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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §26a Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des H T in L, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 11. März 2002, UVS 30.17-71/2001-10, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. März 2002 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 9. August 2000 um 11.51 Uhr in Graz in der Hartenaugasse 24 in Richtung Elisabethstraße als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen G das deutlich sichtbar aufgestellte Verbotszeichen "Einfahrt verboten" nicht beachtet. Er habe hierdurch eine Übertretung nach § 52 lit. a Z. 2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- verhängt wurde.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von folgendem Sachverhalt aus:
"Der Berufungswerber ist als Stromtechniker im Entstördienst der Grazer Stadtwerke AG beschäftigt. Zur Erledigung seiner Arbeiten steht ihm das Kraftfahrzeug der Marke VW Golf mit dem behördlichen Kennzeichen G zur Verfügung. Für dieses Kraftfahrzeug wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 22.8.1994, GZ.: 11-32 G 2-94/57, die Bewilligung zur Anbringung sowohl einer Leuchte mit blauem Drehlicht, als auch einer Vorrichtung zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinander folgenden, verschiedenen hohen Tönen erteilt.
Nachdem der Berufungswerber am 9.8.2000 seine Tätigkeit bei einem Kunden in der Liebiggasse in Graz-Geidorf beendet hatte, fuhr er auftragsgemäß zum nächsten Kunden in den zweiten Bezirk von Graz. Ob es sich hiebei um den mittels Funk erteilten Auftrag zu einem Störfall in der Sparbersbachgasse zu fahren oder um eine bereits am Morgen des 9.8.2000 bekannt gegebene Wiedereinschaltung in der Brockmanngasse handelte, ist heute nicht mehr feststellbar. Jedenfalls fuhr der Berufungswerber mit seinem Dienstfahrzeug auf der Liebiggasse in Richtung Südosten, bog nach links in die Schubertstraße ein, fuhr auf dieser Richtung Osten, bog an der nächsten Kreuzung in die Hartenaugasse ein, überquerte die Lechgasse und fuhr gegen 11.51 Uhr auf der Hartenaugasse in Richtung Kreuzung mit der Elisabethstraße, obwohl auf Höhe des Objektes Hartenaugasse 24 deutlich sichtbar das Verbotszeichen "Einfahrt verboten" mit der Zusatztafel "Ausgenommen GVB-Busse und Radfahrer" angebracht war. Anschließend bog der Berufungswerber nach rechts in die Elisabethstraße ein, fuhr in Richtung Südwesten zurück, ehe er nach links in die Merangasse einbog, obwohl der kürzeste Weg von der Liebiggasse in die Merangasse über den Geidorfgürtel, die Strassoldogasse und den Leonhardgürtel geführt hätte."
Die belangte Behörde führte weiters aus, aus den maßgeblichen Bestimmungen nämlich den §§ 2 Abs. 1 Z. 25, 26 Abs. 2, 26a Abs. 1 und 52 lit. a Z. 2 StVO 1960, gehe hervor, dass der Lenker eines Fahrzeuges, "das zwar mit den Signalen - Blaulicht oder Folgetonhorn - ausgerüstet ist, aber keines von beiden Signalen tatsächlich verwendet", von Verkehrsverboten und Beschränkungen nicht ausgenommen sei. Alleine dadurch, dass ein Fahrzeug als Einsatzfahrzeug "gestattet" sei, werde es noch nicht zum Einsatzfahrzeug im Sinne der StVO. Darüber hinaus sei auf den Beschwerdeführer keine Ausnahmebestimmung anwendbar, weil die Missachtung des Verbotes für die ordnungsgemäße Ausübung des Dienstes nicht erforderlich gewesen sei. Der Beschwerdeführer hätte seinen nächsten Dienstort auch über andere Straßen erreichen können. Der Beschwerdeführer habe daher die ihm angelastete Verwaltungsübertretung subjektiv und objektiv zu verantworten.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 52 lit. a Z. 2 StVO 1960 zeigt das dort beschriebene Verbotszeichen an, dass die Einfahrt verboten ist.
Dem Beschwerdeführer wurde angelastet, die vorliegende Tat am 9. August 2000 begangen zu haben. Die maßgeblichen, zum Tatzeitpunkt (und auch zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) geltenden Bestimmungen der StVO 1960 lauten wie folgt:
"§ 26. Einsatzfahrzeuge.
(1) Die Lenker von Fahrzeugen, die nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften mit Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht und mit Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden verschiedenen hohen Tönen ausgestattet sind, dürfen diese Signale nur bei Gefahr im Verzuge, zum Beispiel bei Fahrten zum oder vom Ort der dringenden Hilfeleistung oder zum Ort des sonstigen dringenden Einsatzes verwenden. Außerdem dürfen die angeführten Signale soweit als notwendig nur noch zur Abwicklung eines protokollarisch festgelegten Programms für Staatsbesuche oder sonstige Staatsakte sowie in Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen verwendet werden. Die Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht dürfen aus Gründen der Verkehrssicherheit auch am Ort der Hilfeleistung oder des sonstigen Einsatzes oder bei einer behördlich vorgeschriebenen Transportbegleitung verwendet werden.
...
§ 26a. Fahrzeuge im öffentlichen Dienst
(1) Die Lenker von Fahrzeugen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Militärstreife sind bei Fahrten, soweit dies für die ordnungsgemäße Ausübung des Dienstes erforderlich ist, an Halte- und Parkverbote, an Geschwindigkeitsbeschränkungen, an Fahrverbote gemäß § 52 lit. a Z 1, Z 6a, Z 6b, Z 6c, Z 6d, Z 7a, Z 7b, Z 8a, Z 8b und Z 8c und an die Verbote bezüglich des Zufahrens zum linken Fahrbahnrand nicht gebunden. Sie dürfen auch Fahrstreifen und Straßen für Omnibusse benützen. Sie dürfen dabei aber nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen.
(1a) Die Lenker von Fahrzeugen, die nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften mit Warnzeichen mit blauem Licht und Schallzeichen mit Aufeinanderfolge verschieden hoher Töne ausgestattet sind, sind auch außerhalb von Einsatzfahrten an die Verbote gemäß § 52 lit. a Z 1 und 2 und die Gebote gemäß § 52 lit. b Z 15 nicht gebunden, wenn Ausnahmen für andere Kraftfahrzeuge und Fuhrwerke bestehen. Sie dürfen auch Fahrstreifen und Straßen für Omnibusse benützen."
Die belangte Behörde selbst ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass für das hier in Rede stehende Kraftfahrzeug mit Bescheid des Landeshauptmannes von der Steiermark vom 22. August 1994 die Bewilligung zur Anbringung sowohl einer Leuchte mit blauem Drehlicht als auch einer Vorrichtung zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden, verschieden hohen Tönen erteilt wurde. Ferner stellte die belangte Behörde fest, dass das hier aufgestellte Verbotszeichen "Einfahrt verboten" mit einer Zusatztafel mit dem Inhalt "ausgenommen GVB-Busse und Radfahrer" versehen gewesen sei.
Insoweit die belangte Behörde ihre Entscheidung auf § 26a Abs. 1 StVO 1960 und den Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 2001, Zl. 99/02/0306, stützt, ist ihr entgegenzuhalten, dass nach der hier anzuwendenden Rechtslage und dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Sachverhalt § 26a Abs. 1a leg. cit. maßgeblich ist. Nach dieser Bestimmung kommt es nicht darauf an, ob die Fahrt eine solche war, die für die ordnungsgemäße Ausübung des Dienstes erforderlich war. Vielmehr sind die Lenker von Fahrzeugen, die nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften mit Warnzeichen mit blauem Licht und Schallzeichen mit Aufeinanderfolge verschieden hoher Töne ausgestattet sind, auch außerhalb von Einsatzfahrten - unter anderem - an ein Verbot gemäß § 52 lit. a Z. 2 StVO 1960 nicht gebunden, wenn Ausnahmen für andere Kraftfahrzeuge und Fuhrwerke bestehen. Sinn dieser Bestimmung war, wie aus den Materialien hervorgeht (vgl. Pürstl-Somereder, Straßenverkehrsordnung11, S. 464) "unnötige Verzögerungen ... im Sinne einer effizienten Verwaltung" zu vermeiden. Dass das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug "nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften" mit den in Rede stehenden Einrichtungen ausgestattet war, ist nicht strittig. Ferner ist zu beachten, dass bei dem hier in Rede stehenden Verbot gemäß § 52 lit. a Z. 2 StVO 1960 eine Ausnahme für andere Kraftfahrzeuge, nämlich Busse der Grazer Verkehrsbetriebe, bestand. Der Ausnahmetatbestand des § 26a Abs. 1a StVO 1960 war daher im vorliegenden Fall gegeben, ohne dass geprüft werden musste, ob die Einsatzfahrt "erforderlich" im Sinne des § 26a Abs. 1 StVO 1960 war.
Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. Februar 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002030131.X00Im RIS seit
18.03.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008