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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der M, geboren 1947, vertreten durch Dr. Thomas Buschmann, Rechtsanwalt in 2325 Himberg, Lanzendorfer Straße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. März 2003, Zl. SD 716/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. März 2003 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine polnische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Beschwerdeführerin halte sich seit 1990 im Bundesgebiet auf. Lediglich für den Zeitraum von 29. September 1992 bis 16. Februar 1994 habe sie über einen Aufenthaltstitel verfügt. Obwohl ein Verlängerungsantrag rechtskräftig abgewiesen worden sei, habe die Beschwerdeführerin ihre Niederlassung im Bundesgebiet - lediglich durch kurzfristige Heimataufenthalte unterbrochen - fortgesetzt.
Mit am 25. Juli 2000 rechtskräftig gewordener Strafverfügung sei über die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des Meldegesetzes eine Geldstrafe von etwa EUR 145,-- verhängt worden. Eine weitere seit 29. September 2001 rechtskräftige Bestrafung sei nach dem FrG wegen unrechtmäßigen Aufenthalts erfolgt. Am 14. Juni 2000 sei eine weitere Strafverfügung wegen Übertretung des Meldegesetzes in Rechtskraft erwachsen. Auf Grund dieser Bestrafungen sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt.
Zu diesem Fehlverhalten trete erschwerend hinzu, dass die Beschwerdeführerin während ihres inländischen Aufenthaltes fünfmal wegen versuchten Diebstahls rechtskräftig verurteilt worden sei, zuletzt zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Am 3. Februar 2001 sei eine weitere Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen fahrlässiger Körperverletzung (Hundebiss) in Rechtskraft erwachsen.
Das dargestellte Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerin beeinträchtige die öffentliche Ordnung in erheblichem Ausmaß, sodass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
Die Beschwerdeführerin sei seit 8. Juli 2002 erneut mit dem Mann, von dem sie sich im Jahr 2000 habe scheiden lassen, verheiratet. Sie sei für ein aus dieser Ehe stammendes Kind sorgepflichtig. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichern Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Das bisherige Verhalten der Beschwerdeführerin lasse erkennen, dass sie nicht willens sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme ein hoher Stellenwert zu. Dagegen habe die Beschwerdeführerin durch ihren langjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt gravierend verstoßen. Hinzu komme, dass sie wiederholt einschlägig straffällig geworden sei. Wenn die Straftaten der Beschwerdeführerin auch schon längere Zeit zurücklägen und nur geringe Strafen verhängt worden seien, sei daraus doch eine gewisse Geringschätzung der zum Schutz des Eigentums Dritter aufgestellten strafrechtlichen Normen erkennbar. Die insgesamt gegebene Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung sei von großem Gewicht.
Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Angesichts des Umstands, dass der Großteil dieses Aufenthalts unrechtmäßig gewesen sei, sei die daraus ableitbare Integration nicht besonders ausgeprägt. Eine weitere Minderung erfahre die Integration der Beschwerdeführerin durch die von ihr wiederholt begangenen strafbaren Handlungen. Die familiären Interessen der Beschwerdeführerin seien zweifellos beachtlich, es sei jedoch zu bedenken, dass die Beschwerdeführerin ihre Ehe während des anhängigen Berufungsverfahrens, sohin zu einem Zeitpunkt geschlossen habe, zu dem sie weder zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei, noch mit einem Verbleib im Bundesgebiet habe rechnen dürfen. Weiters sei zu bedenken, dass der gemeinsame Sohn - entgegen dem Berufungsvorbringen - bereits volljährig sei und mit seinen Eltern nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Insgesamt wögen die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet nicht schwerer als das im dargestellten Gesamtfehlverhalten begründete große öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbots.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände sehe sich die Behörde nicht veranlasst, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des Ermessens Abstand zu nehmen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zunächst sei festgehalten, dass es sich beim Beschwerdevorbringen, der Gatte der Beschwerdeführerin sei österreichischer Staatsbürger, um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handelt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren die Kopie des polnischen Reisepasses ihres Gatten vorgelegt (AS 120) und sowohl in der Stellungnahme vom 21. Mai 2002 (AS 152f) als auch in der Berufung vom 12. August 2002 (AS 180ff) vorgebracht, dass ihr Mann polnischer Staatsbürger bzw. Fremder sei. Auch sonst gibt es im Verwaltungsakt keinen Hinweis auf die nunmehr vorgebrachte österreichische Staatsbürgerschaft des Gatten der Beschwerdeführerin.
2. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, in der von der belangten Behörde festgestellten Weise rechtskräftig verurteilt und bestraft worden zu sein.
Nach der Aktenlage erfolgten die beiden Bestrafungen wegen Übertretung des Meldegesetzes gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 iVm § 3 Abs. 1 leg. cit. (Unterlassen der rechtzeitigen Anmeldung) und die Bestrafung wegen Übertretung des FrG gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 107 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. (unrechtmäßiger Aufenthalt). Da es sich hiebei um "schwerwiegende" Übertretungen des Meldegesetzes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2000, Zl. 98/18/0166) bzw. des FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0095) handelt, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die rechtskräftigen Verurteilungen der Beschwerdeführerin wegen versuchten Diebstahls erfolgten nach dem Bescheid der Behörde erster Instanz, auf den der angefochtene Bescheid insoweit verweist, am 10. Dezember 1992, am 3. November 1993, am 12. Februar 1993, am 27. Mai 1994 und am 27. Oktober 1998. Weiters wurde die Beschwerdeführerin am 30. Jänner 2001, rechtskräftig mit 3. Februar 2001, wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Tilgung dieser sechs Verurteilungen tritt gemäß § 4 Abs. 1 Tilgungsgesetz gemeinsam ein, wobei gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. die gemeinsame Tilgungsfrist die zuletzt ablaufende Einzelfrist - das ist die gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. fünfjährige Frist der letzten Verurteilung vom 30. Jänner 2001 - um sechs Jahre übersteigt. Entgegen der Beschwerdemeinung sind die Verurteilungen der Beschwerdeführerin daher noch (längst) nicht getilgt.
Aus diesem Grund wäre auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG erfüllt.
3. Die Beschwerdeführerin gesteht ausdrücklich zu, seit 1990 in Österreich zu leben. Sie bestreitet nicht, nur von 29. November 1992 bis 16. Februar 1994 über einen Aufenthaltstitel verfügt zu haben. Gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der - nur durch kurze Heimataufenthalte unterbrochene - übrige Inlandsaufenthalt der Beschwerdeführerin rechtswidrig ist, bestehen auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts keine Bedenken. Die Beschwerdeführerin hat ihren unrechtmäßigen Aufenthalt trotz diesbezüglicher rechtskräftiger Bestrafung und trotz rechtskräftiger Abweisung des Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (laut Akt mit Bescheid vom 8. Mai 1995; AS 131) aufrechterhalten. Dieses Verhalten stellt eine besonders gravierende Beeinträchtigung des großen öffentliches Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein großes Gewicht zukommt, dar.
Darüber hinaus wurde die Beschwerdeführerin zwischen 10. Dezember 1992 und 27. Oktober 1998 insgesamt fünfmal wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls rechtskräftig verurteilt. Sie hat sich also auch durch rechtskräftige Verurteilungen nicht davon abhalten lassen, in geradezu beharrlicher Weise weitere gleichartige Delikte zu begehen. Auch wenn die bisher letzte deshalb erfolgte Verurteilung bereits fast viereinhalb Jahre zurückliegt und Feststellungen über die zu Grunde liegenden Straftaten fehlen, ist aus diesem Fehlverhalten auf eine vom Inlandsaufenthalt der Beschwerdeführerin ausgehende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität zu schließen.
Letztlich resultiert aus den Übertretungen des Meldegesetzes eine Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Meldewesens.
Aus all diesen Gründen ist die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, unbedenklich.
4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthalts, die Haushaltsgemeinschaft mit dem Ehegatten und den Inlandsaufenthalt des gemeinsamen Sohnes berücksichtigt, wobei unbestritten bleibt, dass der Sohn nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Zu Recht hat die belangte Behörde darauf verwiesen, dass die aus dem insgesamt etwa 13-jährigen Inlandsaufenthalt resultierenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin dadurch erheblich gemindert werden, dass dieser Aufenthalt nur über nicht einmal eineinhalb Jahre (von September 1992 bis Februar 1994) berechtigt war.
Den dennoch beachtlichen persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet steht die dargestellte aus dem gesamten Fehlverhalten resultierende erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen durch einen weiteren Inlandsaufenthalt der Beschwerdeführerin gegenüber. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Meldewesens, Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz des Eigentums) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
5. Wenn die Beschwerde schließlich meint, dass dem angefochtenen Bescheid eine nachprüfbare Begründung der Ermessensentscheidung fehle, ist ihr entgegenzuhalten, dass weder aus den in der Beschwerde geltend gemachten - im Rahmen der Prüfung nach § 37 FrG dargestellten - Umständen noch aus dem angefochtenen Bescheid und dem übrigen Akteninhalt Aspekte hervortreten, die die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des der Behörde gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens geboten hätten.
6. Da sich der angefochtene Bescheid somit nicht als rechtswidrig erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. Jänner 2004
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003180116.X00Im RIS seit
16.02.2004