TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/24 2002/01/0458

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Veröffentlicht am 24.02.2004
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1294;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des B in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. September 2002, Zl. Gem(Stb)-415776/11- 2002/Gru/Ha, betreffend amtswegige Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens und Abweisung des Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem 1968 im damaligen Jugoslawien geborenen Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. August 2002 gemäß § 11a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) mit Wirkung vom 26. August 2002 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 25. September 2002 hat die Oberösterreichische Landesregierung wie folgt entschieden:

"1. Das Verfahren, auf dessen Grundlage Herrn B, geb. 1968, mit Wirkung vom 26. August 2002 gemäß § 11a StbG 1985 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, wird gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) von Amts wegen mit der Wirkung wiederaufgenommen, dass es in den Stand vor Erlassung des Staatsbürgerschaftsbescheides vom 26. August 2002 zurückversetzt wird.

2. Der von Herrn B am 04.10.2001 gestellte Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wird gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 in Verbindung mit § 11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 124/1998, abgewiesen."

Die verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens (Spruchpunkt 1.) begründete die belangte Behörde wie folgt:

"Da der Bescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 26. August 2002 erlassen wurde, ist die amtswegige Wiederaufnahme zulässig.

Bei den die Wiederaufnahme rechtfertigenden Tatsachen muss es sich um solche handeln, die schon vor Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind.

Dies trifft zu, weil durch den Bescheid der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 23. Juli 2002, Zl. Stb- 079/02, das von der Bundespolizeidirektion Linz mit Bescheid vom 18.03.2002, Zl. Fr-82404, gegen Herrn B erlassene Aufenthaltsverbot für die Republik Österreich bestätigt und somit rechtskräftig wurde.

Dass die Behörde an der Nichterörterung der neu hervorgekommenen Tatsache, nämlich das rechtskräftige Aufenthaltsverbot, kein Verschulden trifft, liegt vor allem darin begründet, dass der Antragsteller sich in Kenntnis des bestehenden Aufenthaltsverbots von dieser Tatsache verschwiegen hat.

Die Behörde hätte in Kenntnis des rechtskräftigen Aufenthaltsverbots einen anders lautenden Bescheid schon wegen der sie treffenden Pflicht, die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 5 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 anzuwenden und die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu verweigern, erlassen.

Die entscheidungsrelevanten Tatbestandselemente sind im gegenständlichen Wiederaufnahmeverfahren verwirklicht.

Der Staatsbürgerschaftswerber gab am 25. September 2002 bei der Behörde an, dass es ihm sehr wohl bekannt gewesen sei, dass ein Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn anhängig gewesen sei. Er habe den Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion am 17. August 2002 bei der Post behoben. Am 26. August 2002 sei ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Vom bestehenden Aufenthaltsverbot habe er bei der Staatsbürgerschaftsbehörde nichts erwähnt."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, das Verleihungsverfahren hätte deshalb nicht wieder aufgenommen werden dürfen, weil die belangte Behörde es unterlassen habe, kurz vor der Verleihung eine entsprechende Anfrage an die Sicherheitsbehörden zu richten. Dadurch sei der belangten Behörde ein Verfahrensfehler unterlaufen, sodass ihre Unkenntnis (von dem Aufenthaltsverbot) nicht unverschuldet sei.

Die Bestimmungen des § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 AVG lauten:

"(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

...

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

...

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z. 1 stattfinden."

Die belangte Behörde stützte den Wiederaufnahmegrund der Z. 2 des § 69 Abs. 1 AVG darauf, dass ihr der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Juli 2002, mit dem das mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. März 2002 gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot bestätigt (und rechtskräftig) wurde, erst nach Erlassung des Bescheides über die Verleihung der Staatsbürgerschaft bekannt geworden sei.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die amtswegige Wiederaufnahme eines durch Bescheid rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens wegen des von der belangten Behörde vorliegend herangezogenen Wiederaufnahmegrundes unter anderem voraus, dass an der im durchgeführten Verfahren unterbliebenen Erörterung der neu hervorgekommenen Tatsache (bzw. des Beweismittels) die Behörde kein Verschulden trifft. Die amtswegige Wiederaufnahme eines (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahrens ist daher ausgeschlossen, wenn die Behörde die neue Tatsache (bzw. das neue Beweismittel) bereits im durchgeführten Verfahren hätte erheben (bzw. aufnehmen) können. Bei dem (auch bei der amtswegigen Wiederaufnahme beachtlichen) Verschulden im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG handelt es sich um Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Ein solches Verschulden kann in einem Verfahrensmangel gelegen sein, der zur Folge hatte, dass die erst nachträglich hervorgekommene Tatsache nicht schon in dem abgeschlossenen Verfahren verwertet werden konnte (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 1994, Zl. 93/04/0048, vom 25. Oktober 1994, Zl. 93/08/0123, und vom 23. Jänner 1996, Zl. 94/08/0290, und die jeweils dort angegebene Judikatur).

Die belangte Behörde stützt sich bei der Wiederaufnahme darauf, "der Antragsteller hat sich in Kenntnis des bestehenden Aufenthaltsverbotes dieser Tatsache verschwiegen". Damit meint die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe (in seiner der Verleihung vorausgegangenen) Befragung am 26. August 2002 vor der belangten Behörde nicht angegeben, dass mit (rechtskräftigem) Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Juli 2002, den er am 17. August 2002 bei der Post behoben habe, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei.

Die belangte Behörde hat durch das Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. September 2002 - diesem Schreiben waren eine mit dem Beschwerdeführer aufgenommene Niederschrift vom 13. März 2002 und der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Juli 2002 angeschlossen - darüber Kenntnis erlangt, dass ein befristetes Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen wurde. Dieses Aufenthaltsverbot wurde - wie der Begründung dieses Bescheides zu entnehmen ist - darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer (sogar ein weiteres Mal) eine Scheinehe eingegangen sei; er habe mit S die Ehe deshalb geschlossen (und dafür S 90.000,-- bezahlt), um "einen leichteren Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt bzw. zu einem Aufenthaltstitel zu bekommen".

Der belangten Behörde kann darin, es falle ihr an der Nichterörterung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 5 StbG im (rechtskräftig abgeschlossenen) Verleihungsverfahren kein Verschulden zur Last, im Ergebnis - vor dem Hintergrund des Verlaufes des vorliegenden Verleihungsverfahrens - zugestimmt werden.

Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge (vgl. den Erhebungsbericht vom 2. Mai 2002) hat die belangte Behörde die Berichte der Fremdenpolizei vom 6. November 2001 und der Sicherheitsdirektion vom 25. Februar 2002 eingeholt und sie hat die Bundespolizeidirektion Linz (zuletzt) am 21. Mai 2002 "um Überprüfung des Fremdenaktes" (gemeint damit: seit dem letzten Bericht vom 6. November 2001) ersucht. Diese Erhebungen haben keine Hinweise auf ein Aufenthaltsverbotsverfahren erbracht. Der Verzicht auf (weitere) Erhebungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 5 StbG ist der belangten Behörde angesichts der vom Beschwerdeführer am 26. August 2002 eingeholten Erklärung unter anderem darüber, "dass meine Ehe mit Frau S immer noch aufrecht ist, wir im gemeinsamen Haushalt leben und derzeit kein Verfahren auf Ehescheidung anhängig ist", nicht als Verfahrensfehler vorzuwerfen, ist diese Erklärung des Beschwerdeführers nach ihrem Inhalt doch grundsätzlich geeignet, das Vorliegen (auch) eines Tatbestandes (bzw. Sachverhaltes), wie er dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 23. Juli 2002 über das Aufenthaltsverbot zugrunde gelegt wurde, auszuschließen.

Hat der Beschwerdeführer mit dieser Erklärung aber (u.a. auch) ausdrücklich bejaht, mit der Ehegattin im gemeinsamen Haushalt zu leben, dann bestand für die belangte Behörde fallbezogen kein konkreter Anhaltspunkt dafür, nach einem gegenteiligen Sachverhalt - wie er dem Bescheid über das Aufenthaltsverbot zugrunde gelegen ist - zu forschen. Dass Anlass zu Zweifeln gegen seine Erklärung vom 26. August 2002 bestanden hätte bzw. die belangte Behörde die Angaben seiner Erklärung der Verleihung nicht hätte zugrunde legen dürfen, legt der Beschwerdeführer jedenfalls nicht dar (vgl. auch sinngemäß etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0182, und vom 22. April 1998, Zl. 97/01/0223).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 24. Februar 2004

Schlagworte

Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002010458.X00

Im RIS seit

22.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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