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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D, (geboren am 1977), vertreten durch Dr. Elmar Kresbach LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. August 2003, Zl. SD 703/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. August 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen albanischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgeblich. Der Beschwerdeführer sei eigenen Angaben zufolge im Juli 2001 unter Zuhilfenahme eines Schleppers und unter Umgehung der Grenzkontrolle über Italien nach Österreich gelangt und habe am 26. März 2002 einen Asylantrag gestellt, welcher derzeit beim Bundesasylamt - Außenstelle Linz anhängig sei. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (als Schöffengericht) vom 4. Februar 2003 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt worden. Den Entscheidungsgründen des in Rechtskraft erwachsenen Urteiles sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Zusammenwirken mit einem verurteilten Mittäter am 4. November 2002 eine "große Menge" im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG, nämlich 773,8 Gramm brutto an geschmuggeltem Kokain an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes gegen ein Entgelt von EUR 2.000,-- habe verkaufen wollen. Sowohl der Beschwerdeführer als auch dessen Mittäter sei anlässlich der Übergabe des Suchtgiftes von Polizeibeamten festgenommen worden. Auf Grund dieser Verurteilung könne kein Zweifel bestehen, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Angesichts des der Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers - er habe Suchtgift in einer großen Menge (das sei jene Menge an Suchtgift, die geeignet sei, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen) in Verkehr zu setzen versucht - und im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnende Wiederholungsgefahr lägen (auch) die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit - vor.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen im österreichischen Bundesgebiet seien außer zu seiner in Leibnitz wohnenden Schwester und deren Familie nicht behauptet worden. Selbst wenn man vor diesem Hintergrund sowie auf Grund des Umstands, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Asylverfahren - dem Beschwerdeführer sei bislang jedoch keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zuerkannt worden - anhängig sei, überhaupt von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben ausgehen wollte, wäre dessen ungeachtet die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grund des § 37 FrG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit - als dringend geboten zu erachten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könnte schon angesichts der gewerbsmäßigen Tatbegehung und der besonders großen Suchtgiftmenge für den Beschwerdeführer nicht positiv ausfallen. Eine - im Fall der Annahme eines Eingriffs - auch nach § 37 Abs. 2 FrG gebotene Interessenabwägung würde ebenfalls zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen müssen. Die ohnedies nicht stark ausgeprägten persönlichen bzw. familiären Interessen des Beschwerdeführers - nach dessen eigenen Angaben habe er lediglich von Mitte 2001 bis Anfang Jänner 2002 in Leibnitz bei seiner Schwester und deren Familie gewohnt - erführen im Hinblick darauf, dass die für das Ausmaß jeglicher Integration wesentliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers deutlich beeinträchtigt werde, eine weitere Minderung. Jedenfalls hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität in den Hintergrund zu treten. Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten und die damit verbundene Wiederholungsgefahr könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, eine Abschiebung nach Albanien wäre nicht gerechtfertigt, komme im vorliegenden Zusammenhang keine Relevanz zu, sei doch im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht zu beurteilen, ob und gegebenenfalls in welchen Staat der Fremde (zulässigerweise) abgeschoben werde. Festgestellt werde jedoch in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines zum gegenwärtigen Zeitpunkt anhängigen Asylverfahrens ohnedies nicht in seinen Herkunftsstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden dürfe.
2. Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichthof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 23. September 2003, B 1308/03). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragte, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten. Damit erweist sich die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FrG verwirklicht sei, als unbedenklich.
1.2. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er das im angefochtenen Bescheid beschriebene Suchtgiftdelikt begangen hat, und dass es sich bei der ihm zur Last gelegten Suchtgiftmenge um eine große Menge im Sinn des § 28 SMG handelt. Nach § 28 Abs. 6 SMG ist eine "große Menge" eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Bei der Suchtgiftkriminalität handelt es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0058, mwH). Diese Wiederholungsgefahr manifestiert sich im Fall des Beschwerdeführers gerade in seiner (unstrittigen) gewerbsmäßigen Vorgangsweise; er hat somit seine strafbaren Handlungen in der Absicht vorgenommen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB). Sein Hinweis, er sei an der von ihm begangenen Straftat "nur in sehr untergeordneter Rolle beteiligt" gewesen, und es sei "evident", dass er "durch ein erhebliches Maß an Naivität einen Tatbeitrag geleistet" habe, "welches aber zum Gesamtverhalten der Mittäter in den Hintergrund" trete, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, ist doch die belangte Behörde durch das besagte rechtskräftige Gerichtsurteil (vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens) daran gebunden, dass der Beschwerdeführer die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des genannten Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133, mwH). Ferner hatte die belangte Behörde entgegen der Beschwerde ihre Beurteilung eigenständig nach dem FrG und unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts bezüglich der Strafbemessung vorzunehmen (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 7. Mai 1999, Zl. 99/18/0130, mwH). Angesichts des besagten gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde, wenn sie vorliegend die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt hielt, in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. November 2003, Zl. 2003/18/0250), das sowohl unter dem Blickwinkel der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG) als auch unter dem Gesichtspunkt anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen - insbesondere des Schutzes der Gesundheit (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG) - gegeben ist, nicht entgegengetreten werden. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Auffassung des Beschwerdeführers, es sei in seinem Fall mit Blick auf die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG "keine Einzelfallprüfung" erfolgt, als nicht zielführend. Mit seinen Hinweisen auf die "Richtlinie 64/221/EWG" zeigt der Beschwerdeführer schließlich schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil er auf dem Boden der unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid weder als Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der EU noch als begünstigter Drittstaatsangehöriger (vgl. § 47 FrG) einzustufen ist.
2. Dem Vorbringen, die belangte Behörde habe "ohne weitere Prüfung, in wie weit der Beschwerdeführer im Bundesgebiet der Republik Österreich über Familie verfügt bzw. hier integriert ist", den angefochtenen Bescheid erlassen, ist zu erwidern, dass damit die Beschwerde den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen betreffend die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich nicht konkret entgegentritt. Auf dem Boden dieser somit unbestrittenen Feststellungen kann das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegensteht, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Angesichts des besagten gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist diese fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und zum Schutz der Gesundheit) dringend geboten; ferner treten aus den im angefochtenen Bescheid zu § 37 Abs. 2 FrG angestellten Erwägungen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an seinem Verbleib in Österreich gegenüber dem an der Erlassung des Aufenthaltsverbots bestehenden Allgemeininteresse in den Hintergrund.
3. Für die belangte Behörde bestand auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. Jänner 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003180270.X00Im RIS seit
20.02.2004