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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2003/15/0146Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über den Antrag des M in G, vertreten durch Dr. Peter Bartl & Partner, Rechtsanwalts-OEG in 8010 Graz, Hauptplatz 3/II, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Graz) vom 4. September 2003, Zl. RV/0232-G02, betreffend Einkommensteuer 1999, sowie die im Wiedereinsetzungsverfahren erstattete (nachgeholte) Beschwerde, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Begründung des am 22. Dezember 2003 eingebrachten Wiedereinsetzungsantrages (Postaufgabe 19. Dezember 2003) wurde der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am 15. September 2003 durch Hinterlegung zugestellt. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof habe somit am 27. Oktober 2003 geendet. Am 23. Oktober 2003 seien die Beschwerdeführervertreter beauftragt worden, eine Beschwerde zu verfassen und fristgerecht einzubringen. Der Endtermin der Beschwerdefrist sei in der Kanzlei der Rechtsvertreter vorgemerkt und bereits am 24. Oktober 2003 die Beschwerde verfasst worden. Nachdem die Beschwerde vollständig ausgeführt worden sei, habe der die Beschwerde verfassende Rechtsanwalt nach Unterfertigung derselben die Kanzleikraft, die mit Abfertigung der Poststücke beauftragt sei, angewiesen, den Beschwerdeschriftsatz zu kuvertieren und mit einem Postaufgabeschein für rekommandierte Schreiben zu versehen. Weiters sei seitens des Rechtsanwaltes die ausdrückliche Anweisung erteilt worden, das rekommandierte Schreiben noch am selben Tag aufzugeben. Der Rechtsanwalt habe eindringlich darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Schriftsatz um ein wichtiges Poststück und ein fristgebundenes Rechtsmittel handle. Üblicherweise würden sämtliche Poststücke der Kanzlei etwa 15 Minuten vor Kanzleischluss, somit am 24. Oktober 2003 gegen 13.45, durch eine verlässliche Kanzleikraft persönlich zum Aufgabepostamt gebracht. Der die Beschwerde unterfertigende Rechtsanwalt habe persönlich noch einmal die für den Postausgang bestimmten Sendungen überprüft und sich vergewissert, dass die von ihm verfasste Beschwerde von der beauftragten Kanzleiassistentin zur Mitnahme zum Aufgabepostamt bereit gelegt worden sei. Des Weiteren sei überprüft worden, dass die Eintragung im Terminbuch hinsichtlich des Fristablaufes betreffend die Beschwerde "ausgestrichen wurde". Die Ausstreichung eines Termins erfolge dann, wenn das entsprechende Schriftstück kuvertiert und an die beauftragte Kanzleikraft zur Postaufgabe übergeben worden sei. Für den Postweg und die Aufgabe der Poststücke stünden drei Kanzleikräfte zur Verfügung, welche sich gewöhnlich mit der Vornahme der Postaufgabe abwechselten. Welche Kanzleikraft schlussendlich die für den Postausgang bestimmten Briefsendungen an sich genommen und mit diesen die Kanzlei verlassen habe, habe nicht mehr festgestellt werden können, weil hierüber keine Aufzeichnungen geführt würden. Sämtliche mit der Postaufgabe betrauten Kanzleikräfte seien jedoch äußerst zuverlässig und gegenüber allen "drei Personen, welche allesamt ihren Arbeitsplatz im selben Büroraum haben", sei durch den unterfertigenden Rechtsanwalt die Dringlichkeit der Postaufgabe erwähnt und auf den Fristablauf hingewiesen worden. Es sei in der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters bislang noch nie vorgekommen, dass ein Poststück nicht zum Aufgabepostamt verbracht worden sei. Trotz der ausdrücklichen Anweisung, die verfasste Beschwerde mittels rekommandierten Schreibens aufzugeben, sei aus Gründen, "die einzig und allein in der Person der die Postaufgabe vornehmenden Kanzleikraft gelegen waren", an diesem Tag die Postaufgabe nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Es sei seitens des Beschwerdeführervertreters nicht ersichtlich, weshalb die beauftragte Kanzleikraft, welche (wie "die üblichen Kanzleikräfte") ausdrücklich über die Dringlichkeit belehrt worden sei, ihrem Auftrag zur Postaufgabe nicht nachgekommen sei. Wie bereits ausgeführt, sei der Beschwerdeführervertreter seiner Kontroll- und Anweisungspflicht an dem besagten Tag mehrfach nachgekommen. Dies insbesondere deshalb, weil auf Grund der kurzfristigen Auftragserteilung eine besondere Dringlichkeit gegeben gewesen sei, die den Beschwerdeführervertreter zur besonderen Vorsicht veranlasst habe. Da bislang keinerlei Fälle von Unzuverlässigkeit betreffend die in der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters beschäftigten Kanzleikräfte aufgetreten seien, habe der Beschwerdeführervertreter keine Veranlassung zur persönlichen Aufsicht gehabt und hätten keine speziellen Kontrollmaßnahmen ergriffen werden müssen, die den sonstigen, gut eingespielten und reibungslos funktionierenden Kanzleiablauf übersteigen würden. Der Beschwerdeführervertreter habe sich bisher in allen Fällen darauf verlassen können, dass eine von ihm erteilte Weisung befolgt werde. Der Beschwerdeführervertreter habe am 5. Dezember 2003 die Bearbeitung der (vermeintlich eingebrachten) Beschwerde urgiert und telefonisch die Auskunft erhalten, dass eine solche Beschwerde beim "erkennenden Gerichtshof" nicht eingelangt sei. Darauf sei am Montag, dem 8. Dezember 2003, bei dem zuständigen Aufgabepostamt nachgeforscht worden, weshalb es zu keiner Zustellung der Beschwerde gekommen sei. Es sei dabei festgestellt worden, dass das Poststück offensichtlich nicht aufgegeben worden sei. Mit der Erteilung dieser Auskunft sei dem Beschwerdeführer die Verfristung der Verfahrenshandlung bekannt geworden, sodass ab diesem Zeitpunkt die Frist für die Antragstellung auf Wiedereinsetzung zu laufen beginne. Da die Postaufgabe der rechtzeitig verfassten Beschwerde auf Grund eines für den Beschwerdeführer unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses nicht erfolgt sei und der Beschwerdeführervertreter sowohl seinen Anweisungs- als auch seinen Kontrollpflichten ordnungsgemäß nachgekommen sei, seien die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben. Die Beschwerde vom 24. Oktober 2003 gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 4. September 2003 werde unter einem dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.
Dem Wiedereinsetzungsantrag waren "Eidesstattliche Erklärungen" der Sandra P., der Renate M., der Daniela P. und des Rechtsanwaltes Dr. Peter B. angeschlossen. Die eidesstattlichen Erklärungen der drei erstgenannten Personen lauten wortident dahingehend, dass Dr. Peter B. am 24. Oktober 2003 die ausdrückliche Anweisung erteilt habe, die von ihm unterfertigte Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 4. September 2003 noch am selben Tag mittels rekommandierten Schreibens an den zur Entscheidung berufenen Gerichtshof zu übermitteln, wobei dieser ausdrücklich auf die Dringlichkeit der Postaufgabe hingewiesen habe. In der eidesstattlichen Erklärung des Dr. Peter B. wird hiezu noch ergänzend ausgeführt, er habe persönlich kontrolliert, dass der entsprechende Schriftsatz für den Postausgang bereit gelegt worden und die vorgemerkte Frist in seinem Terminbuch ausgestrichen worden sei. Die genannten Kanzleikräfte hätten sich in ihrer bisherigen Tätigkeit jeweils als zuverlässig erwiesen und es sei bisher nicht vorgekommen, dass entgegen seinen ausdrücklichen Anweisungen Schriftstücke nicht am Aufgabepostamt aufgegeben worden seien.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. beispielsweise den Beschluss vom 20. September 2001, 2001/15/0106, mwA), stellt ein einem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für den Antragsteller nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 2000, 99/17/0395).
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Antragstellers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 30. Oktober 2003, 2003/15/0042, 0071).
Zum Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag fällt auf, das darin über den Verbleib der behauptungsgemäß am 24. Oktober 2003 - sohin drei Tage vor der mit 27. Oktober 2003 ablaufenden Beschwerdefrist - kuvertierten und zur Postaufgabe bereit gelegten Beschwerde keine Angaben enthalten sind. Vor allem aber ist wesentlich, dass die Vornahme von Kontrollen, ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich zur Post gegeben und versendet werden, in der Rechtsanwaltskanzlei (etwa an Hand der Postaufgabescheine rekommandierter Sendungen) in keiner Weise dargelegt wird. Der Beschwerdeführervertreter habe auch erst bei einer telefonischen Bearbeitungsurgenz beim "erkennenden Gerichtshof" am 5. Dezember 2003 von der nicht erfolgten Beschwerdeeinbringung Kenntnis erlangt. Gerade in Fällen - wie auch im Wiedereinsetzungsantrag mehrmals betont - besonderer Dringlichkeit ist das Fehlen eines diesbezüglichen Kontrollsystems nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten, wobei im vorliegenden Fall zudem in Rechnung zu stellen ist, dass auch keine klare Festlegung der Verantwortlichkeit hinsichtlich der tatsächlich zur Postaufgabe zuständigen Bediensteten bestand (... für die Postaufgabe stünden drei Kanzleikräfte zur Verfügung, welche sich "gewöhnlich" bei der Vornahme der Postaufgabe abwechselten; die tatsächlich mit der Postaufgabe befasste Kanzleikraft habe nicht mehr festgestellt werden können), sodass auch insoweit eine Gefahrenquelle für die Nichtbefolgung erteilter Aufträge zur Postaufgabe gegeben war.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher ein Erfolg zu versagen. Bei diesem Ergebnis war auch die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 26. Februar 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003150145.X00Im RIS seit
03.06.2004Zuletzt aktualisiert am
10.07.2013