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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Tribunal durch Entscheidung der Landesberufungskommission über Honorarstreitigkeiten aus einem Einzelvertrag infolge Außerachtlassung des vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwurfs der Nichtigkeit einer zum Gesamtvertrag abgeschlossenen Zusatzvereinbarung sowie wegen Beteiligung eines - am Zustandekommen der Zusatzvereinbarung mitwirkenden - Kommissionsmitglieds an der EntscheidungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Tribunal verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin im Burgenland und hat mit der Burgenländischen Gebietskrankenkasse (im folgenden: Gebietskrankenkasse) mit Wirkung vom 1. Oktober 1991 einen Einzelvertrag abgeschlossen. Nach §4 dieses Einzelvertrags ergeben sich die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Gesamtvertrag, aus den in Hinkunft abgeschlossenen Zusatzvereinbarungen und aus diesem Einzelvertrag.
Die zwischen der Ärztekammer für Burgenland und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger geschlossene Zusatzvereinbarung 1993 (fortgeführt als Zusatzvereinbarung 1994 mit Befristung bis 30. Juni 1994) zum Gesamtvertrag bestimmt ua. folgendes:
"II.
1. Für die Erhöhung der Honorare der praktischen Ärzte und Fachärzte im Bundesland Burgenland ausgenommen die Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde wird für den Vertragszeitraum vom 1. 4. 1993 bis 31. 12. 1993 jener Betrag zur Verfügung gestellt, der zu einer Erhöhung des durchschnittlichen Fallwertes der praktischen Ärzte und Fachärzte gegenüber den drei entsprechenden Quartalen 2/92 bis 4/92 um 5 % führt.
2. Diese Honorarerhöhung wird durch eine 5%ige Pauschalaufzahlung jedem Vertragsarzt auf seine abgerechnete Vertragshonorarsumme (ohne Mutterkindpaß-, Vorsorgeuntersuchungshonorare und Honorare der med. Hauskrankenpflege) ausbezahlt. Die tarifwirksame Durchführung erfolgt in der nächsten Vertragsperiode.
3. Für die Anhebung bzw. Änderung der Sonographielimite stellt die Burgenländische Gebietskrankenkasse in den drei Vertragsquartalen den notwendigen Betrag zur Verfügung. Für die Berechnung der insgesamt zustehenden Honorarsumme werden aus diesem Titel S 1.500.000,-- angesetzt.
4. Für den Vertragszeitraum 1. 4. 1993 bis 31. 12. 1993 wird eine Steigerung der Zahl der Fälle mit Grundvergütung zu Lasten der Burgenländischen Gebietskrankenkasse maximal in jenem Ausmaß anerkannt, das der Steigerung des durchschnittlichen Versichertenstandes bei der Bgld. Gebietskrankenkasse im Vertragszeitraum gegenüber den drei vorangegangenen Quartalen entspricht.
5. Bei der Feststellung des zulässigen Ausmaßes der Erhöhung des Durchschnittsfallwertes und der honorierbaren Mehrfälle sind die Honoraraufwendungen und die Fälle der im Vertragszeitraum neu zugelassenen Ärzte außer Ansatz zu lassen.
6. Mehrfälle aufgrund von einvernehmlich anerkannten Epidemien bleiben unberücksichtigt.
III.
1. Übersteigt jeweils in den ersten zwei Quartalen des Vertragszeitraumes gegenüber dem jeweiligen Vergleichsquartal der vorangegangenen Honorarperiode die Honorarsumme aller Ärzte das Produkt aus anerkannter Fallzahl und zulässigem Durchschnittsfallwert, kommt folgende Fallzahl- und Fallwertregelung zur Anwendung:
Übersteigt bei einer Fachgruppe die Honorarsumme das Produkt aus anerkannter Fallzahl und zulässigem Durchschnittsfallwert dieser Fachgruppe, so ist beim einzelnen Arzt dieser Fachgruppe quartalsweise festzustellen, in welchem Ausmaß die vom einzelnen Arzt abgerechnete Honorarsumme das Produkt aus individuell anerkannter Fallzahl und individuell anerkanntem Fallwert übersteigt. Der übersteigende Betrag ist dem betreffenden Arzt zur Stellungnahme bekanntzugeben.
2. Übersteigt im gesamten Vertragszeitraum die Honorarsumme aller Ärzte das Produkt aus anerkannter Fallzahl und zulässigem Durchschnittsfallwert, kommt folgende Kürzungsregelung zur Anwendung:
Übersteigt bei einer Fachgruppe die Honorarsumme das Produkt aus anerkannter Fallzahl und zulässigem Durchschnittsfallwert dieser Fachgruppe, so ist beim einzelnen Arzt dieser Fachgruppe die Honorarsumme um jenen Betrag zu kürzen, der das Produkt aus individuell anerkannter Fallzahl und individuell anerkanntem Fallwert übersteigt.
Für den Fall, daß die errechnete Kürzung aus berücksichtigungswürdigen Gründen eine Härte darstellt, entscheidet ein paritätisch zusammengesetzter Härteausschuß über eine eventuelle Milderung der Kürzung.
3. Die in den Punkten 1 und 2 (angeführte) Fallzahl- und Fallwertregelung bzw. Kürzungsregelung ist nur dann anzuwenden, wenn die Fallzahl des einzelnen Arztes 500 Fälle mit Grundvergütung übersteigt. Die Kürzungsregelung wird ebenfalls nicht angewendet, wenn die abgerechnete Honorarsumme des Vertragsarztes unter der Durchschnittshonorarsumme seiner Fachgruppe liegt. Gleichfalls werden Ärzte in den ersten zwei Jahren ab Zulassung auf einer neuen Planstelle von den angeführten Regelungen ausgenommen.
4. Wird die Überschreitung der zulässigen Honorarsumme aller Ärzte im Vertragszeitraum durch die im Punkt 2 angeführte Kürzungsregelung nicht hereingebracht, ist von der Honorarsumme aller Ärzte aliquot der noch ausstehende Überschreitungsbetrag bei der Honorarabrechnung 4. Quartal 1993 einzubehalten."
1.2. Mit Schreiben vom 2. Mai 1995 informierte die Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer, daß eine Kürzung des für die Vertragsquartale 2/93 bis 2/94 gebührenden Honorars in Aussicht genommen sei.
Begründend wird dazu im wesentlichen ausgeführt, die für den Beschwerdeführer zulässige Fallzahl (Zahl der honorierbaren Grundvergütungsfälle) sei 4.437; tatsächlich seien jedoch 4.746 Grundvergütungsfälle abgerechnet worden; als zulässiger Fallwert sei ein Betrag von S 391,40 festzustellen.
Der Beschwerdeführer habe für den Zeitraum 2/93 bis 2/94 Honorare im Ausmaß von S 1,908.218,-- abgerechnet. Als Produkt aus zulässiger Fallzahl und zulässigem Fallwert ergebe sich ein Betrag von S 1,736.641,80. Die errechnete Kürzung betrage daher S 171.576,20. Da jedoch die Summe der Überschreitung der zulässigen Honorarsumme der Ärzte für Allgemeinmedizin und der allgemeinen Fachärzte im Vertragszeitraum 2/93 bis 2/94 niedriger gewesen sei als die Summe der individuellen Überschreitungen, sei der rechnerische Kürzungsbetrag auf S 82.449,54 (zuzüglich 20 % USt) herabzusetzen. Dieser Betrag sei vom Beschwerdeführer binnen dreißig Tagen einzuzahlen.
2.1. Am 11. März 1996 erhob der Beschwerdeführer gegen die von der Gebietskrankenkasse vorgeschriebene Honorarkürzung Einspruch an den Härteausschuß bei der Gemeinsamen Verrechnungsstelle der Burgenländischen Krankenversicherungsträger (im folgenden: Härteausschuß).
Darin erklärte er, mit dem Einbehalt des vorgeschriebenen Kürzungsbetrags nicht einverstanden zu sein, weil dieser sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gesetz- und vertragswidrig sei. In eventu stellte er den Antrag, den vorgeschriebenen Kürzungsbetrag nachzulassen, weil dieser eine Härte darstelle: So habe der Beschwerdeführer die Praxis erst Mitte 1991 übernommen, weshalb es nicht zumutbar sei, als Grundlage des Kürzungsbetrags bereits Ergebnisdaten des Folgejahres heranzuziehen.
2.2. Der vom Beschwerdeführer befaßte Härteausschuß entschied in seiner Sitzung vom 18. März 1996, den Fall des Beschwerdeführers als Härtefall anzuerkennen und den Kürzungsbetrag im Ausmaß von 70,49 vH herabzusetzen.
2.3. Im Ergebnis haftete daher ein - auf Grund der in der Zwischenzeit geführten Verhandlungen zwischen der Ärztekammer und der Gebietskrankenkasse weiter herabgesetzter - Kürzungsbetrag von S 15.006,40 (zuzüglich 20 % USt) aus.
3.1. Im Zug der Honorarabrechnung für den Zeitraum 1/96 behielt die Gemeinsame Verrechnungsstelle der Burgenländischen Krankenversicherungsträger bei der Gebietskrankenkasse den genannten, noch aushaftenden Kürzungsbetrag von S 15.006,40 ein.
3.2. Gegen diesen Abzug stellten der Beschwerdeführer sowie sieben weitere - in ähnlicher Weise betroffene - Vertragsärzte am 16. Juni 1996 einen gegen die Gebietskrankenkasse gerichteten Antrag an die paritätische Schiedskommission, die jeweils einbehaltenen Kürzungsbeträge auszuzahlen. Zur Begründung dieses Begehrens verwiesen die Antragsteller im wesentlichen auf die bereits in ihrem Feststellungsantrag an die paritätische Schiedskommission vom 16. Oktober 1995 gemachten Ausführungen.
Begründend wird zu dem genannten Feststellungsantrag ua. ausgeführt, daß ein "Einfrieren" der Einkommensverhältnisse der Vertragsärzte eines ganzen Bundeslandes im Weg des Gesamtvertrags rechtlich nicht möglich sei. Es sei zwar zulässig und - auf Grund des §342 Abs2 letzter Satz ASVG: "Die Gesamtverträge sollen eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit ... enthalten." - geboten, im Rahmen des Gesamtvertrags eine "Global-Deckelung", dh. ein Honorar-Gesamtlimit, einzuführen, sofern die Höhe dieses Limits nach sachlichen Kriterien bestimmt werde. Eine "individuelle Deckelung", die sich aus einer individuellen Fallzahl, vervielfacht mit einem individuellen Fallwert, ergebe, sei jedoch nicht zulässig. Eine solche Maßnahme sei nämlich angesichts der ungeachtet eines solchen Limits weiterhin aufrechten Verpflichtung zur Behandlung von Anspruchsberechtigten sachlich nicht gerechtfertigt. Auch durch verstärkten Arbeitseinsatz sei es einem Vertragsarzt nicht mehr möglich, sein einmal "eingefrorenes" Honorarniveau zu verbessern. Eine "individuelle Deckelung" sei als sittenwidrig iSd §879 Abs1 zweiter Fall ABGB und die Einzelverträge seien daher insoweit als teilnichtig zu beurteilen.
Pkt. III der Zusatzvereinbarung 1993 verletze überdies den in §342 Abs2 ASVG festgelegten Grundsatz der Vergütung nach Einzelleistungen; jene Pauschalierung, wie sie sich aus einer individuellen Deckelung ergebe, habe nämlich zur Folge, daß die verschieden starke Belastung der Vertragsärzte für die Honorierung nicht mehr von Bedeutung sei.
Der Einbehalt des festgelegten Kürzungsbetrags sei schließlich schon deshalb unzulässig, weil gemäß §36 Abs6 des Gesamtvertrags der Krankenversicherungsträger gehalten sei, Einwendungen gegen die Honorarabrechnung bei sonstiger Präklusion binnen sechs Monaten zu erheben; dies sei jedoch nicht geschehen.
3.3. Die Gebietskrankenkasse erstattete im Verfahren vor der paritätischen Schiedskommission eine Gegenschrift, in der sie den Antrag stellte, das Begehren der acht Antragsteller auf Zahlung der einbehaltenen Beträge nach Durchführung eines Beweisverfahrens abzuweisen.
Begründend wird dazu im wesentlichen ausgeführt, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um den Einbehalt eines strittigen Honorarteils handle, sondern um eine - auf der Spezialbestimmung des Pkt. III.2. der Zusatzvereinbarung 1993 beruhende - Kürzung des (dem Grunde und der Höhe nach unstrittigen) Vertragsarzthonorars. Die Bestimmungen des Gesamtvertrags über den Einbehalt strittiger Honorarteile seien deshalb von vornherein nicht anwendbar.
Der Vorwurf der Antragsteller, die Einwendungen der Gebietskrankenkasse seien erst jeweils nach Ablauf von sechs Monaten nach Einlangen der Honorarabrechnung erhoben worden und deshalb präkludiert, verkenne die Spezialbestimmung des Pkt. III.2. der Zusatzvereinbarung 1993. Nach dieser Bestimmung sei eine Kürzung des - an sich unbeanstandeten - abgerechneten Honorars aus Gründen vorzunehmen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt hervorkommen und im Zeitpunkt der Liquidierung des Honorars jedenfalls noch nicht absehbar gewesen seien.
Schließlich erweise sich auch der Vorwurf, die Parteien des Gesamtvertrags hätten mit der Einführung der in der Zusatzvereinbarung 1993 enthaltenen Kürzungsregelung ihre Rechtsetzungsbefugnis überschritten, als unhaltbar; den Gesamtvertragsparteien sei vielmehr die Verpflichtung auferlegt, zwecks Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztlichen Leistungen Maßnahmen zu treffen. Solche Maßnahmen seien auch in regressiven Honorarsystemen zu erblicken, die überdies nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht als sittenwidrig oder unsachlich zu qualifizieren seien.
3.4. In der Sitzung der paritätischen Schiedskommission vom 16. Dezember 1996 kam es wegen Stimmengleichheit zu keiner Beschlußfassung, worauf die Antragsteller gemäß §344 Abs3 zweiter Satz iVm §345 Abs2 Z2 ASVG mit Schriftsatz vom 23. Jänner 1997 einen Antrag auf Übergang der Entscheidungszuständigkeit an die Landesberufungskommission für das Burgenland (im folgenden: Landesberufungskommission) stellten.
In einem an die Landesberufungskommission gerichteten, vorbereitenden Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 2. April 1997 wiederholte dieser im wesentlichen sein bereits im Verfahren vor der paritätischen Schiedskommission erstattetes Vorbringen und stellte den Antrag auf bescheidmäßige Verpflichtung der Gebietskrankenkasse zur Zahlung des Betrags von S 15.006,40 sA.
Die Gebietskrankenkasse trat in einer Stellungnahme dem im vorbereitenden Schriftsatz enthaltenen Vorbringen (neuerlich) entgegen.
4. Die Landesberufungskommission faßte am 22. Mai 1997 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Beschluß, den Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen.
In dem am 15. Dezember 1997 ausgefertigten Bescheid führt die Landesberufungskommission dazu begründend folgendes aus:
Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Kürzung sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sein sollte. Der Beschwerdeführer sei in der mündlichen Verhandlung vor der Landesberufungskommission vernommen worden und dabei wenig glaubhaft aufgetreten. Er stütze sich im wesentlichen darauf, daß er durch die Kürzung in seiner Existenz bedroht sei - worin ihm angesichts der Höhe des Kürzungsbetrags nicht zu folgen sei - und gegenüber einem ebenfalls in Hornstein tätigen, jedoch viel früher niedergelassenen Arzt für Allgemeinmedizin einen Konkurrenznachteil erleide; darin allein könne aber kein berücksichtigungswürdiger Umstand erblickt werden.
Der Schriftsatz des Beschwerdeführers enthalte - ebenso wie jener der Gebietskrankenkasse - "fast ausschließlich Rechtsausführungen und wenig sachliches Substrat". Bei der "Entscheidungsfindung" habe sich die Landesberufungskommission insbesondere an den Bekundungen des fachkundigen Beisitzers Dr. H. orientiert, der selbst seinerzeit an den Vertragsverhandlungen zwischen Ärztekammer und Sozialversicherungsträger teilgenommen und nunmehr erklärt habe, daß das Anliegen des Beschwerdeführers nicht berechtigt sei und keine vertragliche Grundlage habe.
5. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Beschwerdeführers in verschiedenen näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und der Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides gestellt wird.
Begründend wird dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt:
An der Entscheidungsfindung der belangten Behörde sei Dr. H. als Beisitzer beteiligt gewesen, der seinerzeit an den Verhandlungen zwischen der Ärztekammer und dem Sozialversicherungsträger über die Zusatzvereinbarung 1993 teilgenommen habe. Im Verfahren vor der belangten Behörde habe sich der Beschwerdeführer jedoch im wesentlichen darauf berufen, daß die genannte Zusatzvereinbarung 1993 sittenwidrig und daher teilnichtig sei. Aus diesem Grund bestünden jedoch erhebliche Zweifel daran, ob der genannte Beisitzer - jedenfalls dem äußeren Anschein nach - unbefangen gewesen sei. Darin liege eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art6 Abs1 EMRK.
Eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts sei auch darin zu erblicken, daß es sich bei einer Beisitzerin der belangten Behörde um eine Bedienstete der Gebietskrankenkasse gehandelt habe, die somit - ebenfalls dem äußeren Anschein nach - nicht jene Unabhängigkeit aufgewiesen habe, wie sie Art6 Abs1 EMRK forderte.
Bedenken bestünden auch dagegen, daß diese Person sowohl der paritätischen Schiedskommission als auch der belangten Behörde als Beisitzerin angehöre.
Schließlich sei auch der Härteausschuß als nicht EMRK-konform ausgestaltetes Gremium anzusehen.
Aus dem Blickwinkel des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz sei zu beanstanden, daß der angefochtene Bescheid in seiner Begründung jede Auseinandersetzung mit dem rechtlichen Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere mit der von diesem aufgeworfenen Frage, ob die Zusatzvereinbarung 1993 gesetzmäßig sei bzw. den guten Sitten entspreche, vermissen lasse. Der belangten Behörde sei insofern Willkür zum Vorwurf zu machen. Dies auch insofern, als die belangte Behörde in Parallelverfahren zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen sei.
6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.
Die dem Verfahren als beteiligte Partei beigezogene Gebietskrankenkasse hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Beschwerdevorwürfen entgegentritt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des ASVG, BGBl. 1955/189, haben folgenden Wortlaut:
"Gesamtverträge
§341. (1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten werden durch Gesamtverträge geregelt, die für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen sind. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen.
(2) (aufgehoben)
(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes geltenden Gesamtvertrages verstoßen.
(4) ...
Inhalt der Gesamtverträge
§342. (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:
...
3.
die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung;
4.
die Vorsorge zur Sicherstellung einer
wirtschaftlichen Behandlung und Verschreibweise;
...
(2) Die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit ist grundsätzlich nach Einzelleistungen zu vereinbaren. Die Vereinbarungen über die Vergütung der ärztlichen Leistungen sind in Honorarordnungen zusammenzufassen; diese bilden einen Bestandteil der Gesamtverträge. Die Gesamtverträge sollen eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit (einschließlich der Rückvergütungen bei Inanspruchnahme der wahlärztlichen Hilfe (§131)) enthalten.
...
Paritätische Schiedskommission
§344. (1) Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.
(2) ...
(3) Die paritätische Schiedskommission ist verpflichtet, über einen Antrag ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach dessen Einlangen, mit Bescheid zu entscheiden. Wird der Bescheid dem Antragsteller innerhalb dieser Frist nicht zugestellt oder wird dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt, daß wegen Stimmengleichheit keine Entscheidung zustande kommt, geht auf schriftliches Verlangen einer der Parteien die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Landesberufungskommission über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Landesberufungskommission einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf Stimmengleichheit oder nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde (§73 AVG 1950) zurückzuführen ist.
(4) Gegen einen Bescheid der paritätischen Schiedskommission kann Berufung an die Landesberufungskommission erhoben werden.
Landesberufungskommission
§345. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesberufungskommission zu errichten. Diese besteht aus einem Richter des Dienststandes als Vorsitzendem und aus vier Beisitzern. Der Vorsitzende ist vom Bundesminister für Justiz zu bestellen; der Vorsitzende muß ein Richter sein, der im Zeitpunkt seiner Bestellung bei einem Gerichtshof in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätig ist. Je zwei Beisitzer werden von der zuständigen Ärztekammer un dem Hauptverband entsendet.
(2) Die Landesberufungskommission ist zuständig:
1.
zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der paritätischen Schiedskommission und
2.
zur Entscheidung auf Grund von Devolutionsanträgen gemäß §344 Abs3.
...
(3) §346 Abs3 bis 7 gelten sinngemäß auch für die Landesberufungskommission und deren Mitglieder.
Landesschiedskommission
§345a. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesschiedskommission zu errichten. ...
(2) Die Landesschiedskommission ist zuständig:
1. zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages ...
2. ...
(3) Gegen die Entscheidungen der Landesschiedskommission kann Berufung an die Bundesschiedskommission erhoben werden.
Bundesschiedskommission
§346. (1) Zur Entscheidung über Berufungen, die gemäß §345a Abs3 erhoben werden, ist die Bundesschiedskommission zu errichten.
...
(6) Die Mitglieder der Bundesschiedskommission sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden.
(7) Entscheidungen der Bundesschiedskommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungswege."
1.2. Streitigkeiten zwischen den Parteien des Gesamtvertrages über dessen Auslegung und Anwendung sind in erster Instanz vor der Landesschiedskommission und in zweiter Instanz vor der Bundesschiedskommission auszutragen, zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Partnern der Einzelverträge, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist hingegen in erster Instanz die paritätische Schiedskommission, in zweiter Instanz die Landesberufungskommission zuständig. Die zuletzt genannte Zuständigkeit umfaßt auch die Kompetenz, im Zuge der Feststellung des Inhalts des Einzelvertrags vorfrageweise die Gültigkeit von Bestimmungen des Gesamtvertrags oder einer dazu geschlossenen Zusatzvereinbarung zu beurteilen, die sie - ihre Gültigkeit vorausgesetzt - als Inhalt des jeweils in Rede stehenden Einzelvertrags ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hätte.
1.3. Soweit also als notwendiges Element der rechtlichen Beurteilung durch die zur Entscheidung über den Einzelvertrag berufenen Behörden auch Fragen der Gültigkeit (und damit insoweit auch des "ob" der Einwirkung der betreffenden Bestimmungen des Gesamtvertrags und der dazu geschlossenen Zusatzvereinbarungen auf den Einzelvertrag) zu prüfen sind, gleicht der Gegenstand der rechtlichen Beurteilung zwar jenem der Landesschiedskommission (bzw. der Bundesschiedskommission) bei der Entscheidung von Streitigkeiten |ber die Auslegung und Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages (in diesem Sinne, wenngleich von Kompetenzüberschneidung sprechend:
Mosler in: Strasser, Arzt und gesetzliche Krankenversicherung, 1995, 403), freilich ohne hinsichtlich der bloß vorfrageweisen Beurteilung der Gültigkeit des Gesamtvertrages für die zur Entscheidung über die Gültigkeit des Gesamtvertrages zuständige Landesschiedskommission irgendeine Bindungswirkung zu entfalten (s. VfSlg. 15.178/1998; vgl. weiters VfGH 28. September 1999, B3652/96; 13. Oktober 1999, B2425/96; 11. Oktober 1999, B1121/97; 17. Dezember 1999, B2250/97).
2. Der Beschwerdeführer ist bereits mit seinem Vorwurf, die belangte Behörde habe ihm gegenüber Willkür geübt, im Ergebnis im Recht:
2.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).
2.2. Die Zuständigkeit zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, geht bei Stimmengleichheit in der gemäß §344 ASVG zunächst zuständigen paritätischen Schiedskommission von dieser auf die Landesberufungskommission über (§344 Abs3 zweiter Satz iVm §345 Abs2 Z2 ASVG).
2.2.1. Die im Verfahren allein strittige Zusatzvereinbarung 1993 (bzw. 1994) zum Gesamtvertrag gestaltet als Teil des Gesamtvertrags auch die Rechte und Pflichten der Parteien des Einzelvertrags (§341 Abs3 ASVG). Die Zuständigkeit für Streitigkeiten, die in "rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang" mit dem Einzelvertrag stehen, umfaßt daher grundsätzlich auch Honorarforderungen, wie sie im beschwerdegegenständlichen Fall geltend gemacht worden sind, und in diesem Zusammenhang auch die vorfrageweise Beurteilung der Gültigkeit der einen Bestandteil des Einzelvertrags bildenden gesamtvertraglichen Regelungen.
2.3. Die belangte Behörde ist in der Begründung ihres Bescheides jedoch weder auf den sowohl im Bescheidantrag an die paritätische Schiedskommission vom 16. Oktober 1995 als auch im vorbereitenden Schriftsatz vom 2. April 1997 erhobenen Einwand des Beschwerdeführers, die Zusatzvereinbarung 1993 sei gesetzwidrig bzw. sittenwidrig, daher (teil-)nichtig und insofern nicht Gegenstand seines Einzelvertrags geworden, eingegangen. Der angefochtene Bescheid nimmt lediglich auf ein Schreiben des damaligen Rechtsvertreters des Beschwerdeführers an die Gebietskrankenkasse vom 18. Mai 1995 Bezug, in dem der Beschwerdeführer erklärte, mit dem Abzug des Kürzungsbetrags nicht einverstanden zu sein. Dabei dürfte die belangte Behörde die zuvor genannten Anbringen des Beschwerdeführers völlig übersehen haben.
Es wäre der belangten Behörde oblegen, den vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwurf, diese Vereinbarung sei nichtig, zu prüfen und das Ergebnis dieser Beurteilung in der Begründung des angefochtenen Bescheides nachvollziehbar darzustellen. Dadurch, daß die belangte Behörde dies unterlassen hat und in der Begründung des angefochtenen Bescheides vielmehr auf - nicht näher ausgeführte - "Bekundungen" eines fachkundigen Beisitzers verweist, der seinerzeit an den Vertragsverhandlungen teilgenommen habe, ist sie in einem entscheidungswesentlichen Punkt jede nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben.
Die belangte Behörde hat somit gegenüber dem Beschwerdeführer Willkür geübt und ihn dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
3. Der Beschwerdeführer macht - vor diesem Hintergrund - aber auch zu Recht eine Verletzung des Art6 Abs1 EMRK geltend:
Das durch Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Tribunal wird nämlich - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1999, B3077/98, schon dargelegt hat - ua. dann verletzt, wenn die konkret zur Entscheidung berufenen Mitglieder der Kommission an der Gestaltung jenes Gesamtvertrags mitgewirkt haben, um dessen Anwendung und Auslegung es im konkreten Verfahren geht (s. ferner VfSlg. 14.564/1996). Im gegenständlichen Verfahren war zu beurteilen, ob die Zusatzvereinbarung 1993 als Teil des Gesamtvertrags sittenwidrig und daher ungültig sei. An der Entscheidungsfindung der belangten Behörde war nun - als deren Mitglied - eine Person beteiligt, die seinerzeit am Zustandekommen dieses Regelwerks (mutmaßlich auf der Seite der Ärztekammer für Burgenland) unmittelbar teilgenommen hat, wie der Begründung des angefochtenen Bescheides entnommen werden kann. Die belangte Behörde hebt sogar hervor, sich an den Auskünften dieses Mitglieds "orientiert" zu haben, wonach das Anliegen des Beschwerdeführers "nicht berechtigt" sei und "keine vertragliche Grundlage" habe. Es ist unmittelbar einsichtig, daß ein Mitglied einer Kollegialbehörde, das am Zustandekommen eines Normenvertrags wie der Zusatzvereinbarung 1993 mitgewirkt hat, in einem Verfahren, in dem sich ua. die Frage stellt, ob diese Vereinbarung (allenfalls) sittenwidrig sei, nicht jene Distanz zur Sache aufweist, die aus dem Grunde des gebotenen Anscheins der Unparteilichkeit erforderlich ist.
Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer somit auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Tribunal verletzt.
4. Der angefochtene Bescheid war daher aus den genannten Gründen aufzuheben; auf das übrige Beschwerdevorbringen war bei diesem Ergebnis nicht weiter einzugehen.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist S 4.500,-- an Umsatzsteuer enthalten; ein Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§110 Abs1 Z2 lita ASVG) nicht zuzusprechen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefällt werden.
Schlagworte
Kollegialbehörde, Sozialversicherung, ÄrzteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B313.1998Dokumentnummer
JFT_09999075_98B00313_00