Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ÄrzteG 1998 §199 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. W in M, vertreten durch Dr. Günter Harasser, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 21. Februar 2002, Zl. UVS-5/11.187/7-2002, betreffend Übertretung des Ärztegesetzes 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 10. September 2001 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 18. September 1999 gegen 17.50 Uhr einem "Myocard-Patienten" auf dem Pass Thurn trotz drohender Lebensgefahr die Erste Hilfe verweigert, indem er der in M den Notdienst versehenden Mag. R. auf deren Anruf im Auftrag der Zentrale des Roten Kreuzes und deren Aufforderung, einen Patienten am Pass Thurn mit Verdacht auf Herzinfarkt als Notarzt zusammen mit dem Notarztwagen zu versorgen, entgegnet habe, dass er in der Ordination bleiben müsse, sodass letztlich Dr. H. die Visite habe übernehmen müssen. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 199 Abs. 3 und § 48 Ärztegesetz begangen und werde unter Anwendung des § 199 Abs. 3 Ärztegesetz mit einer Geldstrafe von S 30.000,-- im Nichteinbringungsfall mit 336 Stunden Ersatzarrest (gemäß § 16 Abs. 2 VStG) bestraft.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 26. September 2001 Berufung.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung insofern Folge, als die verhängte Geldstrafe von S 30.000,-- auf EUR 800,-- (entspricht S 11.008,24) sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf fünf Tage herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 18. September 1999 für den Sprengel M. als eingeteilter praktischer Arzt den so genannten Ärztebereitschaftsdienst zu versehen gehabt habe. In der Ärztevermittlungszentrale des Roten Kreuzes habe am Nachmittag Frau Mag. R. Telefondienst gehabt. Frau Mag. R. habe gegen
17.50 Uhr den Beschwerdeführer in seiner Ordination zu einem Notfall ins Hotel Holzer am Pass Thurn gerufen. Der Beschwerdeführer habe sich unter Hinweis auf seine in der Ordination befindlichen Patienten geweigert, zu diesem Patienten auf den Pass Thurn zu fahren. In weiterer Folge sei von der Ärztevermittlungszentrale der Dienst habende Arzt des Nachbarsprengels Dr. H. verständigt worden. Dieser habe sich dann sofort zu dem Patienten auf den Pass Thurn begeben. Der Patient sei aber in weiterer Folge an einem Herzinfarkt verstorben. Der Beschwerdeführer rechtfertige sich damit, dass er von der drohenden Lebensgefahr des Notfallpatienten am Pass Thurn nichts gewusst habe und deshalb die subjektive Tatseite der vorgeworfenen Übertretung nicht erfüllt sei. Dem widerspreche die Aussage der Zeugin Mag. R., die angegeben habe, während des Telefongespräches auf einen Verdacht auf Herzinfarkt hingewiesen zu haben. Dieser Hinweis "Verdacht auf Herzinfarkt" sei auch deutlich auf dem Tonband des aufgezeichneten Telefongespräches wahrzunehmen. Insofern könne sich der Beschwerdeführer, der nach seinen eigenen Angaben selbst keine Veranlassung habe, den Inhalt der Tonbandaufzeichnungen zu bezweifeln, nicht auf eine Unkenntnis einer drohenden Lebensgefahr berufen. Ein Verdacht auf Herzinfarkt impliziere schon nach den allgemeinen Erfahrungstatsachen eine drohende Lebensgefahr. Gemäß § 48 Ärztegesetz dürfe ein Arzt die Erste Hilfe im Fall drohender Lebensgefahr nicht verweigern. Der Beschwerdeführer sei somit als Dienst habender Bereitschaftsarzt auf die diesbezügliche Aufforderung der Ärztevermittlungszentrale jedenfalls verpflichtet gewesen, sich sofort zu dem Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt zu begeben. Der Hinweis auf seine zu diesem Zeitpunkt volle Ordination vermöge ihn auch nicht zu entschuldigen, zumal er nicht näher dargelegt habe, dass er dort einen Fall drohender Lebensgefahr zu behandeln gehabt habe. Der Umstand, dass er zu diesem Zeitpunkt keine Ordinationshilfe gehabt habe und er deshalb die im Wartezimmer wartenden Patienten nicht alleine im Wartezimmer habe belassen können, vermöge ebenfalls keinen Entschuldigungsgrund darzustellen. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass die Verweigerung der Ersten Hilfe im Falle drohender Lebensgefahr an sich schon einen nicht mehr unbedeuteten Unrechtsgehalt aufweise, wobei allerdings die von der Strafbehörde erster Instanz als erschwerend angenommene Folge der Tat (das Ableben des Patienten) hinsichtlich ihrer Kausalität zum Verhalten des Beschwerdeführers von der Behörde nicht geprüft worden sei. Auch wenn nach dem Ermittlungsverfahren davon auszugehen sei, dass der in weiterer Folge unmittelbar danach verständigte Notarzt auf Grund weiterer Entfernung etwas länger unterwegs gewesen sei, lasse sich eine Kausalität des Todes des Patienten mit dem Verhalten des Beschuldigten nach der Aktenlage nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen. An subjektiven Strafbemessungskriterien seien keine Erschwerungsgründe hervorgekommen. Laut Verwaltungsvorstrafenregister der Bezirkshauptmannschaft Zell am See weise der Beschwerdeführer keine rechtskräftigen Vorstrafen auf. Als Verschulden sei ihm zumindest Fahrlässigkeit anzulasten. Zu seiner Einkommenssituation habe der Beschwerdeführer angegeben eine Ausgleichsquote erfüllen zu müssen, weshalb der Strafbemessung unterdurchschnittliche persönliche Verhältnisse zu Grunde gelegt worden seien. Die verhängte Strafe erscheine erforderlich, um den Beschwerdeführer in Hinkunft von gleich gelagerten Übertretungen wirkungsvoll abzuhalten, überdies spreche auch der Gedanke der Generalprävention gegen eine weitere Strafreduktion.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998 lauten:
"Dringend notwendige ärztliche Hilfe
§ 48. Der Arzt darf die Erste Hilfe im Falle drohender Lebensgefahr nicht verweigern.
§ 199. (3) Wer den im ... § 48 ... enthaltenen Anordnungen oder Verboten zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar."
Der Beschwerdeführer vertritt zunächst die Auffassung, dass die belangte Behörde nicht zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig gewesen sei, da sich das Hotel Holzer im Gemeindegebiet Jochberg, politischer Bezirk Kitzbühel, befinde. "Ort der Begehung" sei sohin Jochberg. Daher wäre für die Durchführung des Verfahrens in erster Instanz die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel und in zweiter Instanz der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol zuständig gewesen.
Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass er die Verweigerung der ärztlichen Hilfeleistung in seiner Ordination, die sich unbestritten in M (Bundesland Salzburg) befindet, ausgesprochen hat. Dadurch, dass sich der Beschwerdeführer als eingeteilter Notarzt - nachdem er von der Ärztevermittlungszentrale von einem Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt informiert worden war - geweigert hat, den Patienten aufzusuchen und zu versorgen, hat er die "Tathandlung" begangen. Mit der "Verweigerung" - das ist mit der Erklärung, in seiner Ordination zu bleiben - hat der Beschwerdeführer der Anordnung des § 48 des Ärztegesetzes 1998 zuwidergehandelt, damit war der Tatbestand erfüllt. Es kommt daher auf den Ort der Weigerung an, und nicht auf den Ort, an dem die verweigerte Leistung hätte vorgenommen werden sollen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1991, Zl. 90/03/0059, zu einem diesbezüglich vergleichbaren Fall einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960). Der Beschwerdevorwurf der Unzuständigkeit der Erstbehörde geht daher ins Leere. Die Zuständigkeit der belangten Behörde folgt aus § 51 Abs. 1 VStG. Auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, es fehle die Tatortangabe im Sinn des § 44a Z 1 VStG ist nicht berechtigt, weil im Spruch unzweifelhaft zum Ausdruck kommt, dass die Verweigerung in der Ordination des Beschwerdeführers geäußert wurde, was als Tatortbezeichnung ausreicht.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dass gemäß § 48 Ärztegesetz 1998 ein "Arzt" die ärztliche Hilfe verweigern müsse. Dieses Sachverhaltselement sei dem angefochtenen Spruch jedoch nicht zu entnehmen. Dieses Vorbringen ist aktenwidrig, weil ihm im Spruch des Straferkenntnisses angelastet wurde, er habe sich geweigert den Patienten als "Notarzt" zu versorgen. Gleiches gilt, was den Einwand des Beschwerdeführers, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, anlangt, weil ihm bereits innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG der Umstand, er habe als Arzt bzw. als "Notarzt" gehandelt, vorgeworfen wurde.
Der Beschwerdeführer führt ferner aus, dass er nicht schuldhaft gehandelt habe, da er die in seiner Ordination befindlichen Patienten zu behandeln gehabt habe und er zum anderen angeordnet habe, dass die Rettung sofort zum Notfall hinfahren solle. Er habe angenommen, dass es seine Pflicht sei, seine in der Ordination befindlichen Patienten zu betreuen.
Die Vorschrift des § 48 Ärztegesetz 1998 soll gewährleisten, dass niemand bei drohender Lebensgefahr ohne ärztliche Hilfe bleibt und dass diese so rasch wie möglich geleistet wird. Die Annahme, die Intervention eines um Erste Hilfe ersuchten Arztes bei drohender Lebensgefahr sei dann nicht erforderlich, wenn im konkreten Fall mit dem Eingreifen der Rettung gerechnet werden könne, ist daher verfehlt. Der Beschwerdeführer wäre daher auf Grund der ihm gemachten Mitteilung verpflichtet gewesen, sich persönlich davon zu überzeugen, ob und welche Hilfe der Patient benötigt. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer in seiner Ordination Patienten zu versorgen hatte, bzw. seine Annahme, er habe sich zuerst um seine in der Ordination wartenden Patienten kümmern müssen, rechtfertigt nicht die Verweigerung der Ersten Hilfe, zumal er nicht behauptet hat, dass in seiner Ordination dringende Notfälle zu versorgen gewesen seien.
Insoweit er sich auf Putativnotstand, also die irrtümliche Annahme eines Notstandes beruft, führt der Beschwerdeführer selbst zutreffend aus, dass ein Putativnotstand den Täter nur entschuldigen kann, wenn der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen des Notstandes nicht auf Fahrlässigkeit beruht, ihm also nicht vorwerfbar ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 1999, Zl. 96/03/0230, mit weiterem Hinweis). Der diesbezügliche Hinweis des Beschwerdeführers auf seine Pflicht zur Betreuung der Patienten in der Ordination ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer nicht vorgebracht hat, er habe sich in seiner Ordination vergewissert, ob unter den anwesenden Patienten dringende Notfälle sind. Ebenso beseitigt der Umstand, dass der Beschwerdeführer - der unbestritten zum Ärztebereitschaftsdienst eingeteilt war - sich darauf verlassen hat, dass von der Rettung Hilfe geleistet werde, nicht die Vorwerfbarkeit seines Verhaltens.
Auch an den Erwägungen der Berufungsbehörde hinsichtlich der Höhe der Strafbemessung vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit zu erkennen. Sowohl die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als auch die unterdurchschnittlichen Verhältnisse seiner "Einkommenssituation" wurden von der belangten Behörde - die das von der Erstbehörde ausgesprochene Strafausmaß reduzierte - berücksichtigt. Die Strafe kann nicht als überhöht angesehen werden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. Jänner 2004
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatortEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002110075.X00Im RIS seit
19.02.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008