TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/18 2002/08/0025

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Veröffentlicht am 18.02.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der S in D, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Dr. Waibelstraße 10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 12. Juni 2001, Zl. LGSV/3/1216/2001, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 21. Dezember 2000 einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe. Darin gab sie an, mit ihrem Lebensgefährten J.B. im gemeinsamen Haushalt zu wohnen.

Niederschriftlich erklärte die Beschwerdeführerin vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 4. Jänner 2001, mit J.B. in derselben Wohnung zu leben. J.B. bezahle die Miete. Der Beschwerdeführerin entstünden dadurch keine Kosten. Sie müsse für die Betreuung des gemeinsamen Kindes sowie die Bekleidung und die Lebensmittel für das Kind und für sich selbst aufkommen. Von J.B. erhalte sie nur die Alimente für das gemeinsame Kind. Versicherungen würden getrennt bezahlt. Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände würden nur von J.B. gekauft und bezahlt. Der Beschwerdeführerin entstünden dadurch keine Kosten. J.B. wolle die Lohnbescheinigung nicht ausfüllen lassen, weil er meine, es gehe die Beschwerdeführerin nichts an, was er verdiene.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2001, adressiert ausschließlich an die Beschwerdeführerin, dem Inhalt nach an die Beschwerdeführerin und J.B. gerichtet, lud die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Beschwerdeführerin und J.B. zwecks Aufnahme einer Niederschrift vor.

Laut Aktenvermerk vom 23. Februar 2001 sei "der Lebenspartner" nicht bereit, beim Arbeitsmarktservice vorzusprechen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 23. Februar 2001 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Dezember 2000 auf Zuerkennung von Notstandshilfe gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen. Auf Grund der dagegen eingebrachten Berufung behob die belangte Behörde diesen Bescheid mit Berufungsbescheid vom 7. März 2001 ersatzlos, da kein zu behebender Mangel des Antrages festgestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin sei nur ersucht worden, mit ihrem Lebensgefährten zwecks Aufnahme einer Niederschrift vorzusprechen.

Mit Schreiben der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 15. März 2001 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, bis 27. März 2001 eine Lohnbescheinigung von J.B. vorzulegen, ansonsten ihr Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe zurückgewiesen werde.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 9. Mai 2001 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Dezember 2000 auf Zuerkennung von Notstandshilfe gemäß § 13 Abs. 3 AVG neuerlich zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, da die Beschwerdeführerin die erforderliche Lohnbescheinigung binnen der behördlich festgesetzten Frist nicht vorgelegt habe, weise ihr Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe einen nicht verbesserten Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG auf.

Auf Grund der Berufung der Beschwerdeführerin änderte die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 9. Mai 2001 dahingehend ab, dass der Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe vom 21. Dezember 2000 gemäß § 36c Abs. 6 AlVG abgewiesen wird. Nach der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens sowie von Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde in der Begründung im Wesentlichen aus, da sich der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin geweigert habe, Einkommensnachweise vorzulegen, und somit seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nicht nachgekommen sei, bestehe gemäß § 36c Abs. 6 AlVG kein Anspruch auf Zuerkennung von Notstandshilfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Behörde erster Instanz hat den Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Dezember 2000 auf Zuerkennung von Notstandshilfe gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen. Gegenstand des Berufungsverfahrens und der Berufungsentscheidung konnte daher nur die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung sein. Die belangte Behörde hat jedoch über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Dezember 2000 inhaltlich entschieden und diesen gemäß § 36c Abs. 6 AlVG abgewiesen. Damit hat sie gegen § 66 Abs. 4 AVG verstoßen, auf Grund dessen "Sache" des Berufungsverfahrens bei nur prozessualen Entscheidungen der Unterbehörde ebenfalls nur die jeweilige verfahrensrechtliche Frage ist (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seiten 891 f, unter E 70 ff zitierte hg. Rechtsprechung).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass Normadressaten des § 36c AlVG neben dem Arbeitslosen alle Personen sind, deren Einkommen oder Umsatz zu Feststellungen des Anspruches auf Leistungen nach dem AlVG heranzuziehen ist. § 36c Abs. 3 AlVG sieht vor, dass im Wege des Vollstreckungsverfahrens nach entsprechender bescheidmäßiger Verpflichtung die Vorlage von Unterlagen durch diese Personen erzwungen werden kann. Darüber hinaus besteht auf Grund des § 36c Abs. 4 AlVG die Verpflichtung der Behörden, gegebenenfalls mit den zuständigen Abgabenbehörden zur Feststellung der für die Abgabenfestsetzung bedeutsamen Daten Kontakt aufzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 96/08/0075). Zur von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Frage der Zulässigkeit der Anrechnung des Einkommens des Lebensgefährten in gemeinschafts- und verfassungsrechtlicher Hinsicht wird schließlich auf das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2004, Zl. 2002/08/0038, hingewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da diese in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist. Die Umrechnung der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 18. Februar 2004

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002080025.X00

Im RIS seit

31.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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