TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/26 2003/16/0125

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Veröffentlicht am 26.02.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/01 Jurisdiktionsnorm;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

GGG 1984 §1 Abs1;
GGG 1984 §14;
JN §56 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Höfinger, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde 1. der H Hoch- und Tiefbaugesellschaft mbH in P und 2. der V GmbH & Co in L, beide vertreten durch Dr. Josef Olischar und Mag. Martin Kratky, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Museumstraße 4/4, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 10. Juli 2003, Zl. Jv 2416-33/03, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Gesellschaften brachten am 21. Dezember 1999 beim Handelsgericht Wien eine mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbundene Klage ein. Nach dem darin gestellten Urteilsantrag sollte der beklagten Partei aufgetragen werden, den bereits erfolgten Abruf der Bankgarantien der A Bank über S 16,934.328,-- betreffend eine Deckungsrücklassgarantie für das Bauvorhaben MZ, und über S 24,660.000,-- betreffend Sicherstellung der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung beim Projekt MN, je zu widerrufen und die Einziehung ihrer Forderungen aus diesen Garantien sowie Verfügungen über diese Forderungen zu unterlassen. Als "Streitwert" gaben die beschwerdeführenden Gesellschaften für beide Bankgarantien einen Betrag von insgesamt S 2,000.000,-- an.

Mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26. Juni 2002, 12 Cg 127/99t, wurde dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben und die von der beklagten Partei zu ersetzenden Kosten auf der Grundlage von EUR 3,022.777,70 (= S 41,594.328,--), das ist die Summe der in den Bankgarantien ausgewiesenen Beträgen, festgesetzt.

Gegen dieses Urteil erhob die beklagte Partei Berufung in der Hauptsache und im Kostenpunkt. Während das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht die Berufung in der Hauptsache abwies, hat es ihr im Kostenpunkt Folge gegeben. Bei der Neufestsetzung der Kosten vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, die Bewertung des Streitgegenstandes durch die beschwerdeführenden Gesellschaften (mit S 2,000.000,--) sei bindend; der Streitwert habe sich im Verfahren nicht geändert. Auf der Grundlage des genannten Streitwertes berechnete das Berufungsgericht die Verfahrenskosten, darunter die Gerichtsgebühren, neu und änderte die erstgerichtliche Kostenentscheidung im Sinne der so reduzierten Kostenersatzpflicht ab.

Bei Einbringung der eingangs genannten Klage entrichteten die beschwerdeführenden Gesellschaften gemäß der von ihnen vorgenommenen Bewertung des Streitwertes mit S 2,000.000,-- eine Pauschalgebühr von S 29.744,--. Am 14. März 2001 erfolgte durch die erstbeschwerdeführende Gesellschaft - berechnet offensichtlich auf Basis der Summe der Garantiebeträge - eine "Nachzahlung" an Pauschalgebühr in Höhe von S 533.800,--.

Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2003 beantragten die beschwerdeführenden Gesellschaften die Rückzahlung von EUR 38.989,27 (= S 536.504,05) an Pauschalgebühren, die in Anbetracht der Berufungsentscheidung des OLG Wien im Kostenpunkt zuviel entrichtet worden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Präsident des Handelsgerichtes Wien diesen Rückzahlungsantrag ab. Zur Begründung verwies er auf den Umstand, dass es sich beim Klagebegehren um einen nicht zu bewertenden geldgleichen Anspruch über insgesamt EUR 3,022.777,70 handle, bei dem der Wert des Streitgegenstandes jenem Geldbetrag entspräche, auf den sich der Anspruch auf Widerruf des Abrufes der Bankgarantien beziehe. Somit sei die Bewertung des Streitgegenstandes durch die beschwerdeführenden Gesellschaften (mit S 2,000.000,--) unbeachtlich. Die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes betreffe nur den zivilprozessualen Aspekt des wechselseitigen Prozesskostenersatzes; auf die gebührenrechtliche Seite habe diese Entscheidung keinen Einfluss.

In der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Beschwerde erachten sich die beschwerdeführenden Gesellschaften in ihrem Recht auf Rückgewährung zu viel bezahlter Pauschalgebühr verletzt.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Akten des Verfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.

§ 56 Abs. 2 JN lautet:

"In allen anderen Fällen hat der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung von Feststellungsklagen. Unterlässt der Kläger eine Bewertung in einer Klage, so gilt der Betrag von EUR 4.000,--  als Streitwert."

Nach der hg. Rechtsprechung ist die Bewertungsvorschrift des § 56 Abs. 2 JN auf Klagen betreffend die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer ziffernmäßig bestimmten Geldforderung nicht anzuwenden. In diesen Fällen entspricht der Streitwert dem Geldbetrag, der dem Anspruch zu Grunde liegt (vgl. das Erkenntnis vom 15. März 2001, Zl. 2000/16/0755, mwN).

Der Oberste Gerichtshof verneint grundsätzlich die Anwendbarkeit des § 56 Abs. 2 JN hinsichtlich all jener Ansprüche, die zwar nicht direkt auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet sind, denen jedoch ein Geldbetrag zu Grunde liegt (vgl. den Beschluss vom 13. November 2002, 7 Ob 225/02t). In diesem Sinne wertete der Oberste Gerichtshof auch ein Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, einen bereits erfolgten Abruf einer auf eine bestimmte Geldsumme lautende Bankgarantie zu widerrufen, als geldgleichen Anspruch. In einem solchen Fall habe keine Bewertung zu erfolgen; der Wert des Streitgegenstandes entspreche jenem Geldbetrag, auf den sich der Widerrufsanspruch beziehe; die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes durch den Kläger sei unbeachtlich (vgl. den Beschluss vom 6. Oktober 2000, 1 Ob 214/00b).

Die vom Obersten Gerichtshof in Bezug auf § 56 Abs. 2 JN für geldgleiche Ansprüche vertretene Ansicht entspricht den vom Verwaltungsgerichtshof zunächst zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer ziffernmäßig bestimmten Geldforderung angestellten Überlegungen. In Weiterentwicklung seiner Rechtsprechung zu dieser Frage vertritt nunmehr auch der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der soeben dargestellten Judikatur des Obersten Gerichtshofes im Hinblick auf alle geldgleichen Ansprüche die Auffassung, dass diese nicht nach § 56 Abs. 2 JN zu bewerten sind, sondern deren Streitwert vielmehr dem jeweiligen Geldbetrag entspricht, der ihnen zu Grunde liegt.

Liegt aber vor diesem Hintergrund im vorliegenden Fall dem Klagebegehren, das jenem der zuletzt genannte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gleicht, ein geldgleicher Anspruch zu Grunde, entspricht der Wert des Streitgegenstandes jenem Geldbetrag, auf den sich der Widerrufsanspruch bezieht; das sind insgesamt EUR 3,022.777,70. Die Bewertung des Streitgegenstandes durch den Kläger war somit an sich für die Frage der Bemessung der Gerichtsgebühren unbeachtlich.

Nun gehen die beschwerdeführenden Gesellschaften zwar von der dargestellten Rechtslage aus, vertreten allerdings die Ansicht, die belangte Behörde sei an die "Feststellung des Streitwertes" durch das Oberlandesgericht Wien gebunden gewesen. Dies trifft zu (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 90/16/0171 und vom 18. März 1985, Zl. 85/15/0110).

Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht Wien die von der beklagten Partei zu ersetzenden Kosten auf der Grundlage des von den beschwerdeführenden Gesellschaften selbst bezifferten Streitwertes festgesetzt. Das Berufungsgericht hat sich somit an diesen Streitwert für gebunden erachtet. Damit liegt eine Entscheidung vor, an die auch der Kostenbeamte und die belangte Behörde gebunden waren.

Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung einen anderen Streitwert zu Grunde gelegt und dadurch die Rechtslage verkannt. Der angefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003160125.X00

Im RIS seit

30.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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