TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/25 2001/03/0386

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Veröffentlicht am 25.02.2004
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E07204010;
E3L E13301800;
E3L E15102050;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/03 Sonstiges Verkehrsrecht;
99/03 Kraftfahrrecht;

Norm

31994L0055 Gefahrguttransport-RL idF 31999L0047;
31999L0047 Nov-31994L0055;
ADR 1973;
AVG §14 Abs3;
AVG §15;
EURallg;
GGBG 1998 §2 Z1 lita idF 1999/I/108;
VStG §24;
VStG §44a Z2;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2004/03/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der I L in B, vertreten durch DDr. Manfred König, Rechtsanwalt in 5760 Saalfelden, Lofererstraße 46, gegen die in einer gemeinsamen Ausfertigung zusammengefassten Bescheide (Kammer und Einzelmitglied) des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 10. September 2001, Zl. UVS-5/11010/17-2001, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der angefochtene Bescheid des Einzelmitgliedes wird hinsichtlich des Spruchpunktes 4 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses einschließlich der damit verbundenen Kostenentscheidung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der Kammer (Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 190,95 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Der Beschwerdeführerin wurde im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 22. Jänner 2001 zur Last gelegt, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Firma Lgesellschaft m.b.H mit Sitz in B und damit als Beförderer, Absender und Zulassungsbesitzer einer Beförderungseinheit am 6. März 2000 ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Tankfahrzeug einem namentlich genannten Lenker zur Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße übergeben. Im Rahmen dieser Beförderung sei "Heizöl extraleicht, Gefahrgut 3/31c UN 1202 im Tankfahrzeug (Beförderungsart)" befördert worden. Im Rahmen der Kontrolle am 6. März 2000 um 13 Uhr 08 auf der B 168 im Gemeindegebiet von Piesendorf-Aufhausen, in Fahrtrichtung Zell am See, seien auf Höhe Straßenkilometer 2,6 folgende der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Mängel festgestellt worden:

"1.) Frau I L hat als Beförderer gefährliche Güter befördern lassen wobei im Beförderungspapier folgende Eintragungen fehlten:

-

Kennzeichnungsnummer (Stoffnummer, UN-Nummer)

-

der Empfänger Rn 2002 Abs. 3 lit. a ADR

              2.)              Frau I L hat als Beförderer gefährliche Güter befördern lassen wobei der Lenker nicht über seine Pflichten und die Besonderheiten der Beförderung sowie über das Verhalten bei Unfällen oder Zwischenfällen ausreichend in Kenntnis gesetzt und unterwiesen worden ist.

3.) Frau I L hat als Beförderer gefährliche Güter befördern lassen wobei am LKW die kreisrunde Tafel 'L' für lärmarmes Kraftfahrzeug geführt wurde, die hierfür erforderliche Bestätigung jedoch am 6.3.1999 abgelaufen war.

4.) Frau I L hat als Absender gefährliche Güter zur Beförderung übergeben, wobei im Beförderungspapier folgende Eintragungen fehlten:

-

Kennzeichnungsnummer (Stoffnummer, UN-Nummer)

-

der Empfänger Rn 2002 Abs. 3 lit. a ADR

              5.)              Frau I L hat als Verlader dem Lenker B S gefährliche Güter zur Beförderung übergeben, wobei die gem. ADR Rn. 10400 erforderliche Kontrolle der Beförderungseinheit offensichtlich nicht durchgeführt wurde, da am LKW die kreisrunde Tafel 'L' für lärmarmes Kraftfahrzeug geführt wurde, die hierfür erforderliche Bestätigung jedoch am 6.3.1999 abgelaufen war."

Nach diesem Straferkenntnis habe sie dadurch folgende Übertretungen begangen: zu 1.) gemäß §§ 7 Abs. 2 Z. 7 iVm 27 Abs. 1 Z. 1 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes - GGBG, zu 2.) gemäß §§ 7 Abs. 2 Z. 6 iVm 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG, zu 3.) gemäß §§ 7 Abs. 2 Z. 5 iVm 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG, zu 4.) gemäß §§ 7 Abs. 3 Z. 2 iVm 27 Abs. 1 Z. 2 GGBG und zu 5.) § 27 Abs. 2 Z. 25 GGBG.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über die Beschuldigte verhängt: zu 1.) gemäß § 27 Abs 1 Z 1 GGBG iVm § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Geldstrafe in Höhe von S 15.000,--, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 100 Stunden; zu 2. ) gemäß § 27 Abs 1 Z 1 GGBG iVm § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,--, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden; zu 3.) gemäß § 27 Abs 1 Z 11 GGBG iVm § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,--, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden; zu 4.) gemäß § 27 Abs 1 Z 2 GGBG iVm § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,--, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden; zu 5.) gemäß § 27 Abs 2 Z 25 GGBG iVm § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,--, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 17 Stunden.

1.2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde zu Spruchpunkt 1.) (UVS-5/11.010/-2001) durch eine Kammer, zu den Spruchpunkten 2.) bis 5.) (UVS-5/11.011/-2001) durch ein Einzelmitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg entschieden.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG wurde der gegen des Straferkenntnis erhobenen Berufung zu Spruchpunkt 1.) "mit der Maßgabe teilweise Folge gegeben, dass im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisse die Wortfolge 'als Beförderer' durch die Wortfolge 'als vertretungsbefugtes Organ des Beförderers' ersetzt sowie die verhängte Strafe auf eine Geldstrafe von S 10.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden herabgesetzt wird."

Weiters hat die belangte Behörde der Berufung zu Spruchpunkt

4.) keine Folge gegeben und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass anstelle der Wortfolge "als Absender" die Wortfolge "als vertretungsbefugtes Organ des Absenders" zu treten habe.

Zu den Spruchpunkten 2.), 3.) und 5.) gab die belangte Behörde der Berufung jeweils Folge, insofern wurden das besagte Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

1.3. Die belangte Behörde begründet den angefochtenen Bescheid betreffend die Spruchpunkte 1.) und 4.) im Wesentlichen wie folgt:

Die Beschwerdeführerin sei am 6. März 2000 selbstständig vertretungsberechtigte handelsrechtliche Geschäftsführerin der schon genannten Betriebsgesellschaft gewesen, in deren Zulassungsbesitz das genannte Tankfahrzeug gestanden sei. Zur Tatzeit sei auf diesem Fahrzeug die kreisrunde Tafel "L" für lärmarme Kraftfahrzeuge geführt und Gefahrengut der Klasse 3 Z 31c, UN 1202 ADR, nämlich Heizöl extraleicht befördert worden. In dem dem Kontrollorgan BI R D als Beförderungspapier ausgehändigten "Lade- und Fuhrschein" sei "Heizöl Extra Leicht, KL.3 Z 31c ADR", nicht jedoch die Kennzeichnungsnummer des Stoffes "UN 1202" ADR ausgewiesen gewesen. Als Empfänger hätten unter der Rubrik "Kunde": "zum W 2", "S Kaprun" sowie "G Kaprun" aufgeschienen, bezüglich welcher unter der Rubrik "Beleg" auf "03356, 03357 und 03358" verwiesen worden sei. Dem Kontrollorgan sei ferner der bis 6. März 1999 gültig gewesene, vom 6. März 1997 datierende "Nachweis der Einhaltung der Bestimmungen des § 8b KDV 1967 (lärmarmes Kraftfahrzeug)" vorgewiesen worden. Es könne nicht festgestellt werden, dass BI D vom Lenker weitere - insbesondere die im Verfahren vorgelegten - Unterlagen, wie der "Lieferauftrag" vom 6. März 2000, der "Gegenschein 01210", die "Telefonnotiz 3/07542" sowie "die Lieferscheine 03357 und 03358", vorgewiesen worden seien. Zum Zeitpunkt der Gefahrgutkontrolle seien die Lieferscheine betreffend "S Z" und "K-Büro, Nr. 03359 und 03360", noch nicht erstellt gewesen, da der Lenker Lieferscheinformulare grundsätzlich erst nach der Belieferung der Kunden ausgefüllt hätte, diese Kunden damals aber noch nicht beliefert worden gewesen seien. Diese Empfänger des verfahrensgegenständlichen Gefahrgutes seien auch in dem BI D vorgewiesenen Lade- und Fuhrschein noch nicht angeführt gewesen. Diese Feststellungen seien auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens zu treffen gewesen. Das Beweisverfahren habe keine ausreichend überzeugenden Anhaltspunkte ergeben, dass der Gefahrgutlenker dem Kontrollorgan die - im Verfahren als damals mitgeführten Unterlagen - vorgelegten Dokumente tatsächlich in Form von zwei Mappen übergeben hätte. Der Lenker habe lediglich "geglaubt", diese übergeben zu haben, da sich die Urkunden "gewöhnlich" in der "schwarzen Mappe" befänden und er diese "normalerweise" auch vorweise. Demgegenüber habe der Zeuge BI D angegeben, dass der Lenker trotz wiederholten Befragens, "ob noch andere Papiere vorhanden" wären, nur "die vor Ort kopierten" und im Berufungsverfahren der belangten Behörde übermittelten Papiere, nämlich die abgelaufene Lärmbestätigung sowie den mangelhaften Lade- und Fuhrschein, ausgehändigt hätte. Die ausdrückliche Frage des Kontrollorgans nach weiteren Papieren sei vom Beschwerdeführer letztlich nicht bestritten worden. Für das im Zusammenhang behauptete Missverständnis des Fahrers finde sich kein Raum, könne doch nicht angenommen werden, dass das einschreitende, geschulte Organ ein solches im Rahmen seiner wiederholten Nachfragen nicht entdeckt und aufgeklärt hätte. Auch dem "unmittelbaren, persönlichen Eindruck" der belangten Behörde zufolge habe der genannte Lenker "über solch ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" verfügt, dass "ein problemloses Verstehen einfacher Fragen nach weiteren Papieren zum Tatzeitpunkt durchaus möglich" gewesen sei. Schließlich hätte der Lenker seine ADR-Ausbildung auch in Österreich absolviert und sei hier als Berufskraftfahrer im Transportgewerbe tätig, sodass die hier maßgeblichen, im Rahmen von Verkehrskontrollen nicht außergewöhnlichen Fragen keinen Anlass für irgendein Missverständnis hätten darstellen können.

Auch die von der Beschwerdeführerin behauptete "Urkundenaushändigung in Form von zwei Mappen" sei "nicht zugrunde zu legen". So habe der Lenker darauf verwiesen, dass er die leeren Lieferscheinformulare grundsätzlich erst ausstellen würde, nachdem er bei einzelnen Kunden Mineralöl abgefüllt hätte. Damit sei aber die Behauptung hinsichtlich der Lieferscheine 03359 und 03360, in denen Heizöllieferungen nach der Gefahrgutkontrolle dokumentiert seien, wiederlegt. Darüber hinaus habe BI D mit Sicherheit ausschließen können, dass ihm auch die weiteren, im Verfahren von der Beschwerdeführerin vorgelegten Urkunden vorgewiesen worden seien. Da sich nicht der geringste Hinweis dafür ergeben habe, dass dieser Zeuge die Beschwerdeführerin entgegen der dienst- und strafrechtlich sanktionierten Wahrheitspflicht falsch hätte belasten wollen, sei davon auszugehen gewesen, dass der Lenker trotz mehrmaligen Befragens keine weiteren Papiere habe vorweisen können und auch von einer im Fahrzeug befindlichen Mappe mit Lieferadressen nicht die Rede gewesen sei. Es sei glaubwürdig wie lebensnah, dass auf diese Kontrolle hin die dem Verfahren zugrunde liegende Anzeige des Landesgendarmeriekommandos Salzburg vom 17. März 2000 erstattet worden sei. Überdies sei darauf hinzuweisen, dass auch auf den Lieferscheinen 03357 und 03358 betreffend "S Kaprun" und "G Kaprun" die gemäß Rn 2002 Abs. 3 lit. a ADR erforderlichen Angaben über die jeweils angegebenen Mengen Heizöl gefehlt hätten.

Gemäß Rn 2002 Abs. 3 lit. a ADR sei für jede Gefahrgutbeförderung ein Beförderungspapier vorgeschrieben, das mindestens folgende Angaben enthält:

-

die Bezeichnung des Gutes einschließlich der Kennzeichnungsnummer des Stoffes (sofern vorhanden);

-

die Klasse;

-

die Ziffer der Stoffaufzählung sowie gegebenenfalls den Buchstaben;

-

die Großbuchstaben ADR oder RID;

-

die Anzahl und Beschreibung der Versandstücke oder der Großpackmittel (IBC);

-

die Gesamtmenge der gefährlichen Güter (als Volumen oder als Brutto- oder Nettomasse und außerdem für explosive Stoffe und Gegenstände der Klasse 1 als Gesamtnettomasse der enthaltenen Explosivstoffe);

-

den Namen und die Anschrift des Absenders;

-

den Namen und die Anschrift des (der) Empfängers (Empfänger);

-

eine Erklärung entsprechend den Vorschriften einer Sondervereinbarung.

Dieses Papier mit den vorgenannten Angaben könne auch ein solches sein, das bereits durch andere geltende Vorschriften für die Beförderung mit einem anderen Beförderungsmittel verlangt werde. Bei mehreren Empfängern dürften die Namen und Anschriften der Empfänger sowie die Liefermengen, die es ermöglichten, die jeweils beförderte Art und Menge zu ermitteln, auch in anderen zu verwendenden oder durch andere Vorschriften verlangten Papieren enthalten seien, die im Fahrzeug ("das heißt Führerhaus") mitzuführen seien.

Im vorliegenden Fall habe der nach den Feststellungen vorgewiesene Lade- und Fuhrschein weder die Kennzeichnungsnummer des Stoffes UN 1202 noch die Namen und Anschriften der Empfänger des beförderten Heizgutes aufgewiesen. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens hätten zum Zeitpunkt der Gefahrgutkontrolle die Namen und Anschriften einzelner Empfänger sowie die jeweiligen Liefermengen auch in anderen Papieren, wie etwa den Lieferscheinen, gefehlt.

Damit sei das vorgeschriebene, vorschriftsgemäße Begleitpapier zum Zeitpunkt der Gefahrgutkontrolle nicht gegeben gewesen, weshalb sich die jeweils erforderlichen Tatvorwürfe zu Spruchpunkt 1.) und zu Spruchpunkt 4.) als zutreffend erwiesen, wobei zu Spruchpunkt 4.) im Sinn des § 9 iVm § 44a VStG zur Präzisierung die "Organfunktion" der Beschwerdeführerin als vertretungsbefugtes Organ des Beförderers bzw. Absenders jeweils spruchgemäß zu ergänzen gewesen sei.

Da hinsichtlich der zu beurteilenden Tat "jegliche Kontrollmaßnahmen unterblieben" wären, liege der Beschwerdeführerin grobes Verschulden zur Last. Der Unrechtsgehalt der zu den Spruchpunkten 1.) und 4.) angelasteten Taten sei beträchtlich: Die Rn 2002 Abs. 3 lit. a ADR solle gewährleisten, dass bei Transportzwischenfällen das in der Beförderungseinheit befindliche Gefahrgut rasch ermittelbar sei, damit unverzüglich die zum Schutz von Menschen und Umwelt notwendigen Maßnahmen zur Schadensvorbeugung bzw. Hilfeleistung ergriffen werden könnten. Der Einhaltung dieser Rechtsvorschrift komme daher zentrale Bedeutung zu. Angesichts des monatlichen Nettoeinkommens der Beschwerdeführerin von S 17.650,-- bei einer Sorgepflicht für ein Kind als allein erziehende Mutter und behaupteten Verbindlichkeiten gegenüber der Erstbehörde seien die allgemeinen Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin "als gerade noch durchschnittlich einzuschätzen" gewesen.

1.4. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

1.5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Zunächst ist Folgendes festzuhalten: Gemäß § 2 Z. 1 lit. a GGBG gelten für die Beförderung gefährlicher Güter gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 GGBG (u.a.) innerhalb Österreichs - wie vorliegend - die in § 2 Z. 1 lit. a GGBG genannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen (idF BGBl. I Nr. 108/1999). Da der Inhalt dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelungen mit dem ADR übereinstimmt, wurde die Beschwerdeführerin in keinen Rechten verletzt, wenn die belangte Behörde im Spruch die inhaltsgleichen Regelungen des ADR angeführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2003, Zl. 2003/03/0149, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

2.2. Mit ihrem Vorbringen, die Aussage des Zeugen BI D (bezüglich seiner bei der Kontrolle an den Lenker gerichteten Frage nach weiteren Dokumenten) wäre in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung (nach Ausweis der Verwaltungsstrafakten am 16. Mai 2001) unrichtig wiedergegeben worden, ist für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Nach der auch im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. § 24 VStG) anzuwendenden Bestimmung des § 15 AVG liefert, soweit nicht Einwände erhoben wurden, eine gemäß § 14 AVG (auch diese Bestimmung ist mit Ausnahme ihres hier nicht maßgeblichen Abs. 3 zweiter Satz im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) aufgenommenen Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorgangs bleibt zulässig. Gemäß § 14 Abs. 3 erster Satz AVG ist jede Niederschrift den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, vorzulesen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen. Nach Ausweis der gesagten Niederschrift betreffend die mündliche Verhandlung am 16. Mai 2001 hat der dort anwesende Vertreter der Beschwerdeführerin die Niederschrift (an deren Ende) durch seine Unterschrift bestätigt und ausdrücklich auf die Wiedergabe des Tonbandes verzichtet. Damit hat sich die Beschwerdeführerin bereits im Verwaltungsstrafverfahren des Rechtes begeben, die Richtigkeit dieser Niederschrift zu bekämpfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1998, Zl. 98/03/0009), ferner steht dies ihrer Rüge, die Tonbandübertragung wäre fehlerhaft gewesen, entgegen.

2.3. Die Beschwerdeführerin vermag mit der Darstellung der in dem in Rede stehenden Unternehmen "jahrelang geübten Praxis" betreffend die bei einer "Lieferfahrt" mitgeführten Unterlagen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung nicht zu erschüttern, wird doch damit nicht aufgezeigt, dass dieser Praxis auch im Beschwerdefall tatsächlich gefolgt wurde. Mit dem Vorbringen, es wäre beim Fehlen von Beförderungspapieren "eher glaubwürdig und lebensnah" gewesen, dass das kontrollierende Organ bei der Kontrolle "nach Lieferadressen und Fahrzielen" gefragt hätte, kann die Beschwerdeführerin nichts gewinnen, hat doch der BI D als Zeuge bei der mündlichen Verhandlung am 16. Mai 2001 nach der Strafverhandlungsschrift ausgesagt, dass er (soweit erinnerlich, ohnehin) den Lenker nach Vorweis des Lieferpapiers gefragt habe, wo dieser weiter hinfahren und was er "mit dem Inhalt in den Tankwagen" noch machen würde. Im Übrigen hat die belangte Behörde auf dem Boden der von ihr diesbezüglich angestellten Überlegungen ihre Beweiswürdigung schlüssig - also in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut - vorgenommen, weshalb diese vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm diesbezüglich zukommenden Kontrolle (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht als rechtswidrig erkannt werden kann.

2.4. Insoweit, als die Beschwerdeführerin kumulativ als Vertreterin des Absenders und des Beförderers bestraft wurde, gleicht der vorliegende Beschwerdefall in seinen maßgeblichen Elementen dem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/03/0373, zugrunde lag. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Aus den dort angestellten Überlegungen hat die belangte Behörde (das Einzelmitglied) den angefochtenen Bescheid zu Spruchpunkt  4 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insofern mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, als sie die Beschwerdeführerin als Vertreterin des Absenders und des Beförderers kumulativ bestrafte.

2.5. Angesichts der Art und der Umstände der Verwaltungsübertretung zu Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und des nach § 27 Abs. 1 GGBG von S 10.000,-- bis S 600.000,-- reichenden Strafrahmens kann entgegen der Beschwerdeführerin nicht gesagt werden, dass die belangte Behörde bei der Festsetzung der Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- für die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Straftat das ihr gemäß § 19 VStG zur Strafermessung eingeräumte Ermessen nicht im Sinn des Gesetzes ausgeübt hätte (vgl. Art. 130 Abs. 2 B-VG).

2.6. Der angefochtene Bescheid des Einzelmitglieds war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. Soweit sich die Beschwerde gegen den Bescheid der Kammer richtet, erweist sie sich hingegen als unbegründet und war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

2.7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere auch § 52 Abs. 1) VwGG iVm VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Da die Erstattung der Gegenschrift und die Aktenvorlage durch das Einzelmitglied und die Kammer gemeinsam erfolgten, war nur die auf den Kammernbescheid entfallende Hälfte des geltend gemachten Schriftsatz- und Vorlageaufwandes zuzusprechen.

Wien, am 25. Februar 2004

Schlagworte

Beweise Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001030386.X00

Im RIS seit

26.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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