TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/27 2002/11/0036

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Veröffentlicht am 27.02.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §69 Abs1 Z3;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §26 Abs8;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des E in T, vertreten durch Dr. Ingo Schreiber und Mag. Manfred Sommerbauer, Rechtsanwälte in 2700 Wiener Neustadt, Kollonitschgasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Jänner 2002, Zl. RU6-St-H-0144/0, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid vom 14. Oktober 1999 (Spruchpunkt I) entzog die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 und 3 und § 29 Abs. 3 FSG die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B bis zur Befolgung der mit Spruchpunkt II angeordneten Nachschulung, jedoch mindestens auf die Dauer von 30 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides. In der Begründung ging die Behörde davon aus, der Beschwerdeführer habe sich am 4. Oktober 1999 um 18.17 Uhr trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er zuvor in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand am 4. Oktober 1999 gegen 17.30 Uhr ein nach dem behördlichen Kennzeichen bezeichnetes Fahrzeug im Gemeindegebiet Feistritz am Wechsel auf der B 54 - Wechsel Straße aus Richtung Landeshauptstraße 134 kommend in Fahrtrichtung Grimmenstein gelenkt habe.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die am 2. November 1999 bei der Erstbehörde einlangte, welche am 3. November das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer einleitete.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 1999 setzte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen das Verfahren hinsichtlich der Entziehung der Lenkberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des in dieser Sache anhängigen Verwaltungsstrafverfahren der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gemäß § 38 AVG aus.

In weiterer Folge bestätigte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen in Erledigung der Vorstellung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 10. Oktober 2001 die ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung, ebenso die Anordnung der besonderen Nachschulung; die aufschiebende Wirkung einer Berufung wurde ausgeschlossen.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Niederösterreich mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 2002 keine Folge, er änderte jedoch den Bescheid dahin ab, dass dessen Spruch wie folgt zu lauten hat: "Die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B wird Ihnen auf die Dauer von 3 Jahren, gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 14. Oktober 1999, die am 23. Oktober 1999 erfolgte, entzogen. Ferner haben Sie in diesem Zeitraum eine Nachschulung zu absolvieren."

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, über den Beschwerdeführer sei mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 27. Juni 2000 wegen des gegenständlichen Vorfalles gemäß § 5 Abs. 2 und § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 eine Geldstrafe von S 20.000,-- verhängt worden. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 28. August 2001 sei der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung insoweit Folge gegeben worden, als die verhängte Geldstrafe von S 20.000,-- auf S 16.000,-- (und auch die Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt worden sei. Auf Grund dieser rechtskräftigen Bestrafung stehe für die Berufungsbehörde bindend fest, dass sich der Beschwerdeführer am 4. Oktober 1999, in der Zeit zwischen 18.17 Uhr und 18.23 Uhr am Gendarmerieposten Grimmenstein geweigert habe, den Alkoholgehalt der Atemluft mit einem Alkoholmessgerät untersuchen zu lassen, wodurch eine eigenständige Beurteilung dieser - im Entziehungsverfahren bei der Prüfung des Vorliegens einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG eine Vorfrage darstellenden - Frage verwehrt werde. Es könne somit unzweifelhaft davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer eine "bestimmte Tatsache" im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG gesetzt habe, die gemäß § 7 Abs. 5 leg. cit. zu werten sei. Bei der Bemessung der Entziehungszeit habe die Behörde eine Prognose zu erstellen, innerhalb welchen Zeitraumes die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit erwartet werden könne. Bei der Prognose, wann die verlorengegangene Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangt werde, sei der Umstand, dass auch bereits eine frühere Entziehungsmaßnahme keine Änderung der für die Verkehrssicherheit relevanten Sinnesart bewirkt habe, mit zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer mit einer gewissen Regelmäßigkeit die Verkehrszuverlässigkeit aberkannt werden musste, was mehrmalige Entziehungen der Lenkberechtigung nach sich gezogen habe - und zwar: mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 21. August 1987, auf die Dauer von acht Monaten, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 15. Juni 1992, auf die Dauer von 18 Monaten und schließlich mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 16. Dezember 1994, auf die Dauer von 26 Monaten, dies jeweils im Zusammenhang mit der Begehung sogenannter Alkoholdelikte -, sei geeignet, in kraftfahrrechtlicher Hinsicht ein eindeutiges Bild von der Persönlichkeit des Beschwerdeführers abzugeben. Dies im besonderen Maße deshalb, weil es bei der Beurteilung des voraussichtlichen Zeitpunktes der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit auch von Bedeutung sei, welche Auswirkungen bisherige Entziehungen der Lenkberechtigung jeweils auf das spätere Verhalten gehabt haben. Angesichts der besonderen Verwerflichkeit der sogenannten "Alkoholdelikte" im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen und der klar zu Tage getretenen Wiederholungstendenz sei eine dreijährige Entziehungszeit erforderlich. Dies auch im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer nach knapp zweieinhalb Jahren nach Wiedererteilung der Lenkberechtigung erneut ein Alkoholdelikt gesetzt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG von Bedeutung:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7), ...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz -SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

(3) Bei der Entziehung kann die Behörde auch zusätzlich begleitende Maßnahmen (Nachschulung oder Driver Improvement mit oder ohne Fahrprobe, Einstellungs- und Verhaltenstraining oder Aufbauseminar) anordnen. ...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

...

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. ...

(2) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.

...

(8) Bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z 3 oder Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8."

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde im Wesentlichen geltend, die Behörde hätte sich mit dem dem Entziehungsverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalt (hinsichtlich der Verweigerung der Untersuchung seiner Atemluft) auseinandersetzen müssen. Die einschreitenden Beamten hätten nach Durchführung von insgesamt sechs Blasversuchen und einem allseits vermeintlich gültigen Ergebnis der Atemluftalkoholuntersuchung die Amtshandlung formell für beendet erklärt. Erst nachdem er den Gendarmerieposten verlassen habe, hätten die Beamten bemerkt, dass die Messung nicht verwertbar sei, da zu große Messdifferenzen bestanden hätten. Dass die beiden (gültigen) Messungen vom Alkomaten wegen zu großer Messwertedifferenz nicht verwertbar gewesen seien, könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, da ihm dies nicht mitgeteilt worden sei. Aus diesen Gründen sei die Tat in subjektiver Hinsicht nicht als erwiesen anzunehmen, weshalb ihm die Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 StVO nicht angelastet werden könne. Deswegen sei auch die dem Bescheid zu Grunde liegende Prognose betreffend den Zeitpunkt des Wiedereintrittes der Verkehrszuverlässigkeit verfehlt.

Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Hat die zuständige Strafbehörde rechtskräftig entschieden, dass der Beschwerdeführer die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert und dadurch eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen hat, so liegt für die Kraftfahrbehörde eine bindende Vorfragenentscheidung vor. Eine eigene diesbezügliche Beurteilung ist ihr daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verwehrt.

Damit war die belangte Behörde auf Grund ihrer Bindung an die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers gehalten, vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG auszugehen.

Daran vermag auch die Aufhebung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 28. August 2001, betreffend Übertretung der StVO (Verweigerung der Atemluftuntersuchung) durch das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2002, Zl. 2001/02/0220, nichts zu ändern, weil dieser auf Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen ist. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Entziehungsbescheides können nach dessen Erlassung eintretende Änderungen, wie die Aufhebung des im Verwaltungsstrafverfahren ergangenen, die Vorfrage lösenden Berufungsbescheides, keine Berücksichtigung finden, sondern nur in einem späteren Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 3 AVG von Bedeutung sein (siehe das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1990, Zl. 90/11/0140).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde, wonach ihm bereits mehrmals die Lenkberechtigung jeweils im Zusammenhang mit der Begehung sogenannter Alkoholdelikte entzogen worden sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zählen Alkoholdelikte zu den schwersten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften. Die besondere Verwerflichkeit der Wiederholung solcher Delikte fällt im Rahmen der Bemessung der Entziehungszeit besonders ins Gewicht. Zieht man in Betracht, dass der Beschwerdeführer knapp zweieinhalb Jahre (Entziehungsbescheid vom 16. Dezember 1994 auf die Dauer von 26 Monaten) nach Wiedererteilung seiner Lenkberechtigung erneut ein Alkoholdelikt begangen hat, so bestehen gegen die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer werde seine Verkehrszuverlässigkeit erst nach drei Jahren, gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides, wieder erlangen, keine Bedenken.

Die Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Dauer von drei Jahren kann aus diesen Erwägungen nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt weiters im Hinblick auf § 26 Abs. 8 FSG keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde angeordnete begleitende Maßnahme.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Februar 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002110036.X00

Im RIS seit

31.03.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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