Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde der P Gesellschaft m.b.H. in N, vertreten durch Dr. Manfred Ainedter und Dr. Friedrich Trappel, Rechtsanwälte in Wien II, Taborstraße 24a, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 2. März 2000, Zl. 5-V-A2567/12-1999, betreffend Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei stellte mit Eingabe vom 19. März 1999 bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (kurz: BH) gemäß § 45 Abs. 2 StVO einen Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Ausnahmegenehmigung für das Befahren einer näher genannten Strecke eines Güterweges im Gemeindegebiet von Parndorf, auf der unter Punkt 1 der Verordnung der BH vom 19. Juni 1998 ein allgemeines Fahrverbot - ausgenommen Radfahrer und "landwirtschaftliche Geräte" - verfügt wurde.
Mit Bescheid vom 9. April 1999 erteilte die BH der beschwerdeführenden Partei gemäß § 45 Abs. 2 StVO diese Ausnahmegenehmigung "bis 15.06.1999."
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt dass ein erhebliches wirtschaftliches Interesse (im Sinne des § 45 Abs. 2 StVO) bejaht werden habe können, weil die beschwerdeführende Partei im Nahbereich des im Spruch bezeichneten Güterweges ein Kiesabbaufeld zu betreiben beabsichtige und ein anderer Transportweg "derzeit" nicht zur Verfügung stehe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Gemeinde Parndorf Berufung.
Mit Bescheid vom 24. Juni 1999 gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung Folge und "behob" den erstinstanzlichen Bescheid.
In der Begründung dieser Berufungsentscheidung wurde u.a. ausgeführt, der Amtssachverständige für Verkehrstechnik und der Amtssachverständige für Straßenbau hätten in ihren Gutachten eindeutig festgestellt, dass durch die Ausnahmebewilligung eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs gegeben sei, weil der gegenständliche Weg nicht die notwendige Breite für einen LKW-Verkehr aufweise und auch die Tragfähigkeit des Weges für einen LKW-Verkehr nicht ausreichend sei. Es sei daher, weil die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 2 StVO nicht vorlägen, der Berufung Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welche mit hg. Beschluss vom 30. September 1999, Zl. 99/02/0222, - unter Verweis auf die bereits abgelaufene Frist der durch die BH erteilten Ausnahmegenehmigung - zurückgewiesen wurde.
Mit (weiterem) Bescheid der BH vom 26. Juli 1999 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 19. März 1999 auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom allgemeinen Fahrverbot auf der näher genannten Strecke des gegenständlichen Güterwegs gemäß § 45 Abs. 2 StVO abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. März 2000 behob die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid vom 26. Juli 1999 ersatzlos und wies gleichzeitig die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung zurück.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, dass in einem Fall, in dem die Berufungsbehörde den unterinstanzlichen Bescheid unter Berufung auf die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG (ersatzlos) behebe - wie dies im Bescheid vom 24. Juni 1999 geschehen sei - die Entscheidung, anders als im Falle einer Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG, insofern endgültig sei, als die Unterbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden dürfe (Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. August 1997, Zl. 96/04/0167, und vom 25. Mai 1993, Zl. 92/04/0263). Dies gelte auch für den Fall, dass die Berufungsbehörde den verfahrenseinleitenden Antrag nicht formell abgewiesen habe. Aus der Begründung des Bescheides vom 24. Juni 1999, insbesondere aus dem letzten Absatz gehe eindeutig hervor, dass nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens (Ortsaugenschein) die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung auf Grundlage des Gutachtens des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik nicht vorgelegen und die materiellen Voraussetzungen für die Ausnahme also nicht gegeben gewesen seien, weshalb der erstinstanzliche Bescheid auch behoben worden sei. Abgesehen davon, dass durch die ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides die Sache beendet worden und ein neuerlicher Bescheid der Unterinstanz in dieser Sache damit unzulässig gewesen sei, sei auch die materiellrechtliche Entscheidung, dass die Voraussetzungen für die Ausnahmebewilligung nicht gegeben seien, somit auch über den verfahrenseinleitenden Antrag, also "in der Sache", getroffen worden. Der Unterinstanz sei also in der Folge auch auf Grund der entschiedenen Sache jeglicher Raum für eine neuerliche Entscheidung, mit der das Verfahren "neu eröffnet" wäre, genommen worden. Der unzulässig ergangene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 26. Juli 1999 sei daher ersatzlos zu beheben und die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die beschwerdeführende Partei wendet im Wesentlichen ein, sie habe im Antrag vom 19. März 1999 die Erteilung einer unbefristeten Ausnahmegenehmigung vom Fahrverbot für den Weg beantragt. Über dieses Begehren habe die BH nur teilweise abgesprochen, indem sie eine Ausnahmegenehmigung bis 15. Juni 1999 gewährt habe. Die Berufung der Gemeinde Parndorf habe zu dem in einem rechtswidrigen Verfahren zu Stande gekommenen Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 24. Juni 1999 geführt. Hätte die Berufungsbehörde in diesem Bescheid tatsächlich über den Antrag auf unbefristete Ausnahmegenehmigung entschieden, so wäre die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1999, Zl. 99/02/0222, unzutreffend. Die BH habe zu Recht über den noch nicht erledigten Antrag auf unbefristete Ausnahmegenehmigung entschieden, wenn auch das Verwaltungsverfahren, das zu diesem Bescheid geführt habe, mangelhaft geblieben sei.
Wesentlich für die Lösung des Beschwerdefalls ist, in welchem Umfang durch den Bescheid der BH vom 9. April 1999 über den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung einer unbefristeten Ausnahmegenehmigung abgesprochen wurde. Aus dem Spruch dieses Bescheides ist zu ersehen, das lediglich eine bis 15. Juni 1999 befristete Ausnahmegenehmigung erteilt wurde. Entgegen der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsmeinung kann diesem Bescheid jedoch weder aus dessen Spruch noch aus der nach der ständigen hg. Rechtsprechung zu dessen Auslegung heranzuziehenden Begründung irgendein Anhaltspunkt entnommen werden, dass die BH - abgesehen von der befristet erteilten Ausnahmebewilligung - einschlussweise den Antrag der beschwerdeführenden Partei über diese Frist hinaus abwies. Vielmehr blieb die Entscheidung darüber unerledigt. Auch im obzitierten Beschluss vom 30. September 1999, Zl. 99/02/0222, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat nur in bestimmten Fällen die Sachentscheidung der Berufungsbehörde auch in einer bloßen Kassation des angefochtenen Bescheides zu bestehen; dies dann, wenn nach der materiellrechtlichen Situation die Erlassung eines Bescheides überhaupt unzulässig war oder während des Berufungsverfahrens unzulässig geworden ist und allein die Kassation eines solchen Bescheides den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand herstellen kann (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 889, unter E 65a zu § 66 AVG wiedergegebne Judikatur). Angemerkt sei, dass die belangte Behörde mangels Vorliegens dieser Voraussetzungen die seinerzeit befristet erteilte Ausnahmebewilligung nicht ersatzlos nach § 66 Abs. 4 AVG aufheben hätte dürfen. Angesichts der Rechtskraft der Berufungsentscheidung vom 15. April 1999 war jedoch von der ersatzlosen Aufhebung dieser befristet erteilten Ausnahmebewilligung auszugehen. In diesem Umfang war es daher der Behörde erster Instanz in der Folge auf Grund der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zitierten hg. Judikatur zur Wirkung der ersatzlosen Behebung von Bescheiden nach § 66 Abs. 4 AVG (vgl. die von ihr zitierten Erkenntnisse vom 28. August 1997, Zl. 96/04/0167, und vom 25. Mai 1993, Zl. 92/04/0263) verwehrt, über diesen - auf eine befristete Ausnahmegenehmigung eingeschränkten - Gegenstand neuerlich zu entscheiden.
Davon ausgehend erweist sich der angefochtene Bescheid, soweit er den erstinstanzlichen Bescheid vom 26. Juli 1999 in Hinsicht auf den neuerlichen Abspruch für die Zeit bis 15. Juni 1999 behob (und die Berufung in diesem Umfang zurückwies), als rechtmäßig. Was allerdings den darüber hinausgehenden Zeitraum - entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerin auf unbefristete Erteilung der angestrebten Bewilligung - anlangt, so ergibt sich aus obigen Darlegungen, dass die soeben zitierte hg. Judikatur auf diesen Zeitraum nicht anwendbar war, weil eben der Abspruchsgegenstand im Bescheid der belangten Behörde vom 29. Juni 1999 nur die "befristete" Bewilligung des erstinstanzlichen Bescheides vom 26. Juli 1999 erfasst hat. Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage den Bescheid der BH vom 26. Juli 1999 zur Gänze aufhob (und die Berufung der beschwerdeführenden Partei zur Gänze zu Unrecht zurückwies), war der angefochtene Bescheid infolge Untrennbarkeit des Spruches in vollem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Auf Grund dieses Ergebnisses erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. Jänner 2004
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung KassationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000020118.X00Im RIS seit
01.03.2004