TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/23 2001/11/0075

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Veröffentlicht am 23.03.2004
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Index

L92055 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Salzburg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

SHG Slbg 1975 §12 Abs1;
SHG Slbg 1975 §12 Abs2;
SHG Slbg 1975 §6 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der L in S, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in 5760 Saalfelden, Mittergasse 9, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 11. Jänner 2001, Zl. 3/01-S/28.010/3-2001, betreffend Einstellung von Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Zell am See setzte, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, mit Bescheid vom 6. Oktober 2000 die mit näher bezeichnetem Bescheid vom 14. Februar 2000 bewilligten (Sozialhilfe)Geldleistungen neu fest, indem sie der Beschwerdeführerin "vom 01.11.2000 bis auf weiteres" betragsmäßig näher aufgeschlüsselte Geldleistungen gewährte.

Mit Bescheid vom 17. November 2000 stellte die Bezirkshauptmannschaft Zell am See die der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 6. Oktober 2000 bewilligten Geldleistungen (für Mietanteil, Strom und Heizung, Bekleidung) gemäß § 6, § 8, § 11, § 12 und § 29 des Salzburger Sozialhilfegesetzes (SSHG) mit 30. November 2000 ein. In der Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin erhalte seit Jahren mit ihrer Tochter (N.) Sozialhilfeleistungen, weil sie arbeitsunfähig und ohne Pension sei und mit dem Unterhalt für die Tochter und der Wohnbeihilfe den Lebensbedarf nicht bestreiten könne. Da sich E.O., der Vater von N., zeitweise an Wochenenden zu Besuchszwecken in der Wohnung aufhalte, sei er als sonstiger Bewohner in der Sozialhilfeberechnung berücksichtigt worden. Aus gegebenem Anlass sei am 18. Oktober 2000 bei der Beschwerdeführerin ein Hausbesuch durchgeführt worden, um die Frage einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft mit E.O. zu klären. Demnach verbringe E.O. ca. jedes zweite Wochenende (sonst müsse er auch an Wochenenden arbeiten) seine Freizeit, Feiertage und seinen Urlaub in der Wohnung der Beschwerdeführerin. Er sei bei der Beschwerdeführerin jedoch nicht gemeindeamtlich gemeldet. Den Hauptwohnsitz habe E.O. in Kärnten bei seiner Mutter, wo er etwa zweimal im Jahr hinfahre. Wenn E.O. in der Wohnung der Beschwerdeführerin anwesend sei, werde gemeinsam eingekauft, gekocht und die Lebensmittel würden nicht getrennt gelagert. Die Wäsche von E.O. werde an den freien Wochenenden von der Beschwerdeführerin versorgt. Die Möbel in der Wohnung seien großteils von E.O. gekauft worden, er sei auch laufend damit beschäftigt, die Wohnung der Beschwerdeführerin zu verschönern. Das Schlafzimmer werde von der Beschwerdeführerin und E.O. gemeinsam benutzt. Die Tatsache, dass sich E.O. nicht die ganze Zeit bei der Beschwerdeführerin aufhalte, sei mit seiner Berufstätigkeit im Baugewerbe zu begründen, wo er österreichweit auf Montage unterwegs sei. Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes bestehe für das Sozialamt kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall eine Lebensgemeinschaft vorliege. Die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sei offensichtlich, die Frage der Geschlechtsgemeinschaft könne nicht restlos geklärt werden. Auf ergänzende Ermittlungstätigkeiten diesbezüglich könne jedoch verzichtet werden, weil bereits das Vorliegen der ersten zwei Kriterien ausreichend sei. Es bestehe unter Berücksichtigung der Berufstätigkeit von E.O. weitestgehend eine Gemeinsamkeit in der Lebensführung. Die Sozialhilfeberechnung für die Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung der Lebensgemeinschaft ergebe, dass fortan keine Hilfsbedürftigkeit nach dem SSHG mehr bestehe. An eigenen Mitteln stehe der Familie der Nettoverdienst von E.O. (laut Angaben rund S 20.000,-- exklusive Diäten - ein Beleg sei nicht beigebracht worden) und die Wohnbeihilfe (S 2.950,- -) zur Verfügung (kein Unterhalt für N. - E.O. sei Kindesvater - sein Einkommen werde bereits eingerechnet). Der Richtsatz für Lebensunterhalt betrage gesamt S 7.920,--. Der Wohnungsaufwand betrage für Miete S 7.283,91 (inklusive Betriebskosten und Heizung), für Strompauschale drei Personen + Boiler S 650,-- und für die Hausratsversicherung pauschal S 120,--. Der Ernährungsbedarf für die insulinpflichtige Diabeteserkrankung der Beschwerdeführerin liege bei über S 1.445,--. Der Arbeitnehmerfreibetrag für E.O. betrage S 1.338,--, der Heizkostenanteil laut Vorschreibung der WBG-B. S 542,34 monatlich. Den Eigenmitteln von S 22.950,-- stehe der anrechenbare Lebensbedarf von S 15.973,-- und die Ernährungsbeihilfe von S 1.445,-- gegenüber. Der Arbeitnehmerfreibetrag sei gutzuschreiben, der Heizkostenanteil aufgrund der Einkommenssonderzahlungen bei E.O. in Abzug zu bringen. Somit errechne sich ein Überhang von S 4.735,--, mit dem die Familie über den Richtlinien zur Hilfsbedürftigkeit nach dem SSHG liege. Der Beschwerdeführerin sei der Sachverhalt beim Hausbesuch vom 18. Oktober 2000, im Schreiben vom 7. November 2000 und anlässlich der persönlichen Vorsprache am 16. November 2000 mitgeteilt worden. Es seien keine entscheidungsrelevanten Tatsachen oder Beweise vorgebracht worden.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, das gesamte Ermittlungsverfahren der Behörde habe keinen einzigen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass sie mit E.O. tatsächlich in Lebensgemeinschaft lebe und E.O. sich verpflichtet habe, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Den Feststellungen des Bescheides sei nicht zu entnehmen, welche Leistungen E.O. der Beschwerdeführerin gegenüber tatsächlich erbringe. Insbesondere habe es die Behörde unterlassen, E.O. zum Vorliegen einer Lebensgemeinschaft zu befragen.

Mit Bescheid vom 11. Jänner 2001 gab die Salzburger Landesregierung der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 12 SSHG keine Folge und bestätigte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides. In der Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, E.O. beziehe laut aktuell ergänzend durchgeführter Einkommenserhebung seitens der erstinstanzlichen Behörde ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von exakt S 24.512,16. Eine Bestätigung des Dienstgebers vom 19. Dezember 2000 über den genannten Einkommensbetrag unter der Angabe des Wohnortes S., Z.-Straße 25a (Adresse der Beschwerdeführerin), liege vor. Aus nachgenannten Gründen sei seitens der erstinstanzlichen Behörde zu Recht zumindest vom Bestand einer Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft ausgegangen worden: Die Beschwerdeführerin gebe zwar vor, von E.O. keinen "Lebensunterhalt" in Form einer geldwerten Leistung zu erhalten. Dem gegenüber werde jedoch die Feststellung der erstinstanzlichen Behörde betreffend des gemeinsamen Einkaufes von Lebensmitteln und deren nicht getrennter Lagerung sowie des gemeinsamen Kochens nicht bestritten. Dies gelte ebenso für die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen der Einrichtung und laufenden Verschönerung der gemeinsam benützten Wohnung durch E.O. Als weiterer gewichtiger Beweis sei die Bestätigung des Wohnortes S., Z.-Straße 25a, seitens des Dienstgebers des E.O. anzuführen. Weiters schienen als Auftraggeber für die Begleichung der Versicherungsprämien einer vorhandenen Haushaltsversicherung für die Wohnung der Beschwerdeführerin laut im Akt befindlicher Bankbelege sowohl E.O. als auch die Beschwerdeführerin, beide in S., Z.-Straße 25a, auf. Die gemeinsame Benützung des Schlafzimmers werde nicht bestritten. Dies stelle neben einem Nachweis für den Bestand einer Wohngemeinschaft zumindest ein Indiz für den Bestand einer Geschlechtsgemeinschaft dar. Auch sei in diesem Zusammenhang auf das gemeinsame Kind N. hinzuweisen. In rechtlicher Hinsicht führte die Salzburger Landesregierung aus, das Wesen einer Lebensgemeinschaft sei darin gelegen, dass es sich um einen eheähnlichen Zustand handle, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspreche. Dazu gehöre im Allgemeinen die Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft. Es könne aber auch, wie in einer Ehe, bei der die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollten, das eine oder andere Merkmal fehlen oder schwächer ausgeprägt sein. Die Zeiträume beruflich bedingter Abwesenheit des E.O. seien demzufolge nicht dazu geeignet, den Bestand einer Lebensgemeinschaft zu entkräften. Bedingt durch das Vorliegen einer Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft sei die erstinstanzliche Behörde in ihrer Ansicht zu bestätigen, dass es einer restlosen Abklärung des Bestandes einer Geschlechtsgemeinschaft nicht bedürfe. Aufgrund der aufrechten Lebensgemeinschaft sei gemäß § 12 Abs. 2 letzter Satz SSHG der gemeinsame Bedarf der Lebensgefährten im gemeinsamen Haushalt zu ermitteln. Dies habe bezüglich der in § 12 Abs. 3 SSHG angeführten Teile unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen (§ 12 Abs. 1 SSHG). Gemäß § 12 Abs. 2 letzter Satz SSHG sei hierbei vom Richtsatz für den Hauptunterstützten und den Mitunterstützten auszugehen, welcher hier zusammen den Bedarf der Beschwerdeführerin und des E.O. als Lebensgefährten zu decken habe. Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie bekomme von E.O. keinen, wohl gemeint in Form direkter laufender Geldleistungen, Unterhalt, gehe insofern ins Leere, als aufgrund des Bestandes einer Wirtschaftsgemeinschaft, welche die gemeinsame Bedürfnisdeckung in sich schließe, von keinem Bedarf für gesonderte zusätzliche Geldleistungen auszugehen sei. Die rein rechtlich nicht bestehende Unterhaltsverpflichtung zwischen Lebensgefährten sei demzufolge im gegenständlichen Fall auch nicht dazu geeignet, einen vorgegebenen Bedarf der Beschwerdeführerin herbeizuführen, zumal dieser durch die tatsächlich von E.O. erbrachten Leistungen abgedeckt werde. Auch aus Gründen der Subsidiarität der Sozialhilfe bestehe daher für die Beschwerdeführerin kein Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe. Die Annahme einer Lebensgemeinschaft sei der Beschwerdeführerin im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme vor der erstinstanzlichen Behörde am 16. November 2000 vorgehalten worden. Das Berufungsvorbringen, sie sei hierzu nie befragt worden, sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar. Die von der erstinstanzlichen Behörde durchgeführte Sozialhilfeberechnung sei insoweit zu korrigieren, als das monatliche Nettoeinkommen des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, E.O., mit exakt S 24.512,16 anzunehmen sei. Die vorhandenen Eigenmittel überstiegen somit den monatlichen Bedarf um S 9.247,16. Bezüglich der angeführten Diabetes und der Selbstversicherung in der Krankenversicherung sei abschließend zu bemerken, dass die einschlägigen Kosten nach wie vor aufgrund des rechtskräftigen Bescheides vom 16. Februar 1999 aus Mitteln der Sozialhilfe getragen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des SSHG, LGBl. Nr. 19/1975 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 52/2000, lauten (auszugsweise):

"Aufgaben und Leistungen der Sozialhilfe

§ 1

(1) Die Sozialhilfe hat jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen (Hilfesuchender).

(2) Die Sozialhilfe umfasst die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, die Hilfe in besonderen Lebenslagen und die sozialen Dienste.

...

Anspruch

§ 6

(1) Ein Hilfesuchender, der sich im Lande Salzburg aufhält, hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, wenn er den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

...

Subsidiarität

§ 7

Die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes ist nicht zu gewähren, soweit andere Personen oder Einrichtungen aufgrund gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelung Hilfe leisten. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sowie der Familienförderung des Landes sind dabei aber nicht zu berücksichtigen.

Einsatz der eigenen Mittel

§ 8

(1) Die Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als der Einsatz des Einkommens und des verwertbaren Vermögens des Hilfesuchenden nicht ausreicht, um den Lebensbedarf (§10) zu sichern.

...

Lebensbedarf

§ 10

(1) Zum Lebensbedarf gehören:

1. der Lebensunterhalt;

...

Lebensunterhalt

§ 11

Der Lebensunterhalt umfasst die nötige Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und andere notwendige persönliche Bedürfnisse sowie im angemessenen Umfang die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben.

Richtsätze

§ 12

(1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat bezüglich der im Abs. 3 angeführten Teile unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

(2) In der Verordnung über die Festsetzung der Richtsätze sind die folgenden Arten von Richtsätzen vorzusehen:

1.

Richtsatz für den Alleinunterstützten;

2.

Richtsatz für den Hauptunterstützten;

3.

Richtsatz für den Mitunterstützten;

4.

Richtsatz für Kinder in fremder Pflege.

Der Richtsatz für den Alleinunterstützten hat den Bedarf eines Hilfesuchenden zu decken, der keine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen hat, die Richtsätze für den Hauptunterstützten und den Mitunterstützten zusammen den Bedarf eines Hilfesuchenden, seines Ehegatten oder Lebensgefährten und der sonst mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen. Bei den Richtsätzen für den Mitunterstützten sowie für Kinder in fremder Pflege können nach der Person und nach dem Alter besondere Unterteilungen getroffen werden.

..."

2. Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als begründet.

Nach der (übereinstimmenden) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Es kommt hierbei regelmäßig auf die Gesamtumstände des Einzelfalles an, wobei der Wirtschaftsgemeinschaft nach der Rechtsprechung überragende Bedeutung zukommt. Unter dem Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft ist zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen, etwa auch die Freizeit weitgehend gemeinsam verbringen. Der Begriff der Lebensgemeinschaft beschränkt sich allerdings nicht auf die rein materielle Seite; es handelt sich dabei um eine aus einer seelischen Gemeinschaft und dem Zusammengehörigkeitsgefühl heraus entstandene Bindung. Lebensgemeinschaft ist daher nicht nur ein äußerer Zustand, sondern sie setzt auch eine innere Einstellung der Partner voraus, die sich freilich im Allgemeinen nur aus äußeren Anzeichen erschließen lassen wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, dass die Einstellung der Beteiligten mit den Worten "gegenseitiger Beistand" umschrieben werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2003, Zl. 2003/10/0216, mwN).

Die Annahme einer Lebensgemeinschaft stützte die belangte Behörde auf den gemeinsamen Einkauf von Lebensmitteln und deren nicht getrennter Lagerung, das gemeinsame Kochen, die Einrichtung und laufende Verschönerung der gemeinsam benützten Wohnung durch E.O., die Bestätigung des Wohnortes S., Z.-Straße 25a, durch den Dienstgeber von E.O., die Begleichung der Versicherungsprämien einer vorhandenen Haushaltsversicherung für die Wohnung in S., Z.- Straße 25a, durch E.O. und die Beschwerdeführerin sowie die gemeinsame Benützung des Schlafzimmers. Es liege zumindest eine Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft vor. Die gemeinsame Benützung des Schlafzimmers stelle zumindest ein Indiz für den Bestand einer Geschlechtsgemeinschaft dar, wobei in diesem Zusammenhang auf das gemeinsame Kind N. hinzuweisen sei.

Dass die belangte Behörde auf der Grundlage ihrer Feststellungen angenommen hat, es lägen eindeutige äußere Anzeichen für den Bestand einer Lebensgemeinschaft vor, ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin hat diese einzelnen Feststellungen weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde mit konkretem Vorbringen bestritten. Sie hat lediglich ganz allgemein - im Sinne einer Rechtsbehauptung - behauptet, dass eine Lebensgemeinschaft nicht vorliege. Es gelingt ihr daher auch nicht, die Relevanz des von ihr gerügten Verfahrensmangels, nämlich die Unterlassung der Vernehmung des E.O. als Zeugen, darzutun. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die unstrittige berufsbedingte Abwesenheit des E.O. unter der Woche in diesem Zusammenhang nicht geeignet ist, den Bestand einer Lebensgemeinschaft in Zweifel zu ziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1996, Zl. 95/08/0095).

Obwohl demnach der Bestand einer Lebensgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und E.O. vom Verwaltungsgerichtshof den weiteren Überlegungen zu Grunde zu legen ist, kommt der Beschwerde Berechtigung zu.

Die belangte Behörde ist bei der Berechnung der Sozialhilfe nämlich davon ausgegangen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um die Hauptunterstützte und bei E.O. und der Tochter N. um Mitunterstützte handle. Sie hat bei der Bemessung der Sozialhilfeleistungen als eigene Mittel der Beschwerdeführerin das gesamte Haushaltseinkommen (Nettoverdienst des E.O. in Höhe von S 24.512,16 und Wohnbeihilfe in Höhe von S 2.950,--) berücksichtigt.

Das SSHG (arg. § 12 Abs. 1 und 2 leg.cit.) erfasst zum Zwecke der Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zwei verschiedene Konstellationen, nämlich den Bedarf eines Hilfesuchenden ohne "in Familiensgemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen" (für ihn gebührt der Richtsatz für Alleinunterstützte) und den Bedarf eines Hilfesuchenden mit "Ehegatten oder Lebensgefährten oder der sonst mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen" (für diese gebührt der Richtsatz für Haupt- und Mitunterstützte). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Heranziehung eines nicht Hilfebedürftigen als "Mitunterstützter" mit dem Ergebnis, dass dessen Mitberücksichtigung nur zu einer Verminderung der Sozialhilfeansprüche führt, die dem Hilfebedürftigen ansonsten zustünden, im Allgemeinen nicht zulässig. Eine aus Haupt- und Mitunterstützten zusammengesetzte Konstellation setzt daher voraus, dass auch die Angehörigen unterhaltsberechtigt und hilfebedürftig sind. Das Prüfschema hat jeweils an der Frage anzusetzen, ob nur die antragstellende Person hilfebedürftig ist oder auch die in Hausgemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Personen, wobei für jede Person gesondert zu prüfen ist, ob sie über eigene Mittel verfügt, deren Einsatz ihr zumutbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/08/0510, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Diese Grundsätze gelten nach dem SSHG auch dann, wenn der Hilfesuchende mit einem Lebensgefährten in Haushaltsgemeinschaft lebt. Denn aus der Gleichstellung des Lebensgefährten mit den "sonst mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen" (§ 12 Abs. 2 SSHG) ergibt sich, dass eine Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes eines Hilfesuchenden, der mit einem Lebensgefährten in Haushaltsgemeinschaft lebt, nach dem Richtsatz für Haupt- und Mitunterstützte voraussetzt, dass auch der Lebensgefährte hilfebedürftig ist (vgl. das zum WSHG ergangene hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0067).

Das Einkommen der in Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen ist in erster Linie nur für jene Person maßgebend (und daher nur auf den für diese Person heranzuziehenden Richtsatz anzurechnen), die es erzielt. Auf andere Personen ist dieses Einkommen nur insoweit anzurechnen, als gegenüber diesen Personen entsprechende sozialhilferechtlich relevante (nicht rückzahlbare) Zuwendungen tatsächlich erfolgen oder sie auf solche Zuwendungen einen Rechtsanspruch besitzen und dieser leicht liquidierbar ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. April 1998).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage erweist sich die Vorgehensweise der belangten Behörde bei der Berechnung der Sozialhilfe als rechtswidrig. Sie hätte zunächst den offensichtlich nicht hilfebedürftigen E.O. nicht als Mitunterstützen berücksichtigen dürfen. Weiters ist die Anrechung des gesamten Einkommens von E.O. auf die eigenen Mittel der Beschwerdeführerin rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin besäße als Lebensgefährtin auch keinen Rechtsanspruch auf Zuwendungen gegenüber E.O. In Betracht käme im Falle einer Lebensgemeinschaft nur die Berücksichtigung im einzelnen festgestellter, bedarfsmindernder Zuwendungen des Lebensgefährten (vgl. die zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem WSHG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 24. Juni 1997, Zl. 95/08/0109, und vom 20. September 2000, Zl. 98/03/0079).

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. März 2004

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001110075.X00

Im RIS seit

16.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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