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58 Berg- und EnergierechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / PrüfungsgegenstandLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde gegen die der beteiligten Partei erteilte Bewilligung zur Vornahme von Vorarbeiten für die Errichtung einer elektrischen Leitungsanlage nach dem StarkstromwegeG 1968 mangels Bescheidqualität des angefochtenen Verwaltungsaktes; Wirkung der Bewilligung gegenüber den zur Duldung der Vorarbeiten verpflichteten Grundeigentümern als VerordnungSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit einem als "Bescheid" bezeichneten Verwaltungsakt vom 20. Jänner 1999 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG (im Folgenden: Verbund) "für die Dauer von 12 Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides gemäß §5 des Bundesgesetzes vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (Starkstromwegegesetz 1968), BGBl. Nr. 70 (in der Folge kurz StWG genannt) das Recht", zur Vornahme von Vorarbeiten (Vermessungsarbeiten, Bodenproben, etc.) für die Errichtung der genannten elektrischen Leitungsanlage im Bereich der Gemeinden Koppl und Hof bei Salzburg zwischen dem Abstieg in der Gaisbergau und Willischwand-Poschenstein (südlich und östlich der eingereichten Trasse) fremde Grundstücke in Anspruch zu nehmen. Diese Bewilligung wurde u.a. der Gemeinde Koppl mit dem Ersuchen um ortsübliche Kundmachung übermittelt.
2. Gegen die Bewilligung wendet sich die vorliegende Beschwerde, die von der Gemeinde Koppl als betroffene Grundeigentümerin und einem weiteren durch die Vornahme von Vorarbeiten beeinträchtigten Grundeigentümer erhoben wird. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZP EMRK) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§5 Starkstromwegegesetz 1968) in ihren Rechten verletzt und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des "Bescheids".
3. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Partei Verbund erstattete eine Äußerung, in der sie ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik und hielten ihre Beschwerdeanträge aufrecht.
II. Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Gemäß Art144 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, "soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet" (vgl. VfSlg. 9873/1983).
Es war daher zunächst zu prüfen, ob dem bekämpften Verwaltungsakt Bescheidcharakter zukommt.
2. §5 Starkstromwegegesetz 1968, BGBl. Nr. 70, lautet:
"§5. Vorarbeiten
(1) Auf Ansuchen ist für eine von der Behörde festzusetzende Frist die Inanspruchnahme fremden Gutes zur Vornahme von Vorarbeiten für die Errichtung einer elektrischen Leitungsanlage durch Bescheid der Behörde unter Berücksichtigung etwaiger Belange der Landesverteidigung zu bewilligen. Diese Frist kann verlängert werden, wenn die Vorbereitung des Bauentwurfes dies erfordert und vor Ablauf der Frist darum angesucht wird.
(2) Diese Bewilligung gibt das Recht, fremde Grundstücke zu betreten und auf ihnen die zur Vorbereitung des Bauentwurfes erforderlichen Bodenuntersuchungen und sonstigen technischen Arbeiten mit tunlichster Schonung und Ermöglichung des bestimmungsgemäßen Gebrauches der betroffenen Grundstücke vorzunehmen.
(3) Die Bewilligung ist von der Behörde in der Gemeinde, in deren Bereich Vorarbeiten durchgeführt werden sollen, spätestens eine Woche vor Aufnahme der Vorarbeiten durch Anschlag kundzumachen. Eine Übersichtskarte mit der vorläufig beabsichtigten Trassenführung ist zur allgemeinen Einsichtnahme im Gemeindeamt aufzulegen.
(4) Der zur Vornahme von Vorarbeiten Berechtigte hat den Grundstückseigentümer und die an den Grundstücken dinglich Berechtigten für alle mit den Vorarbeiten unmittelbar verbundenen Beschränkungen ihrer zum Zeitpunkt der Bewilligung ausgeübten Rechte angemessen zu entschädigen. Für das Verfahren gilt §20 lita bis d sinngemäß."
3. Im Erkenntnis G427/97 vom 24. Juni 1999 hat der Verfassungsgerichtshof den Antrag der Steiermärkischen Landesregierung u.a. §5 leg. cit. als verfassungswidrig aufzuheben, mit folgender Begründung abgewiesen:
"(...) Wenn die Antragstellerin weiters die Verfassungswidrigkeit des §5 Starkstromwegegesetz 1968 mit dem Argument behauptet, es sei unsachlich, den Grundstückseigentümern im Verfahren zur Erlassung des Bewilligungsbescheides keine Möglichkeit einzuräumen, die öffentlichen Interessen und die Notwendigkeit eines Eingriffs in Frage zu stellen und sie erst bei der Festlegung der Höhe der Entschädigung einzubinden, so ist ihr folgendes zu entgegnen:
Entgegen der Behauptung der antragstellenden Landesregierung nimmt der Gesetzgeber auch im Verfahren zur Bewilligung von Vorarbeiten auf die Interessen des Grundstückseigentümers Bedacht, wenn er im §5 Abs2 leg. cit. anordnet, daß die zur Vorbereitung des Bauentwurfes erforderlichen Bodenuntersuchungen und sonstigen technischen Arbeiten 'mit tunlichster Schonung und Ermöglichung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der betroffenen Grundstücke vorzunehmen' sind. Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, daß die Behörde bei Erteilung der Bewilligung von Vorarbeiten verpflichtet ist, auf die schutzwürdigen Interessen der Grundeigentümer Bedacht zu nehmen. Dazu kommt, daß gemäß §5 Abs4 leg. cit. der zur Vornahme von Vorarbeiten Berechtigte den Grundstückseigentümer und die an den Grundstücken dinglich Berechtigten für alle mit den Vorarbeiten unmittelbar verbundenen Beschränkungen ihrer zum Zeitpunkt der Bewilligung ausgeübten Rechte angemessen zu entschädigen hat.
Soweit die Bewilligung von Vorarbeiten in die Rechtsposition des von den Vorarbeiten betroffenen Grundeigentümers eingreift, steht er diesen Eingriffen, entgegen der Behauptungen der antragstellenden Landesregierung, jedoch nicht schutzlos gegenüber:
Adressat des Bescheides, mit dem gemäß §5 Starkstromwegegesetz die Inanspruchnahme fremden Grundes zur Vornahme von Vorarbeiten für die Errichtung einer elektrischen Leitungsanlage bewilligt wird, ist der zur Vornahme der Vorarbeiten Berechtigte und nicht auch der betroffene Grundeigentümer. Aus der Berechtigung des Bescheidadressaten folgt aber die Verpflichtung eines Personenkreises, die Vornahme von Vorarbeiten auf ihrem Grundstück zu dulden, wobei dieser Kreis der Verpflichtungen in dem gemäß §5 Abs3 leg. cit. durch Anschlag kundzumachenden Bewilligungsbescheid nicht individuell bestimmt ist. Die Bewilligung wirkt daher gegenüber den zur Duldung der Vorarbeiten verpflichteten Grundeigentümern als Verordnung (vgl. VwGH vom 23.4.1996, 94/05/0021). Gegen einen unmittelbar durch eine Verordnung bewirkten Eingriff in ihre Rechte können sich die betroffenen Grundeigentümer mit einem Antrag beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG direkt zur Wehr setzen. In einem derartigen Verfahren können die Grundeigentümer Fragen sowohl des öffentlichen Interesses an den Vorarbeiten für die Errichtung der elektrischen Leitungsanlage als auch des Umfangs der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke an den Verfassungsgerichtshof herantragen. (...)"
Daraus ergibt sich, dass der angefochtene Verwaltungsakt zwar für die beteiligte Partei "Verbund" als Bescheid wirkt, nicht aber für die beschwerdeführenden Parteien, die dadurch zur Duldung der Vornahme von Vorarbeiten auf ihren Grundstücken verpflichtet werden. Wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. April 1996, 94/05/0021, zutreffend ausgeführt hat, wirkt die Bewilligung gegenüber den zur Duldung der Vorarbeiten verpflichteten Grundeigentümern als Verordnung.
Die Beschwerde war daher mangels Bescheidqualität des angefochtenen Verwaltungsaktes zurückzuweisen. Die vorliegende Eingabe konnte auch nicht als Antrag gemäß Art139 B-VG gewertet werden.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Auslegung eines Antrages, Bescheidbegriff, Energierecht, Elektrizitätswesen, VerordnungsbegriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B398.1999Dokumentnummer
JFT_09999074_99B00398_00