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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des K in I, vertreten durch Dr. Herwig Fuchs, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 19, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Innsbruck vom 25. September 2003, Zl. Jv 20- Vk/03, betreffend Ausgang (weitere Partei: Bundesminister für Justiz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage befindet sich der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, aufgrund einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten bis (voraussichtlich) 23. Mai 2004 in der Justizanstalt Innsbruck in Strafhaft. Gegen den Beschwerdeführer wurde von der Bundespolizeidirektion Innsbruck zunächst mit Bescheid vom 7. Mai 2003 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und in der Folge mit Bescheid vom 6. Juni 2003 "mit sofortiger Wirkung ab Ende der Gerichtshaft die Festnahme und Anhaltung (Schubhaft) zur Sicherung der Abschiebung" angeordnet. Diese Entscheidungen blieben vom Beschwerdeführer unbekämpft.
Am 26. Juli 2003 stellte der Beschwerdeführer ein Ansuchen auf Gewährung eines Ausganges im Ausmaß von 48 Stunden (von 1. August 2003/9.00 Uhr bis 3. August 2003/9.00 Uhr), das unter anderem mit der Aufrechterhaltung familiärer Beziehungen und mit der Vorsprache beim Arbeitsmarktservice und bei seinem Rechtsvertreter begründet wurde.
Die dieses Ansuchen nicht bewilligende Entscheidung des Anstaltsleiters vom 31. Juli 2003 wurde (nach dem Inhalt der Beurkundung ihrer mündlichen Verkündung) nur mit dem Hinweis auf den erwähnten Bescheid über die Anordnung der Schubhaft begründet.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine Administrativbeschwerde, in der er insbesondere die Anhaltung im sogenannten gelockerten Vollzug behauptete, in dessen Rahmen ihm bereits dreimal ein Ausgang bewilligt worden sei. Darüber hinaus verwies er auf positive Äußerungen des Anstaltsleiters, der ihm eine tadellose Führung bescheinige und ihm auch einen Missbrauch des Ausganges nicht "zumute". Schließlich stellte der Beschwerdeführer kurz seine persönlichen und familiären Verhältnisse dar und hob abschließend sein Anliegen hervor, "einmal im Monat bei seiner Familie sein zu dürfen".
Dieser Beschwerde wurde von der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Innsbruck (belangte Behörde) nach Einholung einer Stellungnahme des Anstaltsleiters und Anhörung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Die Begründung dieser Entscheidung lautet in ihren wesentlichen Teilen:
"Die Justizanstalt Innsbruck hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer bereits drei Ausgänge gemäß § 99a StVG bzw. § 126 Abs. 2 Z 4 StVG bewilligt worden seien, von denen (er) ordnungsgemäß und pünktlich zurückgekehrt sei.
Der neue Ausgang sei nur deshalb abgelehnt worden, weil die Bundespolizeidirektion Innsbruck mit Bescheid vom 6.6.2003 die Schubhaft über den Strafgefangenen angeordnet habe.
Die Vollzugskammer kommt nach Anhörung des Beschwerdeführers zu der Beurteilung, dass diesem aufgrund des Schubhaftbescheides der Bundespolizeidirektion Innsbruck kein Ausgang gewährt werden kann. In diesem Bescheid ist nämlich 'mit sofortiger Wirkung ab Ende der Gerichtshaft die Festnahme und Anhaltung (Schubhaft)' des Beschwerdeführers zur Sicherung der Abschiebung angeordnet worden. Ein Ausgang begründet zwar nicht ein Ende der Gerichtshaft im Sinne des Bescheides, doch steht der Sicherungszweck der von der Bundespolizeidirektion Innsbruck angeordneten Schubhaft einem solchen entgegen. Inhalt und Zweck der Schubhaftanordnung sind nämlich darauf ausgerichtet, den Strafgefangenen - auch nicht vorübergehend im Rahmen eines Ausganges - in die Freiheit zu entlassen, da in diesem Fall keine Sicherheit gegeben wäre, dass die Abschiebung tatsächlich durchgeführt werden könnte.
Der Beschwerde konnte daher keine Folge gegeben werden."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der (das Rechtsmittelverfahren betreffenden) Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
§99a StVG und die darin erwähnten § 99 Abs 1 bis 4 und § 93 Abs. 2 StVG lauten:
"Ausgang
§ 99a. (1) Einem im Sinne des § 99 Abs. 1 nicht besonders gefährlichen Strafgefangenen ist auf sein Ansuchen höchstens zweimal im Vierteljahr zu gestatten, die Anstalt in der Dauer von höchstens zwölf Stunden am Tag zu verlassen, wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt und der Strafgefangene den Ausgang zu einem der im § 93 Abs. 2 genannten Zwecke benötigt. Soweit es nach dem Zweck des Ausganges unter Bedachtnahme auf allfällige Reisebewegungen notwendig erscheint, darf die Dauer der Abwesenheit bis zu 48 Stunden betragen.
(2) § 99 Abs. 1 zweiter und dritter Satz sowie Abs. 2 bis 4 gilt dem Sinne nach.
(3) Die Entscheidung über den Ausgang und über den Widerruf steht dem Anstaltsleiter zu.
(4) Die Entscheidung über die Nichteinrechnung der Zeit des Ausganges oder der außerhalb der Strafe verbrachten Zeit in die Strafzeit (§ 99 Abs. 4) steht dem Vollzugsgericht zu (§ 16 Abs. 2 Z 3a).
Unterbrechung der Freiheitsstrafe
§ 99. (1) Ist ein Strafgefangener nach der Art und dem Beweggrund der strafbaren Handlung, derentwegen er verurteilt worden ist, sowie nach seinem Lebenswandel vor der Anhaltung und seiner Aufführung während dieser weder für die Sicherheit des Staates, noch für die der Person oder des Eigentums besonders gefährlich, so ist ihm auf seinen Antrag eine Unterbrechung der Freiheitsstrafe in der Dauer von höchstens acht Tagen zu gewähren,
1. wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt und der Strafgefangene die Unterbrechung benötigt, um im Inland
a) einen Angehörigen oder einen anderen ihm besonders nahestehenden Menschen, der lebensgefährlich erkrankt oder verletzt ist, aufzusuchen,
b)
an dem Begräbnis einer dieser Personen teilzunehmen oder
c)
wichtige Familienangelegenheiten im Zusammenhang mit einem der in den lit. a und b angeführten Anlässe oder mit der Ehescheidung eines Angehörigen oder unaufschiebbare persönliche Angelegenheiten zu ordnen;
2. wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt und die Unterbrechung für den Wirtschaftsbetrieb, in dem der Strafgefangene tätig war, notwendig erscheint. Die Unterbrechung darf nur gewährt werden, wenn eine Unterkunft und der Unterhalt des Strafgefangenen für die Zeit der Unterbrechung gesichert sind. Von der Bewilligung einer Unterbrechung ist die Sicherheitsbehörde des für die Zeit der Unterbrechung in Aussicht genommenen Aufenthaltsortes des Strafgefangenen zu verständigen.
(2) Die Unterbrechung ist zu widerrufen, wenn der Verurteilte versucht, sich dem weiteren Strafvollzug zu entziehen, wenn begründete Besorgnis besteht, dass er dies versuchen werde, oder wenn der dringende Verdacht besteht, dass er aufs neue eine gerichtlich strafbare Handlung begangen habe oder begehen werde.
(3) Der Verurteilte hat die Strafe spätestens mit Ablauf des Zeitraumes, für den die Unterbrechung bewilligt worden ist, wieder anzutreten. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so hat der Anstaltsleiter die Vorführung zu veranlassen.
(4) Die Zeit der Unterbrechung ist in die Strafzeit einzurechnen. Wird jedoch die Unterbrechung widerrufen oder tritt der Verurteilte die Strafe nicht rechtzeitig wieder an, so ist die außerhalb der Strafhaft verbrachte Zeit in die Strafzeit nicht einzurechnen.
Besuche
§ 93.
(2) Zur Regelung wichtiger persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Angelegenheiten, die weder schriftlich erledigt noch bis zur Entlassung aufgeschoben werden können, sowie zur Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen ist den Strafgefangenen in geeigneten Räumlichkeiten Gelegenheit zum Empfang von Besuchen in hiefür angemessener Häufigkeit und Dauer, erforderlichenfalls auch außerhalb der Besuchszeiten, zu geben. Auf eine Überwachung solcher Besuche kann, soweit keine Bedenken bestehen, verzichtet werden."
§ 126 Abs. 1 und 2 StVG lautet:
"Strafvollzug in gelockerter Form
§ 126. (1) Strafgefangene, an denen zeitliche Freiheitsstrafen vollzogen werden, sind im Strafvollzug in gelockerter Form anzuhalten, soweit Einrichtungen für einen solchen Vollzug bestehen, diese Einrichtungen dadurch am besten genützt werden und zu erwarten ist, dass die Strafgefangenen die Lockerungen nicht missbrauchen werden.
(2) Im Strafvollzug in gelockerter Form sind den Strafgefangenen eine oder mehrere der folgenden Lockerungen zu gewähren:
1. Anhaltung ohne Verschließung der Aufenthaltsräume oder auch der Tore am Tage;
2. Beschränkung oder Entfall der Bewachung bei der Arbeit, auch außerhalb der Anstalt;
3. Verlassen der Anstalt zum Zweck der Berufsausbildung und - fortbildung oder der Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsmaßnahmen;
4. ein oder zwei Ausgänge im Sinne des § 99a im Monat auch zu anderen als den dort genannten Zwecken."
§ 153 StVG und der dort (unter anderem) erwähnte § 147 StVG lauten:
"Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn
Monate nicht übersteigt
Allgemeine Vorschrift
§ 153. Für den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, gelten die §§ 131 bis 133 und 147 bis 152 dem Sinne nach, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird.
Ausgang
§ 147. (1) Während des Entlassungsvollzuges sind einem Strafgefangenen auf sein Ansuchen zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit und zur Ordnung seiner Angelegenheiten ein oder mehrere Ausgänge im Inland in der Dauer von jeweils höchstens drei Tagen, bei längeren Reisewegen von jeweils höchstens fünf Tagen, zu gestatten, wenn nach seiner Person, seinem Vorleben und seiner Aufführung während der Anhaltung zu erwarten ist, dass er den Ausgang nicht missbrauchen werde, und wenn eine Unterkunft und der Unterhalt des Strafgefangenen für die Zeit des Ausganges gesichert sind. Von der Bewilligung eines Ausganges ist die Sicherheitsbehörde des für die Zeit des Ausganges in Aussicht genommenen Aufenthaltsortes des Strafgefangenen zu verständigen.
(2) § 99 Abs. 2 bis 4 gilt dem Sinne nach.
(3) Die Entscheidung über den Ausgang und über den Widerruf steht dem Anstaltsleiter zu.
(4) Die Entscheidung über die Nichteinrechnung der Zeit des Ausganges oder der außerhalb der Strafe verbrachten Zeit in die Strafzeit (§ 99 Abs. 4) steht dem Vollzugsgericht zu (§ 16 Abs. 2 Z 3a)."
Zunächst ist zu bemängeln, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides - entgegen dem gemäß § 11g Z 1 StVG auch für das gegenständliche Verfahren vor der belangten Behörde geltenden § 59 Abs. 1 AVG - die angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht angeführt wurden. Da von der belangten Behörde auch in der Begründung die für maßgeblich erachteten Rechtsgrundlagen nicht erwähnt wurden und sie auch nicht den Rechtsausführungen oder sonst den Verwaltungsakten entnommen werden können, bleibt - auch mangels Auseinandersetzung mit der Art des Vollzuges, in welcher der Beschwerdeführer angehalten wird - unklar, ob sich die angefochtene Entscheidung in materiellrechtlicher Hinsicht auf
§ 99a iVm § 99 StVG, auf § 126 Abs. 1 und 2 Z 4 StVG oder auf
§ 147 StVG (oder allenfalls auch auf andere Bestimmungen) stützt.
Die belangte Behörde, die - im Hinblick auf die im Ansuchen geltend gemachten Zwecke des Ausganges zu Recht - nicht den Standpunkt vertrat, das Begehren des Beschwerdeführers wäre nur auf den Zeitraum 1. bis 3. August 2003 fixiert (insoweit anders der dem hg. Beschluss vom 4. September 1996, Zl. 96/20/0389, zugrundeliegende Fall), begründete den angefochtenen Bescheid lediglich damit, dass der Sicherungszweck des die Schubhaft anordnenden Bescheides der Gewährung eines Ausganges entgegenstehe. Inhalt und Zweck der Schubhaft seien nämlich darauf ausgerichtet, den Strafgefangenen nicht in die Freiheit zu entlassen, weil dann keine Sicherheit gegeben wäre, dass die Abschiebung tatsächlich durchgeführt werden könnte.
Demnach geht die belangte Behörde erkennbar davon aus, in Fällen, in denen aufgrund eines entsprechenden Bescheides im unmittelbaren Anschluss an die Strafhaft zur Sicherung der Abschiebung die Vollziehung der Schubhaft erfolgen soll, sei die Bewilligung eines Ausganges generell unzulässig. Insoweit beruht der angefochtene Bescheid auf einer Verkennung der Rechtslage. Eine gesetzliche Grundlage für die Annahme der belangten Behörde - sie liefe darauf hinaus, der Strafhaft vorweg auch die Funktion der (erst für den Fall ihrer Beendigung angeordneten) Schubhaft zuzumessen - ist nämlich nicht erkennbar (vgl. demgegenüber für die anstelle der Untersuchungshaft vollzogene Strafhaft die Regelung des § 180 Abs. 4 StPO) und wird von der belangten Behörde auch nicht aufgezeigt. Auch der Gegenschrift ist eine Erläuterung dieses Standpunktes nicht zu entnehmen.
Die Überlegungen der belangten Behörde ließen sich aber auch dahin deuten, infolge der dem Beschwerdeführer nach Beendigung der Strafhaft drohenden Schubhaft und anschließenden Abschiebung wäre bei einer Bewilligung des Ausganges "keine Sicherheit gegeben", dass sich der Beschwerdeführer der weiteren Anhaltung und der Abschiebung nicht entziehen könnte. Für diese (sachverhaltsmäßige) Annahme bleibt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber eine nachvollziehbare Begründung schuldig. Der bloße Hinweis auf den Schubhaftbescheid genügt dafür nicht. Soweit die belangte Behörde auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers Bedacht nehmende Begründungselemente zur Rechtfertigung dieser Annahme in der Gegenschrift nachträgt, kann dies allerdings die mangelhafte Bescheidbegründung nicht (mehr) beseitigen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 140ff zu § 60 AVG, zitierte Rechtsprechung).
In diesem Zusammenhang ist klarstellend noch anzumerken, dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Strafgefangene im Rahmen des Ausganges versuchen werde, sich der weiteren Anhaltung zu entziehen, die Versagung des Ausganges rechtfertigen kann (unter Berufung auf die Zwecke des Vollzuges im Ergebnis ebenso Drexler, Kommentar zum StVG, Rz 1 letzter Satz zu § 99, 172; Rz 2 zweiter Satz zu § 99a, 175; Rz 1 und 2 zu § 126, 234f):
Das ergibt sich einerseits aus § 99a Abs. 1 iVm
§ 93 Abs. 2 StVG, wonach der Ausgang nur zu den dort genannten Zwecken zu bewilligen ist, und andererseits aus § 99a Abs 2 iVm
§ 99 Abs. 2 StVG, wonach der Ausgang beim Bestehen "begründeter Besorgnis", dass der Strafgefangene versuchen werde, sich dem weiteren Strafvollzug zu entziehen, zu widerrufen ist. Das muss aber auch schon der Bewilligung des Ausganges entgegen stehen, wenn ein derartiger Verdacht bereits vor dieser Entscheidung konkret besteht. Der Gesetzgeber hat zwar zu der dem § 99 StVG damals insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 54a VStG (in der RV zur Verwaltungsverfahrensnovelle 2001, 723 BlgNR 21. GP 12, abgedruckt bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1712f) folgende Auffassung vertreten:
"Eine systematische Interpretation dieser Bestimmung im Zusammenhang mit der Regelung des Abs. 4 über den Widerruf des Aufschubes oder der Vollstreckung führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis, als dass die Behörde über den Antrag zuerst positiv zu entscheiden hat und sodann - bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen - den betreffenden Bescheid zu widerrufen hat. Da dies in der Praxis zu unbefriedigenden Ergebnissen im Strafvollzug führen kann, hat die Strafvollzugsbehörde nach der vorgeschlagenen Änderung des § 54a Abs. 3 (VStG) den Antrag auf Aufschub bzw. Unterbrechung des Strafvollzuges abzuweisen, wenn die begründete Sorge besteht, dass sich der Bestrafte dem Strafvollzug durch Flucht entziehen werde."
Der Verwaltungsgerichtshof hält das erwähnte Auslegungsergebnis aber nicht für zwingend. In diesem Sinn hat auch Thienel (Die Verwaltungsverfahrensnovellen 2001, 69, FN 204) dieser Auslegung in den Gesetzesmaterialien zutreffend Folgendes entgegen gehalten:
"Da man dem Gesetzgeber eine solche sinnlose Regelung freilich schwerlich zusinnen kann, wäre es aber wohl naheliegender gewesen, wegen des systematischen Zusammenhanges anzunehmen, dass bei Vorliegen eines Widerrufsgrundes gar kein Anspruch auf Bewilligung des Aufschubes bestand."
Diesen Ausführungen überzeugen und treffen auch auf § 90 StVG zu. Diese Bestimmung ist daher - im Sinne des mit der genannten Novelle dem § 54a Abs. 3 VStG angefügten letzten Satzes - dahin zu verstehen, dass der Antrag (auf Unterbrechung des Strafvollzuges oder Gestattung eines Ausganges) abzuweisen ist, wenn die "begründete Sorge" besteht, dass sich der Strafgefangene dem weiteren Vollzug (durch Flucht oder "Untertauchen") entziehen werde, und die für diese Annahme maßgeblichen Umstände bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag vorliegen.
Im Übrigen setzt die Bewilligung eines Ausganges nach § 126 Abs. 2 Z 4 StVG nach dessen Abs. 1 - ebenso wie nach § 147 Abs. 1 StVG - ausdrücklich voraus, dass zu erwarten ist, der Strafgefangene werde den Ausgang "nicht missbrauchen". Bei konkreten Anhaltspunkten für die Gefahr eines Fluchtversuches käme somit auch nach diesen Bestimmungen eine Ausgangsbewilligung nicht in Betracht.
Der angefochtene Bescheid war aus den dargestellten Erwägungen wegen der (prävalierenden) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG; der Höhe nach erfolgte der Zuspruch für Schriftsatzaufwand im Umfang der Verzeichnung in der Beschwerde.
Wien, am 19. Februar 2004
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003200502.X00Im RIS seit
03.03.2004