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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ALSAG 1989 §2 Abs4 idF 1998/I/151;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde des A in M, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 31. März 2003, Zl. U-30.007/14, betreffend eine Feststellung nach § 10 ALSAG (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch das Hauptzollamt Innsbruck, Innrain 30, 6021 Innsbruck), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 5. April 2001 beantragte die mitbeteiligte Partei als zuständige Behörde für die Einhebung des Altlastenbeitrages die Erlassung eines Feststellungsbescheides bei der Bezirkshauptmannschaft I (BH) betreffend die Verwertung von
1.670 t Klärschlamm, welcher vom Abwasserverband H und F durch den Beschwerdeführer im Jänner 2000 bis August 2000 bezogen worden sei.
Die BH stellte mit Bescheid vom 21. März 2002 gemäß § 21 des Altlastensanierungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 299/1989, in der geltenden Fassung (ALSAG) daraufhin Folgendes fest:
"1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 ALSAG wird festgestellt, dass es sich bei jenem vom Abwasserverband H und F bezogenen Klärschlamm um Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 4 ASLSAG handelt.
2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 ALSAG wird festgestellt, dass der vom Abwasserverband H und F bezogene Klärschlamm dem Altlastenbeitrag unterliegt.
3. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 ALSAG wird festgestellt, dass der vom Abwasserverband H und F bezogene Klärschlamm unter die Abfallkategorie "alle übrigen Abfälle" des § 6 Abs. 1 Z. 3 einzureihen ist.
4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 ALSAG wird festgestellt, dass der vom Abwasserverband H und F bezogene Klärschlamm auf einer Deponie abgelagert wurde, die weder über ein Deponiebasisdichtungssystem noch über eine vertikale Umschließung verfügt, und daher unter § 6 Abs. 2 Z. 3 ALSAG, nicht aber unter Abs. 3, zu subsumieren ist."
Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, dass zwischen Jänner 2000 und August 2000 im Klärwerk von F die gegenständliche Klärschlammmenge von 1.670 t, welche den Anforderungen der "Richtlinie des Amtes der Tiroler Landesregierung für die Aufbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzten Flächen" entspreche, angefallen sei. Der Zweck einer Kläranlage sei die Reinigung der Abwässer, nicht die Gewinnung von Klärschlamm; dieser müsse vielmehr auch aus der Anlage entfernt werden. Damit finde schon der subjektive Abfallbegriff Anwendung. Der Abwasserverband als Eigentümer des Klärwerkes und somit des Klärschlammes habe sich des Klärschlammes entledigen wollen; der Beschwerdeführer habe den gegenständlichen Klärschlamm übernommen, diesen mit Humus vermischt (30 % Klärschlamm, 70 % Humus) und ihn für diverse Außenanlagen und Begrünungen verwendet, ihn somit einer Endlagerung bzw. Deponierung zugeführt. Klärschlamm verliere durch die Vermischung mit Humus nicht seine Eigenschaft als Abfall, weshalb er weiterhin unter den Begriff "übriger Abfall" des § 6 Abs. 1 Z. 3 ALSAG zu subsumieren sei. § 6 Abs. 3 ALSAG schließlich beziehe sich nur auf Deponien, für die eine Bewilligung zur Ablagerung von Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen bestehe, und sei somit im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung des Beschwerdeführers vom 15. Juli 2002; seiner Ansicht nach hätte die Behörde einen Amtssachverständigen zu befragen gehabt, ob die beschriebene Ausbringungs- bzw. Verwertungsmethode als Verwertung im Sinne des ALSAG zu gelten habe oder nicht. Er habe im Zeitraum Jänner 2000 bis August 2000 1.670 t Klärschlamm vom Klärwerk F bezogen, welche der damals gültigen Richtlinie des Amtes der Tiroler Landesregierung für die Aufbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzten Flächen entsprochen habe. Allein dieses Faktum lege nahe, dass der Klärschlamm in einem derartigen Zustand gewesen sei, dass er zur Aufbringung auf landwirtschaftliche Böden geeignet gewesen sei und somit den Tatbestand der stofflichen Verwertung verwirklicht habe. Im Jahr 2000 sei es zulässig und üblich gewesen, Klärschlämme mit Humus zu vermischen und auf diverse Flächen (auch landwirtschaftlich genutzte) aufzubringen, um damit eine Bodenverbesserung bzw. eine kulturfähige Bodenschicht herzustellen. Der Beschwerdeführer gab in weiterer Folge an, auf welchen Grundstücken in welchem Ausmaß er die 1.670 t Klärschlamm in vermischter Form aufgebracht habe und stellte resümierend fest, es seien auf rund 22.000 m2 verschiedener Flächen Klärschlamm im Freiland aufgebracht worden, was einer durchschnittlichen Menge von rund 7,5 kg Klärschlamm pro m2 bzw. einer Schichte von rund 4 cm pro m2 entspreche. Schließlich brachte er vor, die belangte Behörde habe nicht das im Jahre 2000 geltende ALSAG, sondern die im Jahr 2002 geltende Fassung angewandt; in der im Jahr 2000 geltenden Fassung sei jedenfalls nicht definiert, dass mit Humus vermischter Klärschlamm seine Eigenschaft als Abfall nicht verliere; eine solche Bestimmung sei erst ab dem Jahr 2001 im ALSAG zu finden.
Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2002 legte der Beschwerdeführer das Abnehmerverzeichnis des Abwasserverbandes H und F sowie zwei bakteriologische Befunde in Kopie vor. Erläuternd merkte er an, ursprünglich sei die Menge/m2 auf Basis von rund 10 % TS ermittelt worden. Tatsächlich habe der Klärschlamm einen durchschnittlichen TS-Gehalt von knapp 50 % - dies ergebe einen Klärschlammanteil von ca. 37,5 kg/m2 anstatt der bisher ermittelten 7,5 kg/m2.
Die belangte Behörde holte zur Frage, ob bei der Klärschlammaufbringung die Vorgaben der ehemaligen "Richtlinie für die Ausbringung von Klärschlamm auf Böden" der Tiroler Landesregierung vom Oktober 1987 eingehalten worden seien, eine Stellungnahme des abfalltechnischen Sachverständigen vom 21. November 2002 ein, aus welcher hervorgeht, dass nach sämtlichen neuen Untersuchungsberichten hervorgekommen sei, dass die Klärschlämme aus der Kläranlage F die Grenzwerte für die Parameter Molybdän, Kupfer, Zink, Blei, Nickel, Chrom, Cadmium, Kobalt, Quecksilber und Arsen unterschritten und somit nach der Richtlinie an Abnehmer weitergegeben werden dürften. Zwei Untersuchungsergebnisse der Food Hygiene Control GmbH bestätigten überdies, dass die seuchenhygienischen Voraussetzungen für die Weitergabe von Klärschlämmen zur Aufbringung auf Böden ebenfalls eingehalten worden seien. Zur Probennahme könne aus abfalltechnischer Sicht nicht Stellung genommen werden, weil aus den Untersuchungsberichten nur ersichtlich sei, dass die Proben von einem Mitarbeiter des Klärwerkes F gezogen, nicht jedoch, ob geeignete Mischproben gemäß Kapitel 3.1.5. (der genannten Richtlinie) hergestellt worden seien.
Die belangte Behörde befragte einen Amtssachverständigen für Landwirtschaft dazu, ob auf Grund der im Bodenkataster vorhandenen Daten dargelegt werden könne, ob in den Bereichen der gegenständlichen Aufbringung des Klärschlammgemisches die Schwermetallgrenzwerte der Richtlinie für Böden eingehalten worden seien.
Aus der dazu ergangenen Stellungnahme des Amtssachverständigen für Landwirtschaft vom 28. November 2002 geht hervor, dass die im Tiroler Bodenkataster vorliegenden Daten im angesprochenen Gebiet in einem Raster von 2 x 2 km gewonnen worden seien; eine örtliche Übereinstimmung mit einer beschlammten Fläche wäre Zufall, könnte aber über eine Parzellennummer jederzeit festgestellt werden. Insgesamt sei festzuhalten, dass in den Tallagen (vor allem im Inntal) die Belastungen durch Schwermetalle deutlich höher seien als in den Mittelgebirgs- oder Hochlagen. Die Gehalte z.B. an Blei im Oberboden der Gemeinden A und T (ausgenommen Hochlagen) lägen zwischen 93 und 180 mg/kg Feinboden und damit an oder deutlich über der Grenze von 100 mg Blei/kg Feinboden, die damals für eine Beschlammung gegolten hätten. In einer angeführten Karte seien die Belastungen an Blei, Cadmium, Kupfer und Zink im Verhältnis zum geltenden Richtwert im Oberboden grafisch dargestellt. Die Eigentümer oder Nutzungsberechtigten hätten die Verpflichtung, vor einer Ausbringung von Klärschlamm Bodenuntersuchungen der betroffenen Parzellen durchführen zu lassen. Es seien nicht nur die Schwermetallgehalte von Boden und Klärschlamm zu beachten, sondern auch die Frachten, die über die Klärschlammausbringung auf die Flächen gelangten.
An Hand der vorliegenden Daten seien (rechnerisch exakt) 37,95 kg Trockenmasse pro m2 ausgebracht worden, was einer Menge von beinahe 380 t pro Hektar entspreche. Bei nicht verdünntem Klärschlamm seien Gesamtstickstoffgehalte zwischen 3 und 5 % der Trockenmasse zu erwarten, der häufigste Wert liege bei 3,9 %. Auch bei einem sehr niedrig angenommen Wert von nur 0,5 % Stickstoff in der Trockenmasse ergebe sich ein rechnerischer Gesamtstickstoffeintrag von 1.897,73 kg/ha, der damit sehr deutlich über den nach dem WRG erlaubten Grenzen von 175 bzw. 210 kg N/ha/a liege.
In der landwirtschaftlichen Praxis werde von tierhaltenden Betrieben bei intensivster Flächennutzung selten eine Menge von 50 m3 Wirtschaftsdünger/ha/a (Frischmasse), aufgeteilt auf mehrere Teilgaben, überschritten. Der Durchschnitt der Tiroler Betriebe liege deutlich darunter, je nach Intensität der bewirtschafteten Flächen zwischen 15 und 35 m3/ha/a. Die Trockensubstanzgehalte von Rindermist lägen zwischen 20 und 25 %, von unverdünnter Gülle bei etwa 10 %.
In der Richtlinie seien Ausdünnungsbeschränkungen aufgelistet, u.a. eine Mengenbeschränkung von 5,0 t TS/ha/a im Acker und von 2,5 t TS/ha/a im Grünland. Die angeführten Mengen von ca. 380 t/ha überschritten diese Grenze um ein Vielfaches. Es seien also weder die Regeln der Düngepraxis noch die geltenden Ausbringungsbeschränkungen eingehalten worden.
Der belangten Behörde lag weiter eine Stellungnahme der Abteilung Siedlungswasserwirtschaft vom 12. Dezember 2002 vor, aus der hervorgeht, dass die Kontrolluntersuchungen samt deren Ergebnisse, wie sie im Kapitel 31 der genannten Richtlinien als Erfordernis gestellt würden, eingehalten worden seien. Die Richtlinien gingen allerdings davon aus, dass Klärschlamm (und nicht ein Gemenge von Humus und Klärschlamm) auf landwirtschaftlich genutzten Böden oder auf sonstigen Böden aufgebracht würde.
Der Beschwerdeführer erstattete einen Schriftsatz vom 24. Jänner 2003, in dem er darauf verwies, dass es sich praktisch ausschließlich um Rekultivierungstätigkeiten gehandelt habe. Um nunmehr die relevanten Bodenverhältnisse festzustellen bzw. um nachvollziehbar feststellen zu können, dass die Böden hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe zulässige Werte aufwiesen, werde ersucht, die durch Rekultivierung bearbeiteten Böden zu beproben und die relevanten Inhaltsstoffe zu ermitteln.
Dazu gab der diesbezüglich angesprochene landwirtschaftliche Sachverständige mit Schreiben vom 27. Februar 2000 eine Stellungnahme ab, wonach die Entnahme und Analytik von Bodenproben der betroffenen Flächen keine Änderung der Stellungnahme vom 28. November 2002 zur Folge haben würde. Feststellen ließen sich die aktuellen Schwermetallgehalte dieser Flächen, um die Gesamtfracht durch das aufgebrachte Material schätzen zu können. Dabei könne allerdings keine Aussage getroffen werden, welche Anteile aus dem Klärschlamm oder dem Humus/Erdaushubmaterial stammten. Eine Feststellung der ursprünglichen Bodenbeschaffenheit sei durch die erfolgte Rekultivierungsmaßnahme kaum mehr möglich. Bei Vorliegen von vergleichbarer Bewirtschaftung könnten Beprobungen benachbarter Flächen Anhaltspunkte über die ursprünglichen Schwermetallgehalte liefern.
Der Beschwerdeführer wies mit Schriftsatz vom 12. März 2003 neuerlich darauf hin, dass keine Düngung sondern vielmehr die Herstellung einer kulturfähigen Bodenschicht (Rekultivierung) vorgenommen worden sei. Es sei wesentlich, ob sich der nunmehr hergestellte kulturfähige Boden in verschiedenen Parametern mit benachbarten Böden oder allenfalls mit typischen Böden des Aufbringungsgebietes vergleichen lasse. Dies könne seiner Meinung nach nur durch Bodenproben und deren Analyse festgestellt werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. März 2003 wurde der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahingehend abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat:
"1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 ALSAG, BGBl. Nr. 299/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 91/2000, wird festgestellt, dass es sich bei dem vom (Beschwerdeführer) im Jahre 2000 auf dem Grundstück Nr. 2427, 1944, 1770/1 und 2415, alle GB 81001 A, auf dem Grundstück Nr. 974, GB 81016 T, sowie auf einem Bahndamm im Gebiet der Stadtgemeinde H, aufgebrachten Klärschlamm bzw. Klärschlammgemisch um Abfall im Sinne des § 2 Abs. 4 ALSAG handelt.
2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 ALSAG, BGBl. Nr. 299/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 91/2000, wird festgestellt, dass die/das vom (Beschwerdeführer) im Jahre 2000 auf den Grundstücken Nr. 2427, 1944, 1770/1 und 2415, alle GB 81001 , auf dem Grundstück Nr. 974, GB 81016 T, sowie auf einem Bahndamm im Gebiet der Stadtgemeinde
H. aufgebrachte Klärschlamm bzw. Klärschlammgemisch dem Altlastenbeitrag unterliegen.
3. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 ALSAG, BGBl. Nr. 299/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 91/2000, wird festgestellt, dass die im Jahre 2000 vom (Beschwerdeführer) auf den Grundstücken Nr. 2427, 1944, 1770/1 und 2415, alle GB 81001 A, auf dem Grundstück Nr. 974, GB 81016 T, sowie auf einem Bahndamm im Gebiet der Stadtgemeinde H. aufgebrachten Klärschlamm bzw. Klärschlammgemisch der Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 Z. 4 ALSAG zuzuordnen sind.
4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 ALSAG, BGBl. Nr. 299/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 91/2000, wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die in den Spruchpunkten 1. bis 3. umschriebenen Abfälle die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 ALSAG nicht anzuwenden, vorliegen."
Aus der Begründung des Bescheides geht nach der Darstellung des Verfahrensablaufes als Sachverhalt hervor, dass der Beschwerdeführer auf den im Spruch genannten Grundstücken bzw. dem Bahndamm ein Klärschlammgemisch im Ausmaß von 1.670 t aufgebracht habe. Die zur Herstellung des Klärschlammgemisches verwendeten Klärschlämme aus der Kläranlage F (Betreiber: Abwasserverband H-F) unterschritten die Grenzwerte für die Parameter Molybdän, Kupfer, Zink, Blei, Nickel, Chrom, Cadmium, Kobalt, Quecksilber und Arsen. Ebenso seien die in der "Richtlinie für die Ausbringung von Klärschlamm auf Böden" definierten seuchenhygienischen Voraussetzungen erfüllt worden. Die Kontrollen seien ebenfalls unter Einhalt der Vorgabe des 3. Kapitels dieser Richtlinie erfolgt.
Allerdings habe der Beschwerdeführer weder die Regeln der Düngepraxis noch die geltenden Ausbringungsbeschränkungen eingehalten. Auch eine Information der Landeslandwirtschaftskammer für Tirol sei nicht erfolgt.
Unter dem Kapitel "Beweiswürdigung" legt die belangte Behörde dar, dass sich die Feststellungen zur Qualität des Klärschlammes auf die Aussagen des abfalltechnischen Amtssachverständigen in seiner Stellungnahme vom 21. November 2002 stützten. Unter Hinweis auf das Gutachten des Amtssachverständigen für Landwirtschaft vom 28. November 2002 stellt die belangte Behörde weiter fest, dass die Regeln der Düngepraxis ebenso wenig wie die geltenden Ausbringungsbeschränkungen eingehalten worden sein.
Die Ausführungen zur rechtlichen Würdigung beginnt die belangte Behörde mit einem Hinweis auf ihre Obliegenheit, in einem Verfahren nach § 10 ALSAG jene Rechtslage anzuwenden, die zu dem Zeitpunkt galt, zu dem der die Beitragspflicht auslösende Sachverhalt verwirklicht worden sei. Im gegenständlichen Fall sei die Ausbringung des Klärschlamms im Zeitraum Jänner bis August 2000 und damit zu einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten der ALSAG-Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 erfolgt. Es sei daher das ALSAG in der Fassung vor der genannten Novelle anzuwenden.
Nach Wiedergabe des Wortlautes des § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 4 ALSAG sowie des § 2 Abs. 1 AWG 1990, des § 2 Abs. 5, des § 3 Abs. 1 und des § 6 Abs. 1 und Abs. 5 ALSAG in der als relevant bezeichneten Fassung stellt die belangte Behörde fest, unbestritten sei der vom Abwasserverband H-F bezogene Klärschlamm vor der Ausbringung Abfall im Sinne des AWG 1990 und damit auch des ALSAG. Vom Beschwerdeführer werde in diesem Zusammenhang vorgebracht, die Ausbringung des Klärschlamm-Humusgemisches auf verschiedenen Grundstücken sei als zulässige stoffliche Verwertung im Sinne des § 2 Abs. 3 AWG zu qualifizieren. Dem sei allerdings nicht zuzustimmen. Wie der landwirtschaftliche Amtssachverständige schlüssig ausgeführt habe, seien die in den Richtlinien festgelegten Ausbringungsbeschränkungen bei weitem nicht eingehalten worden. Damit sei aber von keiner zulässigen stofflichen Verwertung im Sinne des § 2 Abs. 3 AWG 1990 und folglich nicht von einer Beendigung der Abfalleigenschaft des verwendeten Klärschlamms auszugehen. Auch der Tatbestand des § 2 Abs. 5 Z. 1 erster Halbsatz ALSAG sei folglich nicht erfüllt. Das vom Beschwerdeführer zur Ausbringung verwendete Klärschlamm-Humusgemisch sei daher als Abfall zu qualifizieren. Dementsprechend habe auch die Feststellung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 ALSAG zu lauten.
Das Ausbringen des Klärschlamm-Humusgemisches sei als Vornehmen von Geländeanpassungen mit Abfällen zu qualifizieren. Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1 Z. 2 zweiter Halbsatz ALSAG sei nicht gegeben, dementsprechend sei gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 ALSAG festzustellen, dass das für die Aufbringung auf verschiedenen Grundstücken verwendete Klärschlamm-Humusgemisch dem Altlastenbeitrag unterliege. Eine Zuordnung zu den Abfallkategorien "Baurestmassen", "Erdaushub" sowie Abfällen des § 6 Abs. 1 Z. 3 ALSAG scheide aus. Das Klärschlamm-Humusgemisch sei daher der Abfallkategorie "alle übrigen Abfälle" im Sinne des § 6 Abs. 5 Z. 4 ALSAG zuzuordnen.
§ 3 ALSAG unterwerfe in den Ziffern 1 bis 4 unterschiedliche Manipulationen mit Abfällen dem Altlastensanierungsbeitrag. Z. 2 erfasse u.a. das Vornehmen von Geländeanpassungen mit Abfällen. Das Wort Deponie komme in diesem Zusammenhang nicht vor. § 6 Abs. 5 ALSAG setze die Höhe für das Verfüllen oder Lagern von Abfällen gemäß § 3 ALSAG fest. Auch hier werde das Wort "Deponie" nicht verwendet.
In den Absätzen 2 und 4 des § 6 ALSAG hingegen, die die Zuschläge regelten, würde ausdrücklich nicht allein das Ablagern von Abfällen erwähnt, sondern es komme ein zusätzliches Tatbestandselement hinzu, nämlich dass es sich um ein Ablagern von Abfällen auf einer Deponie handeln müsse. Der Gesetzgeber unterscheide zwischen einer Ablagerung von Abfällen auf einer Deponie und einem Ablagern außerhalb einer Deponie. Damit scheide aber eine Auslegung des dem ALSAG zu Grunde liegenden Deponiebegriffes, welche das bloße Ablagern von Abfällen schon als Deponie bzw. die Abfälle für sich allein als Deponieanlage ansehe, aus. Im gegenständlichen Fall sei keine Ablagerung auf einer Deponie erfolgt. Demgemäß seien die Absätze 2 und 3 des § 6 ALSAG nicht anzuwenden und habe die Feststellung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 ALSAG entsprechend zu lauten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 1 ALSAG lautet:
"§ 10. (1) Die Behörde (§ 21) hat in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Hauptzollamtes des Bundes durch Bescheid festzustellen,
1.
ob eine Sache Abfall ist,
2.
ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt,
3.
welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 oder welcher
Deponietyp gemäß § 6 Abs. 4 vorliegt,
4. ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 nicht anzuwenden."
Zutreffend ging die belangte Behörde davon aus, dass sie in einem Verfahren nach § 10 ALSAG die Obliegenheit trifft, jene Rechtslage anzuwenden, die zu dem Zeitpunkt galt, zu dem der die Beitragspflicht auslösende Sachverhalt verwirklicht worden war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 2000/07/0088, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Im Beschwerdefall erfolgte die Ausbringung des Klärschlammgemisches zwischen Jänner und August 2000; somit zu einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten der ALSAG-Novelle, BGBl. I Nr. 142/2000 (mit 1. Jänner 2001). Diese Ausbringung kam als der die Abgabepflicht auslösende Tatbestand in Betracht. Es war daher das ALSAG in der Fassung vor der genannten Novelle anzuwenden.
Die § 2 Abs. 4 und 5 Z. 1 und § 3 ALSAG hatten in dieser Fassung folgenden Wortlaut:
"§ 2. (1) ...
(4) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Abfälle gemäß § 2 Abs. 1 bis 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, in der jeweils geltenden Fassung, soweit Abs. 5 nicht anderes bestimmt.
(5) Nicht als Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten:
1. Abfälle, die einer Wiederverwendung, thermischen oder stofflichen Verwertung zugeführt werden, ausgenommen Verfüllungen von Geländeunebenheiten und das Vornehmen von Geländeanpassungen mit Abfällen, einschließlich deren Einbringung in geologische Strukturen sowie Baumaßnahmen des Deponiekörpers (zB Deponiezwischenabdeckungen, Fahrstraßen, Rand- und Stützwälle);
2. ...
§ 3. (1) Dem Altlastenbeitrag unterliegen:
1.
das langfristige Ablagern von Abfällen;
2.
das Verfüllen von Geländeunebenheiten oder das Vornehmen von Geländeanpassungen mit Abfällen einschließlich deren Einbringung in geologische Strukturen, ausgenommen jene Geländeverfüllungen oder -anpassungen, die im Zusammenhang mit einer übergeordneten Baumaßnahme eine konkrete bautechnische Funktion erfüllen (zB Dämme und Unterbauten für Straßen, Gleisanlagen oder Fundamente, Baugruben- oder Künettenverfüllungen);
3.
das Lagern von Abfällen;
4.
das Befördern von Abfällen zur langfristigen Ablagerung außerhalb des Bundesgebietes.
(2) Von der Beitragspflicht ausgenommen ist das Ablagern, Lagern und Befördern von Abfällen, die im Zuge der Sicherung oder Sanierung von Altlasten anfallen, sowie das Umlagern von Abfällen, soweit bereits ein Altlastenbeitrag entrichtet wurde."
Nach § 2 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen,
1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder
2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist.
Die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.
Nach § 1 Abs. 3 AWG ist im öffentlichen Interesse die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls
1. die Gesundheit des Menschen gefährdet und unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,
2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen verursacht werden können,
3. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,
4.
Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,
5.
Geräusche und Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,
6. das Auftreten und die Vermehrung von schädlichen Tieren und Pflanzen sowie von Krankheitserregern begünstigt werden,
7.
die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann,
8.
Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können.
Ist eine Sache Abfall und wird sie sodann einer Verwertung zugeführt (Altstoff), gilt sie nach § 2 Abs. 3 AWG so lange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden.
Unbestritten ist, dass der vom Abwasserverband bezogene Klärschlamm Abfall im Sinne des AWG und damit auch des ALSAG war.
Strittig ist einerseits, ob die Vermischung mit Humus die Abfalleigenschaft des Klärschlammes beendet hat und andererseits ob die Ausbringung auf dem Grundstück eine zulässige Verwendung oder Verwertung im Sinne des § 2 Abs. 3 AWG darstellt, und aus diesem Grund die Abfalleigenschaft beendet worden ist.
Diesbezüglich macht der Beschwerdeführer geltend, sobald jemand den sich aus den Abwässern abgesetzten Klärschlamm beziehe und in der Weise umforme, sodass er ein Klärschlamm-Humusgemisch herstelle, und auf den Boden aufbringe, so sei dieses Gemisch grundsätzlich als kulturfähige Bodenschicht zu bezeichnen. Es handle sich dabei um eine Verwertung des Substrates im Zusammenhang mit einer klassischen Rekultivierung.
Die Vermischung des Klärschlammes mit dem Humus allein bewirkt noch kein Ende der Abfalleigenschaft. Ein Gemisch, das untrennbar Abfall enthält, stellt selbst Abfall dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 2003, Zl. 2002/07/0159, m.w.N.).
Zur Zulässigkeit der Verwertung (hier: durch die Aufbringung des Klärschlammgemisches auf den Boden) hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 2001, Zl. 2000/07/0280, ausgesprochen, dass eine zulässige Verwendung oder Verwertung nur dann vorliege, wenn die betreffende Sache unbedenklich für den beabsichtigten Zweck einsetzbar sei. Eine zulässige Verwendung oder Verwertung sei aber insbesondere dann nicht gegeben, wenn durch diese Verwendung oder Verwertung die Beeinträchtigung umweltrelevanter Schutzgüter zu besorgen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0031).
Ihre Annahme, wonach eine Beeinträchtigung umweltrelevanter Schutzgüter zu besorgen sei, stützt die belangte Behörde in erster Linie auf das Gutachten ihres landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 28. November 2002, und zwar auf den Teil des Gutachtens (Punkt 2.c), in welchem auf die Ausbringungsbeschränkungen in Pkt. 2.2.2 der "Richtlinie für die Ausbringung von Klärschlamm auf Böden der Tiroler Landesregierung vom Oktober 1989", Bezug genommen wurde. Das Gutachten stellt (auch) in diesem Punkt die vorliegenden Mengen und zulässigen Grenzwerte dar und stellt fest, dass die geltenden Ausbringungsbeschränkungen nicht eingehalten worden seien.
Diesem Gutachten sind nun zwar allgemeine Aussagen über die Überschreitung der dargestellten Grenzwerte zu entnehmen, aber keine Aussagen dazu, welche Konsequenzen in Form konkreter Umweltbeeinträchtigungen auf den in Rede stehenden Flächen mit der Nichteinhaltung dieser Beschränkungen einhergingen. Eine solche Bezugnahme wäre aber notwendig gewesen, um von der Unzulässigkeit der Verwertung des Klärschlamms auf diese Art auszugehen. Der Widerspruch zu den genannten Regeln allein zeigt noch nicht das Vorliegen einer Gefährdung der Umwelt auf.
Dass die allein zur Stützung der Argumentation der belangten Behörde heran gezogene Richtlinie keine für den Verwaltungsgerichtshof verbindliche Rechtsgrundlage darstellt, hat dieser bereits in seinem hg. Erkenntnis vom 18. September 2002, Zl. 2001/07/0172, klargestellt. Die Berufung auf eine solche Richtlinie allein reicht auch im Beschwerdefall nicht aus, um festzustellen, ob eine zulässige Verwertung des Abfalls vorliegt. Einer solchen Richtlinie kann Bedeutung nur insoweit zukommen, soweit es sich dabei um "objektivierte", dh generelle Gutachten handelt und von der Behörde dargetan wird, dass die in diesen objektivierten Gutachten enthaltenen Aussagen auch auf den konkreten Einzelfall zutreffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/07/0085). Wird nun zB. in einem Gutachten eines Amtssachverständigen der Bezug zwischen den Vorgaben dieser Richtlinie, dem konkret in Rede stehenden Vorgang und den damit im Einzelfall zu gewärtigenden Umweltbeeinträchtigungen in schlüssiger Weise dargestellt, wäre die Gefährdung öffentlicher Interessen ausreichend dargetan (vgl. zu einem solchen Fall das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 11. September 2003).
Dies ist im vorliegenden Fall aber nicht geschehen. Die oben dargestellten allgemeinen Hinweise auf die Überschreitung bestimmter Grenzwerte allein reichen ohne Darstellung der damit konkret zu gewärtigenden Gefahren für die Umwelt nicht aus, um vom Vorliegen einer solchen Gefährdung und damit von einer nicht zulässigen Verwertung des Klärschlammgemisches zu sprechen.
Die Schlussfolgerung der belangten Behörde, es liege keine zulässige Verwertung des Klärschlammgemisches durch die Aufbringung auf den Boden vor, kann daher auf der Grundlage der von ihr getroffenen Feststellungen nicht nachvollzogen werden, weshalb sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt als ergänzungsbedürftig erweist. Es kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die Behörde bei einer auf den Einzelfall und die Gefährdung der umweltbezogenen Schutzgüter gerichteten Betrachtung zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass trotz Überschreitung der Grenzwerte der Richtlinie eine zulässige Verwertung des Klärschlammgemisches und damit das Ende der Abfalleigenschaft vorliegt.
An die Qualifikation des Klärschlammgemisches als Abfall knüpfen aber alle Spruchpunkte (1 bis 4) des angefochtenen Bescheides an, sodass dieser zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 26. Februar 2004
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren ErlässeVerwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBeweismittel SachverständigengutachtenVorliegen eines GutachtensBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003070060.X00Im RIS seit
19.03.2004Zuletzt aktualisiert am
07.11.2009