TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/17 2003/06/0003

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Veröffentlicht am 17.02.2004
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Index

27/01 Rechtsanwälte;

Norm

RAO 1868 §10 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs1;
RAO 1868 §45 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des R M in B, vertreten durch Mag. Maximilian Gutschreiter, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Hauptplatz 21, gegen den Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 31. Juli 2002, Zl. VsL 154/02, betreffend Antrag auf Umbestellung des Verfahrenshelfers, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 330,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 14. Mai 2002 wurde Rechtsanwalt Dr. T. zum Verteidiger des Beschwerdeführers gemäß § 41 Abs. 2 StPO in einem näher bezeichneten Strafverfahren beim Bezirksgericht L. bestellt.

Mit Schreiben vom 17. Juni 2002 erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Er brachte vor, die Rechtsanwaltskanzlei Dr. P. und Dr. T. habe ihm mitgeteilt, dass einer der beiden Rechtsanwälte zu seinem Verfahrenshelfer in der Strafsache beim Bezirksgericht L. bestellt worden sei. Diese Rechtsanwaltskanzlei sei in einem näher bezeichneten Zivil- bzw. Exekutionsverfahren als Klagevertreter bzw. Betreibendenvertreter gegen seine Mutter eingeschritten. Er habe in diesem Verfahren seine Mutter vertreten und "es kam in diesem Verfahren zu einigen Auseinandersetzungen, dass sogar die klagende Partei einschritt und wir diese Angelegenheit ohne die Rechtsanwaltskanzlei bereinigen konnten". Für ihn sei eine Verteidigung durch einen der beiden Rechtsanwälte völlig ausgeschlossen.

Der beigegebene Verfahrenshelfer Dr. T. teilte der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer mit, der Beschwerdeführer sei ihm unbekannt, insbesondere habe er noch nie gegen ihn vertreten. Auch sein Kanzleikollege Dr. P. habe bis heute mit ihm nichts zu tun gehabt. Es sei richtig, dass Dr. P. im Jahr 1998 als Vertreter einer näher bezeichneten Bank gegen die Mutter des Beschwerdeführers einen Zahlungsbefehl erwirkt und in der Folge Exekution geführt habe. Diese sei in dem genannten Verfahren jedoch unvertreten gewesen. Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. P. und Dr. T. hätte bisher mit dem Beschwerdeführer nichts zu tun gehabt. Er habe grundsätzlich nichts dagegen, dass für den Beschwerdeführer ein anderer Kollege zum Verfahrenshelfer bestellt werde, allerdings sei für ihn ein sachlicher Grund für eine Umbestellung nicht erkennbar.

Mit Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 31. Juli 2002 wurde der Vorstellung keine Folge gegeben und im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer und deren Ausschuss sei ein bestellter Rechtsanwalt zu entheben und ein anderer zu bestellen, wenn dies wegen einer drohenden Pflichtenkollision (z.B. Gefahr der Doppelvertretung, Verwandtschaft mit dem Prozessgegner) oder wegen einer plötzlichen Erkrankung erforderlich erscheine. Der bestellte Verteidiger Rechtsanwalt Dr. T. habe jedoch in seiner Stellungnahme keine wie immer geartete Befangenheit gesehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 41 Abs. 2 StPO 1975, BGBl. 1975/531, idF BGBl. I Nr. 55/1999 lautet:

"Ist der Beschuldigte (Angeklagte, Betroffene) außer Stande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht oder nur zum Teil (§ 393 Abs. 1a) zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist (Verfahrenshilfeverteidiger). Die Beigebung eines Verteidigers ist in diesem Sinn jedenfalls erforderlich:

...

4.

zur Ausführung angemeldeter Rechtsmittel,

5.

für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über ein Rechtsmittel,

..."

Nach § 45 Abs. 1 RAO idF der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1997 - WGN 1997, BGBl. I Nr. 140/1997, hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwaltes durch die Rechtsanwaltskammer, wenn das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwaltes beschlossen hat oder die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung ausschließt.

§ 45 Abs. 4 erster Satz RAO lautet:

"Kann der bestellte Rechtsanwalt die Vertretung oder Verteidigung aus einem der in § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz angeführten Gründe oder wegen Befangenheit nicht übernehmen oder weiterführen, so ist er auf seinen Antrag, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen zu entheben und ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen."

§ 10 Abs. 1 RAO lautet:

"Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, die Vertretung einer Partei zu übernehmen, und kann dieselbe ohne Angabe der Gründe ablehnen; allein er ist verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Erteilung eines Rates abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat oder in solchen Angelegenheiten früher als Richter oder als Staatsanwalt tätig war. Ebenso darf er nicht beiden Teilen in dem nämlichen Rechtsstreit dienen oder Rat erteilen".

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, einen unvoreingenommenen und unbefangenen Verfahrenshelfer zugewiesen zu bekommen. Der bestellte Verfahrenshelfer sei als Rechtsvertreter einer näher bezeichneten Bank bereits gegen Verwandte des Beschwerdeführers vorgegangen; es lägen jedenfalls Gründe vor, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen und eine Pflichtenkollision zumindest befürchten zu lassen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keinen Umstand auf, der dem Tatbestand der Interessenkollision im Sinn des § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz oder zweiter Satz RAO subsumiert werden könnte. Denn zum einen behauptet er selbst nicht, dass durch die vom - beigegebenen - Verfahrenshelfer als Rechtsvertreter einer Bank vorgenommene Klags- und Exekutionsführung gegen seine Verwandten auch ein Vertretungsverhältnis zu Personen oder Unternehmen begründet worden wäre, die (in welcher Form auch immer) im zu Grunde liegenden Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer beim Bezirksgericht L. involviert sind. Zum anderen liegen auch nach dem Beschwerdevorbringen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass durch die beschriebene Klags- und Exekutionsführung durch den beigegebenen Verfahrenshelfer dieser eine Tätigkeit mit Bezug auf den "Rechtsstreit" im Sinne des § 10 Abs. 1 zweiter Satz RAO entfaltet hat, für den dieser als Verfahrenshelfer bestellt wurde.

Soweit der Beschwerdeführer aber erkennbar geltend macht, das "Vorgehen gegen Verwandte" begründe einen Befangenheitsgrund im Sinne des § 45 Abs. 4 RAO, ist zunächst auszuführen, dass dem Befangenheitsbegriff des § 45 Abs. 4 RAO das Element der Hemmung des pflichtgemäßen (sachlichen) Handelns durch sachfremde Motive zu Grunde liegt. Die Regelung des § 45 Abs. 1 und 4 RAO soll gewährleisten, dass der bestellte Rechtsanwalt an der Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber dem Vertretenen - insbesondere der Pflicht, die Rechte der Partei mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten - nicht durch sachfremde Motive gehemmt sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2001, Zl. 98/10/0302).

Davon ausgehend wird allerdings durch den Hinweis auf das Vorgehen des Verfahrenshelfers gegen Verwandte des Beschwerdeführers kein Umstand dargetan, der auf eine Befangenheit des beigegebenen Verfahrenshelfers schließen ließe. Um die Möglichkeit aufzuzeigen, der Verfahrenshelfer sei aus sachfremden Motiven an der pflichtgemäßen (sachlichen) Ausübung gehindert, hätte der Beschwerdeführer vielmehr konkrete Sachverhaltsbehauptungen aufstellen müssen, die die Befürchtung nachvollziehbar erscheinen lassen, der Verfahrenshelfer sei dadurch in seinem pflichtgemäßen Handeln gehemmt. Dieser Anforderung wird aber durch die wiedergegebene Behauptung nicht entsprochen.

Der Umstand, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung nicht auf § 45 Abs. 4 RAO, sondern auf die dieser Bestimmung entsprechende Ausführungsregelung des § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung für die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer gestützt hat, verletzte den Beschwerdeführer nicht in Rechten.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet; sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003060003.X00

Im RIS seit

23.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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