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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
StVO 1960 §23 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des MK in H, vertreten durch Dr. Peter Kolb, Rechtsanwalt in 3430 Tulln, Hauptplatz 3/2/20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Mai 2003, Zl. Senat-TU-02-0083, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Mai 2003 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 4. Mai 2001, um 08.20 Uhr, an einem näher bezeichneten Ort in K als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten LKW das Fahrzeug
... (Punkt 1. wurde eingestellt)
2. vor der Hauseinfahrt gehalten oder geparkt und sei nicht im Fahrzeug verblieben,
3. so zum Halten oder Parken aufgestellt, dass Lenker anderer Fahrzeuge am Vorbeifahren gehindert worden seien,
4. außerhalb von Parkplätzen nicht parallel sondern schräg zum Fahrbahnrand zum Halten oder Parken aufgestellt, obwohl sich dies aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrzeichen nicht ergeben habe.
Er habe Übertretungen gemäß zu 2. § 23 Abs. 3 StVO, 3. § 23 Abs. 1 StVO und 4. § 23 Abs. 2 StVO begangen, es wurden gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 36,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 30 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer bringt vor, das Beweisverfahren habe zu Punkt 2. ergeben, er sei ohnehin beim Fahrzeug verblieben, weshalb die ratio des § 23 Abs. 3 StVO erfüllt sei; er habe demnach diese Übertretung nicht begangen. Im Übrigen - sohin zu den Spruchpunkten 3. und 4. - bezweifelt er die Glaubwürdigkeit des Anzeigers und rügt somit die Beweiswürdigung der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu Punkt 2.:
Zunächst ist klarzustellen, dass sich bei verständiger Würdigung der Tatanlastung in Verbindung mit der als verletzt erachteten Norm im Spruch ergibt, dass dem Beschwerdeführer nicht auch das "Parken", sondern lediglich das "Halten" des Fahrzeuges angelastet werden sollte.
§ 23 Abs. 3 StVO lautet:
"Hält der Lenker eines Fahrzeuges vor einer Haus- oder Grundstückseinfahrt, so hat er im Fahrzeug zu verbleiben und hat beim Herannahen eines Fahrzeuges, dessen Lenker die Haus- oder Grundstückseinfahrt benützen will, die Aus- oder Einfahrt unverzüglich freizumachen."
Unbestrittenermaßen stand der vom Beschwerdeführer abgestellte LKW zumindest zum Teil vor einer Hauseinfahrt. Der Beschwerdeführer ist nicht im Fahrzeug verblieben, sondern befand sich beim Fahrzeug.
Nach § 23 Abs. 3 StVO hat der Lenker in einem solchen Fall sohin im Fahrzeug zu bleiben. Die Materialien (AB 1481 BlgNR 15. GP, 1 zur 10. StVO-Novelle) führen dazu Bestimmungen aus:
"Künftig soll der Lenker eines Fahrzeuges, der vor einer Haus- oder Grundstückseinfahrt ... hält, ausnahmslos im Fahrzeug
verbleiben müssen, um jederzeit wegfahren zu können, ... wenn ein
anderer Fahrzeuglenker die Haus- oder Grundstückseinfahrt benützen will". Damit ist klargestellt, dass der Gesetzgeber auch ganz kurzfristige Beeinträchtigungen des Verkehrs, etwa durch die Zeit, die ein Lenker benötigt, der sich - wie der Beschwerdeführer - beim (statt im, ja sogar auf dem Lenkersitz (vgl. zutreffend Dittrich/Stolzlechner, Österreichisches Straßenverkehrsrecht, I. Teil, Straßenverkehrsordnung3, Rz 48 zu § 23 Abs. 3)) Fahrzeug befindet, um in das Fahrzeug einzusteigen und weg zu fahren, verhindern wollte.
Zu Punkt 3. und 4.:
Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen. Denn schon die eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, dass ein Teil des LKW in die Fahrbahn hinausgeragt habe, er aussteigen habe müssen um nachzusehen, und dass andere Lenker "hupten und sich darüber aufregten", dass "auf einmal der Anzeiger ... hinter mir gestanden ist" und eine Diskussion gefolgt sei, ist ein schwerwiegendes Indiz für die Richtigkeit der Angaben des Anzeigers. Dabei spielt es keine Rolle mehr, welcher Teil des LKW (Front oder Heck) in die Fahrbahn geragt habe und dass es Unstimmigkeiten in den Angaben des Anzeigers zur Frage gibt, aus welcher Position er tatsächlich aufmerksam geworden sei. Zu Punkt 3. ergibt sich außerdem bereits aus den eigenen Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (nämlich dass ein Teil des LKW in die Fahrbahn geragt habe) die angelastete Abstellposition schräg zum Fahrbahnrand. Die belangte Behörde durfte daher zu Recht schlüssig von der Glaubwürdigkeit der Angaben des Anzeigers ausgehen.
Der vom Beschwerdeführer beantragte Ortsaugenschein ist schon deshalb von der belangten Behörde zu Recht nicht durchgeführt worden, weil die objektive Rekonstruktion des zum Tatzeitpunkt am Tatort gegebenen Verkehrsgeschehens (wie vom Beschwerdeführer gefordert, mit sämtlichen anderen Fahrzeugen und der Wiederherstellung einer Baustelle) im vorliegenden Fall von vornherein ausgeschlossen ist.
Am obigen Ergebnis können die Angaben des Beschwerdeführers in seinem persönlich verfassten Nachtrag vom 29. Oktober 2003 zur Beschwerde nichts ändern. Insbesondere ist er darauf hinzuweisen, dass es unerheblich ist, ob sich der Anzeiger "in Dienst stellte" oder nicht, da jede Privatperson in gleicher Weise berechtigt ist, Übertretungen gegenständlicher Art (bei denen es sich um Offizialdelikte handelt) zur Anzeige zu bringen und die Beweiswürdigung im gegenständlichen Fall auf Grund des Inhaltes der Aussagen des Anzeigers und des Beschwerdeführers erfolgte und nicht auf Grund der beruflichen Position des Anzeigers.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. August 1998, Zl. 96/09/0120).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. Jänner 2004
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003020209.X00Im RIS seit
04.03.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008