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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauG Vlbg 1972 §31;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der
H B in L, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 27. April 2001, Zl. II-4151.0007/01, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:
1. R S, und 2. Marktgemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 1. Oktober 1999 begehrte der Erstmitbeteiligte beim Gemeindeamt der mitbeteiligten Marktgemeinde die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Um- und Ausbau eines auf seinem Grundstück im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde gelegenen Stickereigebäudes. Nach Ausschreibung einer mündlichen Verhandlung über das Vorhaben erhob die Beschwerdeführerin, Eigentümerin von drei angrenzenden Grundstücken, mit Schreiben an die mitbeteiligte Marktgemeinde vom 31. Oktober 1999 "Einspruch", den sie damit begründete, dass die baulichen Maßnahmen auf einem Grundstück gelegen seien, über welches auch die Zufahrt zu drei in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken führe. Die vorgesehenen Bauten erschwerten die Zufahrt wesentlich "und es werden die nötigen Abstände nicht ausreichend eingehalten (das neue Gebäude wird durch Bebauung des Weges verbreitert)". Ein Teil des Weges stehe auch im Eigentum der Beschwerdeführerin. Der Weg sei vor Jahren verbreitert worden, um die Durchfahrt für Groß-Lkw zu erleichtern.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 2. November 1999, bei welcher die schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin vorgelesen wurde, teilte der Erstmitbeteiligte der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Schreiben vom 18. Dezember 1999 mit, er habe eine Umplanung seines Projektes vorgenommen, damit die Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen zu den Grundstücken der Beschwerdeführerin gesichert sei, weiters plane er auch die Errichtung eines Schwimmbades. Der Erstmitbeteiligte legte entsprechende "Deckpläne" vor. Mit der - der Beschwerdeführerin zugestellten - Bekanntmachung vom 11. Jänner 2000 beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde eine neuerliche mündliche Verhandlung gemäß § 29 des Vorarlberger Baugesetzes für den 20. Jänner 2000 an. Darin ist ausgeführt, dass der Erstmitbeteiligte "um die baupolizeiliche Bewilligung für den Um- und Ausbau der bestehenden Stickerei (Planabweichung gegenüber der 1. Eingabe ...) und für die Errichtung eines Schwimmbades" angesucht habe. Am 20. Jänner 2000 wurde darüber eine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher die Beschwerdeführerin jedoch nicht teilnahm, auch hatte sie keine gesonderten Einwendungen gegen das Projekt in seiner geänderten Fassung erhoben.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. Jänner 2000 wurde dem Erstmitbeteiligten gemäß §§ 23 und 31 des Baugesetzes, LGBl. Nr. 29/1972 i.d.g.F. (BauG), unter Vorschreibung von näher angeführten Auflagen für den Um- und Ausbau der bestehenden Stickerei und für die Errichtung eines Schwimmbeckens die baubehördliche Bewilligung erteilt. In der Begründung dieses Bescheides wird zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass hinsichtlich der Zugangs- und Zufahrtsmöglichkeiten auf ihre Grundstücke festgehalten werde, dass es sich dabei um privatrechtliche Einwendungen handle, die gemäß § 30 Abs. 2 BauG auf den Rechtsweg zu verweisen seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die sie im Wesentlichen damit begründete, dass über den Grenzverlauf zwischen dem Baugrundstück und ihren Grundstücken keine Einigkeit bestehe und sie einer Verengung der Fahrbahn auf dem Zufahrtsweg keinesfalls zustimmen könne. Zur Berufung führte die Beschwerdeführerin weiters mit Schreiben vom 20. Oktober 2000 aus, dass in allen Bereichen die vorschriftsgemäßen Abstände zu ihrer Grundstücksgrenze einzuhalten seien. Mit weiterem Schreiben vom 20. November 2000 führte die Beschwerdeführerin aus, dass das Vorhaben ein Flugdach aufweise, das die südliche Hauswand in horizontaler Richtung um weit mehr als 1,30 m überrage, es werde der Seitenabstand von 3 m zu ihrem Grundstück hin unterschritten und betrage bloß 2 m. Dies gelte auch für die südseitigen Stützen des Flugdaches. Durch die Einschränkung der Zufahrt werde die künftige Bebauung ihres Grundstückes in unzulässiger Weise eingeschränkt. Die Beschwerdeführerin erstattete weitere Ausführungen zur Berufung in einem Schreiben vom 30. Dezember 2000.
Mit Berufungsbescheid vom 14. Februar 2001 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und die Berufung mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.
Diese Entscheidung wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren keine Parteistellung zukomme, weil sie im Verfahren vor der Behörde erster Instanz nur zivilrechtliche Einwendungen erhoben habe. Weitere Einwendungen, insbesondere jene, die sich mit den Abständen zu den Nachbargrundstücken befassten, seien erst im Berufungsverfahren erhoben worden. Jene Einwendungen, die nach der mündlichen Verhandlung am 20. Jänner 2000 vorgebracht worden seien, seien auf Grund der Bestimmung des § 42 AVG nicht mehr zu berücksichtigen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung. Dieser wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 27. April 2001 keine Folge gegeben. Diese Entscheidung wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der Änderung des ursprünglich eingereichten Projekts - entgegen der Meinung der Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde - um einen neuen Bauantrag gehandelt habe, der geänderte Plan habe eine wesentliche Änderung am Bauwerk im Gegensatz zum ursprünglichen Projekt dargestellt. Zu dem nunmehr vorliegenden Bauprojekt habe die Beschwerdeführerin im Verfahren vor der Behörde erster Instanz gar keine Einwendungen vorgebracht, weshalb insoferne Präklusion eingetreten sei.
Auch wenn man die zweite Eingabe des Erstmitbeteiligten lediglich als Projektänderung betrachte, wäre die Vorstellung abzuweisen, weil die vorgebrachten Einwendungen lediglich die Abstände zum Zufahrtsweg auf dem Baugrundstück beträfen, das im Eigentum des Bauwerbers stehe. Auswirkungen auf Nachbargrundstücke seien nicht zu erkennen.
Aber auch wenn die Einwendungen der Beschwerdeführerin, wonach die nötigen Abstände nicht ausreichend eingehalten seien, so zu verstehen wären, dass sich diese Aussage nicht nur auf die Abstände zum Zufahrtsweg, sondern auch auf die Abstände zur Grenze des Nachbargrundstückes bezögen, so hätte die Beschwerdeführerin nicht dargetan, inwiefern die Einhaltung dieser Abstände den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm betreffe (§ 30 Abs. 1 lit. b BauG).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem seine Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof kann die Auffassung der belangten Behörde nicht teilen, dass es sich bei dem mit Ansuchen vom 18. Dezember 1999 vom Erstmitbeteiligten eingereichten Änderungsprojekt um einen selbständigen und neuen Bauantrag gehandelt habe, weshalb die Einwendungen der Beschwerdeführerin vom 31. Oktober 1999 auf das damit beantragte Vorhaben nicht zu beziehen seien. Gegenstand des Antrages vom 18. Dezember 1999 war nämlich ebenfalls der Um- und Zubau zum bestehenden Gebäude. Zwar ist der Abbruch des Altbestandes im nördlichen Bereich in geringerem Ausmaß und im kritischen Abstandsbereich zum Grundstück der Beschwerdeführerin hin die Errichtung bloß eines Flugdaches mit Stützen an Stelle eines allseits umbauten Raumes vorgesehen. Diese Änderung kann jedoch nicht als derart erheblich gewertet werden, um das Projekt als gänzlich Neues ansehen zu können, zumal auch das Änderungsansuchen vom 18. Dezember 1999 und dessen Bekanntmachung gegenüber der Beschwerdeführerin als "Planabweichung gegenüber der 1. Eingabe" bezeichnet und die Genehmigung der Errichtung eines Schwimmbades erst mit gesondertem Antrag vom 29. Dezember 1999 beantragt wurde. Trotz Austauschplänen musste das gegenständliche Bauvorhaben daher als Einheit betrachtet werden (vgl. zu einem ähnlichen Fall einer Projektänderung etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1991, Zl. 89/06/0156). Die Beschwerdeführerin hat jedenfalls rechtzeitig (vor der Verhandlung vom 2. November 1999) die Verletzung von Abstandsvorschriften eingewendet und damit die Parteistellung nicht verloren (im Sinne des § 42 AVG).
Bei dieser Sachlage durfte die belangte Behörde die Vorstellung - angesichts der zulässigerweise nach Ablauf der Berufungsfrist mit einer weiteren näheren Begründung versehenen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0533, und vom 25. Mai 1994, Zl. 94/20/0091) Berufung - nicht als unzulässig zurückweisen.
Im fortgesetzten Verfahren wird es daher Sache der Berufungsbehörde sein, inhaltlich zu beurteilen, ob die Beschwerdeführerin in einem Recht gemäß § 30 Abs. 1 lit. b BauG hinsichtlich eines mit dem gegenständlichen Vorhaben gegenüber ihrem Grundstück einzuhaltenden Abstandes verletzt ist, wobei darauf hingewiesen wird, dass gemäß § 30 Abs. 1 lit. b BauG hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften des § 6 leg. cit. über die Abstandsflächen (hier insb. gemäß § 6 Abs. 7 BauG) ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht besteht (vgl. die Erkenntnisse vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143, Slg. Nr. 13640/A, und vom 29. März 2001, Zl. 2000/06/0008, m.w.N.).
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 17. Februar 2004
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001060066.X00Im RIS seit
15.03.2004