 1984 zu Protokoll gegebenen Hauptinventar" insgesamt S 4,615.433,63 betrügen, worin das an den Nachfolger im Notariat "per Todestag veräußerte Kanzleivermögen" in Höhe von S 921.590,-- sowie Honorarforderungen in Höhe von S 1,938.103,68 angeführt seien, aus welchen Posten ein Betrag von S 2,859.693,-- resultiere. In der dem Erbschaftssteuerbescheid vom 15. Dezember 1983 zu Grunde gelegten Berechnung sei grundsätzlich von den niederschriftlich festgehaltenen Aktiven laut Hauptinventar ausgegangen worden, wobei nach Berücksichtigung von Pflichtteilen die Aktiva mit S 4,020.826,20 angesetzt worden seien. Mit stattgebender Berufungsentscheidung seien bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftssteuer ausschließlich die Passiva um einen Betrag in Höhe von S 602.445,--
erhöht worden, wobei es sich um "auf die Ablöse sowie Honorarzuflüsse entfallende Einkommensteuer" gehandelt habe. Dies bedeute, dass die gesamten Aktiva in Höhe von S 4,020.826,20 mit Erbschaftssteuer in Höhe von S 202.340,-- (dies entspreche einer Belastung von 5,032 %) belastet seien. Auf die betrieblichen Aktiva in Höhe von S 2,859.683,-- entfalle daher eine auf die Einkommensteuer anrechenbare Erbschaftssteuer in Höhe von S 143.900,-- (S 2,859.693-- * 5,032 %). Mangels geeigneten Nachweises seien die Kostenanteile X. entsprechend der Aufstellung der Betriebsprüfung in Ansatz zu bringen gewesen. Der Berufung sei somit hinsichtlich Einkommensteuer 1984 teilweise stattzugeben, im Übrigen sei sie als unbegründet abzuweisen gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführerin trägt vor, der angefochtene Bescheid lasse für seine die Berufung abweisenden Absprüche jegliche Begründung vermissen, während die Begründung des Abspruches über die Abänderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1984 zum einen nicht nachvollziehbar und zum anderen teilweise rechtlich verfehlt sei und deswegen auf unvollständigen und in der Beschwerdeschrift einer näheren Kritik unterzogenen Sachverhaltsannahmen beruhe. Über die Berufung gegen die Säumniszuschläge habe die belangte Behörde nicht entschieden.
Das von der Beschwerdeführerin gerügte Überprüfbarkeitsdefizit des angefochtenen Bescheides, dessen - ihr nicht vorgehaltene - Sachverhaltsgrundlagen von der Beschwerdeführerin mit Ausführungen bekämpft werden, die durchgehend gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende Neuerungsverbot verstoßen, wurzelt verfahrensrechtlich im Grunde darin, dass die belangte Behörde nicht erkannt hat, dass ihr eine der tauglichen meritorischen Erledigung zugängliche Berufung noch nicht vorlag.
Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muss eine Berufung nämlich enthalten:
a)
die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b)
die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c)
die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d)
eine Begründung.
Das im § 250 Abs. 1 lit. c BAO statuierte Erfordernis soll die Berufungsbehörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, welche Unrichtigkeit der Berufungswerber dem Bescheid anlastet (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 1999, 97/15/0094, und vom 8. April 1992, 91/13/0123, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die im § 250 Abs. 1 lit. d BAO geforderte Angabe soll die Berufungsbehörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, aus welchen Gründen der Berufungswerber die Berufung für Erfolg versprechend hält (siehe Ritz, Kommentar zur Bundesabgabenordnung2, Tz 14 zu § 250).
Der im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung fehlte die im § 250 Abs. 1 lit. c BAO geforderte Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, ebenso wie die im § 250 Abs. 1 lit. d BAO geforderte Begründung der von ihr unternommenen Anfechtung der erstinstanzlichen Abgabenbescheide. Der Hinweis auf die von der Rechtsansicht des abgabenbehördlichen Prüfers abweichende Rechtsansicht des bestellt gewesenen Notarsubstituten über das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft sowie darauf, dass bestimmte Kostenanteile noch nicht endgültig feststünden, war jedenfalls ungeeignet, das Erfordernis des § 250 Abs. 1 lit. c BAO zu erfüllen, und stellte auch keine verfahrensrechtlich ausreichende Begründung der von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung dar.
Die Berufungsbehörde, der keine den Erfordernissen des § 250 BAO entsprechende Berufung vorliegt, ist zu einer Sachentscheidung nicht zuständig. Trifft sie eine solche dennoch, so belastet sie den erlassenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (siehe die hg. Erkenntnisse vom 24. April 2002, 95/13/0277, und vom 14. September 1992, 91/15/0135), welche der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG von Amts wegen wahrzunehmen hat (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, 90/14/0225).
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. Jänner 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:1999130120.X00Im RIS seit
23.02.2004