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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1997 §35 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des K, vertreten durch Stangl & Ferstl, Rechtsanwaltspartnerschaft in 2700 Wr. Neustadt, Neunkirchnerstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 18. Dezember 2003, Zl. FR 4126/03, betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, reiste am 19. Juli 1992 rechtmäßig in das Bundesgebiet ein und ist im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung. Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 31. März 2003 wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Suchtmittelgesetz und wegen §§ 15 und 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, bedingt nachgesehen auf drei Jahre, verurteilt worden. Der Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von November 2001 bis Jänner 2002 Cannabisprodukte unbekannten Abnehmern durch Gewinn bringenden Verkauf, u.a. an einen Minderjährigen, überlassen habe. Außerdem habe der Beschwerdeführer nach diesem Urteil in der Zeit von Dezember 2001 bis 28. Jänner 2003 Suchtgift erworben und besessen, und zwar Amphetamin sowie Cannabisprodukte, Heroin und Kokain.
Mit Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 12. Juni 2003 sei der Beschwerdeführer - unter Bedachtnahme auf die §§ 31 und 40 StGB - wegen § 127, § 128 Abs. 1 Z 4, § 129 Z 1, § 130 zweiter Satz, 1. Fall und § 15 StGB, sowie wegen der §§ 164 Abs. 1, 136 Abs. 1, 133 Abs. 1 und 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe (Zusatzstrafe) von 7 Monaten verurteilt worden. Die letztgenannte Verurteilung sei nach der Begründung des angefochtenen Bescheides erfolgt,
"da Sie im Zusammenwirken mit weiteren Mittätern schwere Diebstähle in der Absicht verübten, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
So am 21.11. 2002 ein Notebook und ein dazugehöriges Ladegerät samt Computerkunstledertasche im Wert von EUR 6540,56; am 26.12.2002 einige Lautsprecher und einige Verstärker in nicht mehr feststellbarem Wert; am 21.03.2003 ein Mobiltelefon im Wert von EUR 60,- zwei weitere Mobiltelefone, ein Führerscheinetui, eine Ledergeldbörse mit Bargeld EUR 35,- und eine weitere Geldbörse; am 27.12.2002 alleine auf der Südbahnstrecke zwischen Meidlung und Wiener Neustadt eine Handtasche, eine Geldbörse, ein Mobiltelefon im Wert zusammen von EUR 170,- sowie Bargeld EUR 40,-; zwischen 23.02.2003 und 24.02.2003 in Steinabrückl eine Stereoanlage sowie 10 Packungen Zigaretten durch Aufbrechen eines Fensters und Einsteigen; am 09.06.2002 ein Mobiltelefon im Wert von EUR 40,-; wegzunehmen versucht am 21.12.2002 dem Verfügungsberechtigten des Krankenhauses Wiener Neustadt zwei TV-Geräte und einen Video-Recorder; am 05.04.2002 in Wiener Neustadt, indem Sie in die Europahauptschule einbrachen und die Räumlichkeiten nach Diebsgut durchsuchten; das Vergehen der Hehlerei begingen, indem Sie am 25.07.2001 Schmuck in einem EUR 2000,- nicht übersteigenden Wert, den andere gestohlen hatten, in einem Juweliergeschäft verkauften; am 03.05.2001 in Baden einen PKW ohne Einwilligung des Besitzers in Betrieb nahmen; andere Personen am Körper verletzten, und zwar am 26.06.2001 durch Versetzen eines Schlages, wobei die Tat eine Schädelprellung sowie eine Gesichtsprellung zur Folge hatte, 04.05.2002 durch Versetzen eines Trittes gegen dessen Kopf, nachdem die Person zu Boden gegangen war, wobei die Tat eine Prellung und einen Bluterguss im Bereich des rechten Ohres zur Folge hatte, und am 13.03.2002 durch Versetzen einer Ohrfeige auf die linke Gesichtshälfte, wobei die Tat eine Prellung oberhalb des linken Auges zur Folge hatte."
Für die Verhängung der unbedingten Freiheitsstrafe sei nach dem letztgenannten Urteil u.a. maßgebend gewesen, dass die meisten Straftaten vom Beschwerdeführer als Komplizen in einer bandenähnlichen Gruppierung und "ausnahmslos gewerbsmäßig" begangen worden seien.
Die belangte Behörde ging in der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides erkennbar von der Erfüllung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG aus und verwies zur Gefährdungsprognose einerseits auf die seit November 2001 in regelmäßigen Abständen verübten Suchtgiftdelikte sowie andererseits auf die Gewerbsmäßigkeit der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Eigentumsdelikte. Vor diesem Hintergrund und der im Bereich der Suchtgiftkriminalität bekanntermaßen besonders großen Wiederholungsgefahr erachtete die belangte Behörde die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer sei vor Verwirklichung des ersten Strafdelikts weniger als 10 Jahre in Österreich niedergelassen gewesen. Eine Aufenthaltsverfestigung nach § 35 Abs. 2 oder 3 FrG komme ihm daher ebenso wenig zu Gute wie § 38 Abs. 1 Z 3 FrG. Aber auch die Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z 4 FrG stehe der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im vorliegenden Fall nicht entgegen. So sei der nach Vollendung des 8. (richtig: 9.) Lebensjahres in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer nicht "von klein auf" im Inland aufgewachsen, weil dies nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch eine Einreise vor dem Abschluss des 4. Lebensjahres erfordere.
Zu den Voraussetzungen des § 37 FrG stellte die belangte Behörde fest, durch das Aufenthaltsverbot werde ohne Zweifel in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Dieser habe in Österreich die Volks- und Hauptschule sowie den Polytechnischen Lehrgang besucht, im Bundesgebiet lebten seine Mutter, drei (Halb-)Geschwister und sein Stiefvater. Der leibliche Vater des Beschwerdeführers, mit dem dieser seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt habe, lebe in Serbien-Montenegro. Gegen einen Bruder des Beschwerdeführers, der mit ihm bis vor kurzen im gemeinsamen Haushalt gewohnt habe, sei gleichfalls ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot wegen eines "sehr ähnlichen Sachverhalts" erlassen worden. Der Beschwerdeführer habe in Österreich noch nie gearbeitet und beziehe Sozialhilfe. Durch sein Fehlverhalten würden öffentliche Interessen gravierend beeinträchtigt. So manifestiere sich in der Suchtgiftkriminalität des Beschwerdeführers eine besondere Gefährlichkeit, weil diesen Delikten nicht nur eine große Wiederholungsgefahr anhafte, sondern weil mit ihnen üblicherweise, so auch im vorliegenden Fall, eine Begleit- und Beschaffungskriminalität einhergehe. Beim Beschwerdeführer komme als besonders verwerfliches Verhalten hinzu, dass dieser einem Minderjährigen Suchtgift überlassen habe. Vor diesem Hintergrund könnten weder die Bestimmung des § 37 FrG noch das im § 36 Abs. 1 FrG normierte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Anwendung finden. Angesichts der Vielzahl an verwirklichten Delikten sei von einem positiven Gesinnungswandel des Beschwerdeführers nicht vor Ablauf von 10 Jahren auszugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
In seiner Beschwerde bestreitet der Beschwerdeführer die zitierten strafgerichtlichen Verurteilungen nicht, sodass im vorliegenden Fall von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG auszugehen ist.
Auch die Ansicht der belangten Behörde, dass eine Aufenthaltsverfestigung des seit 19. Juli 1992 im Bundesgebiet aufhältigen Beschwerdeführers im Sinn des § 35 Abs. 2 und 3 (iVm § 38 Abs. 1 Z 2) FrG angesichts der genannten Verurteilungen und des Beginns des Fehlverhaltens am 3. Mai 2001 nicht eingetreten sei, bekämpft die Beschwerde nicht.
Das Schwergewicht des Beschwerdevorbringens liegt im Einwand, die belangte Behörde hätte in Ansehung der rechtlichen Einheit der genannten beiden Verurteilungen, die zueinander im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehen, und wegen des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers nach der Verhängung der bedingten Freiheitsstrafe hinsichtlich der Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG zum Ergebnis gelangen müssen, dass schon die bloße Androhung des Vollzuges der Strafe ausgereicht habe, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Dem ist zu erwidern, dass im Bescheiderlassungszeitpunkt seit dem Urteil vom 31. März 2003 noch nicht einmal neun Monate vergangen waren und dieser Zeitraum des Wohlverhaltens zu kurz ist, um der im § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme entgegenzustehen. Vor allem aber darf auch nicht übersehen werden, dass sich das Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegen verschiedene Rechtsgüter gerichtet hat und im Laufe der Zeit nicht nur hinsichtlich der Brutalität der Körperverletzungsdelikte, sondern auch bezüglich der Drogenart der von ihm - über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr - verübten Suchtgiftdelikte gesteigert hat. Schon deswegen und im Hinblick auf die vom Verwaltungsgerichtshof oftmals betonte große Wiederholungsgefahr bei der Suchtgiftkriminalität (vgl. aus vielen etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2002, Zl. 2002/18/0148) durfte die belangte Behörde mit Recht von der im § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme ausgehen.
Die Beschwerde macht mit ihrem weiteren Vorbringen die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 38 Abs. 1 Z 4 FrG geltend und begründet dies damit, dass der Beschwerdeführer mehr als die Hälfte seines Lebens im Bundesgebiet verbracht habe. Damit übersieht der Beschwerdeführer, dass das Tatbestandselement "langjährig rechtmäßig niedergelassen" für sich allein noch nicht darauf schließen lässt, dass § 38 Abs. 1 Z 4 FrG der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes entgegensteht. Vielmehr erfordert die letztgenannte Bestimmung kumulativ auch die Erfüllung des Tatbestandselementes "von klein auf im Inland aufgewachsen", das im vorliegenden Fall schon deshalb nicht erfüllt ist, weil der Beschwerdeführer erst im Alter von 9 Jahren nach Österreich gekommen ist (vgl. zum Ganzen das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2002/18/0148, und zum Begriff "von klein auf" das Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 98/18/0244).
Gegen das Ergebnis der Interessenabwägung bringt die Beschwerde die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich und seinen gemeinsamen Haushalt mit nahen Familienangehörigen vor. Seinem Zusammenleben mit seiner Mutter ist freilich wegen der Volljährigkeit des Beschwerdeführers nur mehr reduziertes Gewicht beizumessen. Was den gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder betrifft, so ist unstrittig, dass auch gegen diesen ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Aber auch dem mehrjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kommt als integrationsbegründendem Element im vorliegenden Fall keine erhebliche Bedeutung zu, weil der Beschwerdeführer nach den unbekämpften Feststellungen bislang keiner ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgegangen ist und seinen Lebensunterhalt durch Sozialhilfe und gewerbsmäßig begangene Straftaten gedeckt hat. Dem steht die erhebliche Gefährdung öffentlicher Sicherheits- und Gesundheitsinteressen durch das aufgezeigte Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber. Vor allem bei den vom Beschwerdeführer begangenen Suchtgiftdelikten handelt es sich nach ständiger hg. Rechtsprechung um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität (vgl. erneut das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 2002/18/0148), sodass insgesamt weder die Beurteilung der belangten Behörde nach § 37 FrG noch die Ermessensübung nach § 36 Abs. 1 FrG als fehlerhaft angesehen werden können.
Gegen die - im Rahmen des § 39 FrG bemessene - Befristung des Aufenthaltsverbotes bringt die Beschwerde keine stichhaltigen Gründe vor, aus denen schon vor Ablauf der Dauer des Aufenthaltsverbotes mit dem Wegfall seiner Voraussetzungen gerechnet werden könnte.
Da sich somit bereits aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, dass dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 26. Februar 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004210024.X00Im RIS seit
17.03.2004