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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §30 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): AW 2004/07/0001Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1.) der Stadtgemeinde T, vertreten durch Dr. H, Dr. T und Mag. G, Rechtsanwälte (hg. Zl. AW 2003/07/0050), sowie 2.) der NUA Niederösterreichische Umweltschutzanstalt in Maria Enzersdorf am Gebirge, vertreten durch O, O, K, H, Rechtsanwälte GmbH (hg. Zl. AW 2004/07/0001), ihren gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 18. November 2003, Zl. 680.097/04-I6/02, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag, erhobenen Beschwerden (hg. Zlen. 2003/07/0171 bzw. 2004/07/0001), die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird den Anträgen stattgegeben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde (im Instanzenzug) den Beschwerdeführerinnen gemäß § 138 WRG 1959 aufgetragen, den aus Ablagerungen vor dem Jahr 1977 bestehenden und seit 1994 als Altlast im Altlastenatlas eingetragenen Deponiekörper auf den Grundstücken 1224/1 und 1224/7, KG W, mittels Umschließung und Oberflächenabdeckung zu sichern. Als Baubeginn wurde der 1. April 2004, als Frist für die Bauvollendung der Umschließung der 1. Oktober 2005 und als Frist für die Bauvollendung der Oberflächenabdeckung der 1. Oktober 2006 festgelegt.
Den Antrag, der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, begründet die Erstantragstellerin damit, dass sich die Kosten der vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen auf rund S 66 Mio beliefen, wovon allein 42 % hievon (S 28 Mio) auf die vorgeschriebene und jedenfalls als bekämpfte Oberflächenabdichtung entfielen. Für die Erstantragstellerin bedeute dies einen immensen finanziellen Aufwand, der ohne Zurverfügungstellung von entsprechenden Förderungsmitteln und Kommunalkrediten überhaupt nicht bewältigbar sei. Würde mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides sofort begonnen werden, so müssten Sicherungsmaßnahmen tiefbauchtechnischer Art unter hohem finanziellen Aufwand sofort vollzogen werden, die sich schon im Verfahren vor der belangten Behörde als nicht wirtschaftlich und in einem nicht adäquaten und unangemessenen Verhältnis stehend erwiesen hätten; überdies seien Sanierungsalternativen aufgezeigt worden, die dem Stand der Technik gemäß § 12a WRG 1959 entsprächen und bei weitem nicht diesen immensen Kostenaufwand verursachten. Dabei würde bereits lediglich eine Umschließung schon keine Gefährdung des Grundwassers mehr mit sich bringen.
Die Zweitantragstellerin begründete ihren Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Weiteren mit dem Hinweis auf das lang andauernde Verfahren, zumal das wasserpolizeiliche Auftragsverfahren seit Beginn der 80er-Jahre und damit über 20 Jahre lang gedauert habe. Es gehe vom Deponiekörper heute jedenfalls keine solche Gefährdung aus, die eine sofortige Realisierung der Umschließung zwingend gebiete. Der für die Beschwerdeführerin mit der sofortigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Bescheides verbundene Nachteil bestehe darin, dass sie zur Realisierung einer Sicherung verpflichtet wäre, wofür sie ca. 6 Mio EUR an Bau- und jährlich 120.000 bis 150.000 EUR an Betriebskosten aufwenden müsste. Diese Kosten wären im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides zumindest hinsichtlich der Baukosten in voller Höhe frustriert, sollte hervorkommen, dass entweder gar keine oder zumindest keine Maßnahme der Beschwerdeführerin zu setzen seien. Der Aufwand wäre im Ausmaß der Kosten für die Oberflächenabdeckung (ca. 2,3 Mio EUR) frustriert, sollte im Falle einer Aufhebung im Ersatzbescheid hervorkommen, dass diese aus Sicht der öffentlichen Interessen nicht erforderlich sei.
Die belangte Behörde erstattete dazu eine Stellungnahme vom 27. Jänner 2004 und machte geltend, dass zwingende öffentliche Interessen einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Dies ergebe sich zweifelsfrei aus dem Gutachten des Amtssachverständigen, wonach die Einkapselung der Deponieinhaltsstoffe dem Schutz des Grundwassers diene, was unzweifelhaft im öffentlichen Interesse stehe. Auch die Herstellung eines Abdecksystems mit mineralischer Dichtschicht für den Zeitraum nach Beendigung der Wasserhaltemaßnahmen sei unerlässlich. Im Zuge dieses Verfahrens seien Messungen im Bezug auf die Zusammensetzung des Grundwassers vorgenommen worden, die eindeutig eine Beeinträchtigung des Grundwassers im jetzigen Zustand durch die ehemalige Deponie belegten. Die Beschwerdeführer seien selber im Zuge des Berufungsverfahrens zum Schluss gelangt, dass eine Oberflächenabdeckung im öffentlichen Interesse notwendig sei, nur hätte aus ihrer Sicht eine Kompostschicht an Stelle der vorgeschriebenen mineralischen Deckschicht ausgereicht. Somit seien aber auch die Beschwerdeführer zum Schluss gekommen, dass der jetzige Zustand der ehemaligen Deponie - ohne Deckschicht - eine erhebliche Beeinträchtigung des Grundwassers mit sich bringe und Handlungsbedarf bestehe. Bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wäre daher im Sinne des § 30 WRG 1959 eine Beeinträchtigung des Grundwassers gegeben und die Gesundheit von Mensch und Tier gefährdet.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Da der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu überprüfen hat, hat er, wenn das in der Beschwerde selbst erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers nach der Aktenlage nicht etwa als vornherein als zutreffend zu erkennen ist, jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 256 zu § 30 Abs. 2 VwGG zitierte Judikatur).
Klare Feststellungen der belangten Behörde über die mit den aufgetragenen Sicherungsmaßnahmen hintan zu haltenden Gefahren für die Umwelt sind dem angefochtenen Bescheid nicht unmittelbar zu entnehmen. So finden sich insbesondere auch keine fachlichen Ausführungen dazu, dass vom Deponiekörper, der aus Ablagerungen in den Jahren vor 1997 besteht, (noch immer) solche Gefahren ausgingen, die eine sofortige Realisierung der Sicherungsmaßnahmen zwingend gebieten würden.
Es mag nahe liegen, dass bei einer im Altlastenatlas eingetragenen Altlast ohne Sicherungsmaßnahmen eine Beeinträchtigung des Grundwassers gegeben wäre, somit grundsätzlich öffentliche Interessen an der Vollziehung des Auftrages bestehen. Nach § 30 Abs. 2 VwGG muss es sich aber um zwingende öffentliche Interessen handeln, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen stehen, um einen darauf gerichteten Antrag abweisen zu können.
Den Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist das Vorliegen solcher zwingender öffentlicher Interessen nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde ist dem Vorbringen der Zweitantragstellerin, wonach auch die von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen nicht von der Notwendigkeit einer sofortigen Realisierung der Sicherungsmaßnahmen ausgegangen seien, zwar mit dem Hinweis auf "Messungen" entgegen getreten, die "eindeutig eine Beeinträchtigung des Grundwassers im jetzigen Zustand (ohne Deckschicht) durch die Altlast" belegten. Allerdings finden sich weder im angefochtenen Bescheid noch im zitierten Schriftsatz Feststellungen über den Inhalt dieser Messungsergebnisse; auch fachkundige Ausführungen über die Dringlichkeit der Sicherungsmaßnahmen fehlen. Dies gilt auch für den Hinweis der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 27. Jänner 2004, wonach bei nicht sofortiger Umsetzung der Sicherungsmaßnahmen die Gesundheit von Mensch und Tier gefährdet würde.
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher auf Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Bescheides davon aus, dass dem Aufschub der Bescheidwirkungen keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen stehen. Dass nun seinerseits mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführer unverhältnismäßige Nachteile verbunden wären, ergibt sich bereits aus der Höhe der von ihnen dargelegten und von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Kosten der aufgetragenen Maßnahmen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 4. Februar 2004
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Wasserrecht InteressenabwägungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:AW2003070050.A00Im RIS seit
06.04.2004