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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Ralph Mitsche, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. November 2000, Zl. Fr 1511/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Sierra Leone, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis 31. Mai 2005 befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer sei am 28. März 2000 über den Flughafen Wien-Schwechat "illegal über unbekannt" nach Österreich eingereist. Er sei nicht im Besitz eines Reisedokumentes gewesen und habe seine Identität nicht nachweisen können. Sein Asylantrag vom 29. März 2000 sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. April 2000 gemäß § 6 Asylgesetz 1997 - AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden. Gemäß § 8 AsylG sei seine Zurückschiebung, Zurückweisung oder Abschiebung nach Sierra Leone für zulässig erklärt worden. Seine Berufung gegen diesen Bescheid sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. Oktober 2000 gemäß § 6 Z. 3 AsylG abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe zu keiner Zeit über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 leg. cit. verfügt. Er habe keinerlei Einkommensquelle in Österreich und es bestehe für ihn nicht die Möglichkeit eines legalen Erwerbes der Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes.
Erkennbar wertete die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG als verwirklicht und erstellte unter Hinweis auf die Gefahren, die von mittellosen Personen ausgingen, und auf das öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften gemäß § 36 Abs. 1 FrG eine Gefährlichkeitsprognose zu Lasten des Beschwerdeführers.
Unter Hinweis auf die bereits zur Gefährlichkeitsprognose herangezogenen Gründe sowie darauf, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr in Sierra Leone nicht habe glaubhaft machen können, erachtete sie sich außer Stande, ihr Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben.
Im Blick auf § 37 FrG führte die belangte Behörde aus, dem Vorbringen des Beschwerdeführers hätten keine familiären (zu in Österreich lebenden Personen) oder privaten Interessen entnommen werden können; daher sei nicht zu prüfen gewesen, ob das Aufenthaltsverbot nach § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, und es sei auch keine Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen gewesen.
Unter Bedachtnahme auf § 39 FrG sei - so die belangte Behörde weiter - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde, oder unbefristet zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden könne. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes wäre auch ein Aufenthaltsverbot von zehn Jahren möglich gewesen, weshalb ein Aufenthaltsverbot von fünf Jahren "durchaus gerechtfertigt ist".
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte, vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0349).
Der Tatbestand nach § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG ist dann verwirklicht, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Gegen die Annahme der belangten Behörde, dass vorliegend dieser Tatbestand verwirklicht sei, bringt der Beschwerdeführer vor, es könne ihm insbesondere mangels Einräumung von Parteiengehör nicht vorgeworfen werden, dass er keine Initiative zur Erbringung eines Vermögensnachweises gesetzt habe. Dieser Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs wird zu Unrecht erhoben, hätte doch der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid alle Umstände behaupten können, die seine - bereits von der Behörde erster Instanz relevierte - Mittellosigkeit hätten widerlegen können. Dort hat er allerdings lediglich vorgebracht, dass er "für die Dauer des Asylverfahrens in Bundesbetreuung oder in Betreuung der Stadt Wien übernommen werden könnte". Sein Beschwerdevorbringen, er hätte konkrete Vertragsverhandlungen mit Wiener Fußballvereinen geführt, stellt somit eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar. Im Übrigen gesteht die Beschwerde zu, dass diese Vertragsverhandlungen wegen der fehlenden Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers bisher zu keinem Abschluss geführt haben. Die bereits in der Berufung angesprochene Unterbringung in einem Heim der Stadt Wien (laut Beschwerde im "Krisenzentrum Am Augarten") vermag die von der belangten Behörde angenommene Mittellosigkeit nicht zu widerlegen, müsste doch diesbezüglich nachgewiesen werden, inwieweit diese Leistung gesichert ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. September 2003, Zl. 2003/21/0083). Bereits das Berufungsvorbringen enthält eine Einschränkung dieser behaupteten Unterstützung, wonach diese auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt sei. Die Beurteilung der belangten Behörde, dass der genannte Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt sei, ist somit nicht als rechtswidrig anzusehen.
Dem darauf gestützten Aufenthaltsverbot steht - entgegen der Beschwerdeansicht - auch nicht die Bestimmung des § 21 Abs. 1 AsylG entgegen. Demnach findet unter weiteren Voraussetzungen § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung keine Anwendung. Der Beschwerdeführer ist jedoch im Blick auf die Abweisung seines Asylantrages in letzter Instanz nicht als Asylwerber zu beurteilen. Der durch den in den Verwaltungsakten erliegenden Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates untermauerten Feststellung der belangten Behörde über eine rechtskräftige Beendigung des Asylverfahrens tritt die Beschwerde nicht mit konkreten Argumenten entgegen. Die Beschwerde behauptet auch nicht, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung einer allfälligen Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Asylbescheid bereits die aufschiebende Wirkung zuerkannt gewesen wäre. (Im Übrigen geht aus dem hg. Register hervor, dass keine Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Asylbescheid eingebracht wurde.)
Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die von der belangten Behörde nach § 36 Abs. 1 FrG getroffene Gefährlichkeitsprognose. Soweit sie diesbezüglich auf das hg. Erkenntnis vom 5. November 1999, Zl. 99/21/0156, verweist, ist der dort zu Grunde gelegene Sachverhalt jedoch nicht vergleichbar, betraf das genannte Erkenntnis doch die Ausweisung eines Fremden, dem als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zukam. Vorliegend hingegen durfte die belangte Behörde aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers die Gefahr ableiten, dass er seinen Unterhalt im Weg strafbarer Handlungen zu finanzieren versuche und/oder die Republik Österreich finanziell belaste (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 2003/21/0083), zumal der Beschwerdeführer bereits öffentliche Mittel beansprucht hat.
Weiters zeigt die Beschwerde keinen Umstand auf, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen; ihr in diesem Zusammenhang erstatteter Hinweis auf ein noch nicht rechtskräftig abgeschlossenes Asylverfahren steht - wie bereits dargelegt - mit dem Akteninhalt nicht im Einklang.
Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist, würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, eine solche Maßnahme nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Angesichts des erst kurzen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides und des unbestrittenen Fehlens familiärer Bindungen im Inland ist davon auszugehen, dass mit dem Aufenthaltsverbot kein unzulässiger Eingriff in sein Privat- oder Familienleben verbunden sei. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde diesbezüglich Verfahrensfehler vorwirft, legt er nicht dar, zu welchen Feststellungen diese auf Grund welcher Ermittlungsschritte hätte gelangen können. Entgegen der Beschwerdeansicht kommt einer allfälligen Verfolgungsgefahr in einem anderen Staat keine rechtliche Bedeutung zu; mit dem Aufenthaltsverbot wird nämlich nicht darüber abgesprochen, in welches Land der Fremde auszureisen habe oder dass er (dorthin) abgeschoben werde (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 99/21/0215).
Letztlich wendet sich die Beschwerde gegen die Dauer des Aufenthaltsverbotes und bringt dazu vor, es bleibe unergründlich, weshalb diese gerade mit fünf Jahren festgesetzt wurde. Auch diese Rüge ist unberechtigt. Die belangte Behörde legte zutreffend dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 98/18/0367), dass ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde, oder auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden könne. Indem sie unter Bedachtnahme auf die Fristen des § 39 Abs. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot von fünf Jahren als gerechtfertigt bezeichnete, brachte sie zum Ausdruck, dass erst nach Ablauf dieser Zeit vorhersehbarer Weise der Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes weggefallen sein werde. Da bei der Dauer eines Aufenthaltsverbotes sowohl auf die die Gefährlichkeit des Fremden begründenden Umstände als auch auf die (hier aber nur schwach ausgeprägten bzw. gar nicht vorhandenen) privaten und familiären Interessen im Sinn des § 37 FrG Bedacht zu nehmen ist (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 98/18/0367), kann der Zeitraum von fünf Jahren keinesfalls als unangemessen gewertet werden.
Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. Februar 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001210028.X00Im RIS seit
01.04.2004