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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der Mag. A in S, vertreten durch Dr. Felix Daum, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25/6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Jänner 2002, Zl. RV/446 - 17/02/2001, betreffend Einkommensteuer 2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Mittelschullehrerin für Latein und Philosophie an einem Privatgymnasium mit Öffentlichkeitsrecht. In ihrer Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2000 machte sie ua Ausgaben für eine in den Semesterferien veranstaltete Reise nach Rom und Neapel in Höhe von S 4.270,-- und für eine in den Osterferien veranstaltete Sizilienreise in Höhe von S 5.625,-- als Werbungskosten geltend.
Die Beschwerdeführerin legte dem Finanzamt folgende Reiseprogramme vor:
"Reise nach Rom und Neapel in den Semesterferien:
Veni, vidi, vici ! Latein-Studienreise auf den Spuren der alten Römer
Programm:
Freitag: 4. Februar 2000: Treffpunkt: Bahnhof S. P.; Bahnhofshalle um 17:30; Abfahrt um 17:50; Fahrt per Liegewagen von Wien nach Rom (Abfahrt in Wien: 19:30).
Samstag, 5. Februar 2000: Ankunft in Roma Termini um 9:30. Von hier holt uns ein Bus zu einer dreistündigen Stadtrundfahrt, anschließend Beziehen des Klosters der Padri Teatini, Piazza Vidoni 6 (beim Pantheon).
Am Nachmittag: Lektüre diverser Lateinischer Rombeschreibungen quer durch die Jahrhunderte auf der Piazza Navona (Bei Schlechtwetter in Sant Agnese): Hildebert von Lavardin, Enea Silvio Piccolomini, Conrad Celtes, Iustus Scaliger, Arrius Nurus; Pantheon: Gruppenarbeit: Übersetzen der Inschriften
Sonntag, 6. Februar 2000: Besuch eines lateinischen Gottesdienstes in San Clemente. Am Nachmittag: Rätselrallye am Forum Romanum (Übersetzen der Inschriften auf den Tempeln und Triumphbögen), Palatin: Referate zu diversen römischen Kaisern. Am Abend: Video über Tempelbau.
Montag, 7. Februar 2000: Vatikanische Museen: Römische Kunstwerke und ihre Darstellung in der lateinischen Literatur (Caesar, Cicero, Vergil,.....), Petersdom. Um 15:10: Abfahrt per Bahn nach Neapel. Ankunft um ca. 18:00. Unterbringung in einem Hotel in Bahnhofsnähe: Abendessen.
Dienstag, 8. Februar 2000: Fahrt per Bus nach Montecassino: Führung durch das älteste Benediktinerkloster, Referate zur Regula Benedicti, lateinische Gebetsstunde mit Abt Bernardo d' Onorio; Fahrt nach Pompeji: Führung + Schülerreferate.
Mittwoch, 9. Februar 2000: Besuch einer Partnerschule "Liceo classico di Napoli"; Via die Plinio 103: Beiwohnen des Unterrichts mit Schwergewicht auf den Lateinstunden. Am Nachmittag: Besichtigung von Herculaneum, Lektüre der Inschriften.
Donnerstag, 10. Februar 2000: Unterricht in der Partnerschule; am Nachmittag: Plinius-Übersetzungswettbewerb (italienische und unsere Schüler); Fahrt nach Amalfi und Sorrent.
Am Abend: Gemeinsames Abendessen.
Freitag, 11. Februar 2000: Rückfahrt nach Rom,
Besichtigung des Kolosseums, anschließend 2 Möglichkeiten:
a) Katakomben und Via Appia; b) Bocca della Verita, Aventin. Um ca. 19:00 Rückfahrt nach S. P. per Liegewagen.
Samstag, 12. Februar 2000: 8:46 Ankunft am Südbahnhof,
...
Dieses Reiseprogramm können wir inklusive Bahn- und
Busfahrten und Quartier mit Halbpension zum Preis von S. 4.270,-
anbieten......"
"Reise nach Sizilien:
SICILIA INSULA (Giro di Sicilia)
Einladung zu einer Bildungsreise nach Sizilien im Rahmen des
Lateinunterrichtes vom 17.-26. April 2000
Programm:
Montag, 17. April 2000: Flugreise über Mailand nach
Palermo (Abflug 7:10), Hotel Zagarella, Besichtigung der Umgebung;
Lehrervortrag: Römische und griechische Mythen in Sizilien.
Dienstag 18. April 2000: Palermo: Archäologisches
Nationalmuseum: Rätselrallye, Dom von Monreale; besichtigen eines lateinischen Codex aus dem 12. Jahrhundert.
Mittwoch, 19. April 2000: Segesta: Tempel der Diana, Referat über römische und griechische Götter; Venusheiligtum von Enrice, Übersetzen einiger Ausschnitte aus Cicero 'In Verrem' Fahrt nach Selinunt: Hotel Oasi.
Donnerstag, 20. April 2000: Besichtigung der Ausgrabungen von Selinunt, Referate über Verres und Cicero; Abend:
Video 'Römische Rhetorik'.
Freitag, 21. April 2000: Besichtigung des antiken, mittelalterlichen und modernen Agrigent: Übersetzen der Inschriften. Piazza Amerina: Lehrervortrag über die römische Kaiserzeit; Fahrt nach Acireale: Hotel delle Terme.
Samstag, 22. April 2000: Fahrt zum Ätna, Wanderung, Lektüre des Pliniusbriefes über den Vesuvausbruch; Abend:
lateinische Ostermesse.
Sonntag, 23. April 2000: Syrakus Altstadt, Insel
Ortygia, Fonte Aretusa: Referate zu Ovids Metamorphosen.
Montag, 24: April 2000: Catania; Riviera die Ciclopi:
Referate zur Odyssee; Abend: Test über die besichtigten Sehenswürdigkeiten und die gelesenen Texte.
Dienstag, 25. April 2000: Cefalu: Dom, Wanderung;
Fahrt nach Palermo: Hotel Zagarella.
Mittwoch, 26. April 2000: Rückflug von Palermo,
Ankunft 16:05.
Diese Reise (Flug, Bus, Quartier mit Halbpension, Eintritte)
können wir Ihrer Tochter/ Ihrem Sohn um S. 5.625,- anbieten......."
Im Einkommensteuerbescheid 2000 versagte das Finanzamt den
geltend gemachten Ausgaben für die Reisen die Anerkennung als Werbungskosten und führte begründend aus, Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit des Aufwandes für die Teilnahme an Bildungsreisen sei, dass das Programm und seine Durchführung derart einseitig und nahezu ausschließlich auf interessierte Teilnehmer der Berufsgruppe des Steuerpflichtigen abgestellt seien, dass sie jeglicher Anziehungskraft auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer entbehrten. Die Aufwendungen für die genannten Reisen hätten daher keine Berücksichtigung finden können.
In der Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es handle sich um ausschließlich beruflich veranlasste Studienreisen. Dies zeige sich dadurch, dass Planung und Durchführung der Reisen im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation erfolgt seien, die Reisen auf Grund der durchgeführten Programme die Möglichkeit geboten hätten, Kenntnisse zu erwerben, die als Lateinlehrerin für den Beruf verwertet hätten werden können, und das Reiseprogramm und die Durchführung eindeutig auf die Teilnehmer abgestellt gewesen seien. Für andere als die Teilnehmer seien sie nicht von Interesse gewesen (zB Besuch eines lateinischen Gottesdienstes, lateinischer Gebetsstunden, Abhalten von verschiedenen einschlägigen Referaten, Lektüre lateinischer Rombeschreibungen, Besuch einer Partnerschule, Übersetzungswettbewerb etc). Es habe keine allgemein interessierenden Programmpunkte gegeben, sodass der gesamte Tagesablauf ausschließlich der Vertiefung der Kenntnisse der lateinischen Sprache bzw der römischen Geschichte gedient habe.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in den vorliegenden Reiseprogrammen auch allgemeine touristische Aktivitäten wie Stadtrundfahrten, Besuch eines Gottesdienstes, der Vatikanischen Museen, eines Benediktinerklosters, des Herculaneum, des Kolosseum, der Katakomben sowie in Sizilien eine Rundfahrt, Besuch des Nationalmuseums, des Doms, des Tempels der Diana, Ausgrabungen, Fahrt zum Ätna und diverse Wanderungen enthalten seien. Es sei daher von einem Mischprogramm auszugehen. Die gesamten Aufwendungen für diese Reise hätten daher nicht als Werbungskosten anerkannt werden können.
Die Beschwerdeführerin legte ihrem Vorlageantrag ein Schreiben der Mittelschule, an welcher sie unterrichtete, bei, in welchem bestätigt wurde, dass die von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit einem Kollegen durchgeführten Studienreisen nach Rom bzw. Neapel und Sizilien als schulbezogene Veranstaltungen abgehalten worden seien, die vom Lateinunterricht ausgehend geplant worden und daher nicht von allgemeinem touristischem Interesse gewesen seien. Da von Seiten der Schule keine Möglichkeit zur finanziellen Abgeltung bestünde, werde um die steuerliche Berücksichtigung ersucht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, es handle sich im Beschwerdefall um Reisen, die ein Reiseprogramm beinhalteten, das keinesfalls einseitig nahezu ausschließlich auf Lateinlehrer bzw interessierte Schüler ausgerichtet sei, welche den Lateinunterricht in einem humanistischen oder Realgymnasium in Anspruch nehmen würden. Die genannten Reisen hätten allgemein Anziehungskraft jedenfalls für alle nach höherer Allgemeinbildung strebende Personen gehabt. Weder aus der Teilnahmebestätigung der Mittelschule noch aus dem Reiseprogramm könne eine weitaus überwiegende berufliche Veranlassung zur Absolvierung der Bildungsreisen erkannt werden. Es handle sich daher bei den gegenständlichen Reisen um in den Semester- bzw Osterferien veranstaltete Bildungsreisen mit einem typischen Mischprogramm, deren Kosten der privaten Lebensführung zuzuordnen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Reisekosten stellen nur bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen Werbungskosten dar (§ 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988).
Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren eine Bestätigung der Mittelschule vorgelegt, aus welcher hervorgeht, dass die von ihr durchgeführten Reisen als schulbezogene Veranstaltungen abgehalten wurden, die - ausgehend vom Lateinunterricht - nicht von allgemeinem touristischen Interesse waren.
Gemäß § 13a Schulunterrichtsgesetz (SchuG), BGBl. Nr. 472/1986 idF BGBl. Nr. 767/1996, können Veranstaltungen, die nicht Schulveranstaltungen iSd § 13 leg. cit. sind, zu schulbezogenen Veranstaltungen erklärt werden, wenn sie auf einem lehrplanmäßigen Unterricht aufbauen, der Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule gemäß § 2 leg. cit. dienen und eine Gefährdung der Schüler weder in sittlicher noch in körperlicher Hinsicht zu befürchten ist. Die Erklärung einer Veranstaltung zu einer schulbezogenen Veranstaltung obliegt der Schulbehörde. Sofern die Veranstaltung nur einzelne Schulen betrifft und wegen der Veranstaltung für die betreffende Klasse (Klassen) eine Teilnahme am Unterricht an nicht mehr als insgesamt drei Tagen im Unterrichtsjahr entfällt, kann die Erklärung jeweils auch durch das Klassen- bzw. Schulforum (§ 63a leg. cit.) bzw. den Schulgemeinschaftsausschuss (§ 64 leg. cit.) erfolgen, sofern die hiefür erforderlichen Lehrer sich zur Durchführung bereit erklären, die Finanzierung sichergestellt ist und allenfalls erforderliche Zustimmungen anderer Stellen eingeholt worden sind; das Vorliegen der Voraussetzungen ist vom Schulleiter festzustellen. Schulbezogene Veranstaltungen können zB Wettbewerbe in Aufgabenbereichen einzelner Unterrichtsgegenstände oder Fahrten zu Veranstaltungen, die nicht Schulveranstaltungen gemäß § 13 leg. cit. sind, sein. Schüler, die zur Teilnahme an der schulbezogenen Veranstaltung angemeldet sind und deren Teilnahme nicht untersagt worden ist, sind zur Teilnahme verpflichtet, sofern kein Grund für das Fernbleiben im Sinne der Vorschriften über das Fernbleiben von der Schule (§ 45 leg. cit.) gegeben ist.
Nach § 51 Abs. 3 SchuG hat der Lehrer nach der jeweiligen Diensteinteilung die Schüler bei allen schulbezogenen Veranstaltungen zu beaufsichtigen, soweit dies nach dem Alter und der geistigen Reife der Schüler erforderlich sind. Hiebei hat er insbesondere auf die körperliche Sicherheit und auf die Gesundheit der Schüler zu achten und Gefahren nach Kräften abzuwehren.
In der Beschwerde wird vorgebracht, die beiden im Rahmen des Lateinunterrichts eingeplanten Reisen seien - wie auch in den Jahren davor - von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit einem Kollegen organisiert und betreut worden. Sie hätten während der gesamten Reise für die jeweils 35 teilnehmenden Schüler die alleinige Verantwortung gehabt. Der Reiseverlauf sei zur Gänze darauf ausgerichtet gewesen, die besuchten Stätten (historische Bauten, Ausgrabungen, Museen etc.) gezielt hinsichtlich der unterrichtsrelevanten Aspekte zu erkunden, zu erklären und mit den Schülern zu besprechen. So seien vor Ort beispielsweise lateinische Schriften übersetzt, von den Schülern vorzubereitende Referate gehalten und abends im Quartier auch Tests bezüglich der gesammelten Erfahrungen und des erworbenen Wissens abgehalten worden.
Sollte die Beschwerdeführerin in der in der Beschwerde vorgebrachten Weise an der Durchführung der Reisen mitgewirkt haben, so könnte nicht davon gesprochen werden, dass die Reisen eine Anziehungskraft für andere als in der spezifischen Richtung beruflich tätige Personen gehabt hätten. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf diese Anziehungskraft den Werbungskostenabzug versagt. Sie hat es aber unterlassen, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bestätigung über das Vorliegen von schulbezogenen Veranstaltungen auseinander zu setzen und hiezu entsprechende Feststellungen zu treffen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. Jänner 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002150034.X00Im RIS seit
30.03.2004Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013