Norm
StPO §151 Z3Rechtssatz
Von der beantragten Vernehmung eines Kindes, das Opfer eines Sexualdelikts war, als Zeuge in der Hauptverhandlung (hier: zur Tatzeit 7 1/2-jähriges und zur Zeit der Hauptverhandlung 8 1/2-jähriges, geistig minderbegabtes Mädchen) kann - im Interesse der Wahrung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit, aber auch des in Art 6 Abs 3 lit d MRK jedem Angeklagten zustehenden Rechts, Fragen an einen Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen - nur dann ohne einen Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO bewirkenden Verfahrensmangel Abstand genommen werden, wenn das erkennende Gericht auf Grund konkreter, im der Regel von einem jugendpsychiatrischen Sachverständigen zu attestierender Umstände die Überzeugung gewinnt, daß diese Vernehmung auch bei einer entsprechenden Fragestellung eine fortdauernde psychische Schädigung des Kindes befürchten läßt, die durch die eigentümliche psychische Beschaffenheit eben dieses Kindes bedingt ist. Nur unter dieser Voraussetzung hat - im Interesse des unmündigen Tatopfers - das Gebot der Unmittelbarkeit und des tunlichst uneingeschränkten Fragerechts des Angeklagten zurückzutreten.
Entscheidungstexte
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:RS0097947Dokumentnummer
JJR_19891215_OGH0002_0160OS00045_8900000_001