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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art139;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Dipl. Ing. HR in B, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 16. Mai 2001, Zl. uvs-2001/15/007- 1, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 19. Dezember 2000 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 30. Mai 2000 um 13.37 Uhr in Silz, Inntalautobahn A 12, km 116,247, in Richtung Westen den nach dem Kennzeichen bestimmten PKW gelenkt und die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 50,95 km/h überschritten. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.500,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 1/2 Tagen verhängt wurde.
Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dem Beschwerdeführer eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 51 km/h vorgeworfen werde.
Dabei ging die belangte Behörde offenkundig davon aus, dass der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsbeschränkung die auf § 43 Abs. 1a StVO gestützte Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 27. April 2000, Zl. 138012/11-B/8/00, zu Grunde liege.
Die Entscheidung wurde nach Anführung des Wortlautes des § 43 Abs. 1a StVO 1960 (einschließlich des letzten Satzes dieser Bestimmung, nach dem der Zeitpunkt und der Ort (Bereich) der Anbringung (Sichtbarmachung) von den Organen des Bauführers in einem Aktenvermerk festzuhalten sei) im Wesentlichen damit begründet, diese Bestimmung sei eine Spezialnorm für Verkehrsmaßnahmen aus Anlass von Arbeiten auf oder neben der Straße. Es sei dadurch die Möglichkeit geschaffen worden, dass bei Arbeiten auf oder neben einer Straße die Behörde die erforderlichen Verkehrsmaßnahmen verordne, die dem Inhalt nach, nicht aber hinsichtlich des genauen örtlichen und zeitlichen Umfangs vorhersehbar seien. Gemäß § 94 f StVO 1960 bestünden vor Erlassung einer Verordnung von der Landesregierung bzw. der Bezirksverwaltungsbehörde und der Gemeinde bestimmte Anhörungsrechte. Für eine derartige Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie seien derartige Anhörungsrechte nicht vorgesehen.
Im Akt befände sich eine entsprechende Verfolgungshandlung in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. Juni 2000 betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 51 km/h, wobei das Ausmaß der Überschreitung kein Tatbestandsmerkmal der gegenständlichen Übertretung darstelle.
Feststehe, dass der Beschwerdeführer die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h um 51 km/h unter Berücksichtigung einer entsprechenden Messtoleranz überschritten habe, wobei mittels Geschwindigkeitsmessgerät bei km 116,470 in Silz auf eine Entfernung von 223 m eine Geschwindigkeit von 135 km/h habe abgelesen werden können. Nach § 52a Z. 10 a StVO 1960 zeige das Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl in Zeichen angegeben sei, ab dem Standort des Zeichens verboten sei. Dadurch, dass der Beschwerdeführer im 80 km/h-Bereich als Lenker des nach dem Kennzeichen bestimmten PKW's eine höhere Geschwindigkeit als 80 km/h eingehalten habe, habe er die ihm vorgeworfene Übertretung begangen.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde, deren Behandlung von diesem mit Beschluss vom 3. Oktober 2001, B 1097/01, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde. In der vorliegenden, nach Aufforderung ergänzten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 43 Abs. 1a StVO 1960, BGBl. Nr. 159 i.d.F.
BGBl. Nr. 213/1987 und 86/1989, sieht Folgendes vor:
"(1a) Sofern es sich nicht um Arbeitsfahrten im Sinne des § 27 Abs. 1 handelt, hat die Behörde zur Durchführung von Arbeiten auf oder neben einer Straße, die zwar vorhersehbar sind und entsprechend geplant werden können, bei denen aber die für die Arbeitsdurchführung erforderlichen Verkehrsregelungen örtlich und/oder zeitlich nicht genau vorherbestimmbar sind, durch Verordnung die aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs oder zur Sicherheit der mit den Arbeiten beschäftigten Personen erforderlichen Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsverbote und/oder Verkehrsgebote zu erlassen. In diesen Fällen sind die Organe des Bauführers ermächtigt, nach Maßgabe der Arbeitsdurchführung den örtlichen und zeitlichen Umfang der von der Behörde verordneten Verkehrsmaßnahmen durch die Anbringung oder Sichtbarmachung der betreffenden Straßenverkehrszeichen mit der Wirkung zu bestimmen, als ob der örtliche und zeitliche Umfang von der Behörde bestimmt worden wäre. Der Zeitpunkt und der Ort (Bereich) der Anbringung (Sichtbarmachung) ist von den Organen des Bauführers in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG 1950) festzuhalten."
Gemäß § 44 Abs. 1 StVO 1960 i.d.F. BGBl. Nr. 518/1994 sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG 1950) festzuhalten. Parteien im Sinne des § 8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten.
Gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 i.d.F. BGBl. Nr. 518/1994 (betreffend das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)") zeigt dieses Zeichen an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Modifizierung der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung von 51 km/h (statt 50,95 km/h - wie von der Erstbehörde angenommen) einen Verstoß gegen das Verschlimmerungsgebot (reformatio in peius) darstelle. Dies stelle auch eine Verletzung gegenüber der Verpflichtung dar, "entsprechend der Behördenpraxis auf 50 km/h abzurunden". Es gehe dabei um die Rechtsfolge des § 7 Abs. 3 Z. 4 Führerscheingesetz. Die Bestimmung knüpfe an eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 50 km/h zwingend einen Entzug der Lenkberechtigung an, normiere also eine über die reine Strafverhängung hinausgehende weitere - wirtschaftlich für den Geschäftsführer eines Unternehmens wesentlich gravierendere - Rechtsfolge. Es bedeute "Willkür" in diesem Zusammenhang zu vertreten, dass "das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung kein Tatbestandsmerkmal der gegenständlichen Übertretung darstelle". Die belangte Behörde hätte vielmehr "entsprechend der Behördenpraxis" die vorliegende Geschwindigkeitsüberschreitung auf 50 km/h abzurunden gehabt.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 51 Abs. 6 VStG darf auf Grund einer vom Beschuldigten oder auf Grund einer zu seinen Gunsten erhobenen Berufung in einer Berufungsentscheidung oder Berufungsvorentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung keine höhere Strafe ausgesprochen. Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung ist überdies gemäß der hg. Judikatur kein wesentliches Tatbestandselement einer Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1999, Zl. 99/03/0310).
Da das im Spruch des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Ausmaß der im vorliegenden Fall begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung (51 km/h statt 50,95 km/h) kein wesentliches Tatbestandselement der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung ist und dieser Ausspruch für andere Verwaltungsverfahren (insbesondere ein allfälliges Entziehungsverfahren gemäß § 7 Abs. 3 Führerscheingesetz) nicht bindend ist (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 24. April 2001, Zl. 99/11/0198, und vom 12. April 1990, Zl. 98/11/0272), war auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage der Nichtberücksichtigung der Messtoleranz im Ausmaß von 0,05 km/h nicht weiter einzugehen.
Weiters meint der Beschwerdeführer, dass in dem angefochtenen Bescheid plötzlich festgestellt werde, dass der Zeitpunkt und der Ort der Geschwindigkeitsbeschränkung von den Organen des Bauführers ordnungsgemäß in einem Aktenvermerk festgehalten worden sei. Ein solcher Aktenvermerk sei dem Beschwerdeführer in keiner Phase des Verfahrens zur Kenntnis gebracht worden und sei er dadurch auch der Möglichkeit der Stellungnahme beraubt worden. Würde ein solcher Aktenvermerk nicht existieren, hätte der Beschwerdeführer nicht bestraft werden dürfen, weil dann gar keine verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung vorgelegen wäre.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der angefochtene Bescheid lediglich den Wortlaut des § 43 Abs. 1a StVO 1960 wiedergegeben hat, dessen letzter Satz dahin lautet, dass der Zeitpunkt und der Ort (Bereich) der Anbringung und Sichtbarmachung (des Straßenverkehrszeichens) von den Organen des Bauführers in einem Aktenvermerk festzuhalten ist.
Wenn der Beschwerdeführer in Frage stellt, ob für die verfahrengegenständliche Verordnung ein solcher Aktenvermerk vorliege, genügt es darauf zu verweisen, dass gemäß der hg. Judikatur (vgl. die Erkenntnisse vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0244, und vom 20. April 2001, Zl. 97/02/0246) ein Verstoß gegen die der Behörde gemäß § 44 Abs. 1 StVO obliegende Verpflichtung, den Zeitpunkt der erfolgten Anbringung des Straßenverkehrszeichens in einem Aktenvermerk festzuhalten, weder die Normqualität der kundzumachenden Verordnung noch auch ihre Rechtmäßigkeit berührt. Dies muss in gleicher Weise für einen allfälligen Verstoß betreffend den gemäß § 43 Abs. 1a StVO geforderten Aktenvermerk gelten.
Im Lichte der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss zitierten Judikatur (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 2000, VfSlg. Nr. 15.765, und vom 20. Juni 2001, VfSlg. Nr. 16.218) hat der Verwaltungsgerichtshof gegen die vorliegende, maßgebliche Geschwindigkeitsbeschränkung in Bezug auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen keine Bedenken.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Jänner 2004
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001030403.X00Im RIS seit
25.02.2004