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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung einer wahlrechtlichen Bestimmung über Ersatzbewerber wegen zu weit gefassten AufhebungsbegehrensSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Der vorliegende, auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützte (Individual)Antrag ist auf die Aufhebung des §92 Abs1 Wiener Gemeindewahlordnung 1996 - GWO, LGBl. 1996/16 idF 1996/31, als verfassungswidrig, eventualiter auf die Aufhebung des Art56 Abs2 bis 4 sowie des Art96 Abs3 B-VG als "baugesetzwidrig" gerichtet.
1.2.1. Die Bezirkswahlbehörde für den 22. Wiener Gemeindebezirk machte am 27.4.1999 folgende Verlautbarung kund:
"Gemäß §92 Abs1 der Wiener Gemeindewahlordnung 1996 wird Herrn W P nach seinem am 19. April 1999 erfolgten Ausscheiden aus der Wiener Landesregierung das auf Grund des Ergebnisses der Gemeinderatswahl am 13. Oktober 1996 zugewiesene Grundmandat im Wahlkreis Donaustadt erneut zugewiesen."
1.2.2. Mit Schreiben dieser Bezirkswahlbehörde vom selben Tag wurde dem Einschreiter mitgeteilt,
"dass Herrn W P nach seinem Ausscheiden aus der Wiener Landesregierung das ihm auf Grund des Ergebnisses der Gemeinderatswahl vom 13. Oktober 1996 zugewiesene Grundmandat im Wahlkreis Donaustadt am 27. April 1999 erneut zugewiesen wurde und (er) dadurch gemäß §92 Abs1 der Wiener Gemeindewahlordnung 1996 wieder Ersatzbewerber auf dem Kreiswahlvorschlag der FPÖ Donaustadt (sei) ...".
2.1. Abs1 des mit "Ersatzbewerber, Ergänzungsvorschläge" überschriebenen §92 GWO hat folgenden Wortlaut:
"(1) Wahlwerber, die nicht gewählt wurden oder eine auf sie gefallene Wahl nicht angenommen haben, sowie solche, die ihr Mandat angenommen, aber in der Folge zurückgelegt haben, bleiben Ersatzbewerber, solange sie nicht ausdrücklich ihre Streichung aus der Liste der Ersatzbewerber verlangt haben. Für Wahlwerber, die aus Anlaß ihrer Wahl in den Stadtsenat (die Landesregierung) auf ihr Gemeinderats(Landtags-)mandat verzichtet haben, ist ein nicht gewählter Bewerber aus der jeweiligen Parteiliste zur Ausübung dieses Mandates zu berufen. Solche Wahlwerber erhalten nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt von der zuständigen Wahlbehörde das Mandat erneut zugewiesen, wenn sie nicht gegenüber dieser Wahlbehörde binnen acht Tagen auf die Wiederausübung des Mandates verzichten. Dadurch wird jener Wahlwerber, der das Mandat des vorübergehend Ausgeschiedenen ausübt - sofern aber ein anderer als Wahlwerber aus der jeweiligen Parteiliste vor seiner Berufung gegenüber der zuständigen Wahlbehörde erklärt hat, das Mandat für den vorübergehend Ausgeschiedenen ausüben zu wollen, dann dieser -, wieder zum Ersatzbewerber der jeweiligen Parteiliste, solange er nicht ausdrücklich seine Streichung aus dieser verlangt hat. Liegen mehrere derartige Erklärungen vor, gilt die Erklärung desjenigen, der diese zuletzt abgegeben hat."
2.2. Zur Frage der Antragslegitimation führt der Einschreiter in seiner Eingabe an den Verfassungsgerichtshof ua. Folgendes aus:
"Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind Individualanträge auf Aufhebung von Gesetzesbestimmungen dann zulässig wenn: a) ein Eingriff in die Rechtssphäre besteht, b) der Eingriff unmittelbar ist und c) ein anderer Weg 'unzumutbar' ist.
Das vorliegende Gesetz greift unmittelbar in die verfassungsrechtlich geschützte Rechtssphäre des Beschwerdeführers ein, wie noch zu zeigen sein wird.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 3169, 3426, 6106, 8385, 13.060) sind von Verfassungs wegen sowohl das aktive als auch das passive Recht verfassungsgesetzlich gewährleistet (so unter anderem auch Mayer, B-VG, 1994, Anmerkungen III.1 und III.2 zu Art27 B-VG).
§92 Abs1 GWO greift nunmehr unmittelbar in diese geschützte Rechtssphäre des Antragstellers ein: Sein passives Wahlrecht, das heißt, das Recht, gewählt zu werden, und das Recht, das erworbene Amt während der ganzen Wahlperiode auszuüben, wird unmittelbar durch das Gesetz verletzt.
Auch die Unmittelbarkeit des Eingriffes ist gegeben: Art und Ausmaß des Eingriffes sind durch die angefochtene Norm eindeutig bestimmt (VfSlg. 12.331), nämlich hier dadurch, daß durch die 'Zurückreihung' des Antragstellers er in seinem Recht, das Mandat, in das er gewählt und berufen wurde, während der gesamten Wahlperiode auszuüben, verletzt wurde.
Ein anderer Weg ist unzumutbar, weil die betroffene Norm für den Antragsteller direkt wirksam geworden ist. Die Rechtsordnung stellt überdies keinen anderen Weg zur Verfügung, die Rechtsverletzung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Wenngleich der Individualantrag also als subsidiär gilt (VfSlg. 11.114, 11.372, 11.479, 11.480, 11.481, V/91), ist im vorliegenden Falle eine Konstellation gegeben, die einen Individualantrag nach Art140 Abs1 B-VG rechtfertigt."
2.3.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
2.3.2. Nach §62 Abs1 VerfGG muss der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, begehren, dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen.
2.4. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert, nicht zu untersuchen ist hingegen, ob das Gesetz für den Antragsteller sonstige Wirkungen hat. Es kommt nämlich im gegebenen Zusammenhang lediglich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht die bekämpfte Rechtsvorschrift seine Rechtssphäre berührt und diese - im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit - verletzt (vgl. zB. VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985).
2.5. Nach dem Vorbringen des Einschreiters werde "sein passives Wahlrecht, d.h., das Recht, gewählt zu werden, und das Recht, das erworbene Amt während der ganzen Wahlperiode auszuüben, unmittelbar durch das Gesetz (§92 Abs1 GWO) verletzt."
Der vorliegende Individualantrag scheitert schon an der in Art140 Abs1 letzter Satz B-VG iVm §62 Abs1 VerfGG geregelten Prozessvoraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit des Antragstellers in seiner - im Antrag näher umschriebenen - Rechtssphäre durch die als verfassungswidrig erachtete Norm. Die zur Aufhebung begehrte, oben unter Pkt. 2.1. im Wortlaut wiedergegebene Bestimmung des §92 Abs1 GWO enthält nämlich mehrere, voneinander trennbare Tatbestände unterschiedlichen Inhaltes. Es ist aber von vornherein völlig ausgeschlossen, dass der Antragsteller von all diesen Tatbeständen zugleich in der von ihm behaupteten Weise (s. dazu Pkt. 2.2.) betroffen ist; dies wäre - wie beizufügen bleibt - allenfalls bei Teilen des dritten und vierten Satzes der genannten Bestimmung der Fall. Damit erweist sich aber der den gesamten §92 Abs1 GWO umfassende Antrag als überschießend und - allein schon aus diesem Grund - zur Gänze unzulässig (vgl. VfSlg. 11.345/1988, 11.610/1988, 14.967/1997).
2.6. Der Gesetzesprüfungsantrag war daher schon aus diesen Gründen als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass auf das weitere Vorbringen eingegangen werden konnte.
2.7. Bei diesem Ergebnis war auch auf den nur für den Fall gestellten Eventualantrag, dass der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangen sollte, die angefochtene Bestimmung des §92 Abs1 GWO wäre "bundes-verfassungsrechtlich gedeckt", nicht mehr einzugehen.
3. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
Wahlen, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:G83.1999Dokumentnummer
JFT_09999074_99G00083_00