TE Vfgh Erkenntnis 2000/9/25 B1088/98

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Veröffentlicht am 25.09.2000
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Index

L3 Finanzrecht
L3704 Ankündigungsabgabe

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
FAG 1997 §15a
Mehrwertsteuerrichtlinie des Rates vom 17.05.77. 77/388/EWG Art33 Abs1
Tir AnkündigungssteuerG 1975 §4
Tir LAO §51

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Vorschreibung von Ankündigungsabgaben für Werbung im Kabelrundfunk; keine gesetzwidrige Zusammensetzung der Berufungsbehörde; keine Bedenken gegen die rückwirkende finanzausgleichsrechtliche Ermächtigung zur Abgabenerhebung im Sinne der Vorjudikatur; kein Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht; keine Prüfung des landesgesetzlich festgelegten Höchststeuersatzes im Hinblick auf das Verbot rückwirkender Abgabenerhöhungen

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Stadtgemeinde Innsbruck wurde der beschwerdeführenden Partei für den Zeitraum vom 1. Februar 1997 bis 30. Juni 1997 Ankündigungssteuer idHv ATS 57.078,-- zur Entrichtung vorgeschrieben.

2. Die gegen diesen Bescheid gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm.

3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und sinngemäß beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Die Beschwerde rügt einerseits, daß der angefochtene Bescheid gegen §213 Abs3 der Tiroler LAO verstoße, wonach die von einer Kollegialbehörde gefällte Berufungsentscheidung die Namen der Mitglieder und des beigezogenen Schriftführers zu enthalten habe. Da im Spruch des angefochtenen Bescheides lediglich die Namen des Vorsitzenden und der Schriftführerin angeführt seien, sei davon auszugehen, daß weitere Personen an der Entscheidung nicht beteiligt gewesen seien. Gemäß §51 Abs1 der Tiroler LAO bestehe die Berufungskommission aber aus mehreren Personen (einem Richter, der den Vorsitz führt, zwei Mitgliedern des Gemeinderates und anderen). Da dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden könne, daß diese Personen an der Entscheidung beteiligt gewesen seien, verletze er die beschwerdeführende Partei in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

1.2. Der angefochtene Bescheid erging, so der Einleitungssatz des Spruches des angefochtenen Bescheides, von der bei der Stadtgemeinde Innsbruck eingerichteten Berufungskommission in Abgabensachen unter dem Vorsitz eines namentlich genannten Senatspräsidenten des OLG Innsbruck sowie im Beisein einer namentlich genannten Schriftführerin. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (z.B. VfSlg. 10.022/1984, 11.350/1987, 13.756/1994). Daß solches vorliegt, wird von der Beschwerde zwar vermutet, aber nicht hinlänglich dargetan. Vielmehr ergibt sich aus der dem Verwaltungsakt beigefügten Niederschrift über die Sitzung der Berufungskommission in Abgabensachen der Stadtgemeinde Innsbruck vom 30. April 1998 (in welcher u.a. der Beschluß zu dem nunmehr in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid gefaßt wurde), daß die Kommission in der dem Gesetz entsprechenden Weise zusammengesetzt war.

2.1. Andererseits rügt die Beschwerde die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, weil für die Einhebung einer Ankündigungssteuer - bei der beschwerdeführenden Partei - jede gesetzliche Grundlage fehle. Öffentliche Ankündigungen iSd Tiroler Ankündigungssteuergesetzes 1975, LGBl. 28, im folgenden Tiroler AnkündigungssteuerG, seien alle Ankündigungen in Schrift, Bild, durch Lichtwirkungen oder Ton, die an öffentlichen Straßen und Plätzen vorgenommen oder in öffentlichen Räumen und Anlagen oder von diesen aus wahrgenommen werden oder mittels Luftfahrzeug oder Luftfahrgeräten angebracht, ausgestellt oder vorgenommen werden sowie die Geschäftswerbung durch den Rundfunk und den Fernsehrundfunk. Die von der beschwerdeführenden Partei vorgenommene Geschäftswerbung über den von ihr betriebenen Kabelrundfunk erfülle diesen Tatbestand nicht. Begründend legt die Beschwerde hiezu u.a. dar, daß es sich beim Kabelfernsehen um ein geschlossenes Netz mit einem fixen Teilnehmerkreis handle, sodaß weder von einer öffentlichen Ankündigung noch von einer öffentlichen Wahrnehmbarkeit iSd eben zitierten Gesetzes gesprochen werden könne. Auch führe es zu einem unsachlichen Ergebnis, würden alle von der Kopfstation Innsbruck eingespeisten Werbeeinschaltungen, welche von einem geschlossenen Teilnehmerkreis, "teilweise natürlich auch außerhalb Innsbrucks, wahrgenommen werden können, örtlich in Innsbruck der Steuerpflicht unterlägen". Darüber hinaus könne auch dem Gesetzgeber des aus dem Jahre 1975 stammenden Tiroler AnkündigungssteuerG nicht unterstellt werden, daß er das damals nicht existierende Kabelfernsehen der Abgabepflicht nach dem Tiroler AnkündigungssteuerG unterwerfen wollte.

2.2. Die Beschwerde übersieht in diesem Zusammenhang vor allem, daß Kabelrundfunk sehr wohl unter den Begriff "Rundfunk" fällt (vgl. Funk, Rechtsprobleme der Rundfunkwerbung, in Aicher (Hrsg.),

Das Recht der Werbung, Wien 1984, 59 f.), und daß die durch Kabelrundfunk vorgenommene Geschäftswerbung daher eine öffentliche Ankündigung iSd Tiroler AnkündigungssteuerG ist (§2 Abs1 leg.cit.). Daß aber die Einordnung der Geschäftswerbung durch den Rundfunk als öffentliche Ankündigung verfassungsrechtlich unbedenklich ist, hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erk. VfSlg. 14.269/1995 dargetan.

Der Kabelrundfunk fällt damit aber auch in den sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich des §15a FAG 1997, idF BGBl. I 30/2000 (vgl. auch die Materialien zu dieser Bestimmung, 102 BlgNR 21. GP, S. 2; zur Unbedenklichkeit dieser Bestimmung unter dem Aspekt des Art44 Abs3 B-VG vgl. das hg. Erk. vom 29. Juni 2000, G19/00 u.a. Zlen.). Im Hinblick auf die dadurch rückwirkend gegebene Verfassungsrechtslage bestehen aber gegen die Besteuerung der von der Kopfstation in Innsbruck in das Kabelnetz eingespeisten Werbeeinschaltungen durch die Gemeinde Innsbruck auch dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Sendungen auch für Teilnehmer außerhalb des Gebietes der Stadtgemeinde Innsbruck bestimmt wären.

3.1. In der Beschwerde wird überdies vorgebracht, daß die Vorschreibung einer derartigen Steuer im Widerspruch zu Art33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) stehe.

3.2. Hiezu genügt es, auf das hg. Erk. VfSlg. 14.951/1997 hinzuweisen, welches die Besteuerung der Rundfunkwerbung im Geltungsbereich des NÖ Anzeigenabgabegesetzes betraf. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der dort vertretenen, auch für die Rechtslage im vorliegenden Beschwerdefall zutreffenden Auffassung, daß der von der Beschwerdeführerin kritisierten Rechtsvorschrift der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes nicht entgegensteht. Diese Auffassung hat der Verfassungsgerichtshof ebenso im hg. Erk. VfSlg. 14.975/1997 vertreten, welches die Besteuerung der Rundfunkwerbung im Geltungsbereich des Tiroler AnkündigungssteuerG betraf.

4.1. Die Beschwerde rügt überdies, daß der Landesgesetzgeber nicht befugt sei, einen Höchststeuersatz (gemäß §4 Abs1 des Tiroler AnkündigungssteuerG beträgt dieser 20 vH des Entgeltes) für Ankündigungen im Rundfunk und im Fernsehrundfunk festzusetzen; die außerdem im Gesetz statuierten Ausnahmen von der Besteuerung gewisser Ankündigungen führten ebenfalls zu einer verfassungswidrigen Kompetenzüberschreitung des Landesgesetzgebers, der nicht berechtigt sei, das freie Beschlußrecht der Gemeinden derart einzuschränken.

4.2. Die gegen die Festlegung eines Höchststeuersatzes vorgebrachten - an sich berechtigten (vgl. VfSlg. 15.107/1998 zur Salzburger Ankündigungsabgabe sowie das Erk. des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 2000, G19/00 u.a. Zlen., zur OÖ Anzeigenabgabe) - Bedenken veranlassen den Verfassungsgerichtshof dennoch nicht zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens, weil das Tiroler AnkündigungssteuerG mit 1. Jänner 1999 aufgehoben wurde (LGBl. 108/1998), die durch das FAG 1997 der Gemeinde Innsbruck erteilte Ermächtigung zur Ausschreibung einer Ankündigungsabgabe durch die FAG-Novelle BGBl. I 29/2000 mit Wirkung vom 1. Juni 2000 weggefallen ist (zur Bedeutung dieses Schrittes siehe erneut das Erk. des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 2000, G19/00 u.a. Zlen.) und sich der Verfassungsgerichtshof somit - im Fall der Verfassungswidrigkeit - auf die Feststellung zu beschränken hätte, daß §4 Abs1 des Tiroler AnkündigungssteuerG verfassungswidrig war. Ein solcher Ausspruch ließe aber, da der Gemeinde eine rückwirkende Erhöhung des Abgabensatzes verwehrt wäre, sie an einer Senkung aber schon bisher nicht gehindert war, die Rechtsposition sowohl der Gemeinde als auch der Beschwerdeführerin unverändert.

4.3. Das Beschwerdevorbringen, die im Gesetz statuierten Ausnahmen von der Besteuerung gewisser Ankündigungen führten zu einer verfassungswidrigen Kompetenzüberschreitung des Landesgesetzgebers, hat der Gerichtshof bereits im Erk. VfSlg. 14.975/1997 entkräftet.

5. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß die beschwerdeführende Partei in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

6. Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abzutreten, ob die Beschwerdeführerin in sonstigen Rechten verletzt wurde.

7. Dies konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Ankündigungsabgaben, EU-Recht Richtlinie, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Finanzausgleich, Finanzverfahren, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Kabelrundfunk, VfGH / Feststellung Wirkung, VfGH / Legitimation, Werbung, Rückwirkung, Kollegialbehörde, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B1088.1998

Dokumentnummer

JFT_09999075_98B01088_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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