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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §68 Abs4 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der T GmbH, vertreten durch P Rechtsanwälte OEG, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 8. Jänner 2004, Zl. 52 3672/56-V/2/03, betreffend amtswegige Aufhebung eines Bescheides, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Mai 2003 wurde über Antrag der beschwerdeführenden Partei gemäß § 12 Abs. 2 Z. 3 lit. a der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Verbote und Beschränkungen teilfluorierter und vollfluorierter Kohlenwasserstoffe sowie von Schwefelhexaflorid (HFKW-FKW-SF6-V), BGBl. II Nr. 447/2002, festgestellt, dass die Verwendung von Trigon 300 zur Befüllung von nach dem 30. Juni 2003 errichteten ortsfesten Gaslöschanlagen, die zur Bekämpfung von Bränden (Brandklasse A und Brandklasse B) in näher bezeichneten Einsatzbereichen vorgesehen sind, zulässig ist.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 2004 erklärte die belangte Behörde den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Mai 2003 gemäß § 68 Abs. 4 Z. 1 und 2 AVG als nichtig.
In ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde beantragt die beschwerdeführende Partei die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Sie bringt vor, es lägen keine zwingenden öffentlichen Interessen vor, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Eine Abwehr von Gefahren für das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum von Menschen komme nicht in Frage. Trigon 300 werde im Gegenteil gerade dazu eingesetzt, um diesen Schutz zu gewährleisten. Auch ein allfälliges auf den Umweltschutz gestütztes Interesse sei nicht ersichtlich. Es sei unter den Experten unstrittig, dass der (mögliche) Beitrag von Trigon 300 zum Treibhauseffekt minimal, wenn nicht vernachlässigbar sei; im Verhältnis zum sicheren Nutzen müsse er gänzlich unberücksichtigt bleiben. Auch die Klärung der Rechtslage könne kein zwingendes öffentliches Interesse begründen. Die gemäß § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmende Interessenabwägung ergebe, dass in der Ablehnung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eine erhebliche Härte lege. Der Wegfall des Rechtssicherheit schaffenden Feststellungsbescheides würde innerhalb der nächsten Monate unweigerlich irreversible Schäden hinsichtlich des Rufes und der Marktstellung der beschwerdeführenden Partei bewirken. Es handle sich nicht um eine lediglich abstrakte oder allgemeine Gefährdung; vielmehr seien - offenkundig bereits durch entsprechende Aktivitäten der Konkurrenten und der belangten Behörde - konkrete Aufträge bzw.
Auftraggeber betroffen.
Die belangte Behörde hat sich in ihrer Stellungnahme gegen
die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen.
In der Sache vertritt die belangte Behörde den Standpunkt,
die unzulässige Abweichung von der HFKW-FKW-SF6-VO sei als Gefährdung des Lebens und die Gesundheit von Menschen oder der Umwelt zu qualifizieren, die Hintanhaltung solcher Gefahren gerade Inhalt und Zweck dieser Verordnung sei. Es sprächen daher zwingende öffentliche Interessen gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Trigon 300 habe ein GWP (Global Warming Potential) von 11700. Es sei daher auch der nur vorübergehende Einsatz dieses Produktes als Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder der Umwelt zu qualifizieren. Durch den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien sei es der beschwerdeführenden Partei möglich, im gesamten Bundesgebiet Trigon-Löschanlagen in unbegrenzter Zahl zu errichten. Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde die mit der Verordnung beabsichtigte Wirkung, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, massiv konterkariert. Es gebe keine Löschsituation, die den Einsatz von FKW oder HFKW mit einem besonders hohem GWP-Wert erforderlich mache. Das von der beschwerdeführenden Partei vertriebene Löschgas Trigon 300 (HFKW- 23) habe ein Treibhauspotential (GWP) von 11700 und somit nicht nur den höchsten GWP-Wert innerhalb der Gruppe der HFKW, sondern auch einen weitaus höheren GWP-Wert als die gänzlich verbotenen FKW. Die klimadestabilisierende Wirkung dieses Stoffes übertreffe jene von Kohlendioxyd um das 11700-fache. Zudem habe dieser extrem klimabelastende Stoff auch noch eine atmosphärische Verweilzeit von 276 Jahren. Für alle Einsatzbereiche von Trigon 300 existierten Substitute bzw. alternative Löschtechniken. Im Gegensatz zur Behauptung der beschwerdeführenden Partei seien Gaslöschanlagen nicht emissionsfrei, sondern wiesen durchschnittliche Emissionen in der Größenordnung von ca. 7 % pro Jahr (einschließlich der Freisetzung im Brandfall) auf. Durch den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien würde der von der HFKW-FKW-SF6-V angestrebte Effekt, die Umstellung der Halonlöschanlagen ausschließlich auf HFKW-Löschanlagen abzufangen, unterlaufen. Für eine Verdeutlichung der konkreten Umweltgefahr von Trigon 300 sei festzustellen, dass bereits 100 kg dieses Stoffes einer Jahresemission von 500 PKW (Golf TDI 90 PS, 20.000 km pro Jahr) entsprächen. Weiters sei noch darauf aufmerksam zu machen, dass im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bis zur endgültigen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof in der Hauptsache alle bis zu diesem Zeitpunkt errichteten Trigon-Löschanlagen unbegrenzt weiter nachgefüllt werden könnten. Somit würde bei Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung die konkrete Umweltgefahr durch diesen gesteigerten Einsatz von Trigon 300 durch die Errichtung von Neuanlagen und deren Wiederbefüllung noch verstärkt.
Die Behauptung der beschwerdeführenden Partei, beim Einsatz von Trigon 300 würden Menschen, die sich im Gefahrenbereich befänden, nicht gefährdet, treffe nicht zu. Dies werde eindeutig durch den deutschen Zulassungsschein und die darin enthaltenen Auflagen widerlegt, aus denen hervorgehe, dass das Löschmittel Trigon 300 nicht eingesetzt werden dürfe, solange nicht die entsprechenden Schutzmaßnahmen für Personen ergriffen worden seien. Da beim Einsatz von Trigon 300 giftige Zersetzungsprodukte entstünden, seien alle Vorkehrungen zum Personenschutz vor dem Einsatz des Löschmittels zu treffen. Der Einsatz von Trigon 300 dürfe erst nach einer bestimmten Vorwarnzeit erfolgen, damit die sich im Gefahrenbereich aufhaltenden Personen rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden könnten. Vor dem Wiederbetreten der von Trigon 300 gefluteten Räumlichkeiten müsse die Raumluft schadlos abgesaugt werden. Im Falle eines Wiederbetretens von Räumen vor erfolgter Absaugung der Raumluft sei eine entsprechende Schutzausrüstung zu verwenden. Reinigungs- und Entsorgungsarbeiten in mit Fluorwasserstoff kontaminierten Räumlichkeiten dürften nur mit persönlicher Schutzausrüstung erfolgen.
Auch aus den chemikalienrechtlichen Sicherheitsdatenblättern ergebe sich eindeutig, dass bei einem Freisetzen des Löschmittels Trigon 300 im Brandfall giftige Zersetzungsprodukte gebildet würden bzw. dass beim Einatmen Symptome wie Verlust der Bewegungsfähigkeit und des Bewusstseins eintreten könnten und das Opfer die Erstickungssymptome nicht bemerke. Das Opfer sei unter Verwendung eines Atemgerätes sofort an die frische Luft zu bringen.
Die beschwerdeführende Partei hat in ihren Stellungnahmen zu diesen Ausführungen deren Richtigkeit bestritten. Sie weist darauf hin, dass alle vorliegenden Gutachten dem Einsatz von Trigon 300 Ungefährlichkeit bescheinigten.
Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Die belangte Behörde meint, der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden zwingende öffentliche Interessen entgegen.
Solche sieht sie zunächst in den Auswirkungen von Trigon 300 auf die Umwelt, weil dieser Stoff ein hohes GWP habe und damit den Treibhauseffekt verstärke.
Die Ausführungen in der Stellungnahme der belangten Behörde befassen sich mit den Auswirkungen von Trigon 300 im Allgemeinen. Die belangte Behörde hat aber nicht hinreichend dargetan, dass in der Zeit zwischen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache selbst von Löschanlagen der beschwerdeführenden Partei eine so gravierende Wirkung auf die Umwelt ausgehen könnte, dass vom Vorliegen zwingender öffentlicher Interessen gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus diesem Grund ausgegangen werden könnte.
Die belangte Behörde führt weiters gesundheitliche Belange als zwingende öffentliche Interessen gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ins Treffen.
Sie beruft sich dabei auf eine deutsche Zulassung von Trigon 300, welche die Verwendung dieses Stoffes wegen der damit verbundenen Gefahren nur unter bestimmten Auflagen zulässt.
Die beschwerdeführende Partei hält dem entgegen, die selben Bedenken müssten auch gegen andere Löschmittel erhoben werden. Trigon 300 werde von verschiedenen Stellen Unbedenklichkeit bescheinigt.
Mit diesem Einwand vermag die beschwerdeführende Partei aber nicht den Umstand aus der Welt zu schaffen, dass die von der belangten Behörde ins Treffen geführte deutsche Zulassung die Verwendung von Trigon 300 wegen der damit verbundenen Gefahren nur unter bestimmten Auflagen zulässt, während der Bescheid des LH von Wien die Einhaltung solcher Einschränkungen nicht gewährleistet.
Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stehen daher zwingende öffentliche Interessen an der Hintanhaltung einer Gesundheitsgefährdung von Menschen entgegen.
Hiezu kommt, dass selbst bei Fehlen solcher zwingender öffentlicher Interessen die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen wäre.
Die beschwerdeführende Partei trägt vor, die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung bewirkte für sie eine erhebliche Härte, weil unweigerlich irreversible Schäden hinsichtlich ihres Rufes und ihrer Marktstellung einträten.
Die beschwerdeführende Partei führt in diesem Zusammenhang zwar einige Fälle an, in denen eine Auftragserteilung entweder schon erfolgt sei oder unmittelbar bevorstehe, erläutert aber nicht den Zusammenhang mit der von ihr behaupteten Schädigung ihres Rufes oder ihrer Marktstellung.
Somit müsste auch eine Interessenabwägung zu Ungunsten der beschwerdeführenden Partei ausgehen.
Aus den dargestellten Gründen war die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.
Wien, am 19. März 2004
Schlagworte
Interessenabwägung Zwingende öffentliche InteressenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:AW2004070003.A00Im RIS seit
04.06.2004