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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. L in L, vertreten durch Held Berdnik Astner Held, Rechtsanwaltskanzlei OEG in 8010 Graz, Schlögelgasse 1, gegen die Österreichische Notariatskammer wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten rückständige Beiträge zum Solidaritätsfonds, zu Recht erkannt:
Spruch
In Anwendung des § 42 Abs. 4 VwGG wird der Antrag des Beschwerdeführers vom 14. Oktober 1999 gemäß § 134 Abs. 2 und § 140a Abs. 2 Notariatsordnung, RGBl. Nr. 75/1871, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 72/1999, zurückgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
§ 134 Abs. 2 und § 140a Abs. 2 Notariatsordnung, RGBl. Nr. 75/1871, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 72/1999.
Die Österreichische Notariatskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 677,28 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Notariatskammer für Steiermark vom 22. Juni 1999 anlässlich der Beendigung seiner Amtstätigkeit als Notar in G infolge Erreichung der Altersgrenze ein Unterstützungsbetrag der Österreichischen Notariatskammer in der Höhe von S 150.000,-- zuerkannt. Gleichzeitig wurde in dem Bescheid ausgesprochen, dass gemäß § 7 Abs. 2 des Statuts der Unterstützungseinrichtung der Österreichischen Notariatskammer rückständige Beiträge des Unterstützungswerbers bei der Versicherungsanstalt des Österreichischen Notariates oder der Notariatskammer in Abzug zu bringen seien und an diese zu überweisen seien. Dem Beschwerdeführer wurde daher nur ein Betrag von S 18.517,54 ausbezahlt, weil er rückständige Beiträge in der Höhe von
S 131.482,46 zum Solidaritätsfonds schulde.
2. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1999 stellte der Beschwerdeführer an die Österreichische Notariatskammer den Antrag, über die von der zuerkannten Unterstützung in der Höhe von
S 150.000,-- in Abzug gebrachten Beiträge zum Solidaritätsfonds (in der Höhe von S 131.482,46) bescheidmäßig zu entscheiden. Dem Beschwerdeführer wurde diesbezüglich formlos in einem Schreiben der Rechtsvertreter der Österreichischen Notariatskammer mitgeteilt, dass diese keinen Anlass sehe, seiner "Aufforderung zu entsprechen".
3. Nach Ablauf von sechs Monaten erhob der Beschwerdeführer die vorliegende Säumnisbeschwerde. Er wendet sich in der Sache insbesondere gegen die mangelnde gesetzliche Deckung des Statuts des Solidaritätsfonds der Österreichischen Notariatskammer.
4. Die Österreichische Notariatskammer teilte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in einem Schreiben vom 22. Jänner 2001 mit, dass die Notariatsordnung für den gegenständlichen Fall keine Möglichkeit für die Erlassung eines Bescheides durch die Österreichische Notariatskammer vorsehe. Ein derartiger Bescheid könnte deswegen nicht erlassen werden, weil die Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen zum Solidaritätsfonds der Österreichischen Notariatskammer auf Beschlüssen der Kollegiumsversammlungen der Länderkammern beruhe. Der Delegiertentag der Österreichischen Notariatskammer habe jeweils am 26./27. Oktober 1995 für 1996, vom 16. bis 20. Oktober 1996 für 1997 und vom 22. bis 25. Oktober 1997 für 1998 die Einrichtung des Solidaritätsfonds bzw. die in Aussicht genommenen Beiträge für den Solidaritätsfonds beschlossen und die Länderkammern ersucht, in ihrem Bereich die erforderlichen Beschlüsse für die Dotierung herbeizuführen. Die Kollegiumsversammlungen der Notare und Notariatskandidaten der Länderkammern hätten in Umsetzung der Beschlüsse des Delegiertentages jeweils die Beiträge zum Solidaritätsfonds als Kammerbeiträge sowie die Art der Einhebung festgesetzt. Nach Mitteilung der Notariatskammer für Steiermark vom 16. Jänner 2001 sei dies für die Jahre 1996, 1997 und 1998 in den Kollegiumsversammlungen vom 13. Jänner 1996, vom 26. April 1997 und vom 28. März 1998 erfolgt. Die Einhebung der Beiträge sei jeweils der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats übertragen worden.
Eine Verletzung der Entscheidungspflicht liege daher nicht vor.
Akten des Verwaltungsverfahrens bestünden keine; ein Kostenersatzantrag wurde nicht gestellt.
In der Folge wurden weiters die Niederschriften über die oben erwähnten Beschlüsse zur Festsetzung der Höhe des Beitrags zum Solidaritätsfonds vorgelegt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 134 Abs. 1 und (auszugsweise) Abs. 2 Notariatsordnung, RGBl. Nr. 75/1871, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 72/1999 lauten:
"§ 134. (1) Der Notariatskammer obliegt die Wahrung der Ehre und Würde des Standes und die Vertretung der Standesinteressen.
(2) Zu ihrem Wirkungskreis gehören:
1.
...
9.
die Besorgung der wirtschaftlichen Angelegenheiten und die Einbringung der Jahresbeiträge, Geldbußen und Kostenersätze (§ 184), nötigenfalls durch Zwangsvollstreckung;
Rückstandsausweise und rechtskräftige Beschlüsse der Kammer über die an die Kammer zu leistenden Beiträge, Geldbußen und Ersätze sind Exekutionstitel im Sinn des § 1 der Exekutionsordnung;
...
16. die Schaffung von und die Beteiligung an Instituten, Einrichtungen, Fonds, Stiftungen, Unternehmen oder Pensionskassen, die geeignet sind, die sozialen, wirtschaftlichen, organisatorischen, ausbildungsmäßigen oder standespolitischen Interessen des Notariats, seiner Standesmitglieder und ehemaligen Standesmitglieder sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen zu fördern, und die Festsetzung der zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Beiträge sowie der Grundsätze, nach denen diese durch die Kammer oder durch die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates nach § 87 Abs. 3 Notarversicherungsgesetz 1972 eingehoben werden; im Einzelfall kann die Kammer auch beschließen, dass die Beiträge von den jeweiligen Rechtsträgern im Umfang der von ihnen erbrachten Leistungen unmittelbar vorgeschrieben und eingehoben werden."
§ 140a Notariatsordnung in der Fassung BGBl. Nr. 72/1999 lautet auszugsweise:
"§ 140a. (1) Die Österreichische Notariatskammer ist, soweit es das österreichische Notariat in seiner Gesamtheit oder über den Bereich einer einzelnen Notariatskammer hinaus betrifft, zur Wahrung seiner Rechte und Angelegenheiten sowie zu seiner Vertretung berufen.
(2) Zu ihrem Wirkungsbereich gehören besonders
1.
...
4.
die Schaffung von und die Beteiligung an Instituten, Einrichtungen, Fonds, Stiftungen, Unternehmen oder Pensionskassen, die geeignet sind, die sozialen, wirtschaftlichen, organisatorischen, ausbildungsmäßigen oder standespolitischen Interessen des Notariats, seiner Standesmitglieder und ehemaligen Standesmitglieder sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen zu fördern, und die Festsetzung der zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Beiträge sowie der Grundsätze, nach denen diese durch die Notariatskammern oder durch die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates gemäß § 87 Abs. 3 Notarversicherungsgesetz 1972 eingehoben werden; im Einzelfall kann die Österreichische Notariatskammer auch beschließen, dass die Beiträge von den jeweiligen Rechtsträgern im Umfang der von ihnen erbrachten Leistungen unmittelbar vorgeschrieben und eingehoben werden;
..."
Die Notariatskammern werden gemäß § 128 Abs. 1 aus den Mitgliedern der Notariatskollegien in den Ländern (§ 124 Notariatsordnung) gewählt. Sie bestehen aus dem Präsidenten und sechs Notaren und drei Notariatskandidaten, in Wien aus dem Präsidenten und zwölf Notaren und sechs Notariatskandidaten. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 128 Abs. 4 Notariatsordnung). Die Österreichische Notariatskammer setzt sich aus den Notariatskammern Österreichs zusammen (§ 140 Notariatsordnung). Sie ist ebenfalls eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Gemäß Art. II Abs. 2 Z 31 EGVG ist das AVG im Verfahren vor den Organen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen nicht anwendbar.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, sind in Verfahren vor Behörden, welche das AVG nicht anzuwenden haben, die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten (vgl. z.B. zuletzt die hg. Erkenntnisse vom 3. September 2001, Zl. 2001/10/0004, zu einem Verfahren vor einem Organ einer Rechtsanwaltskammer, oder vom 22. Dezember 2003, Zlen. 2001/10/0021, 0062 und 0063).
2. Da die Österreichische Notariatskammer den versäumten Bescheid nicht nachgeholt hat, wäre der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG zuständig, über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag - gegebenenfalls auch lediglich durch Zurückweisung des Antrags - zu entscheiden, soferne eine Verpflichtung der belangten Behörde zur Entscheidung über diesen Antrag bestand und somit die Zulässigkeit der vorliegenden Säumnisbeschwerde gegeben ist.
Es ist daher zunächst zu klären, ob eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde hinsichtlich eines vom Beschwerdeführer gestellten Antrages bestand. Nur wenn dies der Fall ist, ist die vorliegende Säumnisbeschwerde zulässig. Im Hinblick auf die Ausführungen der belangten Behörde zum Fehlen einer Rechtsgrundlage für die Erlassung eines Bescheides im "gegenständlichen Fall" ist dabei zunächst darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung der Frage, ob und bejahendenfalls welcher Bescheid zu erlassen gewesen wäre, die Feststellung voraussetzt, welcher Antrag gestellt wurde. Darüber hinaus ergibt sich aus der Feststellung, dass die Erlassung des beantragten Bescheides weder im Gesetz vorgesehen, noch beispielsweise auf Grund der Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides möglich bzw. geboten ist, noch nicht, dass keine Säumnis vorliegen könnte. Wie in ständiger hg. Rechtsprechung vertreten wird, besteht unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Anspruch des Antragstellers auf Zurückweisung seines Antrags; dieser Antrag ist auch mit Säumnisbeschwerde verfolgbar (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, sowie zur Notwendigkeit einer Zurückweisung eines Antrages, der an eine unzuständige Behörde gestellt wurde, soferne der Einschreiter auf einer Entscheidung der an sich unzuständigen Behörde beharrt, Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8, Rz 83, und zur Verpflichtung zur Zurückweisung eines an eine unzuständige Behörde gerichteten Antrags, wenn eine Weiterleitung nicht möglich ist, das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1989, Zl. 87/12/0112).
Aus dem Umstand, dass die Notariatskammern als gesetzliche berufliche Vertretungen in ihrem Verfahren nicht das AVG anzuwenden haben, folgt auch, dass die Möglichkeit der Erhebung eines Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG bei Säumigkeit mit der Entscheidung über einen Antrag an eine Notariatskammer ausscheidet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Dezember 1954, Slg. 1005 F/1954). Die vorliegende Säumnisbeschwerde ist sohin auch nicht schon aus dem Grund unzulässig, dass noch nicht die oberste, im Verwaltungswege anrufbare Behörde angerufen worden wäre.
3. Zum Gegenstand des verfahrenseinleitenden Antrags und zur Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides über die Höhe der vom Beschwerdeführer geschuldeten rückständigen Beiträge zum Solidaritätsfonds:
Zunächst ist der Österreichischen Notariatskammer dahin gehend beizupflichten, dass die Länderkammern bei Eintreibung rückständiger Beiträge zum Solidaritätsfonds gemäß § 134 Abs. 2 Z 9 Notariatsordnung Rückstandsausweise ausstellen können. Der Rückstandsausweis bildet zwar einen Exekutionstitel (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, Anm. 13 zu § 1 VVG und Anm. 14 zu § 3 VVG), der Verpflichtete kann jedoch nach der hg. Rechtsprechung nach der Bewilligung der Exekution auf Grund des Rückstandsausweises Einwendungen gegen diesen erheben, über die sodann bescheidmäßig abzusprechen ist (vgl. Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren8, 2. Halbband, Anm. 5 zu § 3 VVG (319) und die dazu aaO, 898 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung und neuerlich Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, Anm. 14 zu § 3 VVG). Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich ein Verfahren zur Überprüfung von Vollstreckbarkeitsbestätigungen und damit auch Rückstandsausweisen vorgesehen habe, in dem die Betroffenen Parteien seien und einen Anspruch auf Entscheidung über ihre Anträge haben.
Auszugehen ist im Beschwerdefall aber von dem einleitend dargestellten Sachverhalt, dem zufolge die Einbringung der rückständigen Beiträge zum Solidaritätsfonds von der Notariatskammer für Steiermark nicht im Wege eines Rückstandsausweises vorgenommen wurde, sondern durch Aufrechnung bei der Auszahlung der dem Beschwerdeführer bescheidmäßig zuerkannten Unterstützung nach dem Unterstützungsfonds.
Die nach Ansicht der Notariatskammer für Steiermark zulässige bzw. erforderliche Aufrechnung gemäß § 7 Abs. 2 des Statuts der Unterstützungseinrichtung der Österreichischen Notariatskammer wurde dabei dem Grunde nach bereits im Bescheid vom 22. Juni 1999, mit welchem dem Beschwerdeführer die Unterstützung zuerkannt wurde, spruchmäßig angeordnet. Es erübrigt sich daher im Beschwerdefall, die Zulässigkeit der Aufrechnung nach § 7 Abs. 2 des Statuts der Unterstützungseinrichtung der Österreichischen Notariatskammer zu prüfen bzw. zu erwägen, ob dem Beschwerdeführer ein Rechtsbehelf anderer Art gegen die vorgenommene Aufrechnung zur Verfügung gestanden wäre, sodass die beantragte Feststellung der Höhe der von der Kammer geltend gemachten Forderung aus diesem Grund unzulässig wäre. Da der Bescheid vom 22. Juni 1999 in Rechtskraft erwachsen ist, ist von der Möglichkeit der Aufrechnung dem Grunde nach auszugehen.
Die Rechtskraft des Bescheides vom 22. Juni 1999 umfasst aber nicht die Höhe der von der Notariatskammer bei Auszahlung des Unterstützungsbeitrages einzubehaltenden Beträge.
Es bestand daher im Hinblick auf die tatsächlich erfolgte Einbehaltung von Beträgen, die angeblich als Beiträge zum Solidaritätsfonds geschuldet wurden, ein Interesse des Beschwerdeführers an der Feststellung der Höhe dieser behaupteten Forderung.
Sein dem vorliegenden Säumnisbeschwerdeverfahren zu Grunde liegender Antrag vom 14. Oktober 1999 richtete sich auf "bescheidmäßige" Entscheidung über "die in Abzug gebrachten Beiträge" und ist daher aus dem Zusammenhang als Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zu werten.
Ein Feststellungsbescheid ist nach ständiger hg. Rechtsprechung mangels besonderer gesetzlicher Anordnung über Antrag einer Partei nur zulässig, wenn diese ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, und die Feststellung ein notwendiges, letztes und einziges Mittel der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darstellt oder wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. April 1999, Zl. 98/17/0229, oder vom 24. Juni 1988, Zl. 85/17/0050). Ein Feststellungsbescheid ist insbesondere dann nicht zu erlassen, wenn für die Klärung der strittigen Rechtsfrage ein anderes Verfahren vorgesehen ist. Dies ist im Beschwerdefall jedoch nicht gegeben.
Da die Kammer keinen Rückstandsausweis ausstellte, stand dem Beschwerdeführer der Weg der Erhebung von Einwendungen gegen einen Rückstandsausweis nicht offen.
Da weiters - worauf die Österreichische Notariatskammer hinwies - auch kein Verfahren zur Festsetzung der im Einzelfall geschuldeten Beiträge vorgesehen ist, stand auch sonst kein anderes Verfahren offen, welches die Erlassung eines Feststellungsbescheides unzulässig erscheinen ließe.
Es besteht kein Anspruch des Notars auf Erlassung eines (im weitesten Sinn etwa einem Abgabenbescheid, mit dem die Abgabe vorgeschrieben wird, vergleichbaren) Leistungsbescheides über die von ihm zu leistenden Beiträge (hier im Besonderen zum Solidaritätsfonds) nach den Bestimmungen der Notariatsordnung.
Die von der Notariatskammer für Steiermark gewählte Vorgangsweise bedeutet nicht nur die Behauptung des Bestehens eines Anspruchs der Kammer gegenüber dem Beschwerdeführer, sondern auch dessen Einbringung, ohne dass über diesen Anspruch bereits bescheidmäßig abgesprochen worden wäre.
Nach der oben angesprochenen hg. Rechtsprechung steht auch im Falle der Ausstellung von Rückstandsausweisen über ausständige Beiträge dem Schuldner der Beiträge das Recht zu, nach Bewilligung der Exekution eine bescheidmäßige Entscheidung über die Höhe der rückständigen Beiträge zu erwirken. Im vorliegenden Fall kam es jedoch nicht zur Vollstreckung eines (lediglich) in einem Rückstandsausweis festgehaltenen Betrages, sondern wurde der rückständige Beitrag durch Aufrechnung einbehalten, ohne dass über die strittige Forderung gegenüber dem Beschwerdeführer ein Bescheid ergangen wäre.
Da Rechtsschutzüberlegungen die Annahme verbieten, dass sich die Verwaltungsbehörden bei der Einbringung der von den Notaren geschuldeten Beiträge durch die Wahl der Aufrechnung wie im Beschwerdefall jener Bindungen entledigen könnten, die nach der hg. Rechtsprechung im Fall der Erlassung eines Rückstandsausweises gegeben sind (bescheidmäßiger Abspruch über Einwendungen des Verpflichteten), ist von der Zulässigkeit des Feststellungsbescheides in einem Fall wie dem vorliegenden auszugehen, in dem noch kein Bescheid über die Höhe der geltend gemachten Forderung ergangen ist.
4. Zur Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers:
Aus den unter 1. wiedergegebenen Vorschriften ergibt sich, dass die Einbringung von Beiträgen nicht von der Österreichischen Notariatskammer, sondern von den Landeskammern, allenfalls - bei Vorliegen der entsprechenden Beschlüsse - durch die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates oder durch die jeweiligen Rechtsträger selbst zu erfolgen hat. § 140a Abs. 2 Z 4 Notariatsordnung verweist nämlich die Einhebung der zur Erfüllung der Aufgaben der Kammern (von der Österreichischen Notariatskammer) festgesetzten Beiträge in den Wirkungsbereich der Notariatskammern (der Länder) oder der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats. Im Einzelfall könnte gemäß § 140a Abs. 2 Z 4 Notariatsordnung auch die Vorschreibung und Einhebung durch "den jeweiligen Rechtsträger" unmittelbar vorgesehen werden.
Eine Zuständigkeit der Österreichischen Notariatskammer zur bescheidmäßigen Erledigung von Anträgen, die sich auf die Höhe der von den Notaren geschuldeten Beiträge zu den nach der Notariatsordnung geschaffenen Einrichtungen beziehen, besteht daher nicht. Die Österreichische Notariatskammer ist daher auch nicht zuständig, in der Sache über den eingebrachten Feststellungsantrag vom 14. Oktober 1999 zu entscheiden.
Als Zwischenergebnis aus den bisherigen Überlegungen ist festzuhalten, dass zwar davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Höhe der von ihm geschuldeten Beiträge zum Solidaritätsfonds hat, dass aber kein Organ der Österreichischen Notariatskammer zur Entscheidung in der Sache zuständig ist.
Es ist daher noch zu prüfen, ob bei dieser Rechtslage eine mit Säumnisbeschwerde verfolgbare Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt, insbesondere also, ob der Antrag des Beschwerdeführers von der Österreichischen Notariatskammer, soferne sie ihn nicht an die ihrer Auffassung nach zuständige Stelle weiterleitete oder den Beschwerdeführer an diese Stelle verwies, bescheidmäßig zurückzuweisen gewesen wäre. In diesem Falle wäre die vorliegende Säumnisbeschwerde zulässig (vgl. oben unter 2.).
5. Zur Prozessvoraussetzung des Bestehens der Entscheidungspflicht der Österreichischen Notariatskammer über den konkreten Antrag des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag auf bescheidmäßige Feststellung der rückständigen Beiträge zum Solidaritätsfonds an die Österreichische Notariatskammer gerichtet. Er hat aber im Verfahren deutlich gemacht, nicht unbedingt auf einer Entscheidung der Österreichischen Notariatskammer zu beharren, sondern hat im Schreiben vom 20. März 1998 ausdrücklich ersucht, dass im Falle der Verneinung der Zuständigkeit der Österreichischen Notariatskammer sein Antrag an die zuständige Stelle weitergeleitet werden möge. Im Hinblick auf die Unzuständigkeit der Organe der Österreichischen Notariatskammer zur Entscheidung über einen Feststellungsantrag betreffend die Beiträge zum Solidaritätsfonds stellt sich daher die Frage, ob durch den Antrag des Beschwerdeführers eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde ausgelöst wurde.
In Verfahren, in denen das AVG anzuwenden ist, hätte eine unzuständige Behörde ein bei ihr eingebrachtes Anbringen gemäß § 6 AVG an die zuständige Behörde weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese Behörde zu verweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof ist in Fällen, in denen eine unzuständige Behörde einen an sie gerichteten Antrag gemäß § 6 AVG an die (ihrer Meinung nach) zuständige Behörde weitergeleitet hat, nicht von einer Verletzung der Entscheidungspflicht ausgegangen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0793).
In einem derartigen Fall ergibt sich die Möglichkeit der Rechtsverfolgung durch die Geltendmachung der Entscheidungspflicht der auf Grund der Weiterleitung des Antrags zuständig gewordenen Behörde.
Erfolgt jedoch keine Weiterleitung des Antrags oder Verweisung des Antragstellers an eine andere Behörde durch die Behörde, an die der Antrag gerichtet war, hat die Behörde zum einen nicht zu erkennen gegeben, dass sie sich für unzuständig hält, und ist zum anderen keine Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet worden. Es kann in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass die Behörde, an die der Antrag zunächst gerichtet war, unverändert die Entscheidungspflicht trifft. Soferne sie sich (tatsächlich) für unzuständig hält (dies gegebenenfalls auch in dem von der Österreichischen Notariatskammer offenbar verstandenen Sinn, dass sie jedenfalls nicht zur Erlassung des vom Beschwerdeführer begehrten Feststellungsbescheides zuständig sei), hätte sie den Antrag zurückzuweisen.
Diese Verpflichtung ist sowohl in Verfahren, in denen § 6 AVG anwendbar ist, als auch in dem hier vorliegenden Verfahren vor Organen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung gegeben. Der Umstand, dass das AVG nicht anzuwenden ist, bedeutet nämlich, dass keine Norm vorhanden ist, die das Gebot zur Weiterleitung eines an die unzuständige Behörde gerichteten Antrags enthält. Bei einer solchen Rechtslage muss umso mehr davon ausgegangen werden, dass eine Entscheidungspflicht über Anträge besteht; sofern man von der Zulässigkeit der Weiterleitung auch ohne ausdrückliche diesbezügliche Anordnung ausgeht, gilt das soeben zu § 6 AVG Ausgeführte. Wollte man jedoch davon ausgehen, dass eine Weiterleitung gar nicht in Betracht käme, ist die Annahme der Verpflichtung zur Entscheidung über den Antrag (entweder durch Entscheidung in der Sache oder durch Zurückweisung) geboten.
In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die zunächst angerufene Behörde keine Weiterleitung vorgenommen hat und den Einschreiter auch nicht an die ihrer Meinung nach zuständige Behörde verwiesen hat (die Österreichische Notariatskammer hat dem Beschwerdeführer lediglich mitgeteilt, dass sie keinen Anlass sehe, seiner Aufforderung zu entsprechen), trifft die Behörde somit eine Entscheidungspflicht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer wie erwähnt erklärt hatte, mit einer Weiterleitung des Antrags einverstanden zu sein. Aus der Rechtsprechung zum Fall des "Beharrens" auf der Zuständigkeit einer bestimmten Behörde (vgl. die Nachweise oben unter 2.) kann nämlich nur geschlossen werden, dass in der Regel mit der Weiterleitung eines Antrags die Zuständigkeit der ursprünglich angerufenen Behörde endet, soferne nicht der Fall des Beharrens gegeben ist. Im Beschwerdefall ist jedoch zu entscheiden, was gilt, wenn die Behörde, an die der Antrag gerichtet wurde, keine Weiterleitung vornimmt. Da es sich bei der Entscheidung über einen solchen Antrag um eine erstinstanzliche Entscheidung handelt, steht der Annahme, es sei gegebenenfalls die Zurückweisung des Antrags bescheidmäßig auszusprechen, auch nicht das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Mai 1996, Slg. Nr. 14.475/A, entgegen. In diesem Erkenntnis war der Fall zu entscheiden, ob eine Behörde, an die eine Berufung gerichtet wurde oder der eine Berufung vorgelegt wurde, ohne Hinweis im Spruch auf den Grund, nämlich die angenommene eigene Unzuständigkeit, die Berufung zurückweisen könne. Im Falle einer erstinstanzlichen Entscheidung hindert die Zurückweisung keinesfalls die neuerliche Einbringung desselben Antrags bei einer anderen Behörde; in einer solchen Zurückweisung liegt somit keine endgültige Erledigung des Antrags des Einschreiters, so dass die in dem Erkenntnis eines verstärkten Senats für die Unzulässigkeit der Zurückweisung ins Treffen geführten Gründe hier nicht greifen.
Damit ergibt sich, dass die vorliegende Säumnisbeschwerde zulässig ist.
6. In der Sache:
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, besitzt die Österreichische Notariatskammer nach § 140a Notariatsordnung (vgl. insbesondere § 140a Abs. 2 Z 4 Notariatsordnung) keine Zuständigkeit zur Einhebung der gegenständlichen Beiträge.
Die Erledigung des Antrags vom 14. Oktober 1999 hätte daher in der Zurückweisung des Antrags mangels Zuständigkeit der Organe der Österreichischen Notariatskammer zu bestehen gehabt.
Diese Zurückweisung war auf Grund der zulässigen Säumnisbeschwerde gemäß § 42 Abs. 4 AVG vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmen.
7. Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des Antrags auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 27. Jänner 2004
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2Anrufung der obersten BehördeVerletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche AngelegenheitenVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideWeiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des EinschreitersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000100062.X00Im RIS seit
01.04.2004Zuletzt aktualisiert am
20.08.2009