TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/25 2002/03/0272

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Veröffentlicht am 25.02.2004
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Index

91/01 Fernmeldewesen;

Norm

TKG 1997 §41 Abs2;
TKG 1997 §41 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Riedinger, Dr. Berger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der T AG in W, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld, Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Telekom Control Kommission vom 9. September 2002, Zl. Z 15/02-34, betreffend Zusammenschaltungsanordnung (mitbeteiligte Partei: P GmbH in W, vertreten durch Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde auf Antrag der mitbeteiligten Partei für die Zusammenschaltung der öffentlichen Telekommunikationsnetze der mitbeteiligten Partei und der Beschwerdeführerin "ergänzend zu dem zwischen den Verfahrensparteien bestehenden Zusammenschaltungsanordnungen vom 18.3.2002 sowie 16.5.2002 zu

Z 26/01" weitere Zusammenschaltungsbedingungen an.

Wesentlicher Inhalt dieser Zusammenschaltungsbedingungen ist die Neufassung des Anhangs 6 "Verkehrsarten und Entgelte" der zwischen den Parteien bestehenden Zusammenschaltungsanordnung.

Begründend führte die belangte Behörde zunächst aus, dass es sich bei beiden Verfahrensparteien um Inhaber einer Konzession zur Erbringung des öffentlichen Sprachtelefondienstes handle. Die Beschwerdeführerin sei marktbeherrschend auf den Märkten für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes und des öffentlichen Mietleitungsdienstes, jeweils mittels eines selbst betriebenen Telekommunikationsnetzes, sowie für Zusammenschaltungsleistungen. Die mitbeteiligte Partei sei nicht marktbeherrschend im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Das Zusammenschaltungsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei beruhe im Wesentlichen auf den Zusammenschaltungsanordnungen der belangten Behörde vom 18. März 2002, Z 26/01-34, sowie vom 16. Mai 2002, Z 26/01-48. Hinsichtlich der in Anhang 6 der Zusammenschaltungsanordnungen enthaltenen Zusammenschaltungsentgelte habe die belangte Behörde am 22. Juni 2001 einen Bescheid zu Zl. Z 6/01 erlassen, dessen Geltungsdauer am 30. Juni 2002 geendet habe.

Die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 30. April 2002 für die Verkehrsart V 39 eine Nachfrage an die mitbeteiligte Partei gerichtet und in der weiteren Folge am 27. Mai 2002 ein Angebot hinsichtlich aller zwischen den Verfahrensparteien zur Verrechnung gelangender Zusammenschaltungsentgelte für den Zeitraum ab 1. Juli 2002 gestellt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf frühere Anordnungen aus, dass sämtliche verfahrensgegenständlichen Leistungen Zusammenschaltungsleistungen seien, deren Bedingungen gemäß § 41 TKG im Streitfall von der belangten Behörde als Regulierungsbehörde festgelegt werden könnten. Für marktbeherrschende Unternehmen sei der Grundsatz der Kostenorientiertheit im Sinne des § 41 Abs. 3 TKG anzuwenden; dieser sei dahingehend zu verstehen, dass eine Annäherung an die zukunftsorientierten langfristigen durchschnittlichen zusätzlichen Kosten (FL-LRAIC) zu erfolgen habe.

2. Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 41 Abs. 1 bis 3 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, lautet:

"Verhandlungspflicht

§ 41. (1) Jeder Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes ist verpflichtet, anderen Betreibern solcher Netze auf Nachfrage ein Angebot auf Zusammenschaltung abzugeben. Alle Beteiligten haben hiebei das Ziel anzustreben, die Kommunikation der Nutzer verschiedener öffentlicher Telekommunikationsnetze untereinander zu ermöglichen und zu verbessern.

(2) Kommt zwischen einem Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, und einem anderen Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes eine Vereinbarung über Zusammenschaltung binnen einer Frist von sechs Wochen ab dem Einlangen der Nachfrage nicht zu Stande, kann jeder der an der Zusammenschaltung Beteiligten die Regulierungsbehörde anrufen.

(3) Die Regulierungsbehörde hat nach Anhörung der Beteiligten innerhalb einer Frist von sechs Wochen, beginnend mit der Anrufung, über die Anordnung der Zusammenschaltung zu entscheiden. Die Regulierungsbehörde kann das Verfahren um längstens vier Wochen verlängern. Die Anordnung ersetzt eine zu treffende Vereinbarung. Die Regulierungsbehörde hat dabei die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften, die nach Art. 6 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP) (ABl. Nr. L 192 vom 24.7.1990, S 1) vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen werden, zu beachten. Entsprechend der Richtlinie findet der Grundsatz der Kostenorientiertheit nur bei der Festlegung der Höhe der Entgelte von marktbeherrschenden Unternehmen Anwendung."

2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf Nicht-Erlass einer Zusammenschaltungsanordnung bei Nicht-Wahrung der gesetzlichen 6- Wochen-Frist" verletzt zu sein. Die Behörde hätte den Antrag der mitbeteiligten Partei zurückzuweisen gehabt, da nach dem festgestellten Sachverhalt die Beschwerdeführerin (lediglich) für die Verkehrsart V 39 eine Nachfrage gestellt habe; der am 27. Mai 2002 von der Beschwerdeführerin der mitbeteiligten Partei übermittelte Entwurf eines neuen "Anhangs 6" liege, selbst wenn man dies als Nachfrage bezüglich aller darin angeführten Zusammenschaltungsleistungen verstünde, weniger als sechs Wochen vor dem Antrag der mitbeteiligten Partei an die belangte Behörde auf Erlassung einer Zusammenschaltungsanordnung.

Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Die mitbeteiligte Partei weist zu Recht darauf hin, dass in der Zusammenschaltungsanordnung, welche das Zusammenschaltungsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei regelte, ausdrücklich vorgesehen war, dass die Parteien einander bis zum 30. April 2002 wechselseitig allfällig begründete Änderungswünsche für die - von der Anordnung nicht mehr umfasste - Zeit ab dem 1. Juli 2002 mitteilen und unverzüglich Verhandlungen darüber aufnehmen. Punkt 11.2. des allgemeinen Teils der Zusammenschaltungsanordnung vom 18. März 2002, Zl. Z 26/01-34, lautet wie folgt:

"Die Geltungsdauer der Regelungen über die verkehrsabhängigen Zusammenschaltungsentgelte gemäß Anhang 6 endet - in Abweichung zu Punkt 11.1. am 30.6.2002, ohne dass es einer Kündigung einer der beiden Parteien bedarf. Bis zum 30.4.2002 werden einander die Parteien wechselseitig allfällige begründete Änderungswünsche hinsichtlich der verkehrsabhängigen Zusammenschaltungsentgelte für die Zeit ab 1.7.2002 mitteilen und unverzüglich Verhandlungen darüber aufnehmen. Es steht jeder Partei frei, die Regulierungsbehörde betreffend die Anordnung einer diesbezüglichen Nachfolgeregelung für die Zeit ab 1.7.2002 anzurufen, wenn und soweit binnen sechs Wochen ab Einlangen eines mit Gründen versehenen Änderungswunsches bei der anderen Partei keine Einigung erfolgt ist. Wird die Regulierungsbehörde spätestens bis zum 30.6.2002 angerufen, so wenden die Parteien die anordnungsgegenständlichen Zusammenschaltungsentgelte vorläufig weiter an, bis ein rechtskräftiger Spruch der Regulierungsbehörde vorliegt; eine solche Neuregelung tritt dann mit Wirkung vom 1.7.2002 in Kraft."

Das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 30. April 2002, mit dem niedrigere Zusammenschaltungsentgelte für eine Verkehrsart nachgefragt wurden, ist in diesem Sinne als Bekanntgabe von Änderungswünschen, über die Verhandlungen aufzunehmen waren, zu verstehen, insbesondere vor dem Hintergrund des Punktes 11.2. des allgemeinen Teils der Zusammenschaltungsanordnung vom 18. März 2002 kann nicht zweifelhaft sein, dass damit die Verhandlungen über eine "Nachfolgeregelung" für sämtliche in Anhang 6 festgelegten Entgelte eingeleitet werden sollten. Unstrittig wurde zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei keine Einigkeit über die ab dem 1. Juli 2002 zur Verrechnung gelangenden Entgelte erzielt.

§ 41 Abs. 2 TKG setzt für die Zulässigkeit der Anrufung der Regulierungsbehörde voraus, dass binnen einer Frist von sechs Wochen ab dem Einlangen der Nachfrage eine Vereinbarung über die Zusammenschaltung nicht zu Stande gekommen ist. Dabei ist nicht nur derjenige Betreiber eines Telekommunikationsnetzes zur Anrufung der Regulierungsbehörde berechtigt, der die Nachfrage gestellt hat, sondern entsprechend dem klaren Gesetzeswortlaut ("jeder der an der Zusammenschaltung Beteiligten") auch jener Betreiber, dem gegenüber die Nachfrage gestellt worden war. Da die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. April 2002 eine Nachfrage an die mitbeteiligte Partei gerichtet hat und bis zur Anrufung der Regulierungsbehörde durch die mitbeteiligte Partei am 27. Juni 2002 keine Einigung erzielt wurde, hat die belangte Behörde den auf Erlassung einer Zusammenschaltungsanordnung gerichteten Antrag der mitbeteiligten Partei daher zu Recht als zulässig beurteilt.

3. Soweit sich die Beschwerde gegen die ungerechtfertigte Zurückweisung des Antrages auf Anordnung von Zusammenschaltungsentgelten für Anrufe von öffentlichen Sprechstellen zu "free-phone-services" bezieht, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine derartige Anordnung im angefochtenen Bescheid nicht enthalten ist.

4. Über die weiteren in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen wurde mit dem einen insoweit gleichartigen Beschwerdefall betreffenden hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2004, Zl. 2002/03/0273, bereits entschieden; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002030272.X00

Im RIS seit

29.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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