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L24007 Gemeindebedienstete Tirol;Norm
AVG §13a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des N in B, vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6, gegen den Bescheid der Verwaltungsoberkommission der Kranken- und Unfallfürsorge der städtischen Beamten der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. Dezember 1999, Zl. VOK 4/1998, betreffend Versehrtenrente, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als städtischer Fachoberinspektor im Bereich der Berufsfeuerwehr in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Innsbruck.
Am 11. Dezember 1997 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung einer Versehrtenrente aufgrund seiner "bei Dienstunfällen erlittenen Wirbelsäulenverletzungen sowie durch eine Berufskrankheit bedingten" Minderung der Erwerbsfähigkeit. Er setzte hinzu, dass er sich seit seinem letzten am 29. April 1997 der Verwaltungskommission bereits gemeldeten Dienstunfall - Sturz vom Bürosessel - im "Krankenstand" und in laufender ärztlicher und therapeutischer Behandlung befinde.
Der Beschwerdeführer ergänzte seinen Antrag in der Folge am 16. Februar 1998 durch Vorlage des Neurologisch-Neuroorthopädischen Gutachtens vom 12. Jänner 1998 (erstellt von Dr. B) und durch Hinweis darauf, dass er "in kürzlich vergangener Zeit" 3 HWS-Verletzungen erlitten und als Dienstunfälle gemeldet habe sowie dass er am "13. Februar 1997" (gemeint offenbar: 1998) abermals anlässlich eines Verkehrsunfalls eine HWS-Verletzung erlitten habe, bezüglich derer die Dienstunfallverletzungsmeldung "in Bälde" folge.
Mit Bescheid vom 16. Juni 1998 (zugestellt am 29. Juni 1998) stellte die Verwaltungskommission der Kranken- und Unfallfürsorge der städtischen Beamten der Landeshauptstadt Innsbruck (im Folgenden Verwaltungskommission) fest, dass 1. der Beschwerdeführer am 29. April 1997 einen Dienstunfall erlitten habe, 2. die durch den Dienstunfall herbeigeführte Erwerbsminderung am 90. Tag nach dem Unfall und auf Dauer 0 % ausmache und 3. kein Anspruch auf Leistung einer Versehrtenrente gegenüber der Stadtgemeinde Innsbruck bestehe. Als Begründung wurde auf die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen sowie darauf verwiesen, dass sich die folgenlose Abheilung der aus dem Dienstunfall herrührenden Verletzungen aus dem Gutachten des Vertrauensarztes ergebe, dem sich die Verwaltungskommission vollinhaltlich anschließe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung (datiert mit "13. Juni 1998", gemeint offenbar: 13. Juli 1998), in der die Spruchpunkte 2 und 3 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten wurden. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die Begründung zu Spruchpunkt 2 den Erfordernissen eines dem AVG entsprechenden Verwaltungsverfahrens nicht entspreche. Aus den dem Beschwerdeführer vorliegenden (Privat-)Gutachten ergebe sich, dass die herbeigeführte Erwerbsminderung am 90. Tage nach dem Unfall und auf Dauer jedenfalls mit mehr als 20 % festzusetzen sei, weswegen dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Versehrtenrente zustehe.
Der von der belangten Behörde bestellte Sachverständige Dr. U. führte in seinem Gutachten vom 22. September 1999 aus, dass der Beschwerdeführer seit Jahren überaltersgemäße Abnützungsveränderungen an der Halswirbelsäule aufweise, woraus zwar eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % folge, was aber weder aus dem Dienstunfall vom 29. April 1997 noch aus dem Dienstunfall vom 13. Februar 1998 herrühre. Aus beiden Unfällen sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach Ablauf des 90. Tages und auf Dauer mit 0 % zu bemessen.
Der Beschwerdeführer erstattete zu dem Gutachten am 3. November 1999 eine umfangreiche Stellungnahme, in der er dem Sachverständigen zahlreiche Unvollständigkeiten, Unrichtigkeiten und Widersprüche vorwarf.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Im Wesentlichen wurde dies damit begründet, dass Gegenstand des Verfahrens der Dienstunfall vom 29. April 1997 und die daraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit sei sowie dass der Beschwerdeführer aus diesem Dienstunfall keine zusätzliche Minderung der Erwerbsfähigkeit erlitten und somit auch am 90. Tag nach dem Dienstunfall eine solche kausale Beeinträchtigung nicht bestanden habe; die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers um 30 % stamme ausschließlich aus der Zeit vor dem 29. April 1997 und sei daher nicht verfahrensgegenständlich.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 19. Juni 2000, B 217/00, ablehnte und diese an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Beschwerdeführer erstattete am 2. Oktober 2000 einen ergänzenden Schriftsatz, in dem er die Aufhebung des bekämpften Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrte.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf richtige und einzelfallbezogen konkrete Feststellung der "durch einen Dienstunfall" (gemeint vom 29. April 1997) herbeigeführten Erwerbsminderung ebenso wie in seinem Recht auf Leistung einer Versehrtenrente nach dem Tiroler Gemeindebeamten-Kranken- und Unfallfürsorgegesetz 1998 (GKUFG 1998) verletzt.
§ 44 Abs. 1 und 5 GKUFG 1998, LGBl. Nr. 98, lautet:
"(1) Anspruch auf Versehrtenrente besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Anspruchsberechtigten durch die Folgen eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit mehr als drei Monate hindurch um mindestens 20 v.H. vermindert ist. Die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.
...
(5) Der Anspruch auf Versehrtenrente besteht trotz Abfindung, solange durch eine nachträgliche Verschlimmerung der Folgen des Dienstunfalles oder der Berufskrankheit eine weitere Minderung der Erwerbsfähigkeit des Anspruchsberechtigten um mehr als 10 v.H. für länger als drei Monate bewirkt wird. Die Versehrtenrente ist um den Betrag zu kürzen, der der Berechnung der Abfindung zu Grunde gelegt wurde."
§ 45 Abs. 1 GKUFG 1998 lautet:
"Die Versehrtenrente ist nach dem Grad der durch den Dienstunfall oder durch die Berufskrankheit herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit am 90. Tag nach dem Anfall der Versehrtenrente (§ 44 Abs. 3) zu bemessen."
Der Wortlaut der zitierten Bestimmungen des GKUFG 1998, uzw. insbesondere § 44 Abs. 5, wonach eine Verschlimmerung der Folgen des Dienstunfalls keine nachteiligen Auswirkungen für jemand haben soll, der eine Abfindung bekommen hat, weist darauf hin, dass der Gesetzgeber einen strengen Konnex zwischen einem (jedem) Dienstunfall und der genau aus diesem Dienstunfall resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit festlegen wollte. Dies erhellt auch daraus, dass es weder im GKUFG 1998 noch im Tiroler Beamten- und Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorgegesetz, LGBl. Nr. 97/1998, eine dem § 108 B-KUVG vergleichbare Regelung gibt; § 108 B-KUVG regelt ausdrücklich die zusammenschauende Betrachtungsweise bezüglich der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei zwei oder mehreren Dienstunfällen. § 108 B-KUVG enthielt eine solche Bestimmung seit der Stammfassung, BGBl. Nr. 200/1967. In ähnlicher Weise enthielt das GKUFG in seiner Stammfassung, LGBl. Nr. 37/1968, einen § 49, der ausdrückliche Regelungen für die Versehrtenrente aus mehreren Anspruchsfällen traf. Dieser § 49 wurde durch die Novelle LGBl. Nr. 57/1989 aufgehoben. Daraus wird deutlich, dass das GKUFG 1998 nunmehr von einer strikt getrennten Beurteilung jedes einzelnen Dienstunfalls und der genau aus diesem Dienstunfall resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ausgeht. Eventuelle Vorschädigungen fließen nur insoweit in die Betrachtung ein, als sie zur Feststellung des Zustandes vor dem jeweils betrachteten Dienstunfall, dh. des Zustandes, von dem aus die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch den jeweils betrachteten Dienstunfall berechnet wird, heranzuziehen sind.
Gegen diese gesetzliche Regelung bestehen beim Verwaltungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu insbesondere die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 2000, G 112/98 = VfSlg. 15.985, wonach es "aus dieser Sicht auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (begegnet), wenn der Gesetzgeber einen Rentenanspruch aus mehreren Versicherungsfällen nur dann und insoweit zuerkannt hätte, wenn jeder dieser Versicherungsfälle eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H. nach sich zöge").
Der Einwand des Beschwerdeführers, bei einer solchen streng kausalen Sichtweise stellte sich das Problem der Unmöglichkeit der Differenzierung zwischen einer und mehreren Berufskrankheiten, ist nicht stichhältig. Die möglichen Berufskrankheiten im Sinn des § 44 Abs. 1 GKUFG 1998 sind auf Grund des (statischen) Verweises im § 24 Abs. 1 GKUFG 1998 in der Anlage 1 des ASVG idF BGBl. I Nr. 68/1999, aufgezählt, sodass eine Differenzierung zwischen mehreren Berufskrankheiten bei einer Person durchaus möglich ist. Dies gilt sinngemäß für die Berufskrankheiten im Sinn von § 24 Abs. 2 GKUFG 1998.
Die vom Beschwerdeführer angesprochene Abgrenzung des Dienstunfalls von einem Privatunfall ergibt sich schon durch die Definitionen der Dienstunfälle und der ihnen gleich gestellten Unfälle in den §§ 22 und 23 GKUFG 1998.
Weiters ist nicht zu ersehen, dass die vom Beschwerdeführer relevierte Frage der richtigen Auslegung der "Vorschadensjudikatur" des OGH in diesem Fall von Bedeutung wäre. Es waren nämlich nur die Folgen eines einzelnen Unfalles unter Berücksichtigung der damaligen gesundheitlichen Verfassung zu prüfen.
Mag der Zweck der Versehrtenrente - wie der Beschwerdeführer ausführt - auch im Ersatz für die Beeinträchtigung des Versehrten liegen, so hat der Tiroler Gesetzgeber doch den Weg gewählt, einen strengen Zusammenhang zwischen dem einzelnen Dienstunfall und der genau daraus resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit festzulegen, die genau jene Beeinträchtigung abgilt, die durch diesen Dienstunfall entstanden ist.
Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag vom 11. Dezember 1997 auf den Dienstunfall vom 29. April 1997 abgestellt; daher konnte die Behörde zu recht davon ausgehen, dass dieser Dienstunfall und nicht jener vom 17. Juni 1987 Gegenstand des Verfahrens ist.
Daher ist es für den vorliegenden Fall irrelevant, welchen Anteil der letztgenannte Dienstunfall an der gesamten Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % des Beschwerdeführers hat, sodass insbesondere ein Auftrag an den Gutachter, dies zu prüfen, nicht erforderlich war.
Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist festzuhalten, dass die belangte Behörde im Rahmen einer schlüssigen Beweiswürdigung alle ihr vorgelegten Gutachten in entsprechender Gewichtung in ihre Begründung einfließen ließ, obgleich jene des Beschwerdeführers im Wesentlichen zu einer anderen Frage (nämlich zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers bei gesamter Betrachtung seines Gesundheitszustandes und nicht zur Frage der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit als Folge eines bestimmten einzelnen Vorfalles) erstellt worden waren.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die Behörde hätte ihn gemäß § 13a AVG anleiten müssen, einen Antrag auf Versehrtenrente nicht aufgrund des Dienstunfalls vom 29. April 1997, sondern aufgrund des Dienstunfalls vom 17. Juni 1987 zu stellen, bzw. sie hätte den Antrag des Beschwerdeführers in diese Richtung umzudeuten gehabt, ist auszuführen, dass für die belangte Behörde als Berufungsbehörde die "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG, in der sie zu entscheiden hatte, durch den erstinstanzlichen Bescheid festgelegt war, ohne dass sie verpflichtet gewesen wäre, Ermittlungen darüber anzustellen, ob der Beschwerdeführer einen anderen Antrag hätte stellen können, der vielleicht eher zur Zuerkennung einer Versehrtenrente geführt hätte, zumal er im Berufungsverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Wenn auch die erstinstanzliche Behörde gehalten gewesen wäre, eine Klärung in der Richtung herbeizuführen, ob der Beschwerdeführer (auch) einen Antrag bezüglich eines anderen Dienstunfalls stellen wollte, belastet diese Unterlassung den angefochtenen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit, traf doch die belangte Behörde diesbezüglich keine Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG. Auf Grund der erkennbaren Annahme der Erstbehörde, es liege bloß ein Antrag im Zusammenhang mit dem Dienstunfall vom 29. April 1997 vor, wäre es nämlich vielmehr am Beschwerdeführer gelegen gewesen, der Erstbehörde gegenüber klarzustellen, dass er auch einen Antrag auf Versehrtenrente aufgrund des Dienstunfalls vom 17. Juni 1987 stelle, worüber ebenfalls ein Verfahren abzuführen und eine Entscheidung zu treffen sei (siehe auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Mai 1995, Zl. 95/01/0090, und vom 17. Mai 1995, Zl. 95/01/0101), zumal die Behörden durch § 13a AVG nicht gehalten sind, unvertretenen Parteien ganz allgemein Unterweisungen zu erteilen, wie ihr Vorbringen zu gestalten wäre, damit sich der jeweilige Parteienstandpunkt letztlich durchsetzen könne (so das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1994, Zl. 91/07/0038).
Da also nur der Dienstunfall vom 29. April 1997 und die genau daraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers Gegenstand des Verfahrens ist - wobei zur Feststellung seines Gesundheitszustandes vor diesem Dienstunfall alle Vorschädigungen berücksichtigt wurden - und diese Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 0 % festgestellt wurde, war der Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Jänner 2004
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000120221.X00Im RIS seit
08.03.2004