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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der Energie AG Oberösterreich in Linz, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Wischerstraße 30, gegen die als Verordnung bezeichnete Erledigung der Energie-Control Kommission vom 1. Oktober 2003, Zl. K SNT 100/03, betreffend Systemnutzungstarife, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Die vorliegende Bescheidbeschwerde, hilfsweise Säumnisbeschwerde, richtet sich gegen die Verordnung der Energie-Control Kommission vom 1. Oktober 2003, mit der die Tarife für die Systemnutzung bestimmt werden, Systemnutzungstarife-Verordnung 2003, SNT-VO 2003, Zl. K SNT 100/03, kundgemacht im Amtsblatt der Wiener Zeitung am 9. Oktober 2003.
Zur Frage, ob diese Erledigung ein Bescheid oder eine Verordnung sei, wurde von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass nach § 25 Abs. 1 ElWOG die belangte Behörde Systemnutzungstarife durch "Verordnung oder Bescheid" zu bestimmten hätte, wobei Willkür bei der Rechtsformenwahl jedenfalls ausgeschlossen sei. Die Festsetzung der Systemnutzungstarife für das Unternehmen der Beschwerdeführerin sei eine individuell konkrete Aufgabe; auf Basis der Daten ihres Unternehmens sei der Netztarif zu bestimmen. Daher müsse mit Bescheid vorgegangen werden. Dem entsprechend habe die belangte Behörde mit Schreiben vom 2. April 2003 der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass gemäß § 25 in Verbindung mit § 55 ElWOG ein Verfahren zur Festsetzung der Systemnutzungstarife für den Bereich Oberösterreich, Energie AG Oberösterreich, eingeleitet wurde. Diese Mitteilung beziehe sich auf die Beschwerdeführerin, spreche von einem Verfahren zur Festsetzung und berufe sich auf § 55 ElWOG. Die letztgenannte Bestimmung regle ausschließlich die Festlegung durch Bescheide; wenn ein Verfahren nach § 55 ElWOG eingeleitet worden sei, sei dies jedenfalls ein individuelles Verwaltungsverfahren, das mit Bescheid zu beenden sei. Die gegenständliche Erledigung sei daher ein Bescheid, wobei die Beschwerdeführerin die amtswegige Einleitung mit ihrem (mit der Beschwerde vorgelegten) Antrag vom 18. Juni 2003 ergänzt hätte. Der Bescheid sei zwar nicht individuell zugestellt worden, jedoch durch Kundmachung am 9. Oktober 2003 bekannt geworden. Auf die Titulierung als "Verordnung" komme es nicht an.
Mit der Beschwerde vorgelegt wurde jenes Schreiben, welches bereits im hg. Beschluss vom 16. September 2003, Zl. 2003/05/0142, wie folgt beschrieben worden war:
"Am 2. April 2003 erging die folgende Erledigung (Unterstreichung nicht original):
'Es wird mitgeteilt, dass gemäß §§ 25 iVm 55 ElWOG ein Verfahren zur Festsetzung der Systemnutzungstarife für den Bereich Oberösterreich, Energie AG Oberösterreich (K SNT S 004/03) eingeleitet wurde. Die Energie-Control GmbH wurde von der Energie-Control Kommission beauftragt, Ermittlungen zur Berechnung der Kostenbasis durchzuführen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Energie-Control GmbH sind über Anfrage die erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie die jeweils verlangten Unterlagen auszuhändigen.
Wien, am 2. April 2003
(Unterschrift)
Der Vorsitzende
Dr. Wolfgang Schramm'.
Darüber hinaus befindet sich auf dem Blatt lediglich noch
rechts oben der Schriftzug 'C E-Control' ".
Weiters legte die Beschwerdeführerin den vollständigen Text der von ihr bekämpften Verordnung vor.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 10. Dezember 2003, Zl. B 1567/03 und 1574/03 die von zwei anderen Netzbetreibern gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG erhobenen Beschwerden gegen die selbe Verordnung zurückgewiesen. Die dortige Zweitbeschwerdeführerin hat sich gleichfalls auf § 55 ElWOG berufen und dargetan, dass ein konkretes auf sie bezogenes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei und sie dort auch angehört worden sei. Ein derartiges Verfahren hätte als Bescheid erledigt werden müssen.
Der Verfassungsgerichtshof gelangte zum Ergebnis, dass der angefochtene Verwaltungsakt der ausgegliederten Energie-Control Kommission vom 1. Oktober 2003, mit der die Tarife für die Systemnutzung bestimmt werden, kein solcher Bescheid sei, sondern als eine auf die spezielle Ermächtigung des § 16 Abs. 1 Z. 2 Energie-Regulierungsbehördengesetz (E-RBG), BGBl. I Nr. 121/2000 idF BGBl. I Nr. 148/2002 iVm § 25 ElWOG gestützte, im Amtsblatt der Wiener Zeitung Nr. 33 am 9. Oktober 2003 kundgemachte und auch als solche bezeichnete Verordnung einzustufen sei.
Der Verfassungsgerichtshof räumte ein, dass die Wahl der Rechtsatzform nicht in das Belieben der Energie-Control-Kommission gestellt sei, die Behörde aber von der Wahlmöglichkeit in verfassungskonformer Weise Gebrauch gemacht habe und zu Recht eine Verordnung erlassen habe. Regelungsgegenstand der Verordnung seien nicht die Tarife eines einzelnen Unternehmens, sondern die bundesweite Tarifgestaltung. Es schade nicht, dass derzeit eine überschaubare Anzahl von Unternehmen unmittelbar rechtlich betroffen sei; der Verordnungsgeber habe dennoch die Regelung an einen nach Gattungsmerkmalen beschriebenen Personenkreis gerichtet. Die Netzbetreiber selbst seien lediglich zur Abgrenzung der Netzbereiche konkret bezeichnet worden. Schließlich verwies der Verfassungsgerichtshof zur Abgrenzung von individuell konkreten und generell - abstrakten Verwaltungsakten auf seine Judikatur zu Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen, die auch dann generelle Normen und damit Verordnungen seien, wenn die Festlegungen eines solchen Planes nur ein Grundstück betreffen.
Auch der Verwaltungsgerichtshof erachtet die Beschwerde als unzulässig.
Die belangte Behörde hat ein Verwaltungsverfahren durchgeführt, welches, wie der Verfassungsgerichtshof dargelegt hat, durch Verordnung endete. Ob in diesem Verfahren die Beschwerdeführerin in irgendeiner Weise beigezogen wurde oder nicht, spielt keine Rolle; zu dem von ihr herangezogenen Schreiben vom 2. April 2003 hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 16. September 2003 ausgeführt, dass es sich nicht an die Beschwerdeführerin gerichtet habe.
Ohne Belang ist auch, dass gemäß § 55 Abs. 1 ElWOG der Tarif von Amts wegen oder auf Antrag bestimmt werden kann. Auch wenn die Beschwerdeführerin mit ihrem vorgelegten Schreiben vom 18. Juni 2003 ausdrücklich einen solchen Antrag gestellt hat, ändert dies nichts am Verordnungscharakter der hier ergangenen Erledigung. Dass Verordnungen auch auf Grund von Individualanträgen erlassen werden können, ist der Rechtsordnung nicht fremd (vgl. etwa die Pflicht des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport, über einen nach dem Anerkennungsgesetz gestellten Antrag durch Verordnung abzusprechen).
Die Beschwerde erweist sich somit mangels Vorliegens eines Bescheides als unzulässig. Soweit die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde eventualiter auf Art. 132 B-VG stützt, kommt es darauf an, ob sie im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Diesbezüglich bringt sie vor, dass das Verfahren amtswegig eingeleitet worden wäre, wie dies im Schreiben vom 2. April 2003 mitgeteilt wurde, und die Behörde mehr als 6 Monate säumig war.
Ob die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren zu einer Entscheidung verpflichtet war, richtet sich nach § 73 Abs. 1 AVG. Nach dieser Bestimmung ist über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber 6 Monate nach deren Einlangen, ein Bescheid zu erlassen. Einen solchen Antrag hat die Beschwerdeführerin nicht - zumindest nicht 6 Monate vor der am 24. November 2003 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde - gestellt; sie beruft sich allein darauf, dass das Verfahren amtswegig eingeleitet worden wäre. Wohl besteht die Entscheidungspflicht der Behörde auch in einem von Amts wegen durchzuführenden Verfahren, wenn ein Parteienantrag vorliegt (hg. Beschluss vom 20. April 1993, Zl. 93/07/0041); entscheidend ist aber nach dem unzweifelhaften Wortlaut des § 73 Abs. 1 AVG, dass ein Antrag (oder eine Berufung) der Partei vorliegt. Auf einen solchen Antrag beruft sich die Beschwerdeführerin nicht, sodass die Voraussetzungen der Geltendmachung der Entscheidungspflicht vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht gegeben sind.
Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 24. Februar 2004
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter VerordnungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003050226.X00Im RIS seit
28.05.2004