Index
60/02 Arbeitnehmerschutz;Norm
ASchG 1994 §12;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/02/0262 2003/02/0263Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerden 1.) des FB, 2.) des HB und 3.) des RB, alle in F, alle vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol jeweils vom 30. Oktober 2003, Zlen. 1.) uvs-2002/K1/006-7, 2.) uvs-2002/K1/008- 7 und 3.) uvs-2002/K1/007-7, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerden, den mit ihnen vorgelegten Aktenteilen und der angefochtenen Bescheide steht folgender Sachverhalt fest:
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde vom 30. Oktober 2003 wurden die Beschwerdeführer jeweils als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der "FB Ges.m.b.H." mit Sitz in F schuldig erkannt, sie hätten jeweils zu verantworten, dass zumindest am 9. März 2001 im Bereich 8 im Holzwerk 2 in J 1. Arbeitsmittel, nämlich eine Kappsäge der Fa. F und eine Förderanlage der Fa. S, benutzt worden seien, obwohl keine Sicherheits- und Schutzvorrichtung im Gefahrenbereich-Abwurfbereich der Kappsäge vorhanden gewesen sei und
3. keine vollständige geeignete Unterweisung des EL in die Funktionsweise und der damit verbundenen Gefahren der Kappsäge samt Förderanlage erfolgt sei.
(Zu Spruchpunkt 2. der Bescheide der Behörde erster Instanz wurde das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG von der belangten Behörde eingestellt.)
Die Beschwerdeführer hätten jeweils Übertretungen zu Spruchpunkt 1. gemäß § 130 Abs. 1 Z. 6 iVm. § 35 Abs. 1 Z. 35 (richtig wohl: Z. 5) des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (in der Folge: AschG) iVm. § 14 Abs. 1 und 2 Z. 5 der Arbeitsmittelverordnung (in der Folge: AM-VO), zu Spruchpunkt 3. gemäß § 130 Abs. 1 Z. 16 iVm. § 12 AschG iVm. § 14 Abs. 1 und 2 Z. 4 AM-VO begangen. Es wurden jeweils Geldstrafen in der Höhe von EUR 1.090,-- (Spruchpunkt 1.) und EUR 727,-- (Spruchpunkt 3.) sowie im Nichteinbringungsfall jeweils Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.
In der Begründung der (sich jeweils nur durch die Person des Bestraften unterscheidenden) angefochtenen Bescheide führte die belangte Behörde aus, auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens, beinhaltend das Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2003 sowie näher bezeichnete Akteninhalte stehe folgender Sachverhalt fest:
"Der Berufungswerber ist zusammen mit seinen zwei Brüdern handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma FB Ges.m.b.H., welche im Standort J eine Holzverarbeitungsanlage betreibt.
Im Laufe des Jahres 2000 und davor wurde das Brettschichtholzwerk 2 errichtet, in dessen Halle eine Anlage aus zwei voneinander getrennt angetriebenen Rollenförderungsbahnen, die jeweils eine Höhe von 1 m und eine Breite von 1 m aufweisen, steht. Zwischen den genannten Rollenförderbahnen befindet sich eine sogenannte Kappsäge. Direkt nach der Kappsäge besteht ein Zwischenraum von 0,6 m Breite, in den ein Behälter eingeschoben wird. In diesen Behälter fallen die von den Leimbindern abgeschnittenen Stirnholzteile. Weiters sind pneumatische verstellbare Führungsrollen vorhanden, um den zu beschneidenden Leimbinder zu positionieren und zu führen. Der Anlagenteil wird im Betriebszustand teilweise automatisch, teilweise manuell gesteuert.
Am 09.03.2001 gegen 07.01 Uhr befanden sich bei der zuvor geschilderten Anlage EL, MW sowie UJ. Vor diesem Tag war die Anlage seit ca. drei Monaten in Probebetrieb und wurde Herr EL ca. seit Jänner 2001 bei der Leimstraße, bei der sich die Kappsäge befindet, eingesetzt. Zum Zeitpunkt 09.03.2001 gab es im Bereich der Kappsäge zum Schnittholzbehälter weder einen Lichtschranken noch eine Abschrankung. Es existierten auch keine Warnschilder.
Von Herrn EL wurde die Kappsäge von einem Schaltpult aus bedient, der über einen 'funktionslos' Schalter verfügte. Ebenfalls war ein Bereichsstoppschalter und ein Schalter für Hand/Automatik vorhanden. Vom Zeugen EL mussten die Leimbinder abgestempelt werden, weshalb er zur Kappsäge zum Behälter für die abgeschnittenen Stirnholzteile hinging und diese abstempelte. Im Automatikbetrieb wurden die Leimbinder mittels angetriebener Rollenförderbahn bis knapp vor die Kappsäge transportiert. Der Antrieb der Rollenbahn wurde gestoppt, sobald der Leimbinder in den Sehstrahl einer Lichtschranke vor der Kappsäge einfährt. Auch die Rollenförderung vor und nach der Kappsäge ist während dieser Zeit nicht aktiv. Um den Leimbinder ordnungsgemäß abzuschneiden, muss ein manueller Schalter am Schaltpult betätigt werden, bis sich der Leimbinder an der richtigen Position befindet. Mit der Betätigung des manuellen Schalters werden beide Rollenförderer, die sich vor und hinter der Kappsäge befinden, geschaltet. Während der Leimbinder in die Kappsäge einfährt, wird er mittels automatisch niederfahrender Rolle vor der Kappsäge niedergehalten. Diese Niederhalterrollen werden über Lichtschranken aktiviert. Wenn der Leimbinder gekappt ist, wird mit Hilfe der beiden Rollenbahnen, welche vom Schaltpult aus manuell aktiviert werden, dieser bis zur zweiten Lichtschranke befördert. Sobald diese Lichtschranke einen Gegenstand in ihrem Sichtbereich erkennt, werden beide Rollenförderer, die vor und nach der Kappsäge sich befinden, eingeschaltet. Nach der Kappsäge fährt eine weitere Niederhalterrolle automatisch nach unten, sobald eine weitere Lichtschranke unterbrochen wird, was gewährleistet, dass der Leimbinder von der ziehenden Rollenförderbahn nach der Kappsäge abtransportiert wird.
Am 09.03.2001 gegen 07.10 Uhr kam es dazu, dass sich beim Schneiden eines Leimbinders ein Holzstück verkeilte, sodass auch die Kappsäge verklemmt wurde. Dies bemerkte EL und verständigte davon Herrn MW und UJ. Beide Personen besichtigten den Schaden, nachdem sie bei der Kappsäge im Bereich des Behälters für die Stirnholzteile hindurchgestiegen sind, dass beim Kreissägeblatt die Abdeckhaube verbogen war. Sie baten deshalb Herrn EL ihnen die kleine Werkzeugkiste zu holen und zu geben. In der Zwischenzeit öffneten sie die Abdeckhaube der Kreissäge, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Bedienungspultes, bei dem EL stand, befand. Herr EL stieg, genauso wie die beiden Zeugen zuvor, in die Kiste für die Kappstücke und reichte ihnen die Werkzeugkiste. Im Zuge dessen kam es dazu, dass ein Lichtschranken der Anlage unterbrochen wurde, was dazu führte, dass der Leimbinder (für die Anwesenden unerwartet) nach vorne transportiert wurde, gegen EL stieß und ihn über die Rollen der Anlage schob. Durch das Unterbrechen der Lichtschranke wurde die Niederhalterrolle ausgelöst, die nach unten ging und den Leimbinder auf Herrn EL presste. Einer der Zeugen stellte die Anlage über Notstopp aus. EL erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen im Beckenbereich und wurde in weiterer Folge vom Notarzt erstversorgt und mit dem Notarzthubschrauber Christopherus I in die Universitätsklinik nach Innsbruck transportiert.
Herr EL wurde nur von seinem Kollegen MW über die zur Bedienung notwendigen Knöpfe des Schaltpultes und der damit verbundenen Funktion aufgeklärt.
Herrn MW war es nicht erklärlich, warum der Leimbinder plötzlich weitertransportiert worden ist. Anlässlich der Verhandlung erklärte Herr MS, der Schichtleiter, dass der Leimbinder weitergelaufen ist, wenn die zweite Lichtschranke erreicht wurde. Erst über Nachfragen und weiterem Nachdenken erklärte er, dass bei Unterbrechung des zweiten Lichtschrankens beide Rollbahnen zu laufen beginnen.
Dem Sicherheitsbeauftragten StS war die Arbeitsstelle des Herrn EL (Kappsäge/Förderband) nicht bekannt und ist er daran auch nicht vorbeigegangen. Von ihm wurde ein Informationsblatt verfasst (Anlage A zum Verhandlungsprotokoll), welches jedoch nicht auf die verfahrensgegenständliche Kappsäge samt Förderband Bezug nimmt.
Nach dem Unfall wurde der Zutrittsbereich zur Kappsäge mit einer Zutrittssicherung versehen.
Was die Beweiswürdigung anlangt, so konnten zur Sachverhaltsfeststellung so gut wie alle Beweismittel herangezogen werden. Das durchgeführte Beweisverfahren hat ergeben, dass der gegenständliche Arbeitsunfall mit höchster Wahrscheinlichkeit dann nicht geschehen wäre, wenn den handelnden Personen, nämlich EL, MW und UJ die genaue Funktionsweise der Kappsäge und den damit verbundenen Bereich samt Gefahren erklärt worden oder eine Zutrittsabsicherung eingebaut gewesen wäre."
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden - inhaltsgleichen - Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:
§ 12 AschG lautet:
"(1) Arbeitgeber sind verpflichtet, für eine ausreichende Information der Arbeitnehmer über die Gefahren für Sicherheit und Gesundheit sowie über die Maßnahmen zur Gefahrenverhütung zu sorgen. Diese Information muss die Arbeitnehmer in die Lage versetzen, durch eine angemessene Mitwirkung zu überprüfen, ob die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Diese Information muss während der Arbeitszeit erfolgen.
(2) Die Information muss vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgen. Sie muss regelmäßig wiederholt werden, insbesondere wenn dies auf Grund sich ändernder betrieblicher Gegebenheiten erforderlich ist, weiters bei Änderung der maßgeblichen Arbeitnehmerschutzvorschriften und bei neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes.
(3) Arbeitgeber sind verpflichtet, alle Arbeitnehmer, die einer unmittelbaren erheblichen Gefahr ausgesetzt sein können, unverzüglich über diese Gefahr und die getroffenen oder zu treffenden Schutzmaßnahmen zu informieren.
(4) Die Information muss in verständlicher Form erfolgen. Bei Arbeitnehmern, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, hat die Information in ihrer Muttersprache oder in einer sonstigen für sie verständlichen Sprache zu erfolgen. Arbeitgeber haben sich zu vergewissern, dass die Arbeitnehmer die Informationen verstanden haben.
(5) Den Arbeitnehmern sind erforderlichenfalls zur Information geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Abs. 4 zweiter und dritter Satz gilt auch für diese Unterlagen. Bedienungsanleitungen betreffend Arbeitsmittel sowie Beipacktexte, Gebrauchsanweisungen und Sicherheitsdatenblätter betreffend Arbeitsstoffe sind den betroffenen Arbeitnehmern jedenfalls zur Verfügung zu stellen. Diese Unterlagen sind erforderlichenfalls am Arbeitsplatz auszuhängen.
(6) Die Information der einzelnen Arbeitnehmer gemäß Abs. 1, 2, 4 und 5 kann entfallen, wenn Sicherheitsvertrauenspersonen bestellt oder Belegschaftsorgane errichtet sind, diese entsprechend informiert wurden und eine Information dieser Personen zur wirksamen Gefahrenverhütung ausreicht. Dabei sind Inhalt und Zweck der Information sowie die bestehenden Gefahren und betrieblichen Gegebenheiten zu berücksichtigen.
(7) Wenn weder Sicherheitsvertrauenspersonen bestellt noch Belegschaftsorgane errichtet sind, sind alle Arbeitnehmer in allen in § 11 Abs. 7 angeführten Angelegenheiten zu informieren und sind ihnen die angeführten Unterlagen zur Verfügung zu stellen."
Die maßgeblichen Bestimmungen der AM-VO, BGBl. II Nr. 164/2000 lauten:
"§ 2. (1) Arbeitsmittel im Sinne dieser Verordnung sind alle Maschinen, Apparate, Werkzeuge, Geräte und Anlagen, die zur Benutzung durch ArbeitnehmerInnen vorgesehen sind. Zu den Arbeitsmitteln gehören insbesondere auch Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen oder Gütern, Aufzüge, Leitern, Gerüste, Dampfkessel, Druckbehälter, Feuerungsanlagen, Behälter, Silos, Förderleitungen, kraftbetriebene Türen und Tore sowie Hub-, Kipp- und Rolltore.
(2) Benutzung im Sinne dieser Verordnung umfasst alle ein Arbeitsmittel betreffende Tätigkeiten wie In- und Außerbetriebnahme, Gebrauch, Transport, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung, Wartung und Reinigung.
(3) Fachkundig im Sinne dieser Verordnung sind Personen, die die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Berufserfahrungen besitzen und auch die Gewähr für eine gewissenhafte Durchführung der ihnen übertragenen Arbeiten bieten. Als fachkundige Personen können auch Betriebsangehörige eingesetzt werden.
...
(5) Gefahrenbereich im Sinne dieser Verordnung ist der Bereich innerhalb oder im Umkreis eines Arbeitsmittels, in dem die Sicherheit oder die Gesundheit von sich darin aufhaltenden ArbeitnehmerInnen gefährdet ist oder gefährdet sein könnte.
(6) Schutzeinrichtungen im Sinne dieser Verordnung sind technische Vorkehrungen, die dazu bestimmt sind, den Zugang zu Gefahrenbereichen oder ein Hineinlangen in diese zu verhindern, oder die eine andere geeignete Schutzfunktion bewirken.
...
§ 14. (1) Soweit dies aus technischen Gründen erforderlich ist, sind für die notwendige Erprobung eines Arbeitsmittels Abweichungen von den für den Normalbetrieb vorgesehenen Schutzmaßnahmen und die Benutzung des Arbeitsmittels ohne die vorgesehenen Schutzeinrichtungen zulässig.
(2) Für eine Erprobung nach Abs. 1 gilt:
1. Es sind geeignete Schutzmaßnahmen gegen Gefahren, mit denen zu rechnen ist, festzulegen, im Sinne des § 5 ASchG zu dokumentieren und durchzuführen.
2.
Die Durchführung dieser Schutzmaßnahmen ist zu überwachen.
3.
Für die Erprobung dürfen nur geeignete fachkundige Personen herangezogen werden.
4. Die für die Erprobung herangezogenen ArbeitnehmerInnen sind vor Beginn der Arbeiten über das Verhalten bei Unregelmäßigkeiten oder Störungen, die während der Erprobung auftreten können, zu unterweisen.
5. Mit der Erprobung darf erst begonnen werden, wenn die erforderlichen Sicherheits-, Warn- und Messeinrichtungen betriebsbereit und funktionsfähig sind.
6. Während der Erprobung müssen Gefahrenbereiche entsprechend der Kennzeichnungsverordnung (KennV), BGBl. II Nr. 101/1997, gekennzeichnet sein.
7. Während der Erprobung müssen Gefahrenbereiche mit Vorrichtungen ausgestattet sein, die unbefugte ArbeitnehmerInnen am Betreten dieser Bereiche hindern.
8. Im Gefahrenbereich dürfen sich nur die für die Durchführung der Erprobung unbedingt erforderlichen ArbeitnehmerInnen aufhalten.
(3) Wenn mit einer ernsten und unmittelbaren Gefahr zu rechnen ist, sind besondere Fluchtwege vorzusehen. Diese Fluchtwege sind entsprechend der KennV zu kennzeichnen.
(4) Falls es auf Grund der Art oder des Umfanges der Erprobung oder wegen sonstiger besonderer Verhältnisse zur Vermeidung einer möglichen Gefährdung der ArbeitnehmerInnen erforderlich ist, ist eine fachkundige Person mit der Planung der Erprobung zu beauftragen und muss während der Erprobung eine Aufsicht durch eine geeignete fachkundige Person erfolgen.
(5) Soweit eine Erprobung von maschinellen und elektrischen Arbeitsmitteln und Anlagen in mineralgewinnenden Betrieben notwendig ist, ist für die systematische Erprobung ein Plan zu erstellen. Über die Erprobungen sind Aufzeichnungen zu führen."
Auf Grund der unbestrittenen Funktionsweise der Kappsäge/Förderanlage ist nicht zweifelhaft und durch den vorliegenden Arbeitsunfall bestätigt, dass es sich beim "Gefahrenbereich-Abwurfbereich" im Inneren der gegenständlichen Kappsäge/Förderanlage um einen Gefahrenbereich innerhalb eines Arbeitsmittels gemäß § 2 Abs. 5 AM-VO handelt. Nach § 41 Abs. 1 AM-VO müssen Gefahrenstellen an Arbeitsmitteln durch Schutzeinrichtungen so gesichert sein, dass ein möglichst wirksamer Schutz der Sicherheit der ArbeitnehmerInnen erreicht wird. Für Gefahrenstellen bewegter Werkzeuge oder Werkstücke bestimmt § 45 Abs. 1 und 2 AM-VO Folgendes:
"(1) Bewegte Teile von Arbeitsmitteln, die der Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung oder Zuführung von Stoffen oder Werkstücken dienen, wie Werkzeuge, sowie bewegte Werkstücke, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden, müssen durch Verdeckungen, Verkleidungen oder Umwehrungen gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert sein, soweit dies der jeweilige Arbeitsvorgang zulässt. Dies gilt auch bei Einstell- und Nachstellarbeiten, die an in Gang befindlichen Betriebseinrichtungen durchgeführt werden müssen.
(2) Sofern Gefahrenstellen nach Abs. 1 nicht durch Verdeckungen, Verkleidungen und Umwehrungen gesichert sind, müssen sonstige Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die ein Gefahr bringendes Ingangsetzen oder Berühren bewegter Teile verhindern oder deren Stillsetzen bewirken. Dazu gehören insbesondere Sicherungen mit Annäherungsreaktion wie Lichtschranken, abweisende Einrichtungen, Schalteinrichtungen ohne Selbsthaltung oder ortsbindende Einrichtungen wie Zweihandschaltungen."
Daraus ergibt sich, dass an der Unfallstelle eine Schutzeinrichtung (Sicherheitseinrichtung) erforderlich gewesen wäre, um ein Gefahr bringendes Ingangsetzen der Förderanlage auch für den Fall zu verhindern, dass die Anlage auf Automatikbetrieb gestellt ist.
Zu den Einwänden der Beschwerdeführer im Einzelnen:
Insoweit sich die Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihnen entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen schon angesichts des Inhaltes der Aussagen der in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen, welche die Beschwerdeführer nicht als unrichtig bezeichnen, jedoch daraus andere Ergebnisse abzuleiten versuchen, Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.
Zu den Verfahrensrügen ist auszuführen:
Die Beschwerdeführer rügen die Unterlassung der Einvernahme von angebotenen Zeugen zum Thema, dass das "Bedienungspersonal auf eventuelle Sicherheitsrisiken beim Betreten der Anlage angewiesen worden sei". Die Beschwerdeführer wenden sich aber nicht gegen den Inhalt der in der Verhandlung aufgenommenen Zeugenaussagen. Dass es grundsätzliche - aber nicht ausreichende - Unterweisungen über die Funktion der gegenständlichen Anlage gegeben hat, steht nach diesen Zeugenaussagen ohnehin fest. Jedoch fehlt in den Beschwerden jedwedes Vorbringen, was die angebotenen Zeugen zum Inhalt und der Intensität der Unterweisungen für das gegenständliche Arbeitsmittel, vor allem im Hinblick auf Funktionen, die wesentlich für die Sicherheit der Arbeitnehmer gewesen seien, über den von den vernommenen Zeugen berichteten Sachverhalt hinausgehend ausgesagt hätten. Damit haben die Beschwerdeführer die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.
Weiters rügen die Beschwerdeführer die Unterlassung der Durchführung des beantragten Augenscheines. Dieser hätte "die gesamte räumliche Situation vor Ort, insbesondere die Übersichtlichkeit der Anlage und des Bedienpultes beweisen" können, was zum "Beweis dafür dienen würde, dass die von § 12 (3) AschG geforderte unmittelbare erhebliche Gefahr für den Arbeitnehmer in keiner Weise vorgelegen" habe. Abgesehen davon, dass - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der obigen Rechtsausführungen - nicht nachvollziehbar ist, weshalb aus der "Übersichtlichkeit" eines Arbeitsmittels die Qualifikation der von ihr im Betrieb für Arbeitnehmer ausgehenden Gefahren ableitbar wäre, wurde im Verfahren klar und wird von den Beschwerdeführern auch nicht bezweifelt, dass die gegenständliche Anlage nach dem gegenständlichen Vorfall verändert wurde.
Als inhaltliche Rechtswidrigkeit zu Spruchpunkt 1. rügen die Beschwerdeführer, dass funktionierende "Lichtschranken" montiert gewesen seien. Dieses Argument beruht offenbar auf einer groben Verkennung der - unter anderem vom Sachverständigen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung - erläuterten Funktionsweise der Anlage. Denn daraus geht eindeutig hervor, dass die von den Beschwerdeführern genannten "Lichtschranken" ausschließlich der Transportfunktion der Förderanlage, also dem technischen Betrieb der Anlage, dienten, jedoch keine Schutz- bzw. Sicherheitseinrichtung in dem im Spruch genannten Bereich darstellten.
Die Beschwerdeführer wenden weiters ein, dass "im Probebetrieb nicht von den unter Normalverhältnissen üblichen Schutzeinrichtungen ausgegangen werden könne". Zwar ist es im Sinne des § 14 Abs. 1 AM-VO möglich, sollte es aus technischen Gründen erforderlich sein, einen Probebetrieb ohne die im Normalbetrieb anzubringenden Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Im konkreten Fall wurde von den Beschwerdeführern aber nicht behauptet, dass die Unterlassung der Anbringung einer Sicherheitseinrichtung im "Gefahrenbereich-Abwurfbereich" der Kappsäge/Förderanlage aus technischen Gründen erforderlich gewesen sei. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen, aus denen sich ergibt, dass dieser ungesicherte Bereich zum Unfallzeitpunkt betretbar war, ohne dass eine Sicherheitseinrichtung das Arbeitsmittel bei Stellung "Automatik" am Ingangsetzen gehindert hätte, wurde die Unterlassung der Anbringung einer - wie oben ausgeführt, erforderlichen - Sicherheits- und Schutzeinrichtung im genannten Bereich von der belangten Behörde zu Recht als Erfüllung des objektiven Tatbestandes zu Spruchpunkt 1. angesehen.
Hinsichtlich Spruchpunkt 3. ist im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführer aus den Zeugenaussagen klar hervorgekommen, dass der namentlich genannte, an der gegenständlichen Maschine zum Unfallzeitpunkt tätige Arbeitnehmer nicht in einer solchen Weise von der Funktionsweise des Arbeitsmittels oder dem Verhalten bei Unregelmäßigkeiten oder Störungen informiert worden war, die ihn in die Lage versetzt hätte, die bei der Behebung der gegenständlichen Maschinenstörung auftretenden spezifischen Gefahren zu erkennen, geschweige denn zu überprüfen, ob erforderliche Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Eine - wie hervorgekommen - oberflächliche Information über die elementaren Bedienungsschritte der gegenständlichen Kappsäge samt Förderbändern wird dem keinesfalls gerecht. Es sei zusätzlich im Hinblick auf § 12 Abs. 5 AschG darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführer nicht behaupten, es wäre den am gegenständlichen Arbeitsmittel tätigen Arbeitnehmern etwa die Bedienungsanleitung zur Verfügung gestellt worden. Wenn die Beschwerdeführer damit zu argumentieren versuchen, es sei im Probebetrieb einer Maschine nicht möglich, "auf sämtliche mögliche Eventualitäten hinzuweisen, zumal auch die auf die Maschine bereits eingeschulten Personen diese noch nicht perfekt beherrschen können. Dies wird nur jenen Personen möglich sein, die die Maschine konstruiert bzw. geliefert haben", so geht dieses Argument angesichts der hervorgekommenen bloß rudimentären Information des Arbeitnehmers ins Leere. In diesem Zusammenhang sind die Beschwerdeführer aber auch auf § 14 Abs. 2 Z. 3 AM-VO hinzuweisen, dass für die Erprobung von Arbeitsmitteln ohnehin nur geeignete fachkundige (siehe § 2 Abs. 3 AM-VO) Personen herangezogen werden dürften.
Die Beschwerdeführer bringen unter Hinblick auf § 12 Abs. 6 AschG vor, StS sei als Sicherheitsvertrauensperson bestellt gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Falle der Erprobung eines Arbeitsmittels angesichts der Spezialvorschriften des § 14 AM-VO die Ausnahme von der Information der einzelnen Arbeitnehmer nach § 12 Abs. 6 AschG überhaupt zum Tragen käme. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob StS überhaupt gültig zur Sicherheitsvertauensperson nach dem ASchG bestellt worden war (aus seiner Zeugenaussage ergibt sich nämlich, dass er "Sicherheitsberater", aber keine "Vertrauensperson" bei der FB Ges.m.b.H. gewesen sei), weil der Zeuge ausdrücklich angab, ihm sei nie bekannt gegeben worden, dass er für die gegenständliche Arbeitsstelle zuständig sei. Bei den allgemein von ihm zur Aufklärung verwendeten Unterlagen sei die gegenständliche Kappsäge nicht enthalten. Damit kann keinesfalls von einer Information im Sinne des § 12 Abs. 6 ASchG gesprochen werden, welche die direkte Informationspflicht nach § 12 Abs. 1 AschG und allenfalls jene des § 14 Abs. 2 Z. 4 AM-VO hätte ersetzen können.
Insofern die Beschwerdeführer mit den Möglichkeiten argumentieren, die den Arbeitnehmern zur Verfügung gestanden wären, um die Anlage "außer Betrieb" zu setzen, bevor sie die gegenständliche Reparatur in Angriff nahmen, verkennen sie, dass mangels ausreichender Aufklärung über die Funktionsweise der Anlage dem diese bedienenden Arbeitnehmer die Gefährlichkeit des (Reparatur-)Vorhabens bei eingestellter "Automatik" gar nicht zu Bewusstsein gelangen konnte, weshalb das Verhalten des Arbeitnehmers die Beschwerdeführer nicht aus ihrer Verantwortlichkeit entlassen kann.
Bereits der Inhalt der Beschwerden lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen waren.
Wien, am 30. Jänner 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003020261.X00Im RIS seit
04.03.2004