Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §135 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. Juli 2003, Zl. UVS-04/A/32/9555/2002/14, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach der Bauordnung für Wien (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 28. November 2001 wurde der M. GmbH "nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden", gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) in Verbindung mit § 119a leg. cit. auf jederzeitigen Widerruf die Bewilligung zur Errichtung einer "Überdachung (Stahlfachwerkskonstruktion als Flugdach mit Glaskuppelkonstruktion)" beim Lokal L. auf einem näher bezeichneten Grundstück erteilt.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 28. Mai 2002 wurde die Einstellung der Bauführung "zur Herstellung von ca. 32 Stahlsäulen (teilweise rechteckiger Grundriss ca. 10 x 30 cm bzw. ca. 8 x 15 cm, teilweise runder Grundriss Durchmesser ca. 25 cm) in Rahmenkonstruktion (umschriebene Aufstellungsfläche ca. 27 x 20 m und einer Höhe von ca. 6 m)" gemäß § 127 Abs. 8 lit. a BO auf dem vorgenannten Grundstück angeordnet. Zum Zeitpunkt der Erhebung am 27. Mai 2002 seien bereits folgende Bauarbeiten durchgeführt worden: Aufstellung der Stahlrahmenkonstruktion. Die Bauführung sei ohne Baubewilligung ausgeführt worden.
In der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter des Magistrates der Stadt Wien vom 18. September 2002 wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, er habe "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der als Bauherr aufgetretenen M. GmbH (Sitz in E.) zu verantworten, dass diese auf der Liegenschaft ... in der Zeit von 27. 05. 2002 bis 06. 06. 2002 Arbeiten zur Errichtung einer Stahlkonstruktion, und zwar die Herstellung von ca. 32 Stahlsäulen (teilweise rechteckiger Grundriss ca. 10 x 30 cm bzw. ca. 8 x 15 cm, teilweise runder Grundriss Durchmesser ca. 25 cm) in Rahmenkonstruktion (umschriebene Aufstellungsfläche ca. 27 x 20 m und einer Höhe von ca. 6 m), einer Dacheindeckung und einer seitlichen Verkleidung, durchführen hat lassen, ohne vorher die hiefür erforderliche Baubewilligung erwirkt zu haben."
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 9. Oktober 2002 wurde dem Beschwerdeführer der in der oben angeführten Aufforderung genannte Sachverhalt angelastet. Der Beschwerdeführer habe daher eine Verwaltungsübertretung nach § 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 lit. a BO begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.365,-- (im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche, zwei Tagen und 18 Stunden) verhängt. Ferner habe er gemäß § 64 VStG EUR 136,50 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu bezahlen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin führte er aus, dass es für die beanstandete Bauführung eine Baubewilligung gebe (der oben genannte Bescheid vom 28. November 2001 war der Berufung angeschlossen). Auf Grund dieser habe die D GmbH das bewilligte Bauwerk errichtet. Der Berufung war ferner ein Schreiben der M GmbH an die Magistratsabteilung 37 angeschlossen, in welchem dargelegt wird, dass die Bauführung nicht wesentlich von der Genehmigung abweiche. Die leichten Abänderungen könnten jederzeit mittels Austauschplanes ergänzt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis. Diese Entscheidung wurde nach Wiedergabe von Verwaltungsvorschriften und des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen wie folgt begründet:
"Bereits der von der Genehmigung abweichende Grundriss der errichteten Säulen, weiters die entgegen der Baubewilligung erfolgte Errichtung von Säulen in der Kragzone (Rangier- und Umkehrzone), außerdem die von der Baubewilligung abweichende Höhe einiger Säulen (8 m statt 6,65 m) und darüber hinaus die ebenfalls entgegen der Baubewilligung erfolgte Verschiebung der seitlichen Verkleidung (linke Außenwand des Objektes) um ca. 1,7 m bewirken eine nicht bloß geringfügige, sondern eine wesentliche Abweichung von der Baubewilligung. Daher ist der von der M. GmbH errichtete Bau als ein aliud anzusehen, für den eine (neue) Baubewilligung erforderlich gewesen wäre, die aber nicht vorlag."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 60 Abs. 1 BO ist bei folgenden Bauvorhaben, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken: a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; (...) Flugdächer mit einer bebauten Fläche von mehr als 25 m2 oder einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m gelten als Gebäude. (...)
Gemäß § 73 Abs. 1 BO sind beabsichtigte Abweichungen von Bauplänen, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, wie Änderungen an bereits bestehenden Baulichkeiten zu behandeln, wobei die Abweichungen den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c nicht überschreiten dürfen; (...)
Gemäß § 135 Abs. 1 BO werden Übertretungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen mit Geld bis zu 21.000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft.
Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde im Wesentlichen aus, dass nur minimale Änderungen erfolgt seien, die lediglich räumlich, nicht aber in Art und Umfang der geplanten - und bewilligten - Bauführung widersprächen. Das Bauvorhaben sei auch nicht so verändert worden, dass es an einem anderen Platz als bisher beantragt ausgeführt wurde. Aus dem Akteninhalt ergebe sich eindeutig, dass lediglich innerhalb des ursprünglich beantragten Bauvorhabens einige Säulen aus statischen Gründen um einige Zentimeter anders aufgestellt wurden, ohne dass dadurch das Bild des bisherigen bewilligten Bauvorhabens in irgendeiner Form beeinträchtigt worden sei. Diese Änderung sei einerseits derart geringfügig, dass von einer Änderung des bewilligten Bauvorhabens keine Rede sein könne, andererseits könnten die Maßnahmen - sofern es überhaupt notwendig wäre, im Rahmen einer Planänderung - nach Beendigung der Bauarbeiten "richtig gestellt" werden. Im Übrigen sei die minimale Änderung von einigen Säulen nicht geeignet, das genannte Bauvorhaben einzustellen. Weder die Anzahl noch die Bauweise noch die Konstruktion der Säulen oder des Flugdaches seien geändert worden. Die übrigen Veränderungen stünden mit der Baugenehmigung in keinem wie immer gearteten Zusammenhang, da z. B. das Aufhängen von Lärmschutzholzteilen und Lamellen nicht baubewilligungspflichtig sei. Die belangte Behörde habe nicht dargelegt, welche konkreten Veränderungen sich ergeben hätten, die eine Einstellung des Bauvorhabens rechtfertigen würden. Da dem Beschwerdeführer dies aber innerhalb der Verjährungsfrist nicht konkret vorgehalten worden sei, sei Verjährung eingetreten, weshalb die Strafbarkeit schon aus diesem Grund nicht mehr gegeben sei.
Weicht das ausgeführte Vorhaben von einer erteilten Baubewilligung ab, so sind für die Klärung der Frage, ob für die tatsächlich vorgenommene Bauführung eine (weitere) Bewilligung erforderlich ist, nachvollziehbare Angaben darüber notwendig, wie sich das zur Ausführung (gelangte bzw.) gelangende Bauvorhaben vom bewilligten unterscheidet (vgl. das dasselbe Bauvorhaben betreffende hg. Erkenntnis vom 3. April 2003, Zl. 2002/05/1438). Nur so lässt sich beurteilen, ob und inwieweit eine für die konkreten Baumaßnahmen erforderliche Bewilligung fehlte.
Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, wenn er rügt, dass ihm die solchermaßen relevanten konkreten Abweichungen nicht innerhalb der Verjährungsfrist vorgehalten worden seien.
Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 31 Abs. 2 VStG bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Eine Bauausführung ohne entsprechende Bewilligung gemäß § 60 BO ist ein Begehungsdelikt. Die Zeit der Tat ist durch einen Begehungszeitpunkt oder Anfang und Ende eines Zeitraumes zu konkretisieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 96/05/0253). Die Verjährungsfrist läuft ab Beendigung der Bauarbeiten, mag der Bau auch noch nicht fertiggestellt sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1995, Zl. 93/06/0010).
Die sechsmonatige Verjährungsfrist begann somit mit Ende des angelasteten Tatzeitraumes (dem 6. Juni 2002).
In der Gegenschrift führte die belangte Behörde zum Vorwurf der Verjährung aus, dass die der M. GmbH erteilte Baubewilligung dem Beschwerdeführer als deren handelsrechtlichem Geschäftsführer bekannt gewesen sei, und zwar auch hinsichtlich des Grundrisses der Säulen. Schon die Anführung des tatsächlichen Grundrisses der Säulen (der von der erteilten Baubewilligung wesentlich abwich) sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. September 2002 als auch im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 9. Oktober 2002 könne somit den Eintritt der Verfolgungsverjährung hintanhalten.
Dem ist zu entgegnen, dass im vorliegenden Fall eine Baubewilligung für ein dem verwirklichten Bauvorhaben der Art nach entsprechendes Bauprojekt auf der gegenständlichen Liegenschaft vorhanden war. Es geht somit um Abweichungen von einer bestehenden Baubewilligung, die ihrerseits nach Ansicht der belangten Behörde bewilligungspflichtig sind. Ein wesentliches Sachverhaltselement als Grundlage der Bestrafung ist daher der Unterschied zwischen dem bewilligten und dem zur Ausführung (gelangten bzw.) gelangenden Zustand. Dieser Unterschied muss in einer Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG vorgehalten werden, da eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, auf S 617 unter E 86 zu § 32 Abs. 2 VStG zitierte hg. Rechtsprechung; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 99/05/0116). Dies ist schon deshalb nicht erfolgt, weil weder die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. September 2002, noch das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 9. Oktober 2002 auf das Vorliegen einer Baubewilligung überhaupt Bezug nahmen.
Die belangte Behörde hat somit verkannt, dass Verfolgungsverjährung eingetreten war, weshalb der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im begehrten Umfang - auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf § 59 Abs. 1 VwGG.
Wien, am 18. März 2004
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003050183.X00Im RIS seit
08.04.2004