TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/18 2000/15/0211

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Veröffentlicht am 18.03.2004
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelder Straße 120/2/28, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 19. Oktober 2000, Zl RV/230-16/01/2000, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Einkommensteuer 1997), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war bis 1998 geschäftsführender Gesellschafter der B GmbH, an welcher er 50 % Geschäftsanteile besaß. 1998 trat er gemeinsam mit Mohamad R B, welcher die übrigen Gesellschaftsanteile an der B GmbH besaß, sämtliche Anteile an Abdenour B ab. Da der Beschwerdeführer für 1997 keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, ermittelte das Finanzamt die Einkünfte im Wege der Schätzung. Dabei stützte es sich auf eine Kontrollmitteilung des Finanzamts für Körperschaften, wonach die B GmbH dem Beschwerdeführer 1997 einen Betrag von insgesamt 420.000,-- S ausgezahlt habe. Mit Einkommensteuerbescheid 1997 wurde dem Beschwerdeführer für Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 420.000,-- S Einkommensteuer vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung durch Vorlage einer Einkommensteuererklärung für 1997. In dieser erklärte er Geschäftsführerbezüge in Höhe von 124.000,-- S. Im Berufungsverfahren führte er aus, dass 296.000,-- S auf die Rückzahlung eines von ihm zinsenlos an die GmbH gewährten Darlehens entfallen und daher nicht in die Geschäftsführerbezüge einzubeziehen seien. Er habe die Gelder aus Syrien mitgebracht und der B GmbH "geborgt". Die Rückzahlung durch die B GmbH sei in Raten erfolgt.

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz forderte den Beschwerdeführer auf, den bezüglich der B GmbH geschlossenen Gesellschaftsvertrag, den Geschäftsführervertrag sowie den Kreditvertrag vorzulegen, und die im Streitjahr eingenommenen Geschäftsführerbezüge und die von der B GmbH geleisteten Kreditrückzahlungen bekannt zu geben und zu belegen.

Mit Berufungsentscheidung vom 20. März 2000 wurde die Berufung abgewiesen und begründend ausgeführt, die behauptete Hingabe des Geldes sei für Dritte nicht erkennbar gewesen. Es seien nicht einmal die wesentlichsten Vertragsmerkmale fixiert worden, sodass der behauptete Darlehensvertrag einem Fremdvergleich nicht standhalte. Der Beschwerdeführer habe überdies mit der Begründung keine Unterlagen vorgelegt, dass er diese der B GmbH übergeben, dort aber niemanden erreicht habe. Nach dem Übergabeprotokoll habe der Beschwerdeführer an Abdenour B jedoch lediglich Unterlagen betreffend die Jahre 1993 bis 1996, nicht aber für 1997 übergeben. Der Beschwerdeführer habe weder die Hingabe des Darlehens noch die Darlehensrückzahlungen glaubhaft machen bzw nachweisen können, weswegen alle ihm 1997 von der B GmbH zugeflossenen Beträge als Geschäftsführerbezüge zu beurteilen seien.

Der Beschwerdeführer stellte einen mit 9. Juni 2000 datierten Antrag auf Wiederaufnahme und brachte vor, er habe wegen Unauffindbarkeit bzw Ortsabwesenheit des nunmehrigen Geschäftsführers der B GmbH im bisherigen Verfahren keine Unterlagen vorlegen können, die geeignet gewesen seien, die Gewährung des Privatdarlehens an die B GmbH nachzuweisen. Nunmehr habe er "durch Glück" wieder Kontakt zum neuen Geschäftsführer Abdenour B aufnehmen können und von diesem am 7. Juni 2000 einen "Einzahlungsbeleg Nummer 1/97" erhalten, aus dem ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer am 1. Jänner 1997 einen Betrag in Höhe von 300.000,-- S an die B GmbH "einbezahlt" habe. Die Vorlage eines schriftlichen Darlehensvertrages sei weder möglich noch erforderlich, da kein Schriftlichkeitsgebot für das gültige Zustandekommen eines Darlehensvertrages bestehe. Durch die Urkundenvorlage sei daher eindeutig bewiesen, dass der Beschwerdeführer an die GmbH ein Darlehen gegeben habe. Die logische Konsequenz dieses Privatdarlehens sei daher auch eine Rückzahlung des Darlehens von der GmbH an den Beschwerdeführer, welche in monatlichen Raten erfolgt sei. In der Anlage übermittelte der Beschwerdeführer einen mit "Eingang-Kassa-Ausgang" überschriebenen Vordruck. Auf diesem waren handschriftlich das Datum "1. 1. 1997", die Belegnummer 1/97, der Betrag von 300.000,-- S, unter "von/an" der Name des Beschwerdeführers und unter "für" die B GmbH angeführt. Weiters legte der Beschwerdeführer eine undatierte Bestätigung der B GmbH vor, wonach Abdenour B am 7. Juni 2000 dem Beschwerdeführer den Zahlungsbeleg Nr. 1/97 aus der Buchhaltung des Jahres 1997 übergeben habe.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiederaufnahme ab und führte aus, mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen werde das behauptete Privatdarlehen keineswegs nachgewiesen. Ohne Möglichkeit, in die Buchhaltung und sonstiges Belegmaterial der B GmbH (Kassabuch, Kassabelege für Jänner 1997, Konto Fremdverbindlichkeiten etc) Einsicht zu nehmen, könne der vorgelegte Kassabeleg nicht überprüft werden. Es sei auch zu beachten, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen nur dann beachtlich sei, wenn diese Tatsachen ohne Verschulden der Partei bisher nicht hätten geltend gemacht werden können. Der Beschwerdeführer habe jedoch ausreichend Gelegenheit gehabt, maßgebliche Tatsachen vorzubringen. Es sei auf die mangelnde Obsorge bei der Handhabung der finanziellen und steuerlichen Angelegenheiten des Beschwerdeführers zurückzuführen, dass er diese Gelegenheit verabsäumt habe. Weiters sei durch die Vorlage des Beleges noch nicht nachgewiesen, dass ein Darlehensvertrag zwischen dem Beschwerdeführer und der B GmbH in fremdüblicher Form abgeschlossen worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in welcher er u.a. vorbrachte, das der B GmbH gewährte Darlehen sei zinsenlos gewesen, weshalb der Vertrag mangels verdeckter Gewinnausschüttung keinem Drittvergleich standhalten müsse.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, durch die vorgelegte Kassaeingangsbestätigung wäre es zu keinem im Spruch anders lautenden Bescheid gekommen, weil das abgeschlossene Verfahren sich auf die Kriterien zwischen nahen Angehörigen gestützt habe. Dem behaupteten Darlehensvertrag mit der B GmbH habe die erforderliche Fremdüblichkeit gefehlt. Der bloße Nachweis des Geldflusses sei nicht entscheidungswesentlich. Das Vorbringen, wonach der Fremdvergleich nur bei verdeckten Gewinnausschüttungen anzuwenden sei, gehe ins Leere, weil der Verwaltungsgerichtshof diesen auch bei der Anerkennung einer atypischen stillen Gesellschaft angewendet habe, wo es um die Frage der verdeckten Gewinnausschüttung gar nicht gehen könne. Ein Darlehensvertrag sei nicht vorgelegt worden. Die vorgelegte Bestätigung stelle keinen Nachweis für ein Darlehen dar. Es fehlten auch Angaben über die Laufzeit, Rückzahlungsmodalitäten etc. Auch das Fehlen einer Zinsvereinbarung spreche für die Fremdunüblichkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO idF vor BGBl. I Nr. 97/2002 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen ist der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Wiederaufnahmsantrag eine Bestätigung über einen Kassaeingang bei der B GmbH sowie eine Bestätigung des nunmehrigen Geschäftsführers der B GmbH, wonach der vorgelegte Beleg aus der Buchhaltung des Jahres 1997 stamme, vorgelegt.

In der das Verfahren abschließenden Berufungsentscheidung vom 20. März 2000 traf die belangte Behörde die Feststellung, die 1997 dem Beschwerdeführer seitens der B GmbH ausbezahlten Beträge seien zur Gänze Geschäftsführerbezüge gewesen. Sie stützte ihre Beweiswürdigung darauf, dass der Beschwerdeführer weder die Hingabe des Darlehens noch die Darlehensrückzahlungen glaubhaft machen bzw beweisen habe können. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, sämtliche diesbezügliche Unterlagen befänden sich bei der B GmbH, wurde festgestellt, dass sich aus einem Übergabeprotokoll ergebe, dass der Beschwerdeführer seinem Nachfolger lediglich Unterlagen über die Jahre 1993 bis 1996, nicht aber für 1997 übergeben habe.

Dem im Wiederaufnahmsantrag enthaltenen Vorbringen, der nunmehr vorgelegte "Kassaeingangsbeleg" sowie die Bestätigung des Geschäftsführers Abdenour B bewiesen das Bestehen eines Darlehensvertrages und es sei eine logische Konsequenz, dass daher auch eine Rückzahlung des Darlehens in monatlichen Raten erfolgt sei, vermögen gemeinsam mit den Feststellungen im abgeschlossenen Abgabenverfahren des Beschwerdeführers kein anderes Ergebnis herbeizuführen. So enthält der in den Verwaltungsakten einliegende Beleg keinerlei Hinweis auf den Rechtsgrund des Geldflusses. Darüber hinaus wurde im Beschwerdefall ein Darlehensvertrag zwischen der B GmbH und ihrem damaligen geschäftsführenden Gesellschafter behauptet. Wenn auch nach zivilrechtlichen Vorschriften ein Darlehensvertrag nicht schriftlich abgefasst sein muss, so muss eine solche Vereinbarung entsprechend den Kriterien, welche für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt wurden, nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden (vgl beispielsweise die hg Erkenntnisse vom 29. Januar 2002, 2001/14/0074, und vom 28. November 2002, 2001/13/0032, mwN). Dass diesen Kriterien entsprochen worden ist, wurde aber auch durch das laut Beschwerdeführer neu hervorgekommene Beweismittel nicht dargetan. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass im vorliegenden Fall ein "Drittvergleich" nicht anzuwenden sei, weil im Beschwerdefall (unstrittig) keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege, ist entgegenzuhalten, dass diese in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Kriterien im Rahmen der Beweiswürdigung dann zur Anwendung gelangen, wenn im Einzelfall Zweifel an der steuerlichen Tragfähigkeit einer Vereinbarung zwischen Personen, die sich durch gesellschaftsrechtliche Verflechtungen in einem Naheverhältnis befinden (zB Gesellschafter und Gesellschaft), bestehen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. März 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000150211.X00

Im RIS seit

14.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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