TE Vwgh Erkenntnis 2004/1/28 2002/04/0031

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Veröffentlicht am 28.01.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der S in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 13. November 2001, Zl. WST1-B-99102, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 1999 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in Bezug auf den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 10. November 1998 - mit dem der Beschwerdeführerin die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme in der Höhe von S 420.000,-- vorgeschrieben wurde - gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Antrag, dem Wiedereinsetzungsantrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 73 Abs. 2 AVG zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG gewährleisteten Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt zu sein.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Eingabe vom 5. Februar 1999 zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung vor, dass ihr der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 10. November 1998 (an einem nicht mehr näher erinnerlichen Tag) Mitte November zugestellt worden sei. Noch am Tag der Zustellung habe sie mit dem (nunmehrigen) Vertreter der Beschwerdeführerin, der sie zu diesem Zeitpunkt bereits in mehreren anderen Angelegenheiten vertreten habe, Kontakt aufgenommen. Dieser habe sich bereit erklärt, sich nach Durchsicht des Bescheides um die Angelegenheit zu kümmern und habe ihr aufgetragen, den Bescheid zu übermitteln. Soferne gegen den Bescheid etwas zu unternehmen sei, werde er ihre Vertretung übernehmen, andernfalls werde er sie telefonisch verständigen. Die Beschwerdeführerin habe sodann den Bescheid samt einem Begleitschreiben, in dem sie die Hintergründe der Kostenvorschreibung dargelegt habe, nicht eingeschrieben zur Post gegeben, ohne sich eine Kopie zu behalten. Die Postsendung sei jedoch beim (nunmehrigen) Vertreter der Beschwerdeführerin nicht eingelangt. Um den 22. oder 23. November 1998 habe sie telefonisch in der Kanzlei ihres (nunmehrigen) Vertreters nachgefragt und hätte vom anwesenden Kanzleimitarbeiter die unrichtige Auskunft bekommen, dass "sämtliche Rechtsmittel bereits ergriffen wären und alles in Ordnung sei". Dieses Missverständnis wäre dadurch zustande gekommen, dass die Beschwerdeführerin von einer "Zahlungsaufforderung" gesprochen und der Kanzleimitarbeiter dies auf ein gerichtliches Verfahren bezogen habe, in dem die Beschwerdeführerin bereits vom (nunmehrigen) Vertreter der Beschwerdeführerin vertreten worden sei.

In der Beschwerde räumt die Beschwerdeführerin ein, dass bei der ersten telefonischen Kontaktnahme lediglich eine "aufschiebend bedingte" Bevollmächtigung erfolgt wäre, und zwar in der Form, als der Beschwerdeführerin die Prüfung der Angelegenheit und eine allfällige Mandatsübernahme unter der Bedingung zugesagt worden wäre, dass der Vertreter den Bescheid auch erhalten werde.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 18. März 1997, Zl. 96/08/0323 mwH). Dabei hat der Rechtsanwalt alle Vorsorgen zu treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 96/19/3278). Der Verwaltungsgerichtshof vermag ein derartiges Bevollmächtigungsverhältnis im vorliegenden Fall aber nicht zu erkennen. So fehlt es dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag an ausreichenden Anzeichen dafür, dass bei dem erstmaligen telefonischen Kontakt der Beschwerdeführerin bereits ein Bevollmächtigungsverhältnis entstanden ist, welches berechtigen würde, das Verschulden des Vertreters der Beschwerdeführerin zuzurechnen.

Jedoch ist es Sache eines noch nicht durch einen Anwalt vertretenen Beschwerdeführers, für die Einhaltung der Berufungsfrist zu sorgen. Es liegt daher am Beschwerdeführer, innerhalb dieser Frist entweder selbst eine Berufung einzubringen oder - wenn er sich dazu eines Rechtsanwaltes bedienen wollte - diesen so rechtzeitig damit zu betrauen, dass ihm die fristgerechte Einbringung einer Berufung möglich ist. Dabei ist als Maßstab die jede Verfahrenspartei treffende erhöhte Sorgfaltspflicht bei der Wahrnehmung von Fristen zu beachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 94/11/0388 mwH).

Wenn die Beschwerdeführerin in der ersten telefonischen Kontaktaufnahme darauf verzichtete, eine (unbedingte) Bevollmächtigung zu erteilen und die Vorsorge für die weiteren rechtlichen Schritte dem bevollmächtigten Vertreter zu überantworten, so trifft sie die Sorgfaltspflicht, den Eintritt der Bedingung für die Bevollmächtigung in Form des Einlangens des Bescheides beim kontaktierten Rechtsanwalt sorgfältig zu beobachten. Dagegen hat sich die Beschwerdeführerin mit der allgemeinen und (wie sich gezeigt hat) missverständlichen Antwort eines Kanzleimitarbeiters, dass "sämtliche Rechtsmittel bereits ergriffen wären und alles in Ordnung sei", zufrieden gegeben, obwohl sie selbst nicht einmal mehr im Besitz einer Kopie des Bescheides war. Gerade weil die erste telefonische Kontaktaufnahme mit dem (nunmehrigen) Vertreter der Beschwerdeführerin persönlich erfolgte und - wie in der Beschwerde ausgeführt wird - vom (nunmehrigen) Vertreter der Beschwerdeführerin nicht verlangt werden konnte, "es müsse über jedes Telefonat ein Aktenvermerk oder gar gleich ein Akt angelegt werden", hätte die Beschwerdeführerin auf eine persönliche Kontaktnahme mit dem informierten Vertreter bestehen müssen oder im Falle der Unmöglichkeit die Hilfe eines anderen Anwaltes in Anspruch nehmen oder selbst eine Berufung einbringen müssen (vgl. in diesem Sinne das zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996).

Da somit ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden der Beschwerdeführerin an der Versäumung der Berufungsfrist vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Jänner 2004

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002040031.X00

Im RIS seit

04.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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