TE Vfgh Beschluss 2000/9/25 G64/00

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Veröffentlicht am 25.09.2000
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GewO 1994 §2 Abs1 Z25

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung der Ausnahme gastgewerblicher Tätigkeiten im Rahmen von Veranstaltungen durch bestimmte juristische Personen ("Zeltfeste") von der Gewerbeordnung mangels Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Fachverbände für Gastronomie und Hotellerie

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit einem auf Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG gestützten Individualantrag begehren der Fachverband Gastronomie und der Fachverband Hotellerie, §2 Abs1 Z25 Gewerbeordnung 1994, BGBl. 194/1994 idF der Gewerbeordnungs-Novelle 1998, BGBl. I 116/1998 (im folgenden: GewO 1994), als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Gemäß §2 Abs1 GewO 1994 ist dieses Bundesgesetz - unbeschadet weiterer ausdrücklich angeordneter Ausnahmen durch besondere bundesgesetzliche Vorschriften - auf die nachfolgend angeführten Tätigkeiten nicht anzuwenden. Mit der Novelle BGBl. I 116/1998 wurde der Katalog dieses §2 Abs1 insofern ergänzt, als nach der Ziffer 24. eine Ziffer 25. - die angefochtene Bestimmung - mit folgendem Wortlaut angefügt wurde:

"25. die Verabreichung von Speisen und der Ausschank von Getränken im Rahmen und Umfang von Veranstaltungen im Sinne des §5 Z12 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 durch Körperschaften des öffentlichen Rechtes sowie sonstige juristische Personen, die im Sinne der §§34 ff BAO gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich tätig sind, und durch deren Dienststellen. Diese Veranstalter haben die §§149 bis 151 sowie die einschlägigen gesundheits-, lebensmittel-, wasser- und abfallrechtlichen Vorschriften einzuhalten."

3. Die antragstellenden Fachverbände erachten sich durch die angefochtene Bestimmung im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Sie führe dazu, daß typisch gastgewerbliche Tätigkeiten rechtlich ungleich behandelt würden. Die in Rede stehende GewO-Novelle 1998 fördere gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Tätigkeiten durch Schaffung einer Regelung, die zwingend zu Einkommenseinbußen der Gastgewerbetreibenden führe. Dies bedeute ein verfassungswidriges Sonderopfer der Gastgewerbetreibenden. Zum anderen erweise sich die Ausnahme der gegenständlichen "Zeltfeste" aus dem Anwendungsbereich der GewO 1994 als in sich grob unsachlich, da damit typisch gastgewerbliche Tätigkeiten gerade jenem Regime entzogen würden, welches im Hinblick auf die besonderen Gefährdungspotentiale im Nahrungsmittelbereich sachlich gerechtfertigte Antritts-, Ausübungs- und Kontrollregelungen treffe. Eine sachliche Rechtfertigung für die angefochtene Bestimmung sei nicht ersichtlich.

4. Ihre Antragslegitimation begründen die antragstellenden Fachverbände folgendermaßen: Sie seien gemäß §1 Abs2 des Bundesgesetzes über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft gesetzlich zur Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder berufen. Die angefochtene Bestimmung bedinge nun für die - von ihnen zu vertretenden - Mitglieder evidente Rechtsnachteile. Sie führen dazu aus:

"Dies deshalb, weil sie typisch gastgewerbliche Tätigkeiten vom Anwendungsbereich der GewO ausnimmt und damit dem Berechtigungsumfang unserer Mitglieder - unserer Ansicht nach:

sachwidrigerweise - entzieht. Dennoch hat der VfGH in seinem Beschluß vom 30.11.1999, G72/99-8, den Individualantrag eines Gastwirts und eines Hoteliers als unzulässig zurückgewiesen. Dies deshalb, weil sich '(d)ie angefochtene Vorschrift ... unmittelbar an Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie sonstige juristische Personen (richtet)'. Und weiter: 'Sie gestaltet somit (gemeint: allein) die Rechtsposition dieser Rechtsträger'; einzelne Gastwirte und Hoteliers seien lediglich in wirtschaftlichen, nicht jedoch in rechtlichen Positionen betroffen.

Unseres Erachtens verkennt dieser Beschluß, daß im Bereich des Gleichheitssatzes die Einräumung einer Berechtigung für eine Person notwendigerweise gleichbedeutend mit dem Ausschluß dieser Berechtigung für alle anderen Personen ist. Tatsächlich waren (und sind) der ehemals antragstellende Gastwirt und der Hotelier deshalb durch die angefochtene Regelung in ihren Rechten verletzt, weil ihnen eine gesetzliche Bevorzugung verfassungswidrigerweise eben nicht eingeräumt worden ist. Die Nichteinräumung eines Rechts stellt sich aber als Spiegelbild seiner Einräumung dar und muß seine Adressaten notwendigerweise zur Beschwerdeführung bzw Antragstellung ermächtigen. Jede andere Sichtweise würde es nämlich im Ergebnis dem einfachen Gesetzgeber anheim stellen, durch die positiv oder negativ gewählte Formulierung einer Norm gleichheitsrechtliche Verbürgungen auszuhebeln.

Da aber der Verfassungsgerichtshof den eingebrachten Individualantrag unserer Mitglieder zurückgewiesen und ausgesprochen hat, daß lediglich Körperschaften des öffentlichen Rechts anfechtungslegitimiert seien, stellen wir nunmehr als eben solche Körperschaften des öffentlichen Rechts den nachfolgenden Antrag. Als verletzt erachten wir uns in unserem aus dem Gleichheitssatz erfließenden Recht, nicht durch eine verfassungswidrige Norm bevorzugt zu werden; weiters in unserem aus dem Gleichheitssatz erfließenden Recht, nicht durch eine verfassungswidrige Norm zum Nachteil unserer Mitglieder (deren Interessen zu wahren uns gesetzlich auferlegt ist) bevorzugt zu werden. Diese beiden Verletzungen rühren insbesondere aus der - von uns behaupteten - Unsachlichkeit der angefochtenen Regelung her: Wie wir später im einzelnen darlegen werden, berechtigt uns §2 Abs1 Z25 GewO nunmehr dazu, typisch gastgewerbliche Tätigkeiten ohne die Erfüllung typisch gastgewerblicher Voraussetzungen auszuüben. Dies vergrößert überdies unseren Haftungsbereich und macht uns in den - aufgrund dieser Neuregelung wahrscheinlichen - Schadensfällen gegenüber geschädigten Zeltfestteilnehmern schadenersatzpflichtig. Solcherart bedingt die Neuregelung aufgrund ihrer evidenten Unsachlichkeit auch eine Vergrößerung unserer Haftung und berührt uns somit in unseren Rechtspositionen."

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).

Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation im Normenprüfungsverfahren ist also, daß die angefochtene Norm nicht bloß faktische Wirkungen zeitigt, sondern die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt, also in deren Rechtssphäre eingreift und diese im Falle ihrer Rechtswidrigkeit verletzt. Anfechtungsberechtigt ist demnach nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (vgl. VfSlg. 11.369/1987, 13.869/1994, 14.274/1995, 15.390/1998).

2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Beschluß vom 30. November 1999, G72/99, dem ein Individualantrag eines Hoteliers und eines Gastwirtes zur selben Bestimmung zugrunde lag, in ausführlicher Begründung dargelegt, er verkenne nicht, daß die durch die angefochtene Bestimmung den genannten Rechtsträgern eingeräumte Möglichkeit, bestimmte, an sich gastgewerbliche Tätigkeiten unter grundsätzlicher Ausnahme von den Vorschriften der Gewerbeordnung auszuüben, geeignet sei, die wirtschaftliche Position der insoweit in Konkurrenz stehenden Gewerbetreibenden - möglicherweise sogar gravierend - zu beeinträchtigen. Er hat aber in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung (VfSlg. 8060/1977, 11.369/1987, 13.869/1994) dargetan, daß keine Norm bestehe, die dieser besonderen Betroffenheit im Rechtsbereich Anerkennung verschaffen könnte. Weder das Eigentums- oder ein sonstiges Recht der Antragsteller in bezug auf die Ausübung ihres Gewerbes noch eine sonstige Vorschrift räumten ihnen eine Rechtsposition ein, die durch die angefochtene Gesetzesbestimmung berührt würde. Die Rechtsposition der Antragsteller werde nicht durch die angegriffene gewerberechtliche Regelung, sondern durch die ihre (eigene) Tätigkeit regulierenden Vorschriften gestaltet.

3. Vor dem Hintergrund ihres Vorbringens kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, daß die nunmehr antragstellenden Fachverbände durch die angegriffene Norm in ihrer Rechtsposition (negativ) betroffen wären.

Der Verfassungsgerichtshof geht dabei davon aus, daß die antragstellenden Fachverbände die Aufhebung der in Frage stehenden Norm nicht im Namen ihrer Mitglieder - was verfassungsrechtlich gar nicht möglich wäre -, sondern im eigenen Namen beantragen. Was nun ihre eigene Betroffenheit angeht, so ist folgendes zu sagen:

Wenn von ihnen vorgebracht wird, sie erachteten sich im Recht verletzt, nicht durch eine verfassungswidrige Norm (zum Nachteil ihrer Mitglieder) bevorzugt zu werden, so wird damit lediglich gerügt, daß auf die antragstellenden Fachverbände eine (von ihnen für verfassungswidrig erachtete, jedenfalls aber) sie begünstigende Vorschrift anwendbar ist. Es liegt auf der Hand, daß damit keine Beeinträchtigung in einer Rechtsposition, geschweige denn eine aktuelle und unmittelbare (negative) Betroffenheit dargetan ist. Warum es, wie im Antrag behauptet wird, infolge dieser Regelung zu (unvermeidlichen) Schädigungen und demnach zu Schadenersatzforderungen von Zeltfestteilnehmern kommen soll, wird nicht dargelegt und ist auch dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar (zumal die antragstellenden Fachverbände nicht einmal behaupten, daß sie die Verabreichung von Speisen und den Ausschank von Getränken im Rahmen von Zeltfesten beabsichtigen).

Da somit nach dem Antragsvorbringen ein Eingriff in die Rechtsposition der antragstellenden Fachverbände durch die bekämpfte Norm gar nicht stattfindet bzw. die antragstellenden Fachverbände selbst im Fall der Verfassungswidrigkeit der bekämpften Norm nicht in ihren Rechten verletzt sein können, war der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Angesichts des Antragsvorbringens hält es der Verfassungsgerichtshof jedoch für geboten, darauf hinzuweisen, daß er in dem zitierten Beschluß vom 30. November 1999 keineswegs ausgesprochen hat, daß Körperschaften öffentlichen Rechtes schlechthin antragslegitimiert seien, sondern lediglich dargetan hat, daß sich die bekämpfte Norm (unter anderem) an solche Körperschaften richte und deren Rechtssphäre gestalte.

Der Antrag war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

III. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Gewerberecht, Gastgewerbe, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G64.2000

Dokumentnummer

JFT_09999075_00G00064_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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