Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art1 Nr1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. Paul Vavrovsky, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Reichenhallerstraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 19. November 2002, Zlen. UVS 303.5-1/2001-41, UVS 30.5-7/2001-38, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Spruchpunkte 1), 2) und 3) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den Spruchpunkten 1, 2 und 3 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 4. Dezember 2000 (nur die diesbezüglichen Bestrafungen sind Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt und bestraft:
"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher gem. § 9 VStG Verantwortlicher der Firma N GesmbH., in W, folgende Verwaltungsübertretungen zu verantworten:
Die nachfolgenden Arbeitnehmer wurden zu den unten angeführten Zeiten als Lenker eines Kraftfahrzeuges, das der Güterbeförderung dient und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht
3.5 t übersteigt, beschäftigt, obwohl
1. Übertretung
Der Arbeitnehmer A wurde als Lenker mit folgenden Lenkzeiten beschäftigt:
Datum: 20.01.2000-22. Jänner 2000, Lenkzeit: 11 Stunden, 55 Min.
Datum: 25.01.2000-27. Jänner 2000, Lenkzeit: 25 Stunden, 56 Minuten
obwohl die Gesamtlenkzeit zwischen täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Stunden bzw.
zweimal pro Woche 10 Stunden nicht überschreiten darf.
Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
Art. 6 Abs. 1 1 Unterabsatz EG-VO 3820/85
Geldstrafe: ATS 20.000,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit
10 Tage Ersatzfreiheitsstrafe)
Gemäß: 28 Abs. 1a Ziff. 4 Arbeitszeitgesetz
2. Übertretung
Sie nicht dafür gesorgt haben, dass der Arbeitnehmer A, nach einer ununterbrochenen Lenkzeit von höchstens
4,5 Stunden eine Lenkpause von mindestens 45 Minuten einhält.
Lenkzeit ohne Unterbrechung am 20. Jänner 2000 von 6 Stunden 17 Minuten, bei einer Lenkpause von 10 Minuten.
Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
Art. 7 Abs. 1 u 2 EG-VO 3820/85
Geldstrafe: ATS 3.000,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe)
Gemäß: 28 Abs. 1 a Ziff. 6 Arbeitszeitgesetz BGBl. 461/69
3. Übertretung
dem Arbeitnehmer A keine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 Stunden ununterbrochen gewährt wurde, obwohl die tägliche Ruhezeit innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden mindestens elf Stunden zusammenhängend betragen muss, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird.
Weiters kann an Tagen, an denen eine tägliche Ruhezeit von mindestens 12 Stunden eingehalten wird, diese Ruhezeit innerhalb von 24 Stunden in zwei oder drei Abschnitten genommen werden, wobei ein Teil mindestens 8 Stunden betragen muss. Dieser Teil muss am Ende der Ruhezeit liegen. Die übrigen Teile müssen mindestens 1 Stunde betragen.
24 Stundenzeitraum von 20.01.2000 bis 22.01.2000 keine Ruhezeit von mindestens acht zusammenhängenden Stunden.
Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
Art. 8 Abs. 1 EG-VO 3820/85
Geldstrafe: ATS 10.000,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe)
Gemäß: § 28 Abs. 1a Ziff. 2 Arbeitszeitgesetz ..."
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. November 2002 wurde - unter anderem, soweit hier noch gegenständlich - die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Spruchpunkte 1 und 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses abgewiesen und gegen Spruchpunkt 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses "dem Grunde nach abgewiesen", hinsichtlich der Strafe wurde der Berufung dahin Folge gegeben, dass über den Beschwerdeführer gemäß § 19 VStG eine Strafe von EUR 218,-- (S 3.000,--) sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurden. Die belangte Behörde modifizierte diesbezüglich den Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz und sprach Folgendes aus:
"Der Bescheidspruch wird dahingehend geändert, dass im zweiten Satz nach 'beschäftigt' das Wort 'obwohl' durch 'wobei' ersetzt wird, sodass dieser Satz nunmehr lautet: 'Die nachfolgenden Arbeitnehmer wurden zu den unten angeführten Zeiten als Lenker eines Kraftfahrzeuges, das der Güterbeförderung dient und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, beschäftigt, wobei ...'
Die Berufung wird
I.) zu Pkt. 1.), 2.) ...
abgewiesen
Die Tatvorwürfe werden in nachstehenden Spruchpunkten ergänzt
bzw. geändert und lauten wie folgt:
Pkt. 1.):
A über die zulässige Gesamtlenkzeit hinaus eingesetzt wurde und zwar in folgenden Zeiträumen
a.) vom 20. Jänner 2000, 23.41 Uhr bis zum 22. Jänner 2000, 0.57 Uhr Überschreitung: 1 Stunde, 53 Minuten
b.) vom 25. Jänner 2000, 5.12 Uhr bis zum 27. Jänner 2000,
10.31 Uhr Überschreitung: 20 Stunden, 16 Minuten
Pkt. 2.):
die Lenkzeit des A, der am 20. Jänner 2000 keine Ruhezeit nahm, an diesem Tag von 17.28 Uhr bis 23.36 Uhr 5 Stunden, 47 Minuten betrug, ohne dass ihm nach 4 1/2 Stunden - und auch nicht danach - eine Lenkpause von mindestens 45 Minuten gewährt wurde. Im übrigen Berechnungszeitraum sind auch keine dem Gesetz entsprechenden Unterbrechungen von jeweils mindestens 15 Minuten, die insgesamt dieses Zeitausmaß ergeben, erfolgt. ... II. Zu Pkt. 3.) wird die Berufung dem Grunde nach abgewiesen.
Hinsichtlich der verhängten Strafe wird der Berufung dahingehend Folge gegeben, dass über den Berufungswerber gemäß § 19 VStG eine Strafe von EUR 218,-- (S 3.000,--) - im Uneinbringlichkeitsfall 1 Tag Ersatzarrest - verhängt wird. ..."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dass der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses (Spruchpunkte 1, 2 und 3) unvollständig sei und nicht alle notwendigen Tatbestandselemente im Sinne des § 44a Z. 1 VStG enthalte. Damit ist der Beschwerdeführer im Recht.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 28 des Arbeitszeitgesetzes lauten wie folgt:
"§ 28 ... (1a) Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die
1. die tägliche Ruhezeit gemäß § 15a oder § 15b Abs. 2 und 3 nicht gewähren;
2. die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs. 1, 2, 6 oder 7 oder Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren;
3. Lenker über die gemäß § 14a Abs. 1 und 2 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;
4. Lenker über die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 oder Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;
5.
Lenkpausen gemäß § 15 Abs. 1 bis 4 nicht gewähren;
6.
Lenkpausen gemäß Art. 7 Abs. 1, 2 oder 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren; ...
sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstehen, von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von 1000 S bis 25000 S zu bestrafen. ...
(3) Kommt im internationalen Straßenverkehr als verletzte Verwaltungsvorschrift je nach Fahrtstrecke entweder eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes oder die entsprechende Vorschrift der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 in Frage, genügt abweichend von § 44a Z. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52, als Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift die Angabe des entsprechenden Gebotes oder Verbotes der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85.
(4) Für Verstöße gegen die im Abs. 1a und 1b angeführten Rechtsvorschriften im internationalen Straßenverkehr beträgt die Verjährungsfrist abweichend von § 31 Abs. 2 VStG ein Jahr."
Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, insbesondere auch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch eines Straferkenntnisses hat in einer Weise zu erfolgen, dass die Zuordnung der Tat zu der verletzten Verwaltungsvorschrift in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. Nr. 11.466/A). Die Konkretisierung der Tat soll den Beschuldigten in die Lage versetzen, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Vorwurf widerlegen zu können, und ihn rechtlich davor schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A). Daraus folgt, dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom Einzelbild der Tat abhängt. Die Konkretisierung hat im Spruch des Straferkenntnisses selbst zu erfolgen, eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht aus, die Begründung kann lediglich zur Auslegung eines unklaren Spruches herangezogen werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Seiten 1521f und die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Feber 2001, Zlen. 2000/11/0294 bis 0300, auf dessen Erwägungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) ist ausgehend von der hier maßgeblichen Rechtslage zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Arbeitgebers bzw. dessen Bevollmächtigten in unterschiedlicher Weise und nach unterschiedlichen Normen jeweils danach zu beurteilen ist, welche Fahrtstrecke der Lenker gewählt hat, welches Fahrzeug verwendet wurde und welcher Art der "Straßenverkehr" war. Demnach ist zu unterscheiden, ob es sich um einen internationalen oder innerstaatlichen Straßenverkehr handelt, bei ersterem ist ferner die Unterscheidung zu treffen, ob es sich um einen innergemeinschaftlichen oder einen Straßenverkehr von, über bzw. nach Drittländern handelt. Die Aufnahme eines diesbezüglichen Hinweises im Spruch eines verurteilenden Straferkenntnisses ist daher als notwendiges Tatbestandsmerkmal erforderlich. Dass dies ausschließlich für die Frage der Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 VStG von Bedeutung wäre, wie die belangte Behörde (in der Gegenschrift) vermeint, ist dagegen aus dem genannten Erkenntnis nicht ersichtlich. In diesem wurde jedoch zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde, so innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist der Tatvorhalt vollständig war, den Spruch des Straferkenntnisses diesbezüglich ergänzen müsse, ohne dass dies eine Tatauswechslung darstelle.
Weder der hier maßgebliche Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses der belangten Behörde noch das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 4. Dezember 2000 weisen einen diesbezüglichen Hinweis auf. Auch die von der belangten Behörde (in der Gegenschrift) erwähnte erste Verfolgungshandlung gegenüber dem Beschwerdeführer, nämlich die Aufforderung zur Rechtfertigung der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 30. März 2000, enthält keinen entsprechenden Hinweis und auch keine Anhaltspunkte, aus denen zu den Spruchpunkten 1, 2 und 3 die Fahrtstrecke erkennbar wäre.
Zwar findet sich im Verwaltungsstrafakt ein weiteres Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung betreffend die "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 20. April 2000, dem Beschwerdevertreter zugestellt am 25. April 2000, auf dessen im Verwaltungsstrafakt befindlicher Ausfertigung der Vermerk angebracht ist, dass dieser Verständigung von der Beweisaufnahme Beilagen, und zwar die Kopie der Anzeige vom 9. Feber 2000, ein Formblatt für Straßenkontrollen vom 27. Jänner 2000, eine Bestätigung über die Aushändigung von vier Schaublättern und eine Anzeige vom 11. Feber 2000 und vier Schaublatt-Kopien, angeschlossen seien. Ob daraus die Fahrtstrecke bzw. der für eine vollständige, alle Tatbestandselemente umfassende Verfolgungshandlung nach der oben zitierten Rechtssprechung erforderliche Hinweis auf die Art des Straßenverkehrs abzuleiten war, ist jedoch mangels konkreter Feststellungen der belangten Behörde nicht erkennbar. Es kann somit auch nicht geprüft werden, ob die belangte Behörde in der Lage gewesen wäre, den Spruch des Straferkenntnisses zu ergänzen (vgl. erneut das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. Feber 2001, Zlen. 2000/11/0294 bis 0300).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. Februar 2004
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003110005.X00Im RIS seit
31.03.2004