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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
AVG §71Leitsatz
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags und Zurückweisung der Berufung gegen die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbs als verspätetSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Leibrentenvertrag vom 2. April 1998 übertrug WS vier in der Liegenschaft EZ 20 GB Fritzens vorgetragene (forstwirtschaftliche) Grundstücke sowie ihre Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ 695 GB Völs samt dem damit verbundenen Wohnungseigentum an die Beschwerdeführerin. Entsprechend der Bestimmung des §23 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 wurden diese Rechtsgeschäfte bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck angezeigt. Mit Bescheid vom 13. Oktober 1998 versagte die Bezirksgrundverkehrskommission Innsbruck diesen Rechtsgeschäften - betreffend die Liegenschaft EZ 20 GB Fritzens - die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.
2. Dieser Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Innsbruck wurde dem damaligen Vertreter der Beschwerdeführerin, Notar Dr. Z, am 16. Oktober 1998 zugestellt. Eine seitens der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid durch ihren nunmehrigen Vertreter erhobene Berufung wurde am 2. November 1998 zur Post gegeben. Die belangte Behörde teilte dem Vertreter der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. November 1998 mit, daß die Bescheidzustellung bereits am 16. Oktober 1998 erfolgt und die Berufung daher verspätet sei. Mit Eingabe vom 17. November 1998 brachte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Innsbruck vom 13. Oktober 1998 ein.
3. In ihrem Wiedereinsetzungsantrag führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe erstmals durch das Schreiben der belangten Behörde vom 9. November 1998 vom Fristablauf erfahren, die vierzehntägige Frist des §71 Abs2 AVG zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages sei daher gewahrt. Sie habe sich dafür entschieden, die Berufung nicht durch Dr. Z, sondern durch den nunmehr einschreitenden Vertreter einbringen zu lassen. Dieser habe bei Einsicht in die Bescheidkopie festgestellt, daß der Einlaufstempel nicht eindeutig lesbar sei. In einem Telefonat mit dem vormaligen Einschreiter sei ihm der 19. Oktober 1998 als Eingangsdatum mitgeteilt worden. Weitere Recherchen aufgrund des Schreibens der Grundverkehrskommission hätten ergeben, daß der bekämpfte Bescheid tatsächlich am 16. Oktober 1998 Dr. Z zugestellt worden sei, daß aber die Bearbeitung dieses Poststückes und die Anbringung des Einlaufstempels erst am 19. Oktober 1998 erfolgt seien. Die Beschwerdeführerin habe durch die Rücksprache ihres nunmehrigen Parteienvertreters mit der Kanzlei Dr. Z bezüglich des tatsächlichen Zustelldatums die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht an den Tag gelegt und sei somit durch ein unvorhergesehenes Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten.
In der Folge wurde die mit Schriftsatz vom 2. November 1998 gegen den Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Innsbruck vom 13. Oktober 1998 eingebrachte Berufung wiederholt.
4.1. Mit Bescheid vom 20. Jänner 1999 wies die Bezirksgrundverkehrskommission Innsbruck den Wiedereinsetzungsantrag ab. Begründend führte sie aus, das verspätete Anbringen des Einlaufstempels durch die Kanzleikraft des Dr. Z als Ursache für die falsche Berechnung der Frist sei eine schwere Sorgfaltspflichtverletzung, welche keinen minderen Grad des Versehens darstelle und kraft gesetzlicher Grundlage und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Beschwerdeführerin zuzurechnen sei.
4.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung. Mit Bescheid vom 12. Mai 1999 wies die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung die Berufung gegen den Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Innsbruck vom 20. Jänner 1999 als unbegründet ab und die Berufung gegen den Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission vom 13. Oktober 1998 als verspätet zurück.
Begründet wird dies unter anderem damit, daß eine Sorgfaltspflichtverletzung darin zu erblicken sei, daß der nunmehrige Parteienvertreter es - trotz Unklarheit über den Zustellzeitpunkt des Bescheides - unterlassen habe, das tatsächliche Zustelldatum bei der bescheiderlassenden Behörde zu erfragen.
5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie die Verletzung von Gemeinschaftsrecht behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
6. Die Landes-Grundverkehrskommission als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
7. Die Beschwerdeführerin hat repliziert.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin bringt gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor. Auch beim Verfassungsgerichtshof sind aus der Sicht des Beschwerdefalles keine Bedenken entstanden.
Die Beschwerdeführerin wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.
2. Bei der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsvorschriften käme eine Gleichheitsverletzung nur dann in Frage, wenn den Rechtsgrundlagen fälschlicherweise ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden wäre oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhalts (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).
2.1. Im Hinblick auf die behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes führt die Beschwerdeführerin aus:
2.1.1. Die Auffassung der belangten Behörde, im Einholen der Information über die Bescheidzustellung durch den nunmehrigen Parteienvertreter bei Dr. Z und nicht bei der bescheiderlassenden Behörde liege eine Sorgfaltspflichtverletzung, unterstelle §71 AVG einen gleichheitswidrigen Inhalt.
Hätte Dr. Z die Berufung eingebracht, so hätte er sich selbstverständlich auf den Eingangsstempel seiner Kanzlei verlassen. Es würde eine Art"Doppelverwertung" darstellen, wenn die Vorgangsweise des nunmehrigen Vertreters, welche keinen Unterschied zu einer weiteren Sachbearbeitung durch Dr. Z bilden würde, als Begründung der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand herangezogen werde.
2.1.2. Weiters bringt die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf VwSlg. 9024A/1976 vor, daß der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur davon ausgehe, das Versehen eines Kanzleibediensteten eines Rechtsanwaltes bilde dann einen Wiedereinsetzungsgrund, wenn den Wiedereinsetzungswerber sowie dessen Vertreter an der Versäumung - abgesehen von einem "minderen Grad des Versehens" - kein Verschulden treffe. Die belangte Behörde habe entgegen der zitierten Rechtsprechung auf das Verschulden der Kanzleikraft abgestellt.
Entgegen der Begründung des Bescheides der belangten Behörde liege kein Mangel in der Kanzleiorganisation des Notars Dr. Z, sondern vielmehr eine einmalige Fehlleistung einer erfahrenen und verläßlichen Mitarbeiterin vor.
2.2.1. Wenn die Beschwerdeführerin behauptet, die belangte Behörde habe §71 AVG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, so ist ihr folgendes entgegenzuhalten:
§71 AVG lautet - soweit relevant - wie folgt:
"§71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei."
Nach Ansicht der Landes-Grundverkehrskommission wäre es in der dem nunmehrigen Vertreter zumutbaren Sorgfaltspflicht gelegen gewesen, sich im Falle einer Unklarheit über den Zustellzeitpunkt bei der bescheiderlassenden Behörde nach dem genauen Zustelldatum zu erkundigen. Die telefonische Kontaktaufnahme mit dem Notariat Dr. Z sei nicht geeignet gewesen, ein Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist hintanzuhalten. Eine Sorgfaltsverletzung sei sohin darin begründet, daß es der von der Beschwerdeführerin beauftragte Einschreiter unterlassen habe, das Zustelldatum bei der bescheiderlassenden Behörde zu erfragen.
Unbestritten ist, daß auf der dem Vertreter der Beschwerdeführerin überlassenen Bescheidkopie die Eingangsstampiglie unleserlich war.
Indem die Landes-Grundverkehrskommission bei der Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrages das Verhalten des nunmehrigen Parteienvertreters als eine leichte Fahrlässigkeit überschreitend gewertet hat, hat sie §71 AVG jedenfalls keinen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. Demzufolge muß auf die Frage einer Sorgfaltspflichtverletzung durch den ursprünglichen Parteienvertreter bzw. seine Kanzleibedienstete nicht näher eingegangen werden.
2.2.2. Die Beschwerdeführerin ist sohin im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.
3. Wenn die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet, so ist ihr folgendes entgegenzuhalten:
3.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ua. dann verletzt, wenn die Behörde zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert, wie etwa dadurch, daß sie eine verfahrensrechtlich zulässige Berufung zurückweist (vgl. zB VfSlg. 9274/1981, 10260/1984) oder zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als gegeben annimmt (vgl. VfSlg. 10260/1984 unter Hinweis auf VfSlg. 9959/1984 betreffend die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens, VfSlg. 12863/1991).
3.2. Die Wiedereinsetzung nach §71 Abs1 AVG ist nur zulässig, wenn weder der Partei noch ihrem Vertreter ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last fällt (vgl. VfSlg. 10260/1984, 12863/1991) oder es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. zur vergleichbaren Regelung des §146 Abs1 ZPO zB VfSlg. 12857/1991, 13528/1993, 13616/1993, 13959/1994, 14194/1995, 14792/1997).
Die belangte Behörde kam in vertretbarer Weise zu dem Ergebnis, daß der nunmehrige Parteienvertreter entsprechende Vorkehrungen hätte treffen müssen, um das wahre Datum der Bescheidzustellung festzustellen, und daher auch ihm eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Dem konnte die Beschwerde kein maßgebliches Argument entgegenhalten. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher nicht zu Unrecht verweigert worden.
3.3. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf jene Beschwerdeausführungen einzugehen, die auf den Fall abzielen, daß die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages zu Unrecht erfolgt sei. Sohin wurde die Berufung gegen den Bescheid der Bezirks-Grundverkehrskommission Innsbruck vom 13. Oktober 1998 zu Recht wegen Verspätung zurückgewiesen.
3.4. Die Beschwerdeführerin wurde sohin auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
4.1. Die behauptete Verletzung von Gemeinschaftsrecht wird wie folgt begründet:
Der Europäische Gerichtshof habe ausgesprochen, daß das Recht, in einem anderen Mitgliedsstaat Grundstücke zu erwerben, eine notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit darstelle. Der Kapitalverkehr umfasse Geschäfte, durch die Gebietsfremde in einem Mitgliedsstaat Immobilieninvestitionen vornehmen.
Das Gemeinschaftsrecht verbiete es den innerstaatlichen Behörden, nationales Recht, das gemeinschaftsrechtswidrig sei, anzuwenden. Daher hätte die belangte Behörde im Rahmen ihres Aufsichtsrechtes den Bescheid der Bezirks-Grundverkehrskommission Innsbruck vom 13. Oktober 1998 aufheben müssen.
4.2. In bezug auf diese Ausführungen genügt es, darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde die materiellrechtlichen Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 gar nicht angewandt hat. Mit dem bekämpften Bescheid wurde einerseits die Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages abgewiesen und andererseits die Berufung gegen den Bescheid der Bezirks-Grundverkehrskommission vom 13. Oktober 1998 als verspätet zurückgewiesen. Gegenstand des bekämpften Bescheides war also nicht die Ausübung des Aufsichtsrechtes. Die Behauptung der Gemeinschaftsrechtsverletzung entbehrt demnach jeglicher Grundlage.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Ob der Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen eine Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. etwa VfSlg. 13419/1993; 14408/1996; VfGH 8.6.1999, B788/99).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
EU-Recht, Grundverkehrsrecht, Verwaltungsverfahren, WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B883.1999Dokumentnummer
JFT_09999074_99B00883_00