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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde 1. des Dr. Ernst Nimmrichter, 2. der Dr. Hildegard Nimmrichter, 3. der Christa Wasinger, und 4. des Alois Biber, alle in Ruprechtshofen, alle vertreten durch Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwalt in St. Pölten, Andreas Hofer-Straße 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. Juli 2001, Zl. RU1-B- 0102/00, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Spar-Österreichische Warenhandels-AG in St. Pölten, Lagergasse 30), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 22. November 2000 wurde der mitbeteiligten Partei (über ihren Antrag vom 20. September 1999) die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Supermarktes samt Parkflächen auf einer Liegenschaft im Gebiet der Gemeinde R sowie eine entsprechende gewerberechtliche Betriebsanlagenbewilligung erteilt.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer als Nachbarn Berufung, in welcher sie unter anderem vorbrachten, das eingeholte lärmtechnische Gutachten berücksichtige zu wenig die auf ihre Liegenschaften einwirkenden Immissionen. In diesem Zusammenhang führten sie insbesondere aus, wegen der Frischdienst-Lkw-Anlieferung zwischen 5.00 Uhr und 7.00 Uhr morgens werden sie täglich in ihrer Nachtruhe gestört, weil ihre Schlafraumfenster in der Lkw-Anlieferrichtung lägen. Speziell der hohe, laute "Warnton" (im Original unter Anführungszeichen) beim Rückwärtsfahren der Lkw's, welcher gesetzlich vorgeschrieben sei, bewirke ein unweigerliches Aufwachen und zerstöre jegliche Erholungsphase in den Morgenstunden, und das täglich. Weiters müsse jeder Lkw beim Abfahren vom Betriebsareal auf die vorbeiführende Bundesstraße wegen einer Stopptafel stehen bleiben und erneut anfahren (Hinweis auf das Bremsgeräusch der Druckluftbremse). Dieser Vorgang sei bei gekipptem Fenster im Sommer für sie unerträglich und unzumutbar. "Das ist so zu empfinden, als stünde der Lkw direkt im Schlafzimmer".
Mit dem (hier aus baurechtlicher Sicht relevanten) angefochtenen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Soweit für dieses Beschwerdeverfahren erheblich, wurde dies nach Darstellung des Verfahrensganges und Rechtsausführungen zusammengefasst damit begründet, das Betriebsgebäude selbst liege im Bauland-Wohngebiet, hingegen lägen sowohl "der größte Teil der Parkfläche" samt der Zu- und Abfahrt als auch die Liegenschaften der Beschwerdeführer im Bauland-Kerngebiet. Gehe man nun von den konkret zu erwartenden Emissionen aus, so sei auf § 2 der Verordnung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmungen zu verweisen (damit sei ein konstanter Schallpegel definiert, der bei dauernder Einwirkung dem ununterbrochenen Lärm oder Lärm mit schwankendem Schallpegel energieäquivalent sei), wonach für Bauland-Kerngebiet ein Wert von 60 dB zur Tag- und von 50 dB zur Nachtzeit zu berücksichtigen sei. Wie sich aus den im Verwaltungsverfahren durchgeführten Messungen zweifelsfrei und nachvollziehbar ergebe, würden diese Werte durch die zu erwartenden Fahrtbewegungen (wobei - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer - auch die angesprochenen Rückfahrwarneinrichtungen der Lkw mitberücksichtigt worden seien) unterschritten: Der äquivalente Dauerschallpegel erreiche bei den ungünstigsten (näher bezeichneten) Messpunkten zur Tagzeit 48 dB bzw. 49 dB, zur Nachtzeit (das sei hier zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens) an diesen beiden Punkten jeweils 47 dB. In seinem ergänzenden Gutachten vom "15. Mai 2000" (richtig: 15. Mai 2001), in welchem der Amtssachverständige unter Bezugnahme auf das Berufungsvorbringen auf die erhöhten Fahrtbewegungen am Freitag und am Samstag eingehe (236 statt 118 Fahrtbewegungen), habe er schlüssig dargelegt, dass an den vorhandenen Messpunkten 50 bzw. 52 dB erreicht würden (Anmerkung: dem Gutachten zur Folge zur Tagzeit). Das Ausmaß der örtlich zumutbaren Immissionen, welches in einem Gebiet mit der Flächenwidmung Bauland-Kerngebiet naturgemäß höher liege als im "Baulandgebiet", werde somit nicht überschritten.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Voranzustellen ist, dass in diesem Erkenntnis nur die "baurechtlichen Aspekte" des Falles behandelt werden (dh., soweit sich die Beschwerde auf die erteilte Baubewilligung bezieht, nicht auch die gewerberechtlichen Aspekte - siehe dazu auch den hg. Beschluss vom 12. Dezember 2001, Zl. 2001/04/0157).
Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass den Beschwerdeführern als Nachbarn im baurechtlichen Verfahren hinsichtlich dieser gewerblichen Betriebsanlage gemäß § 20 Abs. 1 letzter Satz der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl. 8200 (kurz: BO), angesichts der Flächenwidmung "Bauland-Kerngebiet" gemäß § 16 Abs. 1 Z. 2 NÖ ROG, wonach (nur) Betriebe zulässig sind, welche (ua.) keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkung auf die Umgebung verursachen, iVm § 6 Abs. 2 Z 2 und § 48 BO ein Mitspracherecht hinsichtlich der vom Vorhaben zu erwartenden Immissionen zukommt.
Gleichermaßen kommt ihnen aber auch bei der Flächenwidmung "Bauland-Wohngebiet" gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 NÖ ROG (wonach nur Betriebe zulässig sind, welche in das Ortsbild einer Wohnsiedlung eingeordnet werden können und keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigungen sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen) ein Mitspracherecht hinsichtlich der vom Vorhaben zu erwartenden Immissionen zu.
Die Beschwerdeführer haben im Verwaltungsverfahren auch rechtzeitig entsprechende Einwendungen erhoben.
Das Bauvorhaben ist im Bereich zweier verschiedener Flächenwidmungen (Bauland-Wohngebiet und Bauland-Kerngebiet) situiert. Da das Vorhaben als einheitliches Ganzes anzusehen ist, ist die Frage seiner Zulässigkeit aus dem Blickwinkel der davon zu erwartenden Immissionen an Hand der die Beschwerdeführer weniger belastenden Widmung (hier: Wohngebiet; siehe dazu auch die Lärmhöchstwerte gemäß der Verordnung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmungen, LGBl. 8000/4) zu prüfen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 26. Juni 1997, Zl. 96/06/0200, zur Tiroler Bauordnung, und vom 23. Feber 1999, Zl. 97/05/0269, zur Kärntner Bauordnung).
In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde dagegen ihrer Beurteilung nur die Flächenwidmung "Bauland-Kerngebiet" zugrunde gelegt, womit sie schon deshalb den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete, weshalb er (ohne Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. Jänner 2004
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001050543.X00Im RIS seit
23.02.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008