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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AbfallnachweisV 1991 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des GB in L, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler und Mag. Harald Papesch OEG in 4020 Linz, Karl-Wiser-Straße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 14. Oktober 2003, Zl. VwSen-280666/11/Ga/He, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Oktober 2003 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Beauftragter der Baugesellschaft H&S, Sitz in L, als Arbeitgeber eine Übertretung des § 82 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung (in der Folge: BauV) iVm § 130 Abs. 1 Z 5 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (in der Folge: AschG) zu verantworten: Auf der Baustelle Dr. H Hallenzubau in L sei in der (schon betonierten) Decke des Zubaues eine Öffnung für den Baukran in angegebenem Ausmaß (zumindest teilweise) durch eine Aludeckenschalung verschlossen gewesen, bei der jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Deckensteher teilweise demontiert worden seien, sodass die Standsicherheit beim Betreten derselben nicht mehr gegeben gewesen und am 3. November 2000 ein auf der Decke des Zubaues beschäftigter, namentlich genannter Arbeitnehmer bei Betreten jener Aludeckenschalung an angegebener Stelle mit dieser ca. drei Meter in die Tiefe gestürzt sei. Es sei die verwendete Aludeckenschalung entgegen § 82 Abs. 1 BauV, wonach Schalungen und Leergerüste standfest und so hergestellt sein müssen, dass die auftretenden Belastungen und Beanspruchungen in allen Bauphasen sicher aufgenommen und direkt auf tragfähigen Boden oder auf sichere oder gesicherte Bauteile übertragen werden können, durch das teilweise Entfernen der Deckensteher in der Ausschalungsphase nicht standfest hergestellt gewesen.
Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 360,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Stunden) verhängt.
Der Beschwerdeführer sei unstrittig als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG für die Baustelle "Dr. H Hallenzubau" der Baugesellschaft H&S zum Zeitpunkt 3. November 2000 bestellt gewesen. An diesem Tag sei auf der Baustelle ein Teil der im Schuldspruch näher umschriebenen Aludeckenschalung (Schaltafeln) mit dem dort beschäftigten Arbeitnehmer ca. 3 m in die Tiefe gestürzt. Dieser Schalungsteil sei zum Absturzzeitpunkt von unten her durch Deckensteher nicht an allen vier Auflagepunkten abgestützt gewesen. Wer die Stützen entfernt habe und wann sie entfernt worden seien, sei unbekannt geblieben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Stellen der BauV, BGBl. Nr. 340/1994, lauten:
"§ 1. (1) Diese Verordnung gilt für die Beschäftigung von Arbeitnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten aller Art. (2) Bauarbeiten sind Arbeiten zur Herstellung, Instandhaltung, Sanierung, Reparatur, Änderung und Beseitigung von baulichen Anlagen aller Art, einschließlich der hiefür erforderlichen Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten. Bauarbeiten sind insbesondere auch Zimmerer-, Dachdecker-, Glaser-, Maler-, Anstreicher-, Spengler-, Fliesenleger-, Estrich-, Isolierarbeiten, und Gerüstbauarbeiten, Stahlbauarbeiten, Gas-, Wasser-, Heizungs-, Lüftungs- und Elektroinstallationsarbeiten, Sprengarbeiten, Abbrucharbeiten sowie Fassadenreinigungsarbeiten und Rauchfangkehrerarbeiten. Als Bauarbeiten gelten auch Erdarbeiten, wie Aufschüttungen, Auf- und Abgrabungen sowie die Herstellung von künstlichen Hohlräumen unterhalb der Erdoberfläche.
(3) Diese Verordnung ist nicht auf Arbeiten anzuwenden, die durch die Verordnung über den Schutz der Dienstnehmer und der Nachbarschaft beim Betrieb von Steinbrüchen, Lehm-, Ton-, Sand- und Kiesgruben sowie bei Haldenabtragungen, BGBl. Nr. 253/1955, in der jeweils geltenden Fassung, geregelt werden.
§ 82. (1) Schalungen und Lehrgerüste müssen standfest und so hergestellt sein, dass die auftretenden Belastungen und Beanspruchungen in allen Bauphasen sicher aufgenommen und direkt auf tragfähigen Boden oder auf sichere oder gesicherte Bauteile übertragen werden können.
(2) Bei allen auftretenden Bauzuständen muss bei Beton-, Stahlbeton- und Gewölbearbeiten die Standsicherheit gewährleistet sein. Erforderlichenfalls ist von einer fachkundigen Person ein Standsicherheitsnachweis zu erstellen. Die Reihenfolge der Arbeitsvorgänge hat entsprechend diesen Berechnungen zu erfolgen."
Zentrales Thema der Beschwerde ist die Auslegung des § 82 Abs. 1 BauV. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, aus der Formulierung "müssen standfest und so hergestellt sein ..."
ableiten zu können, dass sich diese Norm nur auf den Herstellungszeitpunkt einer Schalung bezöge und nicht auf allfällige nachträgliche Änderungen.
Mit dieser Ansicht lässt er aber die Wortfolge "... in allen
Bauphasen ..." außer Acht. Aus dem Gesamtwortlaut der Norm in Verbindung mit dem Zweck der BauV, nämlich den Schutz von Bauarbeitern bei der Ausführung von Bauarbeiten aller Art (vgl. § 1 BauV) ist aus vernünftiger objektiver Sicht kein anderes Verständnis zulässig als jenes der belangten Behörde, dass es "für die Standfestigkeit iS der Gebotsnorm nicht" genügt, dass sie "bloß einmal 'hergestellt' gewesen sein" müsse; vielmehr "muss die
Standfestigkeit ... in jeder Phase der nachfolgenden Beanspruchung
der Schalung durch Belastung gegeben sein". Insofern der Beschwerdeführer mit § 82 Abs. 2 leg. cit. zu argumentieren versucht, verkennt er, dass sich Abs. 2 leg. cit. nur auf "Beton-, Stahlbeton und Gewölbearbeiten" bezieht, nicht aber - wie § 82 Abs. 1 BauV - auf alle in allen Bauphasen anzutreffenden Bauarbeiten (vgl. die Definition der Bauarbeiten in § 1 Abs. 2 BauV), sodass schon deshalb ein Rückschluss von § 82 Abs. 2 BauV auf den Norminhalt des Abs. 1 leg. cit. nicht zulässig ist.
Es ist - entgegen der geradezu als mutwillig zu bezeichnenden Ansicht des Beschwerdeführers - keinesfalls "unzumutbar", jegliche "nachträgliche Beeinträchtigungen der Standfestigkeit einer Schalung" zu verhindern, sondern notwendigerweise gerade vom Schutzzweck der Norm bedingt. Denn folgte man der Ansicht des Beschwerdeführers, würde der Schutz von Bauarbeitern ab dem Ende der erstmaligen Herstellung einer Schalung geradezu ad absurdum geführt.
Damit ergibt sich aber, dass als Tatzeitpunkt von der belangten Behörde richtig jener Zeitpunkt angelastet wurde, zu dem die Schalung nicht standfest war, das ist im konkreten Fall jedenfalls der Zeitpunkt des Absturzes. Dieser Tatzeitpunkt wurde durch Nennung des Tages und des konkreten Absturzvorganges auch hinreichend so konkretisiert, dass der Beschwerdeführer in die Lage versetzt war, sich hiezu zu rechtfertigen und er vor einer Doppelbestrafung geschützt ist.
Da schon die abgehandelte Rechtsansicht des Beschwerdeführers unhaltbar ist, gehen alle darauf aufbauenden Verfahrensrügen, die insbesondere auf die Feststellung der Zeitpunkte der (erstmaligen) Herstellung der Schalung und deren (nachträgliche) Veränderung abzielen, ins Leere.
In eventu macht der Beschwerdeführer mangelndes Verschulden dergestalt geltend, dass der Baupolier "die vorgesehenen Kontrollen durchgeführt habe" und vom Beschwerdeführer "als Bauleiter nicht mehr verlangt werden" könne, "als dass die jeweils zuständigen Baupoliere ihrer Kontroll- und Überwachungspflicht vor Ort auf den Baustellen nachkommen", zumal er "naturgemäß nicht ständig auf mehreren Bauvorhaben selbst zu jeder Zeit die Einhaltung der Arbeitnehmervorschriften überwachen" könne.
Dem Beschwerdeführer wird die gegenständliche Verwaltungsübertretung in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG angelastet. Ob der nach § 9 Abs. 2 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte, wenn er sich zur Erfüllung seiner verwaltungsrechtlichen Verpflichtungen dritter Personen bedient, persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2002, Zl. 2002/07/0155).
Mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer in keiner Weise auf, dass er als bestellter verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortlicher seinerseits durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2001, Zl. 2000/02/0022, gleichfalls einen verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG betreffend) dafür gesorgt hat, dass der ihm untergeordnete Baupolier die an sich den Beschwerdeführer treffenden Verpflichtungen in einer Weise erfüllt habe, dass die Verletzung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften vermieden bzw. Verstöße wahrgenommen und abgestellt werden.
Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, sich vor seiner Zustimmung zu seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten über die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, für die Sicherstellung der Einhaltung der Verwaltungsvorschriften (auf mehreren Baustellen) effektiv zu sorgen, klar zu werden und allenfalls seiner Bestellung nicht zuzustimmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/19/0345).
Der Beschwerdeführer rügt weiters mangelnde Konkretisierung der Fassung der angewendeten Gesetzesbestimmungen. Es sei ihm unklar, welche Fassung der jeweils angewendeten Normen die belangte Behörde ihrem Bescheid zu Grunde gelegt habe.
Es trifft zwar zu, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift auch die Angabe der korrekten Fundstelle fordert. Es ist im Beschwerdefall aber nicht ersichtlich, in welcher Hinsicht für den Beschwerdeführer Zweifel über die Vorschriften, deren Verletzung ihm angelastet wird, hätten bestehen können (vgl. zum Fehlen von Zweifeln zB. das hg. Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 2000/10/0109). Denn im Beschwerdefall wurde dem Beschwerdeführer die Verletzung des "§ 82 Abs. 1 BauV iVm § 130 Abs. 1 Z 5 iVm § 118 Abs. 3 AschG" vorgeworfen. § 82 Abs. 1 BauV stand (und steht nach wie vor) in der Stammfassung BGBl. Nr. 340/1994 in Geltung. Zwar wurde § 130 Abs. 1 AschG durch BGBl. I Nr. 159/2001 insofern novelliert, als die bis dahin geltende Strafdrohung des Einleitungssatzes von 2.000 S bis 100.000 S auf 145 EUR bis 7.260 EUR geändert wurde. Angesichts der in der Begründung zur Strafbemessung enthaltenen Ausführungen der belangten Behörde, nach denen "auf den Strafrahmen von 145 EUR bis 7.260 EUR Bedacht zu nehmen" war, kann für den Beschwerdeführer aber nicht zweifelhaft sein, welcher Strafrahmen angewendet wurde. Was letztlich § 118 Abs. 3 AschG betrifft, so gesteht der Beschwerdeführer selbst zu, dass "die Erstbehörde den Beginn des Testes" (richtig wohl: Textes) "des Abs. 3 leg. cit. angegeben hat". Dieser "Beginn" regelt, dass die BauV (nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen) als Verordnung nach dem AschG gilt. Dieser Text stand bzw. steht noch immer in der Stammfassung des AschG, BGBl. Nr. 450/1994, in Geltung. Es kann für den Beschwerdeführer sohin auch diesbezüglich keine Unklarheit über die angewendete Gesetzesbestimmung bestehen, zumal die Behörde keine Ziffer der dem Einleitungssatz folgenden "maßgeblichen" Bestimmungen genannt hat und diese Bestimmungen auf den Beschwerdefall auch gar keinen Bezug aufweisen.
Insofern der Beschwerdeführer die Strafbemessung rügt, weil die belangte Behörde trotz hervorgekommener "Unterhaltspflichten" die Geldstrafe "nicht absenkte", ist dies schon vor dem Hintergrund, dass die Strafe ohnehin im untersten Bereich der gesetzlichen Strafdrohung verhängt wurde (siehe dazu die Begründung der belangten Behörde), nicht als Ermessensfehler zu erkennen.
Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war. Die Anwendung des § 35 Abs. 1 VwGG kam in Betracht, weil Art. 6 EMRK dem Entfall einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdefall nicht entgegen steht. Denn der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. August 1998, Zl. 96/09/0120).
Wien, am 30. Jänner 2004
Schlagworte
Verantwortlichkeit (VStG §9) verantwortlich BeauftragterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003020259.X00Im RIS seit
04.03.2004Zuletzt aktualisiert am
10.10.2010