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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, in der Beschwerdesache des A, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bundesminister für Inneres, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Niederlassungsbewilligung, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte im erstinstanzlichen Verfahren primär, ihm eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen, und stellte hilfsweise weitere Anträge mit dem Ziel der Einräumung eines Aufenthalts- bzw. Einreisetitels. "Hierüber" erkannte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit Bescheid vom 7. Mai 2003 im Spruch wie folgt:
"Gemäß §§ 10 Abs 1 Z 1, 16 Abs 2 und 20 Abs 1 Fremdengesetz 1997 wird der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abgewiesen."
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine "an das Bundesministerium für Inneres, in eventu an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg" gerichtete - am 26. Mai 2003 bei der Erstbehörde eingelangte - Berufung.
Mit der am 20. Jänner 2004 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht des "Bundesministeriums" für Inneres als belangte Behörde geltend. Da die belangte Behörde ihrer Entscheidungsverpflichtung (hinsichtlich der erwähnten Berufung) nicht binnen sechs Monaten nachgekommen sei, sei der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Sachentscheidung verletzt. Er beantrage, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst erkennen und seiner Berufung stattgeben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie ihre Säumnis bestritt. Die Erstbehörde habe nämlich über die vom Beschwerdeführer gestellten "verschiedenen Anträge nach dem Fremdengesetz" als "Fremdenpolizeibehörde" und nicht als vom Landeshauptmann ermächtigte Behörde entschieden, woraus sich die Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg als Berufungsbehörde ergebe.
Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die für die Zuständigkeitsfrage im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 (FrG) lauten auszugsweise:
"Sachliche Zuständigkeit
§ 88. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese.
...
Sachliche Zuständigkeit im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen
§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen trifft der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.
...
Instanzenzug
§ 94. (1) Über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz.
...
(4) Über Berufungen gegen Bescheide, die im Zusammenhang mit der Erteilung oder Ungültigerklärung (§ 16 Abs. 1b) von Niederlassungsbewilligungen vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde erlassen worden sind, entscheidet der Bundesminister für Inneres."
§ 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung nach dem Fremdengesetz 1997, LGBl. Nr. 76/2002, lautet:
"§ 1
Die Bezirkshauptmannschaften sind ermächtigt, Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen einschließlich Niederlassungsbewilligungen für Schlüsselkräfte sowie Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsnachweisen im Namen des Landeshauptmannes zu treffen."
Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bezirkshauptmannschaft Bregenz ihren Bescheid vom 7. Mai 2003 in Ausnützung der erwähnten Ermächtigung des Landeshauptmannes von Vorarlberg in dessen Namen erlassen wollte. Weder im Spruch noch in der Begründung dieses Bescheides erfolgte eine Bezugnahme auf § 89 Abs. 1 FrG oder auf die genannte Verordnung und auf die darin erteilte Ermächtigung. Vielmehr spricht gegen die Annahme, der Bescheid sei von der Bezirksverwaltungsbehörde im Namen des Landeshauptmannes als Niederlassungsbehörde getroffen worden, dass dieser Bescheid mit "Der Bezirkshauptmann" (von einem Bediensteten in dessen Auftrag) unterfertigt wurde. Es ist demnach davon auszugehen, dass die Bezirkshauptmannschaft Bregenz ihren Bescheid vom 7. Mai 2003 als Fremdenpolizeibehörde erlassen hat (vgl. zu ähnlichen erstinstanzlichen Bescheiden die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 2000, Zl. 2000/19/0077, und vom 16. Februar 2001, Zl. 2000/19/0129).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für den Instanzenzug nur darauf an, welche Behörde den Bescheid (tatsächlich) erlassen hat, nicht aber darauf, welche ihn hätte erlassen sollen (vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse, jeweils mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 17. März 2000, Zl. 99/19/0156). Hat demnach - wie hier - die Bezirksverwaltungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid nicht namens des Landeshauptmannes in Ausnutzung der ihr erteilten Ermächtigung erlassen, so liegen die Voraussetzungen des § 94 Abs. 4 FrG für die Zuständigkeit des belangten Bundesministers für Inneres als Berufungsbehörde auch dann nicht vor, wenn es sich um eine Entscheidung im Zusammenhang mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung handelt. Zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erwähnten Bescheid der Erstbehörde ist somit nicht die belangte Behörde, sondern nach § 94 Abs. 1 FrG die Sicherheitsdirektion (für das Bundesland Vorarlberg) zuständig. Zu Recht hat der belangte Bundesminister somit eingewendet, dass ihn keine Säumnis mit der Erlassung der Berufungsentscheidung trifft.
Nach § 27 Abs. 1 VwGG kann aber Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Es ist unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 132 B-VG, dass jene Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag (Parteibegehren) zu entscheiden (vgl. den hg. Beschluss vom 18. März 2002, Zl. 2001/17/0196, mwN). Diese Voraussetzungen für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde gegen den belangten Bundesminister für Inneres sind nach den obigen Ausführungen nicht gegeben. Die vorliegende Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG - in einen gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a VwGG gebildeten Senat - ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Die belangte Behörde hat den Zuspruch von Aufwandersatz nicht beantragt. Eine Kostenzuspruch (in Anwendung des § 51 VwGG) hatte daher zu unterbleiben.
Wien, am 26. Februar 2004
Schlagworte
InstanzenzugInstanzenzug Zuständigkeit AllgemeinOrganisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine VerwaltungsverfahrensgesetzeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004210008.X00Im RIS seit
06.04.2004Zuletzt aktualisiert am
14.07.2010